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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.05.2019

Vorhersehbar, aber mit schönem Lokalkolorit

Die Bildermacherin
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Zum Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt die erfolgreiche Fotografin Amalia in ihr Heimatdorf in Südtirol zurück. Dort erfährt sie, dass ihre Großmutter Cäcilie, die Amalia nach dem frühen Tod der ...

Zum Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt die erfolgreiche Fotografin Amalia in ihr Heimatdorf in Südtirol zurück. Dort erfährt sie, dass ihre Großmutter Cäcilie, die Amalia nach dem frühen Tod der Eltern aufgezogen hat, durch eine Gewehrkugel starb. Als Amalia selbst in Gefahr gerät, muss sie feststellen, dass es viele Geheimnisse im Leben ihrer Oma gab, welche in deren Jugend im Südtiroler Widerstand begründet liegen.

Mein Eindruck:
Insbesondere die Ausflüge in die 60er Jahre wissen zu gefallen, da außerhalb Südtirols der Umgang mit den zwangseingemeindeten Österreichern durch die geborenen Italiener eher unbekannt sein dürfte. Auch die wirtschaftliche Not und die gesellschaftlichen Zwänge, die noch gar nicht so lange Vergangenheit sind, verdienen es, den Weg ins Bewusstsein einer eher von materiellen Wohlstand und Freigeist geprägten Generation zu finden. Hier hat der Kriminalroman seine großen Momente und zwar nicht nur in den direkten, dort spielenden Kapiteln sondern auch in den Erinnerungen der damit befassten Charaktere. Die Benutzung der Mundart passt wunderbar und wird gut durch ein Glossar aufgefangen; einige Begriffe wären für den hochdeutschen Leser sonst ewig in den Schluchten der Südtiroler Berge verschollen geblieben.
Die Zeichnung der Protagonistin fällt dagegen stark ab. Es überwiegt das Gefühl von Oberflächlichkeiten, - Augenfarbe, Haarstyling und Kleidungsstücke sind zu oft Thema. Außerdem stört, dass Amalia sehr oft von der „Zille“ denkt und spricht, wenn ihre Oma gemeint ist; seltsam, den Vornamen zu nutzen, wenn doch immer wieder die starke Verbundenheit betont wird.
Der Kriminalfall mit den Anschlägen auf Großmutter und Enkelin ist leicht durchschaubar, die mordende Person kristallisiert sich – außer für Amalia – schnell heraus. Das Ende ist so in einem fiktiven Roman mit einem happyendsüchtigen Publikum zu erwarten, wäre im echten Leben jedoch für diese Art von Persönlichkeit fern jeder Möglichkeit.

Mein Fazit:
Interessanter Exkurs in das Dorfleben zu früherer Zeit, die Gegenwart hat noch Potenzial

Veröffentlicht am 28.04.2019

Mein ist die Rache

Nemesis
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Das Buch ist der vierte Teil einer Reihe um das Verhältnis der Staatsanwältin C.J. zu dem Serienmörder Cupido. Es gibt viele Querverweise zu Vorkommnissen in den vorhergehenden Romanen (mit inhaltlichen ...

Das Buch ist der vierte Teil einer Reihe um das Verhältnis der Staatsanwältin C.J. zu dem Serienmörder Cupido. Es gibt viele Querverweise zu Vorkommnissen in den vorhergehenden Romanen (mit inhaltlichen Spoilern derselben), so dass ein nachträgliches Lesen dieser Bücher große Überraschungseffekte dort zerstören würde. Auch die folgende Rezension spoilert deshalb die Vorgänger und sollte von Lesern missachtet werden, die sich die Bücher noch zu Gemüte führen wollen. Für alle anderen gilt: „Nemesis“ ist ohne Vorkenntnisse der älteren Bücher gut lesbar.

Zum Inhalt:
C. J. muss keine Angst mehr vor Cupido haben – schließlich hat sie selbst den Serienmörder und –Vergewaltiger getötet und dessen Leiche vergraben. Sein Vermächtnis treibt sie jedoch alsbald um, als ein Frauenkörper mit einer Tätowierung gefunden wird. Dieser weist auf den von Cupido erwähnten Snuff-Video-Ring hin, dem einige superreiche und sehr hoch angesehene Mitglieder der Gesellschaft angehören. Da C.J. klar ist, dass diesen Männern nicht mit dem Gesetz beizukommen ist, macht sie sich auf ihren ganz persönlichen Rachefeldzug – immer in Angst davor, damit ihre Ehe und Karriere aufs Spiel zu setzen.

Mein Eindruck:
Hoffman spielt meisterhaft auf der Klaviatur des Grauens. Dabei weiß sie im brutalen Massaker genauso zu überzeugen wie bei den subtilen Andeutungen, die beispielsweise die Kontaktaufnahme mit den Opfern begleiten und die Nackenhaare bei der Leserschaft aufrichten lassen. Fast in jedem Satz ist zumindest ein Unbehagen gewollt, jede Figur erhält gebührende Aufmerksamkeit, jedes Motiv für jede Tat kristallisiert sich ganz klar heraus. Wunderbar gelingt es der Autorin, die Leserschaft bei allem Glauben in Gesetzestreue zumindest im Ansatz von der Notwendigkeit der Selbstjustiz zu überzeugen und davon, dass ein Weg manchmal gegen die eigene Überzeugung und das eigene (Un)rechtsbewusstsein gegangen werden muss.
Der Schreibstil ist schnörkellos und trotzdem eindringlich, der Spannungsaufbau perfekt und die Aufmerksamkeit bleibt von der ersten bis zur letzten Seite ununterbrochen erhalten. Das Ende bietet zwar ein wenig zu viel perfekte Familie, bildet jedoch einen perfekten Abschluss des perfekten vierten – und höchstwahrscheinlich letzten – Teils der Reihe um C.J. und ihr Trauma.

Mein Fazit:
Gelungen, wenn man die Moral dem nicht ganz gesunden Gerechtigkeitssinn opfert


Veröffentlicht am 22.04.2019

Zu lang und zu distanziert

SCHWEIGEPFLICHT
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Zum Inhalt:
Emelie ist eine junge, aufstrebende Anwältin für Wirtschaftrecht, ihre Karriere scheint in geordneten Bahnen zu verlaufen. Doch dann wird sie als Verteidigerin eines jungen Mannes aufgerufen, ...

Zum Inhalt:
Emelie ist eine junge, aufstrebende Anwältin für Wirtschaftrecht, ihre Karriere scheint in geordneten Bahnen zu verlaufen. Doch dann wird sie als Verteidigerin eines jungen Mannes aufgerufen, der des Mordes verdächtigt wird. Gegen den Widerstand ihrer Chefs übt sie das Mandat aus und bittet Teddy um Hilfe. Einen Ex-Kriminellen, der für die Kanzlei arbeitet und auf wundersame Weise mit dem Tatverdächtigen verbunden ist: Er hat vor Jahren dessen Vater Mats entführt. Mats beging Selbstmord und Teddy fühlt, dass er dessen Sohn etwas schuldig ist.

Mein Eindruck:
Über 600 Seiten bedeuten für den Leser, dass er viel zu verdauen hat: Viele Charaktere, viele Verbrechen unterschiedlichster Couleur, viele Verwicklungen, viel Schmerz, viele Tote…
Aber bei aller Fülle fehlt etwas: Der rote Faden, der alles miteinander verbindet. Zwar gibt es zum Schluss eine Art von Auflösung, diese ist jedoch nicht einmal ansatzweise komplett und beglückt mit einem offenen Ende, das eher wütend und sprachlos als zufrieden zurücklässt. Natürlich informiert sich dann der vormals geneigte Leser und stellt fest, dass er den ersten Band einer Trilogie gelesen hat. Und das erklärt dann so einige Schwachstellen des Werkes: Die Charaktere sind wenig beschrieben, wenn auch tiefgründig gewollt. Die Aufklärung fällt verhalten bis gar nicht aus, die schiere Anzahl von Informationen (immer neue Figuren mit Namen und zum Teil zusätzlich Spitznamen) überfordert und möglicherweise wäre es besser gewesen, Lapidus hätte sich auf ein Feld beschränkt. Aber so gibt es illegale Waffen, Drogen, Überfälle, Jugo-Mafia, Wirtschaftskriminalität, Spielsucht, Kinderpornos, große Unbekannte, korrupte Polizisten und einen Leser, der kapituliert.
Denn was zu viel ist, beginnt zu langweilen. Der Autor wirft Bröckchen, wendet sich wieder einem anderen Teil zu, viele Figuren werden eingeführt um dann nicht mehr erwähnt zu werden (vielleicht ja in Teil 2?). Und wenn man dann endlich auf Seite 637 angelangt ist, ist man sprachlos vor Wut, denn eigentlich ist nichts wirklich zu Ende. So ein Thriller – Trilogie hin oder her – kann mir gestohlen bleiben. Egal, wie viele Preise dafür vergeben wurden. Dass James Ellroy ihn positiv bespricht, hätte dabei Warnung sein müssen – ist er doch selber gerne (zu) weitschweifig.

Mein Fazit:
Bewundernswert, wer da aufmerksam bei der Stange bleibt. Mir blieb diese Kunst verwehrt.

Veröffentlicht am 18.04.2019

Träum ich oder wach ich?

Tote Asche
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Zum Inhalt:
Kurz nach dem Tod ihrer Mutter trifft Kira fast der Schlag, als sie nach Hause kommt und die Urne ihrer Mutter vorfindet. Der Gang zum Friedhof macht auch nicht glücklich, als dort ein Luftballon ...

Zum Inhalt:
Kurz nach dem Tod ihrer Mutter trifft Kira fast der Schlag, als sie nach Hause kommt und die Urne ihrer Mutter vorfindet. Der Gang zum Friedhof macht auch nicht glücklich, als dort ein Luftballon an einem Kreuz hängt, auf dem ihr Name und ein Sterbedatum steht, welches nur fünf Tage in der Zukunft liegt. Da sie unter Wahnvorstellungen litt, scheut sie sich, ihr Umfeld einzuweihen, - schließlich traut sie sich fast selber nicht. Doch das erweist sich als Fehler, denn alleine scheint sie machtlos gegen den unsichtbaren, tödlichen Feind.

Mein Eindruck:
Patricia Walter ist ohne Zweifel ein sehr spannender Roman um Wahn und Wirklichkeit gelungen, der seine große Wirkung aus dem Umstand zieht, dass sich die Protagonistin hoffnungslos verloren fühlt. Da sich Kira vor lauter Angst seltsam verhält, reagiert ihr Umfeld ebenfalls irritiert, zieht sich zurück und Kira – jetzt gänzlich im Stich gelassen – wird noch panischer und der Strudel dreht sich immer schneller. Und auch dem Leser schwirrt bald der Kopf und er fragt sich ganz wie Kira: Was ist wahr und was ist Fantasie? Und ist überhaupt irgendetwas real oder alles nur geträumt? Da der Thriller sich Kiras Perspektive bedient, gelingt das Verwirrspiel ganz famos. Walter erschafft dafür ein ganzes Netz von Figuren, die wie die Motten um Kira schwirren, nach denen sie schlägt um dann voller Entsetzen auf Todesfälle zu stoßen. Durch die Menge an Charakteren sind diese nicht immer besonders ausdifferenziert gestaltet, für den ein oder anderen Holzweg beim tätersuchenden Publikum sorgen sie aber auf das Feinste. Die Erkenntnis der Identität der mordenden Person kommt dadurch sehr spät, gelingt jedoch plausibel und gut hergeleitet. Einzig der dauernde Hinweis auf Kiras Labilität infolge eines Kindheitstraumas nervt bisweilen, ist jedoch für die Entwicklung der Story unabdingbar.

Mein Fazit:
Ein gut gemachter Thriller und seinen Preis unbedingt wert

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Charaktere
  • Spannung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 07.04.2019

Der Zielgruppe ins Herz getroffen

Running Girl
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Zum Inhalt:
Garvie sieht wahnsinnig gut aus und ist 16, hochbegabt und der Alptraum seiner Mutter. Denn er lässt sich mit den falschen Leuten ein, lügt, hat keine Lust auf Schule, dafür umso mehr auf bewusstseinsverändernde ...

Zum Inhalt:
Garvie sieht wahnsinnig gut aus und ist 16, hochbegabt und der Alptraum seiner Mutter. Denn er lässt sich mit den falschen Leuten ein, lügt, hat keine Lust auf Schule, dafür umso mehr auf bewusstseinsverändernde Mittel. Kommissar Singh ist dagegen überhaupt nicht cool, dafür religiös, sehr strebsam und wenig beliebt bei seinen Kollegen. Zwei Menschen, die nicht viel miteinander gemein haben, bis Chloe stirbt, Garvies Ex-Freundin, und dieser das Gefühl hat, dass Singh ohne Hilfe bei der Suche nach dem Täter scheitern wird. Und so setzt Garvie seinen außergewöhnlichen IQ bei der Lösung des Mordes ein – misstrauisch beäugt von Mutter, Lehrern und nicht zuletzt von Singh.

Mein Eindruck:
Simon Mason trifft bei seiner Zielgruppe höchstwahrscheinlich genau ins Schwarze. Sein Held ist cool, selbstbewusst, macht was er will und lässt sich dabei weder von den Umständen, noch von irgendwelchen Erwachsenen etwas sagen. Liest man jedoch das Buch mit ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel, gewinnen andere Eindrücke die Oberhand: Man erblickt einen Jugendlichen, der seine Versprechen bricht, kifft, einbricht, lügt, stiehlt und betrügt, - als Identifikationsfigur also eher suboptimal, egal, wie geschickt und klug Garvie dabei agiert. Dass diese Handlungen kaum Konsequenzen oder Restriktionen (außer ein paar „dududus“) nach sich ziehen, ist sehr ärgerlich. Singh, der zweite Hauptcharakter, ist dagegen erschreckend farblos und langweilig, eigentlich erfährt man nur, dass er seine Religion praktiziert und hört, dass seine Kollegen ihn nicht mögen – in die Tiefe geht die Beschreibung sonst nicht.
Der Autor stellt viele Charaktere kurz vor; möglicherweise in der Hoffnung einer Reihe um seinen jugendlichen Detektiv geschuldet. Für die meisten Personen bleibt jedoch sehr wenig Platz, so dass beim Umblättern Namen, Funktion und Bedeutung für die Geschichte schon vergessen sind.
Doch egal wie viel Angriffsfläche die Personenzeichnung bietet, - Spannung weiß Mason unbedingt zu erzeugen und auch die humorvollen Teile gelingen ihm sehr gut und sind fein austariert. Gefährliche Situationen sind wunderbar bildhaft geschildert und laden zum Mitfiebern mit den betroffenen Figuren ein.
Die (ein bisschen sehr übertriebene) Komplexität des Falls bieten einige Sequenzen eines Showdowns, insbesondere die letzte ist gut hergeleitet und stimmig.

Mein Fazit:
Ein Sympathieträger für eine jugendliche Zielgruppe (12 – 14 Jahre); Erziehungsberechtigte schlagen – wenn sie sich den Umgang mit so einem Bürschchen vorstellen – die Hände über dem Kopf zusammen