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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.04.2017

voller humor

Grätenschlank
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Ute Haese hat nämlich mit Hanna Hemlokk eine Figur erschaffen, die wie eine Droge (Legal High g) auf den Leser wirkt: sie führt Dich in Welten, in denen Du vorher noch nie unterwegs warst und aus denen ...

Ute Haese hat nämlich mit Hanna Hemlokk eine Figur erschaffen, die wie eine Droge (Legal High g) auf den Leser wirkt: sie führt Dich in Welten, in denen Du vorher noch nie unterwegs warst und aus denen Du aber eigentlich auch nicht so schnell wieder raus willst. Beißende Komik (siehe Zitat oben) trifft Sozialkritik mit nützlichen Tipps für Schildkrötenpflege

Die Wesensarten der von Ute Haese geschaffenen Figuren reichen von cholerisch über schüchtern bis hin zu Unternehmer-Dandys, die Angst vor Papa haben und einmal im Jahr bei einem großen Festival unweit Hamburgs die sprichwörtliche Sau raus lassen. An dieser Stelle musste ich herzhaft lachen und mich an meine eigene, jahrelange Anwesenheit auf diesem Festival erinnern – mittlerweile verfolge ich die einzelnen Konzerte der dort aufspielenden Bands aber auch lieber auf dem heimischen Sofa ha ha ha.

Hier bekommt jeder sein Fett weg: seien es Midlife-Crisis gebeutelte Männer, die bei Hanna besoffen auf dem Sofa sitzen oder Fettkiller-Produkte verkaufende Blondinen, die trotz ihrer „Hach, ich bin ja so glücklich mit meiner Ehe“-Aussagen auf sog. Incentive-Feiern ihres Arbeitgebers sich von Callboys verführen lassen – keiner wird verschont. Egal ob jemand zu einer der beiden hier genannten Gruppen gehört oder nicht: wem bei derart überspitzten Texten das Lachen im Halse stecken bleibt und das Buch gefrustet zuschlägt, der…mh, jetzt fällt mir glatt nicht mehr ein, was ich schreiben wollte

Auch wenn im vorliegenden Fall schnell klar ist, wer hier der Mörder ist (nein, es ist nicht der Gärtner g) und man ihn sogar mit Namen kennt – die Auflösung, wie es zu dem Mord kommen konnte, serviert uns Ute Haese erst auf den letzten Seiten und ist so „hanebüchen“ und schräg, dass man nicht umhin kommt, sich ständig wie Tom bei „Tom und Jerry“ auf die Schenkel zu klopfen und brüllend zu lachen.

Veröffentlicht am 19.04.2017

ein wunderschönes portrait von mallorca

Ein Winter auf Mallorca
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Mallorca - romantische Täler, Klosterruinen, die berühmte Autorinnen zu lesenswerter Prosa animieren und inspirieren...So gefällt mir das schon besser g. Denn lange bevor Mallorca zum selbsternannten 17. ...

Mallorca - romantische Täler, Klosterruinen, die berühmte Autorinnen zu lesenswerter Prosa animieren und inspirieren...So gefällt mir das schon besser g. Denn lange bevor Mallorca zum selbsternannten 17. deutschen Bundesland wurde und der Verfasser dieser Zeilen vor zig Jahren zu Millionen von Urlaubern gehörte, die von der Schönheit der Insel kaum etwas mitbekommen haben, hat die französische Schriftstellerin George Sand 1838 mit ihrem Geliebten Frederic Chopin und ihren Kindern Maurice und Solange eine in weiten Teilen unangenehme Reise nach Mallorca unternommen. Die größtenteils leidvollen persönlichen Erinnerungen von George Sand daran sind der Nachwelt unter dem Titel "Ein Winter auf Mallorca" bekannt geworden und auch fast zweihundert Jahre später hat dieser Reisebericht bzw. einzelne Passagen daraus nichts von seiner "Aktualität" verloren, wie nachfolgendes Zitat eindrücklich unter Beweis stellt:
"So notwendig die Presse für die Gesamtheit unseres Denkens und Handelns ist, so abstoßend ist es, den Hader der Parteien im einzelnen zu verfolgen und zu beobachten, wie Wochen und Monate mit Beleidigungen und Drohungen vertan werden, ohne daß eine einzige Frage geklärt oder ein merklicher Fortschritt verzeichnet wäre. Und dieses Warten kommt uns um so länger vor, je eingehender man uns über alle Phasen der Debatte berichtet." (S. 65)

Mit spitzer Zunge schildert George Sand ihre Begegnungen mit der mallorquinischen, überwiegend ländlichen Bevölkerung, die ihr und ihrer Begleitung kritisch und teilweise überaus feindlich gegenüberstanden, weil weder George Sand noch Frederic Chopin noch ihre Kinder in das Weltbild der tiefgläubigen Einwohner Mallorcas passten.

Gleichzeitig aber schreibt sie mit einer solchen Intensität von phantastischen Sonnenunter- und -aufgängen, von unberührter Natur, von alten Klosterruinen, die sie zu nachdenklicher, aber wunderschöner Prosa inspirieren, lässt durch ausführlichen Bericht die Kartause von Valldemossa, in der sie nach einem kurzen Aufenthalt in Palma für den Rest ihres Aufenthaltes auf Mallorca gelebt hat, vor unserem inneren Auge entstehen und stellt sich mitunter auch augenzwinkernd selbstkritisch in Frage.
"...und ich frage mich jetzt, warum ich nicht mit zwanzig Zeilen ausdrücken konnte, was ich auf zwanzig Seiten gesagt habe." (S. 197)

Das alles und noch viel mehr - nein, hier folgt jetzt keine weitere Textzeile aus "König von Deutschland" von Rio Reiser g - machen dieses Buch, welches in meiner Ausgabe (dtv-klassik) mit zusätzlichen, phantastischen Lithographien von Joseph-Bonaventura Laurens und einem Abschnitt aus George Sand´s Biographie über die Reise nach Mallorca ergänzt wurde, zu einer lesens- und sehenswerten Lektüre, aus der ich bestimmt öfter einzelne Passagen, die mich besonders berührt haben, lesen werde.

Veröffentlicht am 14.04.2017

ein spannender roadtrip

Absturz überlebt!
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Südamerika – bei dem Begriff fällt mir zunächst einmal einer meiner Lieblingsautoren, Gabriel Garcia Marquez, ein. Dann natürlich die dazugehörigen Länder wie Brasilien, Peru, Bolivien, Chile. Aber auch ...

Südamerika – bei dem Begriff fällt mir zunächst einmal einer meiner Lieblingsautoren, Gabriel Garcia Marquez, ein. Dann natürlich die dazugehörigen Länder wie Brasilien, Peru, Bolivien, Chile. Aber auch Begriffe wie Samba und Lebensfreude.

Nach Lektüre von „Absturz überlebt“ von Kerstin Westerbeck kommen jetzt noch Menschenhandel, Prostitution, Drogen usw. dazu. Kerstin Westerbeck ist durch persönliche Verhältnisse eine tief in Südamerika verwurzelte Autorin, die sich nicht zu schade ist, auch die negativen Aspekte dieses „Subkontinents“ zu beleuchten, was bei der Bewertung dieses Romans mit einfließen muss.

Worum geht´s: Lennard Krupp ist ein Ingenieur aus Deutschland, der in Chile an einem Hafenbau-Projekt teilnimmt und sich ein paar Tage Auszeit gönnen will. So steigt er in ein Flugzeug Richtung La Paz und damit beginnt für ihn ein wilder und irrer „Überlebens“-Trip, der geprägt ist von Sex, Schwindel und Ohnmacht, der Suche nach Elena (einer weiteren Überlebenden des Absturzes) und der immer wiederkehrenden Frage, wie man mit dem Trauma, einen Flugzeugabsturz überlebt zu haben, richtig umgehen kann, ohne daran zu zerbrechen.

Mancher Leser wird sich fragen, warum ein Mann Anfang 40 und demnach in der „Mitte seines Lebens“ (oder auch Midlife-Crisis genannt) nach einem Flugzeugabsturz ständig an Sex denkt und ebensolchen mit wechselnden Partnern und mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg hat. Diese Frage habe auch ich mir während der Lektüre öfter gestellt und das ist (leider) auch ein Negativ-Aspekt dieses Romans; hier wäre weniger definitiv mehr gewesen. Wer jetzt allerdings denkt, dass es in dem Buch nur um die Demonstration männlicher Potenz geht, liegt hier falsch. Dafür ist „Absturz überlebt“ dann doch zu vielschichtig (s. o.).

Schwierig mögen auch für den ein oder anderen Leser (oder alle, die des spanischen nicht mächtig sind g) die in Spanisch gehaltenen Passagen und Sätze sein, wobei das Wichtigste direkt im Anschluss immer sinngemäß wiederholt und so übersetzt wird. Und notfalls gibt es ja auch einen Übersetzer namens – na ja, Schleichwerbung mach ich hier jetzt nicht ha ha ha.

Ein weiterer Aspekt, der die Lesefreude etwas trübt, ist die Kommasetzung. Wobei ich hier ein Auge zudrücke, da Kerstin Westerbeck keinen professionellen Lektor im Rücken hat und das sogar auf ihrer Homepage selber zur Sprache bringt (Respekt dafür, so offen mit dem Thema umzugehen!!!). Die Sache mit dem Lektor ist ein Umstand, der heutzutage leider (scheinbar) zum Autoren-Dasein dazugehört. Man kann Kerstin Westerbeck nur wünschen, dass sie die Möglichkeit erhält, jemanden zu finden, der ihr in Zukunft dahingehend mit Rat und Tat zur Seite steht.

Positiv hervorheben muss und will ich die Beschreibung der Szenen, in denen man sich wirklich vorkommt, als wäre man direkt vor Ort. Zum Beispiel, wenn der Protagonist auf eine Bergtour Richtung Machu Picchu aufbricht und oben angekommen, sich ein Panorama entfaltet, wo man einfach nur hofft, eines Tages diese Schönheit der Natur in Wirklichkeit betrachten zu können. Man spürt allerdings auch die versteckte Kritik der Autorin am Massentourismus, der dabei ist, solch unschätzbare Güter der Menschheit unwiederbringlich zu zerstören.

Das Ende bietet für den Leser eine ziemliche Überraschung und man versteht auf einmal, warum das Buch an der einen oder anderen Stelle sprunghaft, wirr und diffus wirkt und warum die Sprache eher an ein Tagebuch als an einen „normalen“ Roman erinnert.

Veröffentlicht am 14.04.2017

toll geschrieben

Die Todgeweihte
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Und so lernen wir im Laufe der Geschichte etwas über jüdische Sitten und Gebräuche sowie über die Verleumdungen gegenüber Juden und dem daraus resultierendem Judenpogrom in Basel Anfang 1349. Durch einen ...

Und so lernen wir im Laufe der Geschichte etwas über jüdische Sitten und Gebräuche sowie über die Verleumdungen gegenüber Juden und dem daraus resultierendem Judenpogrom in Basel Anfang 1349. Durch einen Zeitsprung von 7 Jahren werden wir auch Zeuge des schrecklichen Erdbebens, welches Basel 1356 heimgesucht hat und bei dem ein Großteil der Stadt vernichtet wurde.

Geschickt verbindet Titus Müller eine (erfundene) Dreiecksliebesgeschichte, die aber genauso hätte stattfinden können (ob so etwas zu der damaligen Zeit möglich war, kann ich nicht beurteilen, muss ich aber zum Glück auch nicht) mit historischer Realität und lässt dem Leser das ein oder andere Mal die Kinnlade herunterklappen.

Die von Titus Müller geschaffenen (fiktiven) Personen wie die Hauptprotagonistin Saphira und die historisch belegbaren Personen wie Konrad von Bärenfels sind dem Leser sofort sympathisch (oder auch nicht) und man wechselt auch mal auf die jeweils andere Seite und hofft, bangt, lacht mit ihnen.

Alles in allem ein großartiger Blick in die Geschichte und definitiv nicht mein letztes Buch von Titus Müller.

Veröffentlicht am 14.04.2017

faszinierend

1984
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George Orwell hat mit Winston Smith einen Protagonisten geschaffen, der von einem um Gedankenfreiheit (2+2=4) kämpfenden Mann mittels Gehirnwäsche und Folter zu einem psychischen Wrack gemacht wird, der ...

George Orwell hat mit Winston Smith einen Protagonisten geschaffen, der von einem um Gedankenfreiheit (2+2=4) kämpfenden Mann mittels Gehirnwäsche und Folter zu einem psychischen Wrack gemacht wird, der am Ende wirklich glaubt, dass 2+2=5 ist (weil die Partei es so will) und er den „Großen Bruder“ liebt.

Interessant dabei ist, WIE die Entwicklung von Winston vonstattengeht, wie er von scheinbar gleichdenkenden Menschen benutzt und verarscht wird und so im Sinne des „Großen Bruders“ zu einem gedankenlosen Roboter umerzogen wird, der keine (kritischen) Fragen stellt.

Bei der Schilderung der Folterszenen musste ich das ein oder andere Mal an Franz Kafkas „In der Strafkolonie“ denken – vielleicht ist es einer der Gründe, die mich immer wieder zu diesem Buch greifen lassen. (Bevor jetzt einer auf den Gedanken kommt: NEIN, ich stehe nicht auf Folter und dergleichen g).

Auch wenn wir das Jahr 1984 bereits 32 Jahre hinter uns gelassen haben und wir von der im Buch beschriebenen Realität überholt (oder doch eingeholt?) wurden: die von Orwell in den 1940er Jahren geschaffene Dystopie hat nichts von seiner Faszination verloren und wird mich auch weiterhin literarisch immer mal wieder begleiten.