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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.05.2019

Ein sehr kalter Fall

Unbarmherzig (Ein Gina-Angelucci-Krimi 2)
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Die Rezension behandelt das Hörbuch

Zum Inhalt:
Nach dem Fund von Knochen eines Paares, welches schon vor mehr als 70 Jahren den Tod fand, darf Gina Angelucci erst nach einigen Finten ihrerseits ermitteln. ...

Die Rezension behandelt das Hörbuch

Zum Inhalt:
Nach dem Fund von Knochen eines Paares, welches schon vor mehr als 70 Jahren den Tod fand, darf Gina Angelucci erst nach einigen Finten ihrerseits ermitteln. Denn ein Täter kann nur solange belangt werden, wie er selber lebt, - andererseits wird das Verfahren eingestellt und bei diesem Doppelmord scheint das höchst wahrscheinlich. Doch Gina sieht sich in der Pflicht, die Identität der beiden Leichen festzustellen und ihre Angehörigen zu finden, um diesen Gewissheit zu verschaffen. Bald wird klar, dass die Vorgänge mit der in Altbruck von Zwangsarbeitern betriebenen Munitionsfabrik zusammenhängen, denn die weibliche Tote kommt aus Osteuropa.

Mein Eindruck:
„Unbarmherzig“ ist eine von Vera Teltz sehr gut interpretierte Geschichte, die sich intensiv mit dem Leben von Zwangsarbeitern in der NS-Geschichte beschäftigt und den Bogen in die heutige Zeit spannt. Sehr interessant und fein recherchiert sind dabei die Blicke in die Vergangenheit, in der Löhnig in gewohnt guter Manier von Ängsten, Hoffnungen und Schicksalsgemeinschaften inner- und außerhalb der Munitionsfabrik schreibt. Alles ist spürbar und perfekt nachzuvollziehen, und obwohl viel Zeit vergangen ist, fühlt man sich den Figuren sehr nah und realisiert das Ausmaß des Schreckens, den die NS-Diktatur über weite Teile Europas gebracht hat. Dagegen fällt der „heutige“ Teil stark ab. Zuallererst stört massiv, dass die größte Unstimmigkeit – ein Toter an der Front mit den Papieren des Erschossenen von Altbruck – nicht geklärt wird. Desweiteren sind die Probleme, die die Autorin hier ihren Charakteren aufzwängt, zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Es gibt eine Familienfehde, die fast affig in ihren Ausmaßen erscheint und – damit auch privat bei Angelucci/Dühnfort nicht nur alles rosarot ist – hat die Familie ein Kind mit Down-Syndrom, welches von dämlichen Rechtsextremen beleidigt und einer psychisch kranken Frau bedroht wird. Das ist dann doch eine Spur zu viel Privatgedöns mit brauner Soße (der Begutachter der Stalkerin ist zusätzlich ein Anhänger der identitären Bewegung). Aber vor allen Dingen fragt sich der geneigte Leser – und auch die Leserin – wie eine Kommissarin, die eine seit Jahren spurlos verschwundene, enge Freundin hat, erst jetzt auf die Idee kommt, nach dieser zu suchen. Schließlich ist Gina Mitglied einer Einheit für Cold Cases, selbst wenn es diese offiziell gar nicht gibt. Da auch hier der Hinweis auf rechte Verstrickungen nicht fehlt – im Moment der Burner bei Krimi-Autoren – wird sich das nächste Buch wohl mit diesem Verschwinden befassen.

Mein Fazit:
Sehr gut in der Vergangenheit, leider zu gewollt in der Gegenwart

Veröffentlicht am 26.05.2019

(Alp)Traumfabrik

Der blutrote Teppich
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Zum Inhalt:
Hardy Engel hat den Traum von der Schauspielerei aufgegeben und widmet sich ganz seiner Detektei im Hollywood der 20er Jahre. Immer knapp bei Kasse freut er sich über den Auftrag, den der Regisseur ...

Zum Inhalt:
Hardy Engel hat den Traum von der Schauspielerei aufgegeben und widmet sich ganz seiner Detektei im Hollywood der 20er Jahre. Immer knapp bei Kasse freut er sich über den Auftrag, den der Regisseur William Desmond Taylor ihm erteilen will. Doch dann wird Taylor erschossen und Hardy bei dem Versuch der Aufklärung von allen Seiten behindert. Denn viele haben nicht nur die sprichwörtliche Leiche im Keller und scheuen sich auch nicht, dieser noch einige weitere hinzuzufügen: Hohe Tiere im Filmgeschäft, der Politik und nicht zuletzt bei der Polizei.

Mein Eindruck:
Wie schon bei seinem ersten Krimi aus den ersten Jahren der Traumfabrik beweist Weigold den richtigen Riecher für Skandale, die damals wie heute die Gemüter bewegen. Ein toter Regisseur, viele bekannte Namen unter Verdacht, schöne Frauen, skrupellose Männer und mittendrin Hardy Engel, der sich nicht korrumpieren lässt. Der perfekte Held, da er eben nicht perfekt ist: Kein Geld, um seine alte Liebe trauernd, Glasauge, hoher Verbrauch von verbotenem Alkohol, aber trotzdem die weißeste Weste innerhalb aller Schattierungen von grau bis tiefschwarz. Großen Spaß bereiten immer wieder die Erwähnungen der Personen des öffentlichen Interesses, von denen der Autor einige in seinem Werk auftreten lässt: Charlie Chaplin, Carl Laemmle, Cecil B. DeMille sind nur einige, die Weigold aufs schriftstellerische Korn nimmt und genüsslich seziert. Weigold besitzt einen absolut gängigen Schreibstil und ein Talent für Beschreibungen. Sein Detektiv ist mit genau der richtigen Prise Selbstironie und schwarzem Humor ausgestattet und – da er in der ersten Person erzählt – tappen die Leser gemeinsam mit dem Ermittler im Dunkeln, bis sich der Fall klärt. Doch da wir uns in Hollywood befinden, gibt es zum Schluss die große Nebelmaschine und alle Aufklärung geht in Rauch auf. Glücklicherweise gibt es einen Epilog, denn nach dem Fall ist vor dem Fall. Und mit dem erkämpften Respekt und seinem kleinen Netzwerk von einigen Aufrechten sollte es Hardy gelingen, hoffentlich bald noch einige Vertuschungen aufzudecken und seltsame Todesfälle zu klären. Diese werden ganz bestimmt wieder ein Spaß für seine Leser sein, selbst wenn sie (natürlich) zwischen den dicken Deckeln eines unveröffentlichten Drehbuchs verschwinden und sich die Politik gemeinsam mit den Filmbossen für das höhere Gut verbündet: Money makes the world go round.

Mein Fazit:
Guter Stil, auch wenn der Anzug nicht sitzt

Veröffentlicht am 15.05.2019

Fulminant

The Fourth Monkey - Das Mädchen im Eis
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Zum Inhalt:
Nachdem der Fourth Monkey Killer Bishop entkommen ist, werden wieder Mädchen tot aufgefunden. Und obwohl die Handschrift an Bishop erinnert, meint der Polizeibeamte Sam Porter noch etwas Anderes ...

Zum Inhalt:
Nachdem der Fourth Monkey Killer Bishop entkommen ist, werden wieder Mädchen tot aufgefunden. Und obwohl die Handschrift an Bishop erinnert, meint der Polizeibeamte Sam Porter noch etwas Anderes in den Morden zu sehen. Etwas, oder Jemand. Deshalb macht er sich auf die Jagd. Suspendiert und misstrauisch beäugt vom FBI, nur mit Hilfe einer Anwältin und dem unterschlagenen Tagebuch aus Bishops Kindheit. Denn dort hofft er Antworten zu finden, doch manchmal findet man mehr, als man sucht. Und nicht immer gefällt einem das, was man findet.

Mein Eindruck:
Dieser Autor wagt eine Gratwanderung, indem er in seiner Geschichte relativ viele Klischees und NoGos benutzt, die eine deren überdrüssige oder zartbesaitete Leserschaft stören könnten. Der Protagonist Sam Porter hat Probleme, den Tod seiner Frau zu verkraften, der Antagonist Bishop eine über alle Maßen schwere Kindheit, die Morde werden an unschuldigen Kindern verübt und zudem noch sehr detailliert beschrieben und grausam ausgeführt. Zu allem Überfluss verweist er auf eine sehr ärgerliche Weise oft auf den Vorgänger „Geboren, um zu töten“. Denn einerseits wird man das Buch nicht mehr lesen wollen, da alle Twists und Geheimnisse bekannt sind, andererseits bemerkt man schnell, dass die Lücken im Verständnis fast zu groß sind. Aber – und genau das ist die große Kunst Barkers – eben nur „fast“. Denn er beherrscht die große Kunst zu unterhalten, von allen Zutaten genau so viel für den Cocktail „Thriller“ zu verwenden, dass dieser schmeckt und süchtig macht, - nach der nächsten Seite, dem nächsten Kapitel, dem nächsten Buch. Seine Charaktere sind gut gewählt, handeln folgerichtig, man kann mit ihnen fiebern, sie verstehen, mit ihnen leiden und sie verachten; alles zu seiner Zeit und jedem so, wie ihm gebührt. Und so manches Mal bringt man widersprüchliche Gefühle für widersprüchliche Menschen auf und so manches Mal wird man von ihren Handlungen komplett überrascht. Doch auch diese Twists geraten Barker verständlich und nach dem großen Knall in der Gegenwart führt er die Leser zurück in die Vergangenheit, die vieles erklärt und die Gier auf den nächsten Band nährt.

Mein Fazit:
Hoffentlich lässt das nächste Buch nicht allzu lange auf sich warten

Veröffentlicht am 05.05.2019

Perfekt konstruiert

Auris
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Zum Inhalt:
Um das Trauma ihrer eigenen Vergewaltigung zu verarbeiten, hat die Radiomoderatorin Jula einen Podcast eingerichtet, auf dem sie über wahre Verbrechen und Justizirrtümer berichtet. Ihre neueste ...

Zum Inhalt:
Um das Trauma ihrer eigenen Vergewaltigung zu verarbeiten, hat die Radiomoderatorin Jula einen Podcast eingerichtet, auf dem sie über wahre Verbrechen und Justizirrtümer berichtet. Ihre neueste Geschichte befasst sich mit dem Akustik-Profiler Hegel. Nie anders als rechtschaffen aufgetreten, sitzt dieser seit einem Jahr in Haft, da er einen überaus brutalen Mord gestanden hat. Obwohl Hegel Jula darum bittet, dass sie die Finger von seinem Fall lässt, bemerkt sie Ungereimtheiten in der Beweisfolge und stürzt sich in ein Abenteuer, welches nicht nur sie, sondern auch ihren kriminellen Halbbruder Elyas in Gefahr bringt.

Mein Eindruck:
Ja, der Name Fitzek zieht im Bereich der Psychothriller. Dass er allerdings noch auffälliger auf dem Cover abgebildet ist als der von Vincent Kliesch, obwohl nur die Idee von dem Bestsellerautor geliefert wurde, wird diesem Roman und seinem Autor absolut nicht gerecht. Denn weder in Schreibstil, noch in Spannungsaufbau, Brutalität und Begabung, die Leser in die Irre laufen zu lassen, steht Kliesch im Schatten des großen Meisters. Seine beiden Protagonisten sind klug gewählt: Eine hippe, junge Journalisten und ein genialer Wissenschaftler – die Basis für kluge und interessante Dialoge und Gefechte ist damit vorhanden. Und noch etwas gefällt: Dieses Buch soll der Auftakt zu einer Reihe sein, was die Einführung mehrerer Nebencharaktere voraussetzt. Trotz dieser Anforderung schafft es Kliesch, genügend Zeit auf den Fall zu verwenden und so viele falsche Spuren zu legen, dass selbst geübte Leser dieses Genres bis kurz vor Schluss über die Auflösung rätseln – und letztendlich sogar noch einmal überrascht werden. Private Verwicklungen der Charaktere sind dabei nicht störend sondern notwendig und bringen die Story voran. Der Cliffhanger – und eigentlich sind es sogar zwei – ist genial. Denn er stört nicht den Abschluss einer Geschichte, lässt aber trotzdem nach dem nächsten Band der Reihe gieren.

Mein Fazit:
Furioser Auftakt, gerne bald mehr

Veröffentlicht am 04.05.2019

Ich bin sprachlos!

Zehn Stunden tot (Ein Fabian-Risk-Krimi 4)
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Zum Inhalt:
Fabian Risk hat sich eigentlich eine Auszeit genommen, da seine Tochter bei seinem letzten Fall fast getötet wurde. Außerdem führt Fabian private Ermittlungen durch, weil er den Kriminaltechniker ...

Zum Inhalt:
Fabian Risk hat sich eigentlich eine Auszeit genommen, da seine Tochter bei seinem letzten Fall fast getötet wurde. Außerdem führt Fabian private Ermittlungen durch, weil er den Kriminaltechniker des Teams des Mordes an dessen Nachbarin, dessen Schwiegervater und einem Polizisten verdächtigt. Doch die Umstände zwingen ihn in den Dienst zurück: Ein kleiner Junge mit Migrationshintergrund, eine schöne Controllerin mit seltsamer Tätowierung im Intimbereich und ein Fleischfachverkäufer werden ermordet, seine beiden Kolleginnen kämpfen mit massiven, privaten Problemen und die Schwedendemokraten rüsten nicht nur verbal auf. Das führt ihn bald zu der Frage: Sind die Vorfälle miteinander verbunden und falls ja – was ist der rote Faden?

Mein Eindruck:
Selten war ich so sprachlos nach einem Hörbuch mit 600 Minuten Lesezeit. Großartig gesprochen, sehr spannend durch viele Perspektivwechsel und dann kommt man zum Ende und nichts ist geklärt, rein gar nichts. Die Geschichte beinhaltet viele Rückblenden auf vergangene Bücher, die einige Fragezeichen ins Gesicht zaubern. Mit ein wenig Fantasie lassen sich jedoch die entstehenden Lücken im Wissen notdürftig schließen. Aber dann findet das Buch an sich nicht ein einziges, wirklich befriedigendes Ende. Sämtliche „Alt-Fälle“ werden in den nächsten Band transferiert und die neu begonnenen haben keinerlei Abschluss, bei einigen fragt man sich nach einem Motiv, bei allen, ob es einen Zusammenhang gibt. Dabei hat man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass sich Anhem verzettelt hat – er versucht sich nur an einem großen Ganzen, was vielleicht bei einem Epos wie Game of Thrones verzeihlich, bei einem Krimi jedoch absolut enttäuschend ist. Außerdem stört, dass er die politische Korrektheit im Umgang mit den Schwedendemokraten so auf die Spitze treibt, dass es schon wieder kontraproduktiv ist: Jeder ist ein Vollblut-Nazi, die Brandanschläge auf die eigenen Leute sind inszeniert, der Mord an dem Jungen wird bejubelt, Andersdenkende beschimpft, eingeschüchtert und verfolgt. Es ist schade, dass Anhem nicht auf die Idee kommt, diese Partei etwas subtiler zu entlarven, denn so ist es so übertrieben, dass es eher wie eine lächerliche, nicht ernst zu nehmende Karikatur als eine echte Beschreibung der Zustände wirkt. Aber das Schlimmste ist und bleibt, dass der Autor sehr viele richtig böse Figuren relativ straffrei agieren und bei vielen Taten sogar die Identität des Mörders im Dunkeln lässt. Und noch etwas fällt auf, was im gleichberechtigten Schweden seltsam anmutet: Während fast alle Frauen Opfer und/oder zu schwach sind, sich zu wehren, dem Alkohol und anderen Verführern zu widerstehen, sind die Täter auf allen Ebenen männlich, Mörder, Vergewaltiger, korrupt, Spanner, häusliche Gewalttäter, pädophil, schizophren und politisch verblendet – das volle Programm. Und ihre Strafe bekommen sie erst im nächsten Buch… oder übernächsten…. oder gar nicht.

Mein Fazit:
Ein einziger großer Cliffhanger, - trotz aller Spannung eine Frechheit