Profilbild von melange

melange

Lesejury Star
online

melange ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit melange über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.08.2017

Falsche Erwartungen geweckt

Weltretten für Anfänger
0

Zum Inhalt:
Surunen - Hochschullehrer aus Finnland - hat ein großes Ziel: Er will nicht länger nur darüber reden, sondern ganz konkret ein Opfer einer südamerikanischen Diktatur aus der Haft befreien. ...

Zum Inhalt:
Surunen - Hochschullehrer aus Finnland - hat ein großes Ziel: Er will nicht länger nur darüber reden, sondern ganz konkret ein Opfer einer südamerikanischen Diktatur aus der Haft befreien. Etwas blauäugig geht er frisch ans Werk und nach Kalmanien, aber der Weg zum Weltenretter ist mit einigen Dornen gepflastert.

Mein Eindruck:
Vor allem der Sprecher rettet dieses Hörbuch, - ohne Jürgen von der Lippe würde jeder, der sich von dem doch recht witzigen Cover zum Kauf inspirieren ließ, noch tiefer in Trübsal verfallen. Denn Trübsal bestimmt leider – nach einer schwungvollen und (schwarz)humorigen Eingangssequenz in Russland – die erste Hälfte des Hörbuchs. Es wird gelitten, gefoltert, getötet und viel zu viel getrunken (ein Aspekt, der beim Verstehen des Buchs den Hörer teilweise vor große Herausforderungen stellt) und man muss aufpassen, dass man nicht in einem Meer von Depression und Mutlosigkeit versinkt.
Glücklicherweise verändert sich die Stimmung im zweiten Teil. Endlich bestimmen die erhoffte Schlitzohrigkeit und ein tiefgründiger und dunkel eingefärbter Humor große Teile der Geschichte. Dazu erscheinen die Figuren viel besser herausgearbeitet: Im ersten Teil lallten sie oder wurden sehr oft in der dritten Person abgehandelt und kamen einem nicht besonders nahe – schweres Schicksal hin oder her. Schön auch die Idee, diesen Teil in einem (fiktiven) kommunistischen Land zu platzieren – als Gegenpart zur Diktatur – und zu zeigen, dass diese Form die gleichen Repressalien auf ihre Gegner ausübt. Politische Korrektheit auf hohem Niveau und mit nur mäßig erhobenem Zeigefinger – das gefällt!
Das Ende mutet fast märchenhaft schön an, versöhnt jedoch nicht ganz mit dem über viel zu weite Strecken sehr ernsthaften Tönen. Die Geschichte ist nicht schlecht, passt aber nicht in das optische und werbetechnische Konzept, in das sie gepresst wurde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Stimme
  • Dramaturgie
  • Humor
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.08.2017

Ein anderes Buch erwartet

Eine von uns
0

Zum Inhalt:
Mitte der 80er Jahre macht ein unheimlicher Besucher ein Dorf in England unsicher. Der "Fox" dringt in Häuser ein und erschreckt damit die Bewohner, stiehlt dabei allerdings höchstens wertlose ...

Zum Inhalt:
Mitte der 80er Jahre macht ein unheimlicher Besucher ein Dorf in England unsicher. Der "Fox" dringt in Häuser ein und erschreckt damit die Bewohner, stiehlt dabei allerdings höchstens wertlose Dinge. Dann verschwindet jedoch Anna, eine junge Frau, die seit dem Tod ihrer Mutter allein lebte.

Mein Eindruck:
Die vier Teile des Buches befassen sich mit jeweils mit einer anderen Person, die Anna besonders nahestand, und schildern – obwohl in der dritten Person geschrieben – die Vorkommnisse und Gedanken insbesondere dieser Figur. Dabei bleibt der Text chronologisch, - der zweite Teil folgt zeitlich dem ersten. Der nach den ersten Kapiteln erhoffte Drive bleibt jedoch aus. Zwar kämpft jede der Figuren mit ihrer persönlichen Tragödie, die Autorin beschreibt diese jedoch zu distanziert, so dass sie trotz ihres teilweise wirklich bemerkenswerten Ausmaßes den Leser nicht wirklich berühren. Möglicherweise liegt das auch an dem Versuch, fünf besondere Schicksale zu verarbeiten und dabei noch deren Vergangenheit zu durchleuchten – jedem einzelnen kann dadurch nicht genug Platz eingeräumt werden.
Der Stil der Autorin (oder die Übersetzung) ist an einigen Stellen schwergängig und zu gewollt tiefsinnig. Was soll zum Beispiel „blickt ihn aus ihrem leeren Gesicht heraus eindringlich an“ bedeuten? Leer oder eindringlich, - das ist hier die Frage. Oder der „robuste Hüftknochen“ einer Polizistin, - so eine literarische Schöpfung hätte ich mir eher im Zusammenhang mit einem Hund vorstellen können, der einen solchen Knochen zerkaut.
Sehr gut gelungen ist der Schluss. Die Aufklärung um den Fox, Annas Verschwinden, die Gründe dafür und der Blick in die Zukunft der Hauptpersonen versöhnt ein bisschen mit den doch teilweise recht drögen Kleinstadtbetrachtungen im größten Teil des Buchs. Aber 30 gute Seiten zu Beginn und 15 sehr gute am Schluss reichen nicht.
Der größte Fehler ist jedoch nicht von der Autorin zu verantworten: Ein Klappentext, der in einem Zitat Alfred Hitchcock und große Spannung mit diesem Roman in Zusammenhang bringt, weckt beim Leser eine falsche Erwartungshaltung.

Mein Fazit:
Zu viel gewollt und nicht richtig vermarktet.
Für die gute Auflösung noch 3 Sterne

Veröffentlicht am 18.08.2017

Unglaubwürdig

Runaway
0

Zum Inhalt:
18 Jahre lang sitzt Frederick Hagel in der geschlossenen Psychiatrie, weil er seine Frau Linda erschlagen haben soll. Während einer Live-Übertragung sieht er sie jedoch unter den Zuschauern, ...

Zum Inhalt:
18 Jahre lang sitzt Frederick Hagel in der geschlossenen Psychiatrie, weil er seine Frau Linda erschlagen haben soll. Während einer Live-Übertragung sieht er sie jedoch unter den Zuschauern, bricht aus und versucht, Linda und die sonstigen an seiner Situation beteiligten Personen zur Rechenschaft zu ziehen.

Mein Eindruck:
Die Grundidee – ein Unschuldiger bricht nach Jahren aus und rächt sich – hätte spannend sein können. Leider wird viel an Möglichkeit verschenkt. Da ist zuerst einmal der fast vollständige Verzicht auf wörtliche Rede. Hierdurch wird eine große Distanz zwischen Leser und Figuren aufgebaut, die einem Mitfühlen eher abträglich ist. Das größte Manko zeigt sich für mich jedoch in den Handlungen und Fähigkeiten des Protagonisten (Vorsicht, Spoiler, wenn auch ungefährlich):
18 Jahre in zum Teil totaler Abgeschiedenheit gelebt kennt er sich besser mit den Möglichkeiten des Internets (und des Darknets) aus, als viele Menschen, die tagtäglich mit Computern arbeiten. Das wäre noch bis zu einem gewissen Grade verständlich, wenn er ein Cyberkrimineller gewesen wäre und damit eine Affinität zu diesem Thema gehabt hätte, aber Frederick Hagel arbeitete als Lehrer für englische Literatur.
18 Jahre nur eine Stunde Rundgang, mit Medikamenten ruhiggestellt und inzwischen immerhin etwa 50 Jahre alt, rennt er wie ein junges Reh mehrere Kilometer und findet immer wieder rein zufällig die Möglichkeiten, sich Fahrzeuge anzueignen, in denen die Halter – oh weiteres Wunder – auch noch Geld zurücklassen (also in meinem Auto war noch nie mehr als eine Münze für den Einkaufswagen).
Spoilerende
Auch die restlichen Figuren können nicht wirklich überzeugen, da sie komplett auf den Faktor „Geldgier“ eingedampft werden. Diese eindimensionale Sicht der Dinge, nur noch übertroffen von der Langeweile, die einen bei wechselnden Kilometerangaben erfasst (wen zur Hölle interessiert es, wie viele Kilometer von da noch dort gefahren und wie viele Bundesstaaten dabei mit dem Auto durchquert wurden?), verhindert übergroße Lesefreude. Das Ende bietet jedoch eine pikante Note und rettet den zweiten Stern in der Bewertung.

Mein Fazit:
Leider verschenkt

Veröffentlicht am 18.08.2017

Gepflegte Langeweile

Swing Time
0

Zum Inhalt:
Eine nicht namentlich bekannte Ich-Erzählerin erzählt aus ihrem Leben als Mischlingskind in London und - als Begleiterin eines Stars - in der ganzen Welt, jedoch vornehmlich in New York und ...

Zum Inhalt:
Eine nicht namentlich bekannte Ich-Erzählerin erzählt aus ihrem Leben als Mischlingskind in London und - als Begleiterin eines Stars - in der ganzen Welt, jedoch vornehmlich in New York und Afrika.

Mein Eindruck:
Schon lange habe ich mich nicht mehr so durch ein Buch gequält. Bestsellerliste hin oder gefeierte Schriftstellerin her – in diesem Buch passiert so gut wie gar nichts wirklich, es wird nur darüber geredet, dass etwas passiert. Suggeriert der Klappentext noch, dass es um die Lebensgeschichten zweier Mischlingsmädchen geht, von denen eine Talent zum Tanzen hat, die andere ein unerschöpflicher Quell an Ideen ist, produzieren beide letzten Endes nur eins: Heiße Luft im Übermaß. Eine „Idee“ habe ich nicht an einer Stelle gefunden, auch tiefere Gefühle gibt es nicht, - weder für die Mutter, noch für den Vater, auch nicht für die Freundin und die Männer sind alle nur Fußnoten. Und auch sonst liest man und wartet darauf, dass etwas Mitreißendes passiert, aber irgendwie plätschert das ganze Buch einfach nur so vor sich hin. Die Autorin (oder die Übersetzung) schafft es nicht an auch nur einer Stelle, einen wirklich zu packen, in das Geschehen zu zerren, dieses Geschehen plastisch werden zu lassen. Die Protagonistin führt ein sehr luxuriöses Leben (Privatjet, selbst nach der Ungnade schicke Wohnung), aber genauere Beschreibungen fehlen. Dazu gibt es viele wirklich unglaubhafte Aspekte an der Story der Erzählerin: Einerseits behauptet sie, den Eingangstest für eine exquisite Schule machen zu dürfen, später studiert zu sein (wobei während des gesamten Buches nicht klar wird, in was sie ihren Abschluss gemacht hat), andererseits machen ihr sogar kleine Mädchen etwas im Rechnen vor. Das mag ja heutzutage funktionieren, wo öfter einmal durch die Welt wabert, dass jeder das Abitur hinterhergeworfen bekommt, in den 80er Jahren war das definitiv nicht so.
Ich bin von diesem ganzen langweiligen Mist absolut enttäuscht und ich frage mich, ob der Verlag für die positiven Kritiken bezahlt hat oder nur kein kleines Mädchen da war, das angesichts des Kaisers nicht vorhandener Kleider sagte „Aber er hat doch gar keine an!“

Mein Fazit:
Möglicherweise kann die Autorin schreiben, mit diesem Buch hat sie es mir nicht bewiesen

Veröffentlicht am 30.07.2017

Im Rausch den Überblick verloren?

Die Lieferantin
0

Zum Inhalt:
Das Verschwinden eines Schutzgeld-Eintreibers führt dazu, dass sich die einflussreichsten Drogenbosse verbünden, um eine neue Organisation zur Strecke zu bringen. Diese nutzt High-Tech dazu, ...

Zum Inhalt:
Das Verschwinden eines Schutzgeld-Eintreibers führt dazu, dass sich die einflussreichsten Drogenbosse verbünden, um eine neue Organisation zur Strecke zu bringen. Diese nutzt High-Tech dazu, sehr gute Drogen unter das Volk zu bringen und wird bald nicht nur von den Bossen, sondern auch von der Polizei und der Politik gejagt, - einer Politik, die selber im Sumpf steckt und vor nichts zurückschreckt, auch nicht vor einem Mord.

Mein Eindruck:
Bis zum Schluss des Buches wusste ich nicht, was eigentlich die Kerngeschichte sein sollte. So viele Personen, so viele Beweggründe für ihr Handeln, so viele Ambivalenzen, so viele politische Baustellen, so viel Technik, so viel Verrat, so viel Mobbing (Geschlecht, sexuelle Ausrichtung, Hautfarbe) und letztendlich so wenig Tiefe. Die Autorin verzettelt sich in einer Melange aus politischen Unruhen (einerseits Rassenunruhen, andererseits für/wider Freigabe von Drogen), Bandenkriminalität, familiären Problemen, Liebesqualen, Erpressung und dem Prinzip des kölschen Klüngels (eine Hand wäscht die andere, - man kennt sich, man hilft sich). Dazu gibt es noch jede Menge Plattitüden serviert: Politiker sind igitt, auch Drogenbosse können sich ihre Familie nicht aussuchen und alles ist irgendwie dann doch mit einer dicken Pfeife zu ertragen.
Positives gibt es jedoch auch zu vermerken – deshalb ist die Sternewertung im mittleren Bereich: Die Autorin weiß eine nahe Zukunft zu erschaffen, ihre Vorausschau zeigt Möglichkeiten, die durchaus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit behaftet sind: Den Rückfall in der Evolution, die vielfältigen Qualitäten von Drohnen (positiv und negativ nutzbar) und die Manipulation der Menschen durch Politik und Medien. Außerdem schreibt sie sehr intensiv, wenn auch mengenmäßig nicht genug. So lassen sich Beweggründe ihrer Figuren erahnen, da sie aber diese Beweggründe nicht weiter ausführt und ihren Charakteren nur wenig textlichen Raum bietet, läuft das aufkommende Gefühl und Verständnis der Leserschaft zu oft ins Leere.

Mein Fazit:
Weniger wäre mehr gewesen, die Konzentration auf ein Kernthema hätte den schönen Stil und den Einfallsreichtum der Autorin besser in Szene gesetzt