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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2019

Überspannt

Gespräche mit Freunden
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Zum Inhalt:
Die Studentinnen Frances und Bobbi lernen Melissa – eine Fotografin – und ihren Mann, den Schauspieler Nick kennen. Obwohl das Ehepaar gut 10 Jahre älter ist, findet sich eine gemeinsame Ebene, ...

Zum Inhalt:
Die Studentinnen Frances und Bobbi lernen Melissa – eine Fotografin – und ihren Mann, den Schauspieler Nick kennen. Obwohl das Ehepaar gut 10 Jahre älter ist, findet sich eine gemeinsame Ebene, auf der zuerst diskutiert und dann geliebt wird.

Mein Eindruck:
Viel Gequatsche um fast nichts. Oder: Mir persönlich hat sich der Hype um dieses Debüt der irischen Schriftstellerin Sally Rooney und seine vielfache Prämierung nicht erschlossen. Dass es junge Menschen geben mag, die so reden, wie in diesem Buch eloquent parliert wird, ist durchaus möglich (die Autorin ist kaum älter als ihre beiden Hauptfiguren Frances und Bobbi gewesen, als sie das Buch schrieb), aber eher ungewohnt. Der Schreibstil war gut, aber auch nicht der Überflieger – das mag der Übersetzung geschuldet sein – und dass mancher Leser das Buch nicht aus der Hand legen konnte, erschließt sich mir ebenfalls nicht. Aber – wie sagt man so schön bei Abschieden, die nicht zu weh tun sollen – es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Ich verstand nicht, was das Buch mir letztendlich sagen sollte. Zu vieles darin war mir zu unglaubwürdig und zu gewollt. Die Dialoge waren gestelzt, die Ausgangslage (warum traf man sich eigentlich überhaupt andauernd bei Melissa?) zu bemüht und die Entwicklung der Beziehung/en seltsam. Man hat ein großes Schmerzproblem durch eine schlimme Krankheit und verschweigt dieses nicht nur vor den Menschen, die einem nahe stehen, sondern auch in der Uni und verbaut sich möglicherweise seinen ganzen Lebensweg? Weshalb?
Für mich ist das Buch ein typisches folgender Sorte: Ich schreibe jetzt einen tiefgründigen Roman, was nehme ich da? Komplizierte Beziehungen, Krankheit, schwere Kindheit, fertig!
Und siehe da, - es wird ein Bestseller! Herzlichen Glückwunsch, alles richtig gemacht.


Mein Fazit:
Der Roman wird seine Liebhaber finden, mir war er jedoch zu kapriziös

Veröffentlicht am 11.08.2019

Schlag in den Magen

Wir von der anderen Seite
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Zum Inhalt:
Während eines Krankenhausaufenthaltes treten bei der Drehbuchautorin Rahel Komplikationen auf und sie wird in ein künstliches Koma versetzt. Nach dem Erwachen fehlen ihr Erinnerungen und ihr ...

Zum Inhalt:
Während eines Krankenhausaufenthaltes treten bei der Drehbuchautorin Rahel Komplikationen auf und sie wird in ein künstliches Koma versetzt. Nach dem Erwachen fehlen ihr Erinnerungen und ihr Körper sieht nicht nur anders aus, sondern funktioniert nicht mehr so, wie sie es vor diesem Einschnitt gewohnt war. Glücklicherweise steht ihre komplette Familie hinter ihr und auch ihre Freunde versuchen, sie auf dem steinigen Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten.

Mein Eindruck:
Bei diesem Roman mit autobiographischen Zügen beschreitet Decker Wege abseits der leichten Muse, für die sie sonst bekannt ist. Denn auch wenn sie treffsicher und pointiert Einsprengsel ihres Humors einsetzt, bleibt „Wir von der anderen Seite“ doch ein eher ernster Roman über die Probleme, welche ein plötzlicher krankheitsbedingter Schicksalsschlag mit sich bringt. Dass sich Decker durch ihren eigenen Hintergrund in ihre Protagonistin – genial gesprochen von Katja Riemann – perfekt einfühlen kann, macht die Geschichte noch einen Ticken besser, als sie ohne dieses Wissen wäre. Sprachlich einwandfrei (von einer langjährigen, erfolgreichen Autorin erwartbar) bekommt die Leserschaft einen ungeschönten Blick auf das Schauspiel-Business mit all seinen Höhen und Tiefen und einen Eindruck der Ängste eines Freiberuflers. Doch hauptsächlich geht es um den Kampf gegen die Nachwirkungen der Krankheit, die damit verbundenen Probleme, den steinigen Weg in eine ungewisse Zukunft. Dass dabei nicht alles Gold ist, was glänzt, welchen Einfluss die Erziehung und das Umfeld auf den Charakter hat und wie aus etwas Schlechtem auch etwas Gutes erwachsen kann, bildet dafür den perfekten Rahmen.
Man kann diesen Roman mögen oder nicht, - ungerührt bleiben wird aber wohl niemand. Er ist definitiv nicht für das Hören oder Lesen in der Öffentlichkeit geeignet, denn oft bleibt kein Auge trocken.
Das Ende zeigt die Entwicklung der Figur und ist wie der Rest des Buches – nicht nur positiv, aber ergebnisoffen mit einem Silberstreif am Horizont.


Mein Fazit:
Ein Highlight in diesem Jahr

Veröffentlicht am 21.07.2019

Bitter

Dann schlaf auch du
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Zum Inhalt:
Myriam und Paul sind beide beruflich erfolgreich – sie als Anwältin, er als Musikproduzent – und gönnen sich für ihre beiden kleinen Kinder den Luxus eines Kindermädchens. Keines mit Migrationshintergrund, ...

Zum Inhalt:
Myriam und Paul sind beide beruflich erfolgreich – sie als Anwältin, er als Musikproduzent – und gönnen sich für ihre beiden kleinen Kinder den Luxus eines Kindermädchens. Keines mit Migrationshintergrund, sondern Louise, eine Blondine mit guten Referenzen. Doch schleichend beginnt Louise, sich in dem Leben der Familie einzunisten. Als sie bemerkt, dass Myriam und Paul das nicht länger dulden werden, kommt es zur Katastrophe.

Mein Eindruck:
Das Buch beginnt direkt mit dem Paukenschlag des Doppelmordes an zwei kleinen Kindern und dem Selbstmordversuch der Mörderin. Danach gleitet die Geschichte in ein ruhigeres Fahrwasser und Slimani führt ihre Leser ganz behutsam in den Abgrund. Durch die Kenntnis des Schlusses stellt sich gleich zu Beginn ein unbehagliches Gefühl ein, - egal, wie viel Liebe, Zärtlichkeit und Rosenduft Louise versprüht. Als dieses Gefühl irgendwann auch das glückliche Paar erfasst, ist es schon zu spät. Und obwohl Slimani eindringlich schildert, lässt sie viel im Unklaren. Zum Schluss bleibt man genauso fassungslos wie zu Beginn, ungeachtet dessen, dass man meint, eine ganze Menge über Louises Gefühle und ihr Leben mit und abseits der Kinder gelesen zu haben. Doch alles ist an der Oberfläche, in die Tiefe gelangt man nicht und ist trotz der 200 Seiten Text und den Einblicken in die Vergangenheit und die Gedanken der Täterin so fassungslos, wie zu Beginn des Buch. Warum die Verzweiflung Louises an ihrem Dasein in einen erweiterten Suizid mündet, bleibt unklar, - ebenso wie der Verbleib der Menschen, die bis dahin in ihrem Leben eine Rolle spielten. Dass man sich dennoch nicht von der Autorin verschaukelt fühlt, ist die große Kunst Slimanis. Denn wie sie die immer größer werdende dunkle Wolke über dem vermeintlich glücklichen Leben malt, ist meisterhaft.

Mein Fazit:
Unsagbar traurig

Veröffentlicht am 16.07.2019

Großartig, ohne Abstriche!

Achtsam morden
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Zum Inhalt:
Der Anwalt an Björn Diemel muss an vielen Fronten kämpfen: Die Kanzlei, in der er arbeitet, befördert ihn 1. nicht, weil er 2. den cholerischen, Björn in die Ecke treibenden Gangsterboss Dragan ...

Zum Inhalt:
Der Anwalt an Björn Diemel muss an vielen Fronten kämpfen: Die Kanzlei, in der er arbeitet, befördert ihn 1. nicht, weil er 2. den cholerischen, Björn in die Ecke treibenden Gangsterboss Dragan betreut, der 3. von Björns misstrauischen Freund bei der Polizei akut eines Mordes verdächtigt wird. Zu allem Überfluss ist seine Frau dermaßen genervt von der Situation, dass sie nicht nur 4. schlechteste Ehelaune verbreitet, sondern zusätzlich 5. einen Umzug mit der gemeinsamen Tochter Emily androht. Die einzige Chance, diesem gesammelten Stress zu entkommen, scheint in einem Achtsamkeitsseminar zu liegen. Dieses absolviert Björn und das so erfolgreich, dass er seine Probleme allesamt löst. Blutig, aber achtsam!

Mein Eindruck:
Selten bin ich mit Jan Böhmermann auf einer Wellenlänge, was Humor anbetrifft. Aber seine Meinung, die im Klappentext zitiert wird, kann ich vorbehaltlos unterschreiben. Wenn Monty Python ein Buch geschrieben hätte, wäre es wohl ähnlich dem von Karsten Dusse geraten: Tiefschwarzer Humor, politisch inkorrekt bis ins Mark, weder Kinder noch Ausländer oder Frauen werden verschont, Polizisten sind korrupt, die Anwaltschaft bigott, die Umwelt wird auf Kosten von Kinderarbeit und einem CO2-Abdruck, der Goliath zur Ehre gereicht, nur pseudomäßig von modernen Gutmenschen gerettet.
Dusse schreibt nicht nur bildhaft, sondern so flüssig, dass man sich in einem Strom von gut gesetzter Achtsamkeit verlieren könnte, während man tief ein- und ausatmet. Überhaupt die Bilder: Kriminelle Großkaliber, die ihr Meeting auf Kindergartenstühlchen abhalten und über Fischstäbchen und Buchstabensuppe sinnieren, - auf diese Idee muss man erst einmal kommen und sie ist nicht die einzige, die zu spontanem Gelächter auf der Couch veranlassen lässt. Selbst blutrünstige Szenen werden durch die perfekte Absurdität der Ereignisse abgemildert. Dusses kurze Kapitel (immer mit einer Achtsamkeits-Übung als Einleitung) laden dabei immer zu einem Weiterlesen ein. Wirklich „gute“ Menschen gibt es in diesem Buch zwar nicht, trotzdem kristallisiert sich sehr schnell für die Leser heraus, wem man ein Happy-End wünscht und wem eben nicht, - Kollateralschäden gerne inbegriffen.

Mein Fazit:
Ein Highlight am Krimihimmel!

Veröffentlicht am 15.07.2019

Schwankt zwischen Tiefe und Untiefe

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz ...

Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz russischer Krimineller verloren gegangen. Durch die Arbeitslosigkeit Marks in finanzieller Bredouille, beschließt das Paar nach einigem Hin und Her, sich ungeachtet der Gefahr den Fund anzueignen. Gleichzeitig treibt Erin ihr eigenes Projekt voran: Einen Dokumentarfilm, der sich mit der baldiger Haftentlassung dreier Krimineller befasst: Die der jugendlichen Brandstifterin Holly, die von Alexa, die ihrer Mutter Sterbehilfe geleistet hat und die des alten Bandenchefs Eddie, der wie damals Al Capone über eine fehlerhafte Buchführung zu Fall gebracht wurde. Durch dieses Engagement gerät Erin in das Visier der Polizei und bald bekommen die beiden Frischvermählten Ärger. Großen Ärger.

Mein Eindruck:
Das Debüt von Catherine Steadman kommt langsam, dann aber gewaltig. Ihre Ich-Erzählerin ist zwar manchmal von einer erschreckenden Naivität, kommt damit aber auf bezaubernde Weise ganz gut durch ihr Leben. Und auch wenn die Entwicklung der Geschichte und seiner Protagonistin sehr viele Buchseiten in Anspruch nimmt, ist es schön zu lesen, wie zum Schluss sämtliche Fäden zusammengefügt werden. Ein guter Schreibstil und eine passende Interpretin am Hörbuch-Mikrofon lassen die Story lebendig werden und - insbesondere zum Ende hin – die Spannung steigern. Da Erins Handlungen eher unorthodox und (auch für ihren Ehemann Mark) öfter einmal überraschend sind, schlägt die Geschichte einige unerwartete Haken, bis sie nach etwa 80 Prozent eine Aufklärung über den fulminanten Beginn des Buches anbietet. Doch wer die Befürchtung hegt, dass ab jetzt nur noch seicht und vorhersehbar geplätschert wird, sieht sich mit einer absolut überraschenden Wendung konfrontiert.
Aber bei allem Lob gibt es auch Grund zu Tadel: Fast alle Figuren werden hauptsächlich über ihr Aussehen definiert. Die Autorin legt zwar Erin in den Mund, dass sie als Filmemacherin auf so etwas achten muss, trotzdem langweilt es irgendwann, mehrfach über die Kleidergröße der Protagonistin informiert zu werden. Dafür erfährt man relativ wenig über das Zusammenleben mit ihrem Ehemann, insofern es nicht direkt mit der Herausforderung durch den Zufallsfund zu tun hat. Außerhalb von „ich liebe ihn, er ist so attraktiv“ bleibt nicht viel und das mag für eine oberflächliche Beziehung reichen, für eine Ehe ist es zu wenig.

Mein Fazit:
Ein Buch, das oft an der Oberfläche bleibt, wenn es jedoch in die Tiefe von Verwicklungen geht, wird es wunderbar nebulös und überraschend.