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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.05.2019

Perfekt konstruiert

Auris
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Zum Inhalt:
Um das Trauma ihrer eigenen Vergewaltigung zu verarbeiten, hat die Radiomoderatorin Jula einen Podcast eingerichtet, auf dem sie über wahre Verbrechen und Justizirrtümer berichtet. Ihre neueste ...

Zum Inhalt:
Um das Trauma ihrer eigenen Vergewaltigung zu verarbeiten, hat die Radiomoderatorin Jula einen Podcast eingerichtet, auf dem sie über wahre Verbrechen und Justizirrtümer berichtet. Ihre neueste Geschichte befasst sich mit dem Akustik-Profiler Hegel. Nie anders als rechtschaffen aufgetreten, sitzt dieser seit einem Jahr in Haft, da er einen überaus brutalen Mord gestanden hat. Obwohl Hegel Jula darum bittet, dass sie die Finger von seinem Fall lässt, bemerkt sie Ungereimtheiten in der Beweisfolge und stürzt sich in ein Abenteuer, welches nicht nur sie, sondern auch ihren kriminellen Halbbruder Elyas in Gefahr bringt.

Mein Eindruck:
Ja, der Name Fitzek zieht im Bereich der Psychothriller. Dass er allerdings noch auffälliger auf dem Cover abgebildet ist als der von Vincent Kliesch, obwohl nur die Idee von dem Bestsellerautor geliefert wurde, wird diesem Roman und seinem Autor absolut nicht gerecht. Denn weder in Schreibstil, noch in Spannungsaufbau, Brutalität und Begabung, die Leser in die Irre laufen zu lassen, steht Kliesch im Schatten des großen Meisters. Seine beiden Protagonisten sind klug gewählt: Eine hippe, junge Journalisten und ein genialer Wissenschaftler – die Basis für kluge und interessante Dialoge und Gefechte ist damit vorhanden. Und noch etwas gefällt: Dieses Buch soll der Auftakt zu einer Reihe sein, was die Einführung mehrerer Nebencharaktere voraussetzt. Trotz dieser Anforderung schafft es Kliesch, genügend Zeit auf den Fall zu verwenden und so viele falsche Spuren zu legen, dass selbst geübte Leser dieses Genres bis kurz vor Schluss über die Auflösung rätseln – und letztendlich sogar noch einmal überrascht werden. Private Verwicklungen der Charaktere sind dabei nicht störend sondern notwendig und bringen die Story voran. Der Cliffhanger – und eigentlich sind es sogar zwei – ist genial. Denn er stört nicht den Abschluss einer Geschichte, lässt aber trotzdem nach dem nächsten Band der Reihe gieren.

Mein Fazit:
Furioser Auftakt, gerne bald mehr

Veröffentlicht am 04.05.2019

Ich bin sprachlos!

Zehn Stunden tot (Ein Fabian-Risk-Krimi 4)
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Zum Inhalt:
Fabian Risk hat sich eigentlich eine Auszeit genommen, da seine Tochter bei seinem letzten Fall fast getötet wurde. Außerdem führt Fabian private Ermittlungen durch, weil er den Kriminaltechniker ...

Zum Inhalt:
Fabian Risk hat sich eigentlich eine Auszeit genommen, da seine Tochter bei seinem letzten Fall fast getötet wurde. Außerdem führt Fabian private Ermittlungen durch, weil er den Kriminaltechniker des Teams des Mordes an dessen Nachbarin, dessen Schwiegervater und einem Polizisten verdächtigt. Doch die Umstände zwingen ihn in den Dienst zurück: Ein kleiner Junge mit Migrationshintergrund, eine schöne Controllerin mit seltsamer Tätowierung im Intimbereich und ein Fleischfachverkäufer werden ermordet, seine beiden Kolleginnen kämpfen mit massiven, privaten Problemen und die Schwedendemokraten rüsten nicht nur verbal auf. Das führt ihn bald zu der Frage: Sind die Vorfälle miteinander verbunden und falls ja – was ist der rote Faden?

Mein Eindruck:
Selten war ich so sprachlos nach einem Hörbuch mit 600 Minuten Lesezeit. Großartig gesprochen, sehr spannend durch viele Perspektivwechsel und dann kommt man zum Ende und nichts ist geklärt, rein gar nichts. Die Geschichte beinhaltet viele Rückblenden auf vergangene Bücher, die einige Fragezeichen ins Gesicht zaubern. Mit ein wenig Fantasie lassen sich jedoch die entstehenden Lücken im Wissen notdürftig schließen. Aber dann findet das Buch an sich nicht ein einziges, wirklich befriedigendes Ende. Sämtliche „Alt-Fälle“ werden in den nächsten Band transferiert und die neu begonnenen haben keinerlei Abschluss, bei einigen fragt man sich nach einem Motiv, bei allen, ob es einen Zusammenhang gibt. Dabei hat man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass sich Anhem verzettelt hat – er versucht sich nur an einem großen Ganzen, was vielleicht bei einem Epos wie Game of Thrones verzeihlich, bei einem Krimi jedoch absolut enttäuschend ist. Außerdem stört, dass er die politische Korrektheit im Umgang mit den Schwedendemokraten so auf die Spitze treibt, dass es schon wieder kontraproduktiv ist: Jeder ist ein Vollblut-Nazi, die Brandanschläge auf die eigenen Leute sind inszeniert, der Mord an dem Jungen wird bejubelt, Andersdenkende beschimpft, eingeschüchtert und verfolgt. Es ist schade, dass Anhem nicht auf die Idee kommt, diese Partei etwas subtiler zu entlarven, denn so ist es so übertrieben, dass es eher wie eine lächerliche, nicht ernst zu nehmende Karikatur als eine echte Beschreibung der Zustände wirkt. Aber das Schlimmste ist und bleibt, dass der Autor sehr viele richtig böse Figuren relativ straffrei agieren und bei vielen Taten sogar die Identität des Mörders im Dunkeln lässt. Und noch etwas fällt auf, was im gleichberechtigten Schweden seltsam anmutet: Während fast alle Frauen Opfer und/oder zu schwach sind, sich zu wehren, dem Alkohol und anderen Verführern zu widerstehen, sind die Täter auf allen Ebenen männlich, Mörder, Vergewaltiger, korrupt, Spanner, häusliche Gewalttäter, pädophil, schizophren und politisch verblendet – das volle Programm. Und ihre Strafe bekommen sie erst im nächsten Buch… oder übernächsten…. oder gar nicht.

Mein Fazit:
Ein einziger großer Cliffhanger, - trotz aller Spannung eine Frechheit

Veröffentlicht am 04.05.2019

Vorhersehbar, aber mit schönem Lokalkolorit

Die Bildermacherin
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Zum Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt die erfolgreiche Fotografin Amalia in ihr Heimatdorf in Südtirol zurück. Dort erfährt sie, dass ihre Großmutter Cäcilie, die Amalia nach dem frühen Tod der ...

Zum Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt die erfolgreiche Fotografin Amalia in ihr Heimatdorf in Südtirol zurück. Dort erfährt sie, dass ihre Großmutter Cäcilie, die Amalia nach dem frühen Tod der Eltern aufgezogen hat, durch eine Gewehrkugel starb. Als Amalia selbst in Gefahr gerät, muss sie feststellen, dass es viele Geheimnisse im Leben ihrer Oma gab, welche in deren Jugend im Südtiroler Widerstand begründet liegen.

Mein Eindruck:
Insbesondere die Ausflüge in die 60er Jahre wissen zu gefallen, da außerhalb Südtirols der Umgang mit den zwangseingemeindeten Österreichern durch die geborenen Italiener eher unbekannt sein dürfte. Auch die wirtschaftliche Not und die gesellschaftlichen Zwänge, die noch gar nicht so lange Vergangenheit sind, verdienen es, den Weg ins Bewusstsein einer eher von materiellen Wohlstand und Freigeist geprägten Generation zu finden. Hier hat der Kriminalroman seine großen Momente und zwar nicht nur in den direkten, dort spielenden Kapiteln sondern auch in den Erinnerungen der damit befassten Charaktere. Die Benutzung der Mundart passt wunderbar und wird gut durch ein Glossar aufgefangen; einige Begriffe wären für den hochdeutschen Leser sonst ewig in den Schluchten der Südtiroler Berge verschollen geblieben.
Die Zeichnung der Protagonistin fällt dagegen stark ab. Es überwiegt das Gefühl von Oberflächlichkeiten, - Augenfarbe, Haarstyling und Kleidungsstücke sind zu oft Thema. Außerdem stört, dass Amalia sehr oft von der „Zille“ denkt und spricht, wenn ihre Oma gemeint ist; seltsam, den Vornamen zu nutzen, wenn doch immer wieder die starke Verbundenheit betont wird.
Der Kriminalfall mit den Anschlägen auf Großmutter und Enkelin ist leicht durchschaubar, die mordende Person kristallisiert sich – außer für Amalia – schnell heraus. Das Ende ist so in einem fiktiven Roman mit einem happyendsüchtigen Publikum zu erwarten, wäre im echten Leben jedoch für diese Art von Persönlichkeit fern jeder Möglichkeit.

Mein Fazit:
Interessanter Exkurs in das Dorfleben zu früherer Zeit, die Gegenwart hat noch Potenzial

Veröffentlicht am 28.04.2019

Mein ist die Rache

Nemesis
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Das Buch ist der vierte Teil einer Reihe um das Verhältnis der Staatsanwältin C.J. zu dem Serienmörder Cupido. Es gibt viele Querverweise zu Vorkommnissen in den vorhergehenden Romanen (mit inhaltlichen ...

Das Buch ist der vierte Teil einer Reihe um das Verhältnis der Staatsanwältin C.J. zu dem Serienmörder Cupido. Es gibt viele Querverweise zu Vorkommnissen in den vorhergehenden Romanen (mit inhaltlichen Spoilern derselben), so dass ein nachträgliches Lesen dieser Bücher große Überraschungseffekte dort zerstören würde. Auch die folgende Rezension spoilert deshalb die Vorgänger und sollte von Lesern missachtet werden, die sich die Bücher noch zu Gemüte führen wollen. Für alle anderen gilt: „Nemesis“ ist ohne Vorkenntnisse der älteren Bücher gut lesbar.

Zum Inhalt:
C. J. muss keine Angst mehr vor Cupido haben – schließlich hat sie selbst den Serienmörder und –Vergewaltiger getötet und dessen Leiche vergraben. Sein Vermächtnis treibt sie jedoch alsbald um, als ein Frauenkörper mit einer Tätowierung gefunden wird. Dieser weist auf den von Cupido erwähnten Snuff-Video-Ring hin, dem einige superreiche und sehr hoch angesehene Mitglieder der Gesellschaft angehören. Da C.J. klar ist, dass diesen Männern nicht mit dem Gesetz beizukommen ist, macht sie sich auf ihren ganz persönlichen Rachefeldzug – immer in Angst davor, damit ihre Ehe und Karriere aufs Spiel zu setzen.

Mein Eindruck:
Hoffman spielt meisterhaft auf der Klaviatur des Grauens. Dabei weiß sie im brutalen Massaker genauso zu überzeugen wie bei den subtilen Andeutungen, die beispielsweise die Kontaktaufnahme mit den Opfern begleiten und die Nackenhaare bei der Leserschaft aufrichten lassen. Fast in jedem Satz ist zumindest ein Unbehagen gewollt, jede Figur erhält gebührende Aufmerksamkeit, jedes Motiv für jede Tat kristallisiert sich ganz klar heraus. Wunderbar gelingt es der Autorin, die Leserschaft bei allem Glauben in Gesetzestreue zumindest im Ansatz von der Notwendigkeit der Selbstjustiz zu überzeugen und davon, dass ein Weg manchmal gegen die eigene Überzeugung und das eigene (Un)rechtsbewusstsein gegangen werden muss.
Der Schreibstil ist schnörkellos und trotzdem eindringlich, der Spannungsaufbau perfekt und die Aufmerksamkeit bleibt von der ersten bis zur letzten Seite ununterbrochen erhalten. Das Ende bietet zwar ein wenig zu viel perfekte Familie, bildet jedoch einen perfekten Abschluss des perfekten vierten – und höchstwahrscheinlich letzten – Teils der Reihe um C.J. und ihr Trauma.

Mein Fazit:
Gelungen, wenn man die Moral dem nicht ganz gesunden Gerechtigkeitssinn opfert


Veröffentlicht am 22.04.2019

Zu lang und zu distanziert

SCHWEIGEPFLICHT
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Zum Inhalt:
Emelie ist eine junge, aufstrebende Anwältin für Wirtschaftrecht, ihre Karriere scheint in geordneten Bahnen zu verlaufen. Doch dann wird sie als Verteidigerin eines jungen Mannes aufgerufen, ...

Zum Inhalt:
Emelie ist eine junge, aufstrebende Anwältin für Wirtschaftrecht, ihre Karriere scheint in geordneten Bahnen zu verlaufen. Doch dann wird sie als Verteidigerin eines jungen Mannes aufgerufen, der des Mordes verdächtigt wird. Gegen den Widerstand ihrer Chefs übt sie das Mandat aus und bittet Teddy um Hilfe. Einen Ex-Kriminellen, der für die Kanzlei arbeitet und auf wundersame Weise mit dem Tatverdächtigen verbunden ist: Er hat vor Jahren dessen Vater Mats entführt. Mats beging Selbstmord und Teddy fühlt, dass er dessen Sohn etwas schuldig ist.

Mein Eindruck:
Über 600 Seiten bedeuten für den Leser, dass er viel zu verdauen hat: Viele Charaktere, viele Verbrechen unterschiedlichster Couleur, viele Verwicklungen, viel Schmerz, viele Tote…
Aber bei aller Fülle fehlt etwas: Der rote Faden, der alles miteinander verbindet. Zwar gibt es zum Schluss eine Art von Auflösung, diese ist jedoch nicht einmal ansatzweise komplett und beglückt mit einem offenen Ende, das eher wütend und sprachlos als zufrieden zurücklässt. Natürlich informiert sich dann der vormals geneigte Leser und stellt fest, dass er den ersten Band einer Trilogie gelesen hat. Und das erklärt dann so einige Schwachstellen des Werkes: Die Charaktere sind wenig beschrieben, wenn auch tiefgründig gewollt. Die Aufklärung fällt verhalten bis gar nicht aus, die schiere Anzahl von Informationen (immer neue Figuren mit Namen und zum Teil zusätzlich Spitznamen) überfordert und möglicherweise wäre es besser gewesen, Lapidus hätte sich auf ein Feld beschränkt. Aber so gibt es illegale Waffen, Drogen, Überfälle, Jugo-Mafia, Wirtschaftskriminalität, Spielsucht, Kinderpornos, große Unbekannte, korrupte Polizisten und einen Leser, der kapituliert.
Denn was zu viel ist, beginnt zu langweilen. Der Autor wirft Bröckchen, wendet sich wieder einem anderen Teil zu, viele Figuren werden eingeführt um dann nicht mehr erwähnt zu werden (vielleicht ja in Teil 2?). Und wenn man dann endlich auf Seite 637 angelangt ist, ist man sprachlos vor Wut, denn eigentlich ist nichts wirklich zu Ende. So ein Thriller – Trilogie hin oder her – kann mir gestohlen bleiben. Egal, wie viele Preise dafür vergeben wurden. Dass James Ellroy ihn positiv bespricht, hätte dabei Warnung sein müssen – ist er doch selber gerne (zu) weitschweifig.

Mein Fazit:
Bewundernswert, wer da aufmerksam bei der Stange bleibt. Mir blieb diese Kunst verwehrt.