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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2016

Sherlock reloaded

Mord in der Mangle Street
2

Zum Inhalt:
Am Ende des 19. Jahrhunderts verliert March nach ihrem Verlobten auch noch ihren Vater. Sie wird von ihrem Patenonkel Sidney Grice nach London eingeladen. Kurze Zeit später wird Grice zur Ermittlung ...

Zum Inhalt:
Am Ende des 19. Jahrhunderts verliert March nach ihrem Verlobten auch noch ihren Vater. Sie wird von ihrem Patenonkel Sidney Grice nach London eingeladen. Kurze Zeit später wird Grice zur Ermittlung in einem Mordfall gebeten und March heftet sich an seine Fersen. Während er den Verdächtigen für schuldig hält, glaubt March an dessen Unschuld und beide machen sich mit Feuereifer an die Auflösung des Falles, - auch, um den anderen von der eigenen Wahrnehmung zu überzeugen.

Mein Eindruck:
Man mag kaum glauben, dass M. R. C. Kasasian ein männliches Wesen heutiger Zeit ist, so gut versteht er nicht nur, London um 1880 darzustellen, er fühlt sich zusätzlich auf unnachahmliche Weise in die Psyche seiner weiblichen Ich-Erzählerin ein. Um March und ihren Patenonkel Sidney entwirft er eine ganze Schar von Personen, die mit mehr oder weniger liebenswerten Schrullen und Eigenarten ausgestattet sind. Dabei erinnert dieses Ensemble an die BBC-Interpretation des modernen Sherlock Holmes. Jedoch ist bei Kasasian der Watson weiblich und Arzttochter, aber auch sie zeichnet die Erlebnisse mit dem privaten Ermittler auf (in Tagebuchform), es gibt einen Polizisten, der sich Grices Hilfe bedient und eine Haushaltshilfe, an der die Unverschämtheiten ihres Arbeitgebers einfach abperlen.
Das Augenzwinkern, mit welchem der Autor das Treiben seiner Personen dem Leser darbietet, begleitet auf eine federleichte Art die Inszenierung eines Falls mit vielen Toten aber wenig Blutdurst. Das mag erstaunen, wenn man zum Beispiel die 40 Messerstiche bedenkt, mit denen das erste Opfer hingemetzelt wird, aber die Beschreibung ist so klinisch und unspektakulär, dass sich keine Alpträume beim Leser einstellen.
Besonders gut ist die Auflösung geraten, die nicht nur stimmig ist und den Gerechtigkeitssinn der Leser befriedigt, sondern zusätzlich weder Grice noch March in eine Verliererposition bugsiert.

Mein Fazit:
Launiges Personal + gut durchdachter Fall + schönes Setting = perfekte Unterhaltung

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannend, wenn auch leicht überdreht

Bald ruhest du auch
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Zum Inhalt:
Lena ist vom Schicksal schwer geschlagen: Zuerst stirbt ihr Mann Daniel bei einem Unfall, dann erleidet sie auf seiner Beerdigung eine Sturzgeburt, weil Daniels Tochter Josy aus dessen erster ...

Zum Inhalt:
Lena ist vom Schicksal schwer geschlagen: Zuerst stirbt ihr Mann Daniel bei einem Unfall, dann erleidet sie auf seiner Beerdigung eine Sturzgeburt, weil Daniels Tochter Josy aus dessen erster Ehe sie als Mörderin beschimpft. Emma, Lenas Baby, wird zwar gesund geboren, aber Lena fällt die Liebe zu ihr schwer.
Dann jedoch findet Lena ein widerliches Geschenk auf Daniels Grab, Emma wird entführt und einige Menschen aus ihrem privaten Umfeld sterben unter dubiosen Umständen. Höhepunkt der furchtbaren Ereignisse ist die Forderung, dass sich Lena umbringt, um ihr Baby zu retten.
Es stellt sich die Frage, wer Lenas Tod will und vor allem: Warum?


Mein Eindruck:
Dieser Krimi lässt sich kaum aus der Hand legen, wenn man ihn in dieselbe genommen hat. Schon zu Beginn zieht Frau Lorenz die Spannung an und hält diese auf hohem Niveau. Sehr durchdacht entwickelt sie eine Geschichte um Schuld, Sühne und Verzweiflung. Die Charaktere agieren vielschichtig und sind bis in die Nebenfiguren gut ausgearbeitet. Die Rückblenden auf Kennenlernen und einige Begebenheiten im Leben von Daniel und Lena verhelfen zu einem besseren Verständnis der Umstände, die letztendlich zum Unfall und den daraus resultierenden Ereignissen führen. Leider wird das Agieren Lenas nach der Entführung ihrer Tochter Stück für Stück unglaubwürdig, wenn sie beispielsweise die Polizei - wie gefordert - nicht informiert, aber sehr viele andere Personen davon in Kenntnis setzt, dass ihre Tochter verschwunden ist. Auch einige illegale Handlungen sind - selbst wenn man die Extremsituation bedenkt, denen die Personen ausgesetzt sind - eher unglaubwürdig. Dass z.B. ein Auftragsmörder leicht zu besorgen ist, halte ich für ein Gerücht.
Aber die Story macht - auch durch diese Kapriolen - so viele kurzweilige und überraschende Wendungen durch, dass man dieses Manko gerne verzeiht.


Fazit:
Selbst der Epilog noch mit Aha-Effekt. Ein Pageturner, wie man ihn sich wünscht!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Trist statt grün

Lügenmauer. Irland-Krimi (Ein Emma-Vaughan-Krimi 1)
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Zum Inhalt:
Emma ist Protestantin, geschieden und alleinerziehend und damit weit entfernt von dem, was im konservativen, katholischen Irland gerne gesehen wird. Durch ihr Können hat sie sich gegen alle ...

Zum Inhalt:
Emma ist Protestantin, geschieden und alleinerziehend und damit weit entfernt von dem, was im konservativen, katholischen Irland gerne gesehen wird. Durch ihr Können hat sie sich gegen alle Widerstände ihren Rang innerhalb der Polizei in Sligo erarbeitet. Als ein hoher protestantischer Geistlicher ermordet wird, muss sie dieses Können anwenden und sticht bei ihren Ermittlungen in einige Wespennester, die teilweise schon vor 40 Jahren gebaut wurden.

Mein Eindruck:
Der erste Fall für Emma sollte nicht ihr letzter sein, - falls sie nicht in der Zeit bis zu ihrem zweiten Buch wegen Tablettensucht suspendiert wird (ja, schon wieder ein/e Ermittler/in mit Problemen!!). Barbara Bierach hat sich viel Mühe gegeben, ein passendes Team mit ausbaufähigen Charakteren um die Polizistin herum aufzubauen. Die Hauptfiguren besitzen Ecken, Kanten und genügend Grautöne, um interessante und unerwartete Aktionen abzuliefern.
Der Mordfall ist spektakulär und auch in heutiger Zeit gut gewählt: Ein religiöses Umfeld, das wegen der gebotenen Political Correctness mit aller Vorsicht zu behandeln ist. Zur Not mit so viel Fingerspitzengefühl, dass die Ermittlungen behindert werden und in falsche Richtungen abdriften, um nur ja nicht jemandem auf die Füße zu steigen.
Gut gefallen die Reminiszenzen an die Vergangenheit, das bigotte Leben damals und der Schluss, wenn er auch wohl unglaubhaft ist.
Allerdings hätte ich mir mehr Differenziertheit in den Nebenfiguren gewünscht: Diese sind eindimensional gut oder schlecht, in der Kirche gibt es nur bösartige und machtgeile Menschen und die Frauen kuschen, - jetzt wie damals. Emma bildet zwar eine Ausnahme, kämpft dafür aber mit anderen Dämonen, - eine starke Frau sieht anders aus.

Fazit:
Ich wünsche mir den nächsten Fall nicht ganz so traurig, - schließlich ist Irland grün und nicht nur grau!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Großstadtmärchen

Der Junge, der Träume schenkte
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Zum Inhalt:
Christmas, ein armer Einwanderersohn aus Italien, rettet die wohlhabende Jüdin Ruth nach einer Vergewaltigung. Trotz des Standesunterschiedes verlieben sie sich ineinander, werden jedoch durch ...

Zum Inhalt:
Christmas, ein armer Einwanderersohn aus Italien, rettet die wohlhabende Jüdin Ruth nach einer Vergewaltigung. Trotz des Standesunterschiedes verlieben sie sich ineinander, werden jedoch durch den Wegzug Ruths aus New York nach Kalifornien getrennt. Aber obwohl beiderlei Lebenswege sehr unterschiedlich verlaufen, können sie sich nicht vergessen.

Mein Eindruck:
Bei dieser gekürzten Fassung der Geschichte ist der Sprecher das größte Pfund. Timmo Niesner weiß den Figuren im Dialog so viel Leben einzuhauchen, dass man verschiedene Leute zu sehen meint. Dazu gelingen ihm die erzählerischen Passagen auf eine Weise, die einem insbesondere bei den brutalen Szenen (und davon gibt es einige) das Blut in den Adern gefrieren lassen.
Leider kann auch der hervorragende Sprecher nicht verhindern, dass das Hörbuch zum Schluss zu sehr beschnitten klingt. Nimmt es sich zu Beginn genügend Zeit, die Charaktere glaubhaft zu zeichnen, wirkt das Ende zu abrupt und lässt den Hörer leicht unbefriedigt zurück.
Diese Kritik ist damit ein Plädoyer für die ungekürzte Fassung oder das ganze Buch. Denn der Autor ist ein großer Könner, was das Einfühlungsvermögen in die unterschiedlichsten Personen mit den unterschiedlichsten Hintergründen an den unterschiedlichsten Schauplätzen anbelangt. Er vermag es genauso glaubhaft einen Kleinganoven zu betrachten, wie er sich in die Psyche einer vergewaltigten Frau findet oder das hektische Leben innerhalb der Medien schildert.
Luca di Fulvio bedient sich dabei eines ausschweifenden Erzählstils, ohne nervtötend zu werden. Von den mit einem feinen Humor und großer Seele ausgestatteten Teilen seiner Geschichte hätte ich gerne mehr gelesen, von den Gewaltszenen (egal wie glaubhaft) hätte es weniger sein dürfen.

Mein Fazit:
Viel Herz, welches leider durch eine zu große Schere teilamputiert wurde.

Mit Wohlwollen 4 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Charactere
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Recherche
  • Stimme
Veröffentlicht am 15.09.2016

Einzahl, nicht Mehrzahl

The Girls
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Zum Inhalt:
Evie Boyd ist unglücklich: Ihre Eltern sind frisch getrennt, der angebetete Junge wird Vater. Da sieht sie zufällig eine Gruppe etwas älterer Mädchen im Park, die Evie sofort faszinieren: ...

Zum Inhalt:
Evie Boyd ist unglücklich: Ihre Eltern sind frisch getrennt, der angebetete Junge wird Vater. Da sieht sie zufällig eine Gruppe etwas älterer Mädchen im Park, die Evie sofort faszinieren: Selbstbewusst, leicht abgerissen, leben diese in einer Art Hippie-Kommune zusammen mit einem charismatischen Führer namens Russell. Die 14jährige Evie ist hingerissen und lässt sich mit Leib und einem großen Teil ihrer Seele vereinnahmen.

Mein Eindruck:
Fälschlicherweise suggerieren Klappentext und Titel, dass es hauptsächlich um die jungen Frauen im Dunstkreis von Charles Manson geht, der hier als fiktive Person den Namen Russell trägt. Die Geschichte befasst sich jedoch vielmehr mit Evie, einem jungen Mädchen in einer schwierigen Phase, welche sich später als Frau in mittleren Jahren an die Zeit mit der Gruppe zurückerinnert. Mit diesem Wissen der erwachsenen Frau spielt der Roman und lässt seine Protagonistin abgeklärt, zuweilen distanziert und reif über ihr jüngeres Selbst erzählen und urteilen.
Die Selbstfindung des Teenagers weiß die Autorin in ihrem Debüt gekonnt in Szene zu setzen. Ihre Beschreibungen sind ausführlich und befassen sich oft mit Vergleichen, so dass die Lesenden eine gute Vorstellung von Evie und ihrer Umgebung bekommen. Aber eine Selbstfindung eines Teenagers habe ich ehrlicherweise mit meiner zugegebenermaßen voyeuristischen Grundeinstellung zu dem Buch nicht erwartet und bin deshalb insgesamt leicht enttäuscht. Die Hoffnung auf tiefere Einblicke, warum so viele junge Menschen dermaßen diesem grausamen und selbstgerechten Guru verfielen, blieb unerfüllt. Zwar zeigt sich Evies Götterverehrung, die anderen Mitglieder der Gruppe sind jedoch älter und man hätte - trotz aller Drogen - etwas mehr Verstand und Herz erwarten können.

Die Rahmenhandlung in "heutiger" Zeit war für mich verstörend und unglaubwürdig. Trotz ihrer großen Erfahrungen wirkt Evie immer noch verhuscht, die Episode um sie als erwachsene Frau, die sich mit ein paar Teenagern herumschlägt, ist eher Lückenfüller als dass es die Geschichte voranbringt oder Erklärungen für ihr damaliges Verhalten anbietet.

Ein großes Kompliment gebührt jedoch der Sprecherin, die beiden, junger wie alter Evie, Leben einhaucht.

Mein Fazit:
Eine wirklich sehr schön geschriebene und wortgewaltige Geschichte über Pubertät in den späten 60er-Jahren, leider wird die spannende Story, die für den Klappentext als Aufhänger dient, zu wenig gewürdigt.

3 Sterne