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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.04.2018

Kein großer Wurf

Blutschatten
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Zum Inhalt:
Sunday Night lebt in einem selbst gewählten Exil, als sie die Bitte ihres Ziehvaters erreicht: Sie soll für eine sehr reiche alte Dame deren Enkelin suchen, welche vor einem Jahr spurlos verschwand, ...

Zum Inhalt:
Sunday Night lebt in einem selbst gewählten Exil, als sie die Bitte ihres Ziehvaters erreicht: Sie soll für eine sehr reiche alte Dame deren Enkelin suchen, welche vor einem Jahr spurlos verschwand, nachdem unter anderem ihre Mutter und ihr Bruder bei einem Bombenanschlag getötet wurden. Gestählt durch ihre Vergangenheit bei Militär und Polizei und mit ihrem Bruder an der Seite geht Sunday auf die Suche und sieht sich bald einem Netz von religiös motivierten Attentätern gegenüber, die vor nichts zurückschrecken, um ihr Ziel zu erreichen.

Mein Eindruck:
Unendlich cool oder unendlich blöd – Kathy Reichs ist keine Autorin für Zwischentöne, was ihre Figuren in diesem Krimi betrifft. Differenziert ist anders – hier fühlt man sich an einen Groschenroman erinnert. Mit einer sehr, sehr, sehr... also so etwas von gebrochener Heldin mit schwerer Kindheit, vernarbtem Gesicht und Seele, roten Haaren und perfekter Ausbildung als Killermaschine. Zwar absolut emotionslos gegenüber den Bösen, aber mit einem goldenen Herzen und immer einem Spruch auf den Lippen – den die Ich-Erzählerin Sunday in unnachahmlicher Weise den Lesern und ihren Gegenübern um die Ohren haut. Ansonsten wird viel observiert, geballert und geprügelt – und in aller Ausführlichkeit beschrieben; glücklicherweise hat unsere Heldin gutes Heilfleisch und eine noch bessere Kondition. Wenigstens verzichtet Frau Reich darauf, den Polizeiapparat als einen Haufen von Dumpfbacken darzustellen, - die Beamten müssen zwar natürlich von Sunday angeleitet werden, bestehen aber nicht aus drögen Paragraphenreitern, sondern sind offen für Hilfe von außen. Der einzige Pluspunkt des Buchs lässt sich in der Idee finden, die Anschläge vom 11. September für eine besondere Idee eines Privatkrieges zu verarbeiten.

Mein Fazit:
Der erste Thriller mit neuer Heldin – es darf auch gern der letzte sein.

Veröffentlicht am 18.04.2018

Wa(h)re Arktisliebe

Das Eis
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Zum Inhalt:
Durch das Kalben eines Gletschers findet die Leiche von Tom Harding ihren Weg an die Luft und in die Augen der Reisenden eines Kreuzfahrtschiffes. Drei Jahre war Tom verschollen, nachdem er ...

Zum Inhalt:
Durch das Kalben eines Gletschers findet die Leiche von Tom Harding ihren Weg an die Luft und in die Augen der Reisenden eines Kreuzfahrtschiffes. Drei Jahre war Tom verschollen, nachdem er und sein Freund Sean in einer Höhle verschüttet worden waren. Beide befanden sich gemeinsam mit drei Geschäftspartnern in der Arktis in einer exklusiven Unterkunft, welche der Umweltaktivist Tom und der Arktisliebhaber Sean als lauschigen Treffpunkt für die Reichen und Mächtigen der Welt aufgebaut hatten. Und nun stellt sich die Frage, ob wirklich alles so friedlich, freundschaftlich und reibungslos vonstatten ging, wie Sean es nach dem Unfall der Welt geschildert hat.

Mein Eindruck:
Paull gelingt es, ein wichtiges Thema so aufzubereiten, dass der erhobene Zeigefinger ein wohltuendes Kribbeln im Bauch auslöst und nicht wie sonst ärgerliche Schmerzen in der Magengegend. Sie konzentriert sich dabei ganz auf ihren Protagonisten Sean, aus dessen Sicht – wenn auch in der dritten Person – die Geschichte entwickelt und aufgerollt wird. Die einzelnen in ihrer Länge absolut schmackhaften Kapitel werden von Reminiszenzen an vergangene Arktisforscher unterbrochen: Zitate, kurze Abhandlungen oder Erzählungen.
Sean wird als Mensch beschrieben, mit Ecken und Kanten, mit guten und schlechten Eigenschaften, ehrgeizig und naiv, manchmal ehrlich, manchmal gerissen, manchmal ein wahrer Freund, manchmal ein wahrer Dreckskerl. Das hebt ihn wohltuend vom Rest der Charaktere ab, über die der Leser schneller den Stab brechen kann.
Neben den menschlichen Schicksalen gibt es jedoch etwas, dass das ganze Buch überstrahlt – die Arktis in ihrer Schönheit, Größe, Klarheit und Verwundbarkeit. Die Liebe Paulls (und Seans) und ihre Ehrfurcht spürt man in jeder einzelnen Zeile, auf jeder einzelnen Seite – selbst, wenn aus einem Londoner Gericht berichtet wird. Und dass sich dieses Gefühl auf den Leser überträgt, ist ein großer Verdienst einer wunderbaren Geschichte um Freundschaft, Verrat, Geld, Politik und Machtstreben.

Mein Fazit:
Umweltkritik bravourös verpackt

5 Sterne

Veröffentlicht am 08.04.2018

Kleinstadttragödie

Kleine Feuer überall
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Zum Inhalt:
Elena ist zufrieden mit ihrem Leben. Ihr Mann ist erfolgreicher Anwalt, drei ihrer Kinder beliebt und wohlgeraten, die jüngste Tochter zwar aufmüpfig, aber Kinder in der Pubertät sind nun ...

Zum Inhalt:
Elena ist zufrieden mit ihrem Leben. Ihr Mann ist erfolgreicher Anwalt, drei ihrer Kinder beliebt und wohlgeraten, die jüngste Tochter zwar aufmüpfig, aber Kinder in der Pubertät sind nun einmal so. Doch dann vermietet sie eine Wohnung an die Künstlerin Mia mit einer vollständig anderen Sicht auf Glück und muss feststellen, dass ihre Idylle vielleicht doch nicht so perfekt wie gedacht ist.

Mein Eindruck:
Celeste Ng hat ein Händchen dafür, die Beweggründe ihrer Personen dem Leser tief in Herz und Hirn zu stopfen, so dass er gar nicht anders kann, als die Handlungen dieser Charaktere zu verstehen, wenn auch nicht unbedingt gut zu heißen. Dabei brilliert sie insbesondere bei den Grautönen, denn trotz absolut gegensätzlicher Lebensansätze und Sichten wollen Mia und Elena niemandem etwas Schlechtes und sorgen trotzdem mit ihren Handlungen für Kummer bei einem Teil ihrer Umgebung. Der Schreibstil Ngs ist intensiv, aber nicht verschwurbelt, ihre gutbürgerliche Kleinstadt ist zwar sehr deutlich gezeichnet, könnte aber tatsächlich überall auf der ganzen Welt angesiedelt sein, wo Menschen auf eine gewisse Etikette und Umgang miteinander Wert legen.
Die Story ist sehr schön aufgebaut, mit einem Beginn, der ein Ende markiert, auf das in der folgenden Geschichte hingesteuert wird. Bedächtig, unaufhaltsam und mit einer Warnung an Helikoptereltern, die manchmal gar nicht wissen, was sie ihrem Nachwuchs mit übertriebener Fürsorge antun. Zwischenspiele in der Vergangenheit verraten unauffällig, warum der Weg in die zum Glück dann doch zu überstehende Katastrophe folgerichtig scheint und welche Lehren die Charaktere daraus ziehen können – sofern sie denn wollen. Da Ng ihren Figuren Vielschichtigkeit und Wille, über den Tellerrand zu schauen, zubilligt, sollte der Brand zu Beginn des Buches ein reinigendes Feuer und kein zerstörerisches sein.

Mein Fazit:
Ein ruhiges Buch, trotz aller Hitze

Veröffentlicht am 02.04.2018

Stilvoll

Krokodilwächter
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Zum Inhalt:
Die Studentin Julie wird ermordet aufgefunden, in ihre Gesichtshaut ist ein Muster geritzt. Die ermittelnden Beamten Jeppe Kørner und Anette Werner finden die völlig verstörte Vermieterin Esther ...

Zum Inhalt:
Die Studentin Julie wird ermordet aufgefunden, in ihre Gesichtshaut ist ein Muster geritzt. Die ermittelnden Beamten Jeppe Kørner und Anette Werner finden die völlig verstörte Vermieterin Esther vor, denn der Mord gleicht einer Buchidee Esthers bis auf den letzten Ritzer – aber fast niemand kennt das Manuskript. Als weitere Spuren auf die ältere Dame weisen, werden die Beamten misstrauisch: Ist Esther schuldig oder wird versucht, ihr den Mord anzuhängen?

Mein Eindruck:
Krokodilwächter sind Vögel, die in Symbiose mit Krokodilen leben, - sie sorgen für deren Zahnpflege und werden dafür nicht gefressen. So eine Zweckgemeinschaft wird im Laufe des Buches thematisiert und diese Stelle war der Punkt, an dem das Buch seine Bestnote einbüsste. Es war einfach nicht schlüssig, warum die beiden Charaktere so und nicht anders agierten.
Bis dahin fühlte man sich sehr gut unterhalten, Engberg hat ein Händchen dafür, Figuren so zu erschaffen, dass sie genau die richtige Dosis von Deutlichkeit besitzen. Beispielsweise Julie eher diffus, ihre Stiefmutter verhuscht, der Autist ein bisschen fern von allem. Dass alle sehr problembehaftet sind (Alkoholismus, Kinder, die Kinder bekommen, Untreue, Machtmissbrauch) verhilft zwar nicht unbedingt zu guter Laune, jedoch zu einem großen Feld an möglichen Verdächtigen und Motiven. Dass bei den beiden ermittelnden Beamten der im Fokus steht, der das unglücklichere Leben hat, fügt sich ins Bild eines skandinavischen Krimis. Der Verlauf der Geschichte nimmt den Leser mit, sie wird zwar in der dritten Person geschildert, beleuchtet dabei aber immer das Vorgehen und die Gedanken Jeppes, Annettes oder Esthers.
Neben dem Schreibstil Engbergs gefällt insbesondere die Gestaltung des Covers. Erst auf den zweiten Blick sieht man Schnitte im Umschlag, welche die Sicht auf den blutroten Einband freigeben. Eine sehr gelungene Hommage an das Innenleben.

Mein Fazit:
Gut geschrieben, fantastisch gelungene Optik, das Verhalten der Charaktere abseits der drei Hauptfiguren ist jedoch schwer verständlich

Veröffentlicht am 30.03.2018

Die Mutter beschützt ihr Junges

NACHTWILD
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Zum Inhalt:
Joan ist mit ihrem vierjährigen Sohn Lincoln im Zoo, als sie plötzlich Schüsse hört und bemerkt, dass der Weg zum Ausgang durch die Amokläufer versperrt wird. Kurzerhand flüchtet sie mit Lincoln ...

Zum Inhalt:
Joan ist mit ihrem vierjährigen Sohn Lincoln im Zoo, als sie plötzlich Schüsse hört und bemerkt, dass der Weg zum Ausgang durch die Amokläufer versperrt wird. Kurzerhand flüchtet sie mit Lincoln in ein leerstehendes Tiergehege, doch die Täter beginnen mit der Jagd auf die Überlebenden.

Mein Eindruck:
Anfangs fiebert man total mit der Protagonistin: Wird sie sich verstecken können, wird ihr Sohn still halten (schließlich ist er erst vier), kommt die Polizei früh genug, wie geht es den anderen Personen, deren Sicht ebenfalls Teil einiger – kurzer – Kapitel ist? Diese Spannung lässt aber nach einer Weile nach, da sich Phillips sehr auf den Mutterinstinkt und die daraus resultierenden Gedanken fokussiert. Außerdem ist absolut unverständlich, dass die Polizei so lange braucht (drei Stunden!!), um in die Puschen zu kommen. Die Selbstgerechtigkeit Joans, mit der sie über andere ein Urteil fällt, um dann eine ähnliche Handlung selbst zu vollziehen, nervt ebenso wie ihr Egoismus, den sie zwar hinterfragt, letztendlich aber doch als lebensnotwendig darstellt. Schade auch, dass dem Schauplatz Zoo so wenig Platz eingeräumt wird – abgesehen davon, dass ein paar Tierkadaver Joans Weg kreuzen. Dabei dürfte die fehlende Fütterung gepaart mit den untypischen Schüssen und dem dadurch ausgelösten Chaos zu einer beträchtlichen Unruhe bei den Bewohnern der Käfige führen und eine gewisse Geräuschkulisse verursachen, doch hier wird Totenstille geschildert, in der jedes Knacken Aufmerksamkeit erregen könnte.
Nichtsdestotrotz baut diese dauernde Gefahr Spannung auf, um dann die Geschichte leider in einen einigermaßen wirren Showdown zu münden, welcher die Leser mit Fragezeichen im Gesicht zurücklässt. Und das ist etwas, was für mein Dafürhalten in einem Thriller nicht passieren sollte.

Mein Fazit:
Teilweise atemlose Spannung, sehr (und zu) amerikanisch im Showdown