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Veröffentlicht am 03.09.2024

Wahre Schönheit liegt im Herzen

Und morgen wieder schön
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Marie Sands Roman "Und Morgen wieder schön" erzählt die bewegende Geschichte von Amanda Lennart, einer jungen Frau, die im Friseursalon ihrer Mutter aufwächst und dort das Handwerk der Friseurin erlernt. ...

Marie Sands Roman "Und Morgen wieder schön" erzählt die bewegende Geschichte von Amanda Lennart, einer jungen Frau, die im Friseursalon ihrer Mutter aufwächst und dort das Handwerk der Friseurin erlernt. Doch Amanda träumt von mehr – sie will das Schöne nicht nur betonen, sondern es zum Strahlen bringen. Dieser Wunsch führt sie nach Paris, wo sie sich in die Welt der Mode stürzt und den berühmten Karl Lagerfeld trifft. Doch statt Anerkennung erfährt sie Ablehnung. Trotz dieses Rückschlags erhält sie die Chance, bei Lagerfelds Coiffeur in die Lehre zu gehen, was der Beginn eines steinigen, aber auch erfüllenden Weges ist.

Sand hat sich von einer wahren Geschichte inspirieren lassen und fängt die Höhen und Tiefen von Amandas Reise mit einer bemerkenswerten Sensibilität ein. Besonders beeindruckend ist die Art, wie sie die Figuren gestaltet: Einfühlsam, vielschichtig und doch auf eine zurückgenommene, intensive Weise. Die emotionale Tiefe des Romans entfaltet sich besonders im zweiten Teil, als Amandas Freundin an Brustkrebs erkrankt und ihre Haare verliert. Hier gelingt es Sand, den Schmerz und die Hoffnung der Betroffenen authentisch einzufangen.

Der erste Teil des Romans, der in Paris spielt, ist aufregend und atmosphärisch dicht. Die lebendige Beschreibung der Orte und Szenen lässt die Stadt der Lichter vor den Augen des Lesers aufleuchten und bietet einen faszinierenden Kontrast zu den ernsteren Themen, die später behandelt werden. Amanda selbst ist eine Figur, die man schnell ins Herz schließt – ihre Entschlossenheit, ihr Mitgefühl und ihr unerschütterlicher Glaube an die Schönheit des Lebens machen sie zu einer bemerkenswerten Protagonistin.

"Und Morgen wieder schön" ist ein Roman, der tief berührt und lange nachklingt. Der einfühlsame Schreibstil, die starke Figurenzeichnung und die emotionale Wucht der Geschichte machen dieses Buch zu einem besonderen Leseerlebnis. Es ist eine klare Empfehlung für alle, die Geschichten voller Herz und Menschlichkeit suchen.

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Eine Hommage an die Stärke der Frauen

Die Schwarzgeherin
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Regina Denks Roman „Die Schwarzgeherin“ ist ein eindrucksvolles Werk, das den Leser in das Leben eines abgelegenen Dorfes in den Tiroler Alpen des 19. Jahrhunderts entführt. Im Mittelpunkt steht die 18-jährige ...

Regina Denks Roman „Die Schwarzgeherin“ ist ein eindrucksvolles Werk, das den Leser in das Leben eines abgelegenen Dorfes in den Tiroler Alpen des 19. Jahrhunderts entführt. Im Mittelpunkt steht die 18-jährige Theres, deren Schicksal durch die patriarchalen Strukturen ihrer Gemeinschaft leidvoll geprägt ist. Die Geschichte fängt nicht nur die Atmosphäre der Zeit und des Ortes ein, sondern vermittelt auch ein authentisches Gefühl durch die Verwendung des regionalen Dialekts, der die Figuren und Schauplätze zum Leben erweckt.

Die Kraft des Romans liegt in seiner schonungslosen Darstellung einer kargen und wortkargen Welt, in der die Zeit scheinbar stehengeblieben ist. Denks Prosa zeichnet ein eindringliches Bild des harten Lebens in den Bergen, wo Freiheit und Selbstbestimmung keine Selbstverständlichkeiten sind. Theres’ Wunsch, den vorgezeichneten Weg zu verlassen und ihr eigenes Leben zu gestalten, ist nachvollziehbar und zutiefst menschlich.

Doch nicht nur Theres' Geschichte wird eindrucksvoll erzählt. Auch ihre Mutter, eine Frau, die in großer Einsamkeit lebt, wird mit großer Empathie beschrieben. Beide Frauen ringen um Freiheit, doch ihre gesellschaftlichen Umstände setzen ihnen enge Grenzen. Die Kommunikation, oder vielmehr das Versagen dieser, ist ein zentrales Thema des Romans. Wenn Menschen nicht gelernt haben, über ihre Fehler zu sprechen, wenn Misstrauen und Missgunst dominieren und tradierte Hierarchien nicht hinterfragt werden, bleiben am Ende alle Beteiligten auf der Strecke.

Denks Roman ist weit mehr als nur eine spannende Geschichte; es ist eine tiefgründige Erzählung über den Mut und die Kraft von Frauen, sich gegen die Widerstände ihrer Zeit zu behaupten.

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Irgendwie gehört doch jeder in Behandlung...

Aus dem Haus
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Miriam Böttgers Roman "Aus dem Haus" ist eine Mischung aus alltäglichem Chaos und tiefgründiger Familienpsychologie. Im Zentrum steht das HAUS in Kassel, das nicht nur der Wohnort der Familie, sondern ...

Miriam Böttgers Roman "Aus dem Haus" ist eine Mischung aus alltäglichem Chaos und tiefgründiger Familienpsychologie. Im Zentrum steht das HAUS in Kassel, das nicht nur der Wohnort der Familie, sondern fast schon eine eigene Figur im Roman ist. Es ist ein Ort, der den Mitgliedern jegliche Lebensfreude raubt, sie aber gleichzeitig in einer beklemmenden Art und Weise zusammenhält.

Die Erzählung, die aus der Sicht einer namenlosen Ich-Erzählerin geschildert wird, verläuft scheinbar ereignislos und doch voller emotionaler Geladenheit. In kurzen, prägnanten Kapiteln wird der Umzug der Eltern aus dem ungeliebten Haus beschrieben, wobei die Rückblicke auf die Vergangenheit allmählich offenbaren, dass das Haus zwar Auslöser für die familiären Spannungen sein könnte, jedoch nicht deren Ursache. Im Gegenteil, der Umzug in eine neue Umgebung zeigt, dass die Probleme der Familie tiefer liegen und sich nicht durch einen Ortswechsel beheben lassen.

Besonders eindrucksvoll ist die Figur der Mutter, die unter Migräne und einer lähmenden „Zeitpanik“ leidet – eine ständige Angst vor dem unaufhaltsamen Verstreichen der Lebenszeit. Ihre pessimistische Grundhaltung beeinflusst das gesamte Familiengefüge, wobei alle anderen Familienmitglieder in den Hintergrund treten. In dieser Dynamik offenbart sich die zentrale These des Romans: „Eigentlich ist jede Familie eine Sekte für sich.“ Diese Erkenntnis zieht sich durch die gesamte Handlung und zeigt, wie jede Familie ihre eigene kleine Welt mit eigenen Regeln und Strukturen bildet – oft auf Kosten der individuellen Bedürfnisse.

Böttger gelingt es, die Absurdität und zugleich die Realität familiärer Beziehungen mit einer herrlich ironischen Erzählweise darzustellen. Die Ich-Erzählerin beschreibt die Ereignisse mit einem sarkastischen Unterton, der dem Leser oft ein Schmunzeln entlockt, während man gleichzeitig die Tragik der Situationen körperlich spüren kann.

Persönliches Fazit: Ich könnte mir die Geschichte als fortlaufende Kolumne besser vorstellen. Das Buch ermüdet irgendwann durch den vorherrschenden Ton der Negativität. Von daher - trotz all der genial formulierten Tiefgründigkeit - "nur" vier Sterne.

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Veröffentlicht am 30.08.2024

Tiefe Gedanken und eindrucksvolle Schilderungen

Am Himmel die Flüsse
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Der Roman "Am Himmel die Flüsse" von Elif Shafak ist kaum mit wenigen Sätzen zu beschreiben. Es stecken so viele interessante Gedankengänge, geschichtliche Hintergründe, naturwissenschaftliche Erkenntnisse ...

Der Roman "Am Himmel die Flüsse" von Elif Shafak ist kaum mit wenigen Sätzen zu beschreiben. Es stecken so viele interessante Gedankengänge, geschichtliche Hintergründe, naturwissenschaftliche Erkenntnisse und spirituelle Weisheiten darin. Der Roman ist verwebt mit der Geschichte des Altertums - beginnend bei König Assurbanipal in Ninive, dem Gilgamesch Epos, das 19. Jahrhundert zu Zeiten der beginnenden Industrialisierung, die Verfolgung der Jeziden bis in die heutige Zeit. Durch allem zieht sich das Element Wasser als roter Faden und die Verflechtungen der Menschen, die entweder durch Hass oder durch Liebe eine Spur durch die Jahrhunderte legen. Vieles ist schockierend, weil die Autorin die dunkle Seiten des Menschen schonungslos präsentiert. Die Erschütterung, die die Autorin im Leser hervorruft, soll zum Aufrütteln dienen und uns daran erinnern, dass jede unserer Handlungen eine Wirkung hat. So wie das Wasser im ewigen Kreislauf gebunden ist, so dient auch unser Handeln als Fundament für die weitere Zukunft.

Ein Buch, für das man sich Zeit nimmt und was nachdenklich stimmt. Sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 29.08.2024

Rückblick auf ein besonderes Lebenswerk

Lernen, den Tiger zu reiten
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Der körperorientierte Heilungsansatz "Somatic Experiencing" hat sich inzwischen weltweit als angesehene Methode etabliert. Die zahlreichen Bücher zu diesem Thema hat sicher schon jeder mal in der Hand ...

Der körperorientierte Heilungsansatz "Somatic Experiencing" hat sich inzwischen weltweit als angesehene Methode etabliert. Die zahlreichen Bücher zu diesem Thema hat sicher schon jeder mal in der Hand gehabt, der sich mit Traumabewältigung beschäftigt. Das jetzige Buch zeigt nun auch den Begründer dieser Methode, Peter A. Levine, von einer ganz neuen Seite: Der Leser wird zurück in die Kindheit des Autors geführt und begleitet diesen bei den zum Teil schockierenden Erlebnissen. Dem folgt die stückweise Bewältigung, die fast sein gesamtes Leben in Anspruch nimmt. Der "Tiger" - als Sinnbild für die erfahrene Bedrohungssituation - ist als Angstmuster abgespeichert. Durch spirituelle Erfahrungen, Unterstützung von anderen Menschen und seiner unermüdlichen Wissbegier, lernt der Autor, die Energie des Tigers als eigene Kraft zu nutzen. Er wird angetrieben von einer Sehnsucht, eine Heilmethode zu entwickeln, die eine Brücke zwischen schamanischen Wissen und moderner Medizin schlägt. Der beschriebene Lebensweg wird schonungslos offen und mit intimen Einblicken geschildert. Bemerkenswert ist die ehrliche und - trotz seiner Errungenschaften - sehr demütige Darstellung seines Lebens mit all seinen Schwächen und Defiziten. Fazit: Absolut empfehlenswert für alle, die sich ansatzweise für Psychologie, alternative Heilmethoden oder Traumabewältigung interessieren.

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