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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.09.2017

Schall und Rauch

Projekt Orphan
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Zum Inhalt:
Evan Smoak war Teil des Orphan Projekts der amerikanischen Regierung – ein Killer ohne Vergangenheit. Er hat sich entschieden, dieser Aufgabe den Rücken zu kehren und mit seiner Begabung als ...

Zum Inhalt:
Evan Smoak war Teil des Orphan Projekts der amerikanischen Regierung – ein Killer ohne Vergangenheit. Er hat sich entschieden, dieser Aufgabe den Rücken zu kehren und mit seiner Begabung als „Nowhere Man“ Opfern zu helfen. Nach seinem letzten Auftrag fällt er jedoch in die Hände eines Verbrechers und muss um seine eigene Freiheit kämpfen, immer auf der Flucht vor den anderen Orphans, - schließlich ist ein Abgang in ein bürgerliches Leben nicht vorgesehen und wird mit dem Tod bestraft.

Mein Eindruck:
Der Name Smoak erinnert nicht umsonst an Rauch – denn genauso unfassbar bleibt Evan für seine Verfolger. In Zeiten der fast absoluten Überwachung mutet so ein Szenario zwar immer unwahrscheinlicher an (unbegrenzte Möglichkeiten des Datenchecks inklusive Gesichtserkennung und trotzdem wird ein reicher Typ, der seinen Vornamen behalten hat und durchaus vor die Tür geht, nicht aufgestöbert); wie Collins seinen Helden und dessen Leben in Szene gesetzt hat, ist trotzdem sehr gelungen. Man merkt der Geschichte an, dass viele Experten befragt wurden und deren Wissen eingeflossen ist. Bei den Kampfszenen ist es jedoch schon fast zuviel an Information und wird trotz aller brechenden Knochen, abgerissenen Gliedmaßen und spritzendem Blut eher langweilig.
Des Weiteren gefallen die Nebenfiguren, allen voran der Antagonist, der bei allem Egoismus und Bosheit fast schon Mitleid erweckt – das perfekte Beispiel für eine verkorkste Familiengeschichte. Auch die weiblichen Charaktere bieten ein ausgeglichenes Maß an Stärke und Verletzlichkeit in einer Person und damit eine gerade in Thrillern eher seltene Ambivalenz.
Perfekt das Ende – abgeschlossen und doch mit Ausblick auf ein mögliches, neues Buch, die eingeführten Figuren sind dafür eine interessante und gut gemischte Gruppe, so dass man sich darauf auch freuen kann.

Mein Fazit:
Gerne mehr von dem Nirgendwo

Veröffentlicht am 24.09.2017

Dreckig

Der Preis, den man zahlt
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Zum Inhalt:
Lorenzo Falco, ein Söldner, erhält 1936 in Spanien den Auftrag, einen politischen Gefangenen zu befreien. Im Zuge dessen macht er nicht nur die Bekanntschaft einer undurchsichtigen Frau, sondern ...

Zum Inhalt:
Lorenzo Falco, ein Söldner, erhält 1936 in Spanien den Auftrag, einen politischen Gefangenen zu befreien. Im Zuge dessen macht er nicht nur die Bekanntschaft einer undurchsichtigen Frau, sondern zeigt dem Leser deutlich die dreckigen Seiten eines Bürgerkrieges, bei dem es nur Verlierer gibt.

Mein Eindruck:
Die Lobeshymnen in den spanischen Zeitungen verwundern mich oder lassen auf eine tiefe Machismo-Leidenschaft schließen. Denn dieses Buch ist vor allen Dingen altbacken und frauenfeindlich, es erinnert an einen englischen Film-Spion zu Zeiten eines Sean Connery. Die Herren eloquent und ihren Zielen verpflichtet, die Damen allzeit bereit, für den Helden die Kleidung abzulegen – egal, ob verheiratet, verbandelt oder gerade erst bekannt. Leider fehlt jedoch der feine britische Humor – hier wird brutal gemordet, hintergangen, gefoltert ohne jeden Funken von Gefühl und Augenzwinkern, ein schlechtes Gewissen ob der Bauernopfer ist höchstens noch in fast nicht messbaren Spuren vorhanden.
Ein Fehler liegt aber auch in dem Cover, das an Carlos Ruis Zafon erinnert und eine dementsprechende Erwartungshaltung an eine Story mit Gefühl und Herz aufbaut, die „Der Preis, den man zahlt“ nicht einmal ansatzweise erfüllt. Ein zweiter in der Vorstellung vieler Figuren, die dem Helden möglicherweise in späteren Bänden über den Weg laufen werden, deren Rollen hier aber nicht über die des Lückenbüßers hinausgehen. Bei einem Buch, das sowieso nicht gerade mit seiner Länge beeindruckt, bleibt dadurch nicht mehr viel für den suggerierten Kern übrig – eine Gefangenenbefreiung, die letztendlich nur ein paar Zeilen beansprucht.
Ein Ärgernis noch zum Schluss: Ich mag es einfach nicht, wenn „ziemlich schmutzig“ mit „typisch deutsch“ betitelt wird. Nirgendwo.

Veröffentlicht am 03.09.2017

Es ist etwas faul im Staate Dänemark

Oxen. Das erste Opfer
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Zum Inhalt:
Niels Oxen ist der höchstdekorierte Soldat Dänemarks, aber genauso schwer wie seine Orden wiegen seine Traumata. Deshalb zieht er sich gemeinsam mit seinem Hund in die Wälder zurück – abseits ...

Zum Inhalt:
Niels Oxen ist der höchstdekorierte Soldat Dänemarks, aber genauso schwer wie seine Orden wiegen seine Traumata. Deshalb zieht er sich gemeinsam mit seinem Hund in die Wälder zurück – abseits von Menschen – auf das Grundstück eines Ex-Diplomaten. Als dieser ermordet wird, gerät Oxen ins Visier der Geheimdienste, wird von deren Chef engagiert und deckt gemeinsam mit Franck, einer Mitarbeiterin, eine Verschwörung auf, die in die höchsten Kreise Dänemarks reicht.

Mein Eindruck:
Hier kein Polizist, sondern ein Soldat mit Problemen, der zusätzlich eine Dame mit amputiertem Unterschenkel zur Seite gestellt bekommt – so weit, so typisch nordisch. Wenigstens kann man diese Probleme nachvollziehen und es handelt sich nicht nur um Eheschwierigkeiten wegen des Jobs und der daraus resultierenden Alkoholsucht.
Glücklicherweise gibt es aber einige Lichtblicke in der Geschichte. Die Personen haben ihren wenn auch schwarzen Humor nicht gänzlich verloren, sie sind vielschichtig angelegt und die Story um Mord, Verschwörung und einen alten Geheimbund kann auch noch für weitere Bände tragen. Es gefällt, dass man nie sicher sein kann, wer jetzt gut, wer böse und wer irgendetwas dazwischen ist und der Leser irrt genauso durch die Fallstricke wie Oxen, verläuft sich ebenso im Labyrinth der falschen Spuren und Janus-Gesichtern. Zwar fehlt dem Schreibstil zu Beginn ein wenig die wörtliche Rede, da der Autor jedoch relativ früh klarstellt, dass sein Protagonist maulfaul aus Menschenscheu ist, gewöhnt man sich schnell an diese Art der Erzählung. Überhaupt fühlt man sich sehr gut mitgenommen, kein seltsam anmutendes Verhalten bleibt gänzlich unerklärt, die Bröckchen aus Oxens Vergangenheit fügen sich – wenn auch langsam – zu einem guten Bild dieser gesprungenen Person.
Der Schluss ist ein perfekter Kompromiss zwischen Aufklärung der Morde einerseits und Cliffhanger – die große dänische Verschwörung – andererseits. Glücklicherweise liegen die beiden Folgebände der Trilogie schon vor und warten nur noch auf ihre Übersetzung – die hoffentlich bald erfolgt.

Fazit:
Eine echte, wenn auch sehr spröde, Bereicherung der Thrillerlandschaft

Veröffentlicht am 31.08.2017

Alle Macht dem Volke?

Marthas Widerstand
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Zum Inhalt:
In einer möglicherweise nicht allzu fernen Zukunft entscheiden nicht mehr Richter und Gesetze über einen mutmaßlichen Mörder. Begleitet von einer Gerichtsshow darf das Volk wählen, wer lebt ...

Zum Inhalt:
In einer möglicherweise nicht allzu fernen Zukunft entscheiden nicht mehr Richter und Gesetze über einen mutmaßlichen Mörder. Begleitet von einer Gerichtsshow darf das Volk wählen, wer lebt und wer stirbt. Die 16jährige Martha gerät in die Mühlen dieser Justiz, als sie mit der Pistole in der Hand neben der Leiche eines großen Wohltäters festgenommen wird und den Mord an dem Mann gesteht.

Mein Eindruck:
Aus mehreren Perspektiven entwickelt Drewery ihr packendes Drama um Recht und Gerechtigkeit, um Schein und Sein. Denn der geneigte Fernsehzuschauer glaubt daran, dass jeder Bürger gleich ist und seine Stimme entscheiden kann, vernachlässigt aber den Umstand, dass die Anrufe zur Urteilsfindung teuer und reichere Menschen dadurch gleicher als andere sind. Zum Teil subtil, zum anderen Teil ganz offen wird das Stimmvolk im Sinne der Macher beeinflusst – Brot und Spiele wie im alten Rom, aber mit den multimedialen Möglichkeiten unserer Zeit. Die Vision der Autorin macht einen an manchen Stellen fassungslos, - auch dem Umstand geschuldet, dass einem Vieles schon sehr bekannt vorkommt und daher gar nicht so unwahrscheinlich erscheint.
Der Schreibstil ist nicht besonders kompliziert, handelt es sich bei „Marthas Widerstand“ doch um ein Jugendbuch, die Figuren sind zum großen Teil ein wenig stereotyp gut oder schlecht mit wenig Zwischentönen gezeichnet - abgesehen von einer Nebenfigur, die möglicherweise im weiteren Verlauf der Trilogie an Format gewinnen könnte.
Die Perspektivwechsel und die kurzen Kapitel fördern die Spannung und lassen die Seiten wie von selber weiterblättern, der Schluss lässt genügend Fragen für die Fortsetzung offen. Das Einzige, was zu bemängeln wäre, ist die etwas uninspirierte Liebesgeschichte in der Art von Romeo und Julia – möglicherweise ist dieser Umstand der angestrebten Zielgruppe geschuldet. Seit „Tribute von Panem“ oder „Die Bestimmung“ findet auch ein älteres Publikum an Dystopien mit jugendlichen Helden Gefallen und so hätte Drewery diese Beziehung entweder mit mehr Substanz füttern müssen oder eine andere Form wählen sollen.

Mein Fazit:
Erschreckendes Szenario mit gewisser Wahrscheinlichkeit

4 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Originalität
  • Spannung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.08.2017

Nicht mein Fall

Und draußen stirbt ein Vogel
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Zum Inhalt:
Rina ist eine gefeierte Schriftstellerin - zu Unrecht, wie ihr Stalker Manuel findet. Denn eigentlich sind es seine Gedanken, die sie zu Papier bringt und so macht sich Manuel in die malerische ...

Zum Inhalt:
Rina ist eine gefeierte Schriftstellerin - zu Unrecht, wie ihr Stalker Manuel findet. Denn eigentlich sind es seine Gedanken, die sie zu Papier bringt und so macht sich Manuel in die malerische Toskana auf - um Rina zu stoppen und seine Schreibblockade zu überwinden. Koste es, was es wolle.

Mein Eindruck:
Frau Thiesler ist eine gefeierte Schriftstellerin – wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht, wie die Bestsellerlisten finden. Und es sind bestimmt ihre Gedanken, die sie zu Papier bringt – möglicherweise in der Toskana oder an einer sonst sehr hübschen Stelle – richtig gepackt hat mich dieser Krimi jedoch nicht.

Vielleicht ist die Erwartungshaltung schuld, die durch die ganzen Lobeshymnen geweckt wurde, aber nach dem Buch bin ich tatsächlich ein bisschen sprachlos vor Enttäuschung. Viel zu viele Figuren, dann auch noch Gegenwart und Zukunft, an keiner Stelle geht das Buch in die Tiefe. Eine Unterteilung in drei Kapitel (warum?) mit Überschriften, die auch nach längerer Überlegung nicht sinnig erscheinen. Jede Menge große und kleine Delikte bis hin zu einem Mord – aber keine Sonderkommission wird gebildet, ganz im Gegenteil, die Polizei in der Toskana schläft in großen Teilen selig vor sich hin, weil sie glaubt, einen möglichen Verdächtigen zu kennen. Da wird nicht hektisch gehandelt, da ist Siesta angesagt.
Und dieses seltsame Verhalten ist fast bei jeder Figur zu sehen: Eine Mutter, die befürchtet, dass ihr Hund vom Untermieter getötet wurde – geht sie zur Polizei, als ihr Kind verschwindet oder lässt den dubiosen Untermieter durchleuchten? Aber nein, das könnte doch tatsächlich zielführend sein, da mache ich doch lieber etwas Dummes – schließlich handelt es sich um einen Thriller.
Dazu jede Menge sonstiges Drama: Untreue, (zum Teil tödliche) Unfälle, Fahrerflucht, Roma, Einbrüche, Alkoholismus, Kindesmissbrauch, Altenheime – man hat das Gefühl, alles muss irgendwie angeschnitten werden.
Bei diesem Buch fühlte ich mich wie im Kino in einem schlechten Horrorfilm, in dem man der hübschen Maid zurufen möchte „nein, geh nicht in den Keller, wenn es dort rumpelt – du weißt doch, dass schon drei andere Mädchen erwürgt wurden“.

Leider gab es aber kein Eis in der Pause

Mein Fazit:
Das Beste war das Ende – und das meine ich nicht nur doppeldeutig