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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.08.2022

Ein todbringender Service

Die versteckte Apotheke
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London im 18. Jahrhundert: Eine geheime Apotheke bietet einen ungewöhnlichen Service an. Der Name von Nella Clavinger wird hinter vorgehaltener Hand geflüstert. Sie verkauft Gift an ihre Kundinnen. In ...

London im 18. Jahrhundert: Eine geheime Apotheke bietet einen ungewöhnlichen Service an. Der Name von Nella Clavinger wird hinter vorgehaltener Hand geflüstert. Sie verkauft Gift an ihre Kundinnen. In der britischen Hauptstadt der Gegenwart stößt
Caroline Parcewell auf einen Hinweis auf die Giftapotheke…

„Die versteckte Apotheke“ ist der Debütroman von Sarah Penner.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 36 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Einmal geht es um die Gegenwart, in der in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Caroline erzählt wird. Ein anderes Mal befinden wir uns im Jahr 1791, wobei im Wechsel aus der Sicht von Nella und Eliza erzählt wird. Die Orientierung ist dank Zeitangaben und den Namen als Kapitelüberschriften sehr leicht. Ein hilfreiches Extra ist die Londoner Stadtkarte.

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman weder kunstvoll noch besonders. Zwischen den einzelnen Perspektiven enthält der Stil zu wenig Variation. Zudem ist der Wortgebrauch auf der historischen Ebene auffällig anachronistisch. Der Schreibstil ist jedoch anschaulich und angenehm zu lesen.

Die Protagonistinnen sind reizvolle Charaktere, wobei mich die Figur Eliza am wenigsten überzeugt hat.

Inhaltlich hat mich die feministische Komponente direkt angesprochen. Auch die kreative Geschichte an sich ist ein Pluspunkt. In der Umsetzung hat mir allerdings ein wenig Tiefgang gefehlt.

Auf rund 370 Seiten bietet die Geschichte mehrere Überraschungen. Die Handlung ist unterhaltsam und durchaus fesselnd.

Angehängt sind Auszüge aus der Giftapotheke Nellas sowie kleine Rezepte. Ich persönlich konnte damit zwar wenig anfangen. Dennoch eine schöne Idee.

Die Gestaltung des deutschen Hardcovers ist gleichzeitig etwas düster, was gut zum Inhalt passt, und hübsch. Es wurde von der Erstausgabe übernommen. Auch der deutsche Titel ist nahe dran am englischen Original („The Lost Apothecary“).

Mein Fazit:
„Die versteckte Apotheke“ von Sarah Penner ist ein gelungenes Romandebüt. Aufgrund kleinerer Schwächen konnte mich die Geschichte leider nicht komplett begeistern.

Veröffentlicht am 03.08.2022

Das Geheimnis um ein Manuskript

Das Glück auf der letzten Seite
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Bei einem Urlaub in der Normandie findet Anne-Lise Briard in einem Hotel ein ungewöhnliches Manuskript. Was hat es damit auf sich? Wer hat es verfasst? Und wie ist es in das Hotel gelangt? Eine abenteuerliche ...

Bei einem Urlaub in der Normandie findet Anne-Lise Briard in einem Hotel ein ungewöhnliches Manuskript. Was hat es damit auf sich? Wer hat es verfasst? Und wie ist es in das Hotel gelangt? Eine abenteuerliche Suche beginnt…

„Das Glück auf der letzten Seite“ ist ein Briefroman von Cathy Bonidan.

Meine Meinung:
In stilistischer Hinsicht ist der Roman besonders. Er besteht nicht aus klassischen Kapiteln, sondern einzelnen Briefen. Bedingt durch die unterschiedlichen Absender wechselt die Perspektive immer wieder. Die Handlung spielt im Jahr 2016. Sie zieht sich aufgrund des langsamen Schriftverkehrs über mehr als ein halbes Jahr. Dieser Aufbau ist schlüssig. Die Orientierung fällt nicht schwer.

Eine Herausforderung liegt bei solchen Romanen darin, dass sich die einzelnen Stimmen sprachlich ausreichend unterscheiden. Das ist hier gelungen. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass ein reiner Briefwechsel oft etwas gekünstelt und lebensfremd wirkt. Dies ist im vorliegenden Werk zwar durchaus der Fall, aber nicht in auffälligem und störendem Ausmaß.

Das Personal des Romans ist umfangreicher als vermutet. Anne-Lise steht im Fokus der Geschichte. Zunächst erschien sie mir etwas zu übergriffig. Sie ist mir jedoch nicht unsympathisch. Auch der Autor Sylvestre spielt eine hervorgehobene Rolle. Die übrigen Charaktere lassen zum Teil psychologische Tiefe vermissen, bilden allerdings ein breites Spektrum ab.

Inhaltlich ist der Roman vor allem für Bibliophile interessant. Es geht um den Einfluss von Literatur, aber auch um die grundlegenden Fragen des Lebens. Das Setting hat mich auf Anhieb angesprochen.

Auf den knapp 270 Seiten gestaltet sich die Suche nach dem Autor durchaus unterhaltsam und fesselnd. Leider bleiben am Ende für mich zu viele Fragen offen.

Das deutsche Cover ist sehr hübsch. Der französische Originaltitel („Chambre 128“) ist kreativer und weniger kitschig formuliert als die stark abweichende Übersetzung.

Mein Fazit:
Obwohl der Roman nicht sein gesamtes Potenzial ausschöpft, hat Cathy Bonidan mit „Das Glück auf der letzten Seite“ eine Geschichte geschrieben, die Literaturfans auf charmante Weise unterhalten kann.

Veröffentlicht am 29.07.2022

Ein Wiedersehen nach 30 Jahren

Freundin bleibst du immer
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Funmi, Enitan und Zainab kennen sich seit Studienzeiten in Nigeria. Sie wurden trotz ihrer Verschiedenartigkeit Freundinnen. Nach der Universität verliefen sich ihre Lebenswege. Doch jetzt, 30 Jahre später, ...

Funmi, Enitan und Zainab kennen sich seit Studienzeiten in Nigeria. Sie wurden trotz ihrer Verschiedenartigkeit Freundinnen. Nach der Universität verliefen sich ihre Lebenswege. Doch jetzt, 30 Jahre später, treffen die drei Frauen erstmals in Lagos wieder aufeinander. Der Anlass: Funmis Tochter Destiny heiratet… 

„Freundin bleibst du immer“ ist der Debütroman von Tomi Obaro.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem kurzen Epilog. Danach gliedert sich die Geschichte in drei Teile und 31 Kapitel. Der erste und der letzte Teil spielen im Dezember 2015, der Mittelteil in den 1980er-Jahren. Die Orientierung innerhalb der Geschichte fällt leicht. Dieser Aufbau gefällt mir gut.

Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, aus der Sicht von Funmi, Enitan und Zainab. Der Schreibstil ist schnörkellos, aber anschaulich und eindringlich. Authentisch wirkt der Roman in sprachlicher Hinsicht durch die nigerianischen Einstreuungen. Beim Verständnis hilft das angefügte Glossar.

Die drei Protagonistinnen sind interessante Charaktere. Ich mochte ihre unterschiedlichen Eigenschaften und habe ihre Schicksale gerne verfolgt.

Erhofft hatte ich mir Einblicke in das kulturelle und gesellschaftliche Leben Nigerias. Dieser Erwartung wird der Roman mehr als gerecht. Auch politische, historische und religiöse Aspekte machen die Lektüre facettenreich und sorgen für Tiefgang. Leider wird das Thema Freundschaft nicht ausreichend herausgearbeitet.

Auf den rund 300 Seiten entfaltet sich eine gleichsam bewegende wie überraschende Geschichte. Der Roman hat nur wenig Längen und bietet einen hohen Unterhaltungswert.

Der amerikanische Originaltitel („Dele Weds Destiny“) ist durchaus kreativer und konkreter als die sehr freie, beliebig klingende deutsche Übersetzung. Das hübsche Cover der Erstausgabe wurde erfreulicherweise übernommen.

Mein Fazit:
Mit „Freundin bleibst du immer“ ist Tomi Obaro ein lesenswertes Debüt gelungen. Ein Roman mit vielen Stärken und nur kleineren Schwächen.

Veröffentlicht am 26.07.2022

Was es heißt, eine Frau zu sein

Es ist ein Mädchen
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Rouen im Jahr 1959: Oh nein, schon wieder ein Mädchen! Für den Allgemeinmediziner Matthieu Barraqué ist die Geburt seiner Tochter Laurence eine Enttäuschung. Wie sehr hätte er sich über einen Jungen gefreut. ...

Rouen im Jahr 1959: Oh nein, schon wieder ein Mädchen! Für den Allgemeinmediziner Matthieu Barraqué ist die Geburt seiner Tochter Laurence eine Enttäuschung. Wie sehr hätte er sich über einen Jungen gefreut. Es wird nicht das letzte Mal bleiben, dass Laurence die Last ihres Geschlechtes spürt…

„Es ist ein Mädchen“ ist ein Roman von Camille Laurens.

Meine Meinung:
Untergliedert in vier Teile und einen Epilog, ist der Aufbau komplexer als zunächst gedacht. Schon im umfassenden ersten Teil, der sieben Kapitel umfasst, wechselt die Perspektive mehrfach. Mal wird aus der Ich-Perspektive aus Sicht von Laurence erzählt, mal in der Du-Perspektive. Die Handlung erstreckt sich über etliche Jahrzehnte und spielt vorwiegend in Rouen.

In sprachlicher Hinsicht hat mir vor allem der erste Teil besonders gut gefallen. Er ist gespickt mit Wortspielen und gewitzten Formulierungen. Diese Raffinesse verliert sich leider etwas im weiteren Verlauf des Romans. Auffällig ist jedoch, dass der schnörkellose Schreibstil im gesamten Roman Emotionen sehr gut zu transportieren vermag.

Laurence ist keine klassische Sympathieträgerin. Sie wirkt in Bezug auf ihren Charakter wegen ihrer Ecken und Kanten sehr menschlich. Ihre Lebensgeschichte per se ist jedoch überspitzt gezeichnet. Sie ist sozusagen eine Mischung unterschiedlicher Schicksale und Erlebnisse, die in diesem Umfang nicht einer einzigen Person zuzuordnen sind.

Die Ausgestaltung der Figur hat damit zu tun, dass die Autorin offenbar sämtliche Facetten von Misogynie und der Benachteiligung von Frauen vor Augen führen wollte, ohne ein riesiges Personal unterzubringen. Darin ist auch das Hauptthema des Romans zu suchen. Sie schildert anhand der fiktiven Geschichte der Protagonistin, wie Frauen von der Geburt bis ins hohe Alter diskriminiert, abgewertet und übervorteilt werden, wie sie Opfer von psychischer, physischer und insbesondere sexueller Gewalt werden und nur auf dem Papier gleichberechtigt sind. Zwar wiederholen sich einige Aspekte, und in der Summe erscheint die Geschichte recht überzogen. Dies ist jedoch mit Sicherheit so gewollt. Der Roman hat es geschafft, auch bei mir für einige Aha-Momente zu sorgen, obwohl ich mich schon intensiv mit feministischen Themen befasst habe. Zudem fiele mir persönlich auch keine bessere Umsetzung ein, um alle Bestandteile von Misogynie abzudecken, ohne einen Wälzer zu schreiben.

Das vorliegende Werk ist mit seinen knapp 250 Seiten kein unterhaltsamer Schmöker, sondern ziemlich kompakt. Der Roman hat mich nicht nur zum Nachdenken angeregt. Er hat mich auch an mehreren Stellen überrascht.

Das deutsche Cover finde ich ansprechend und auch in Bezug auf das Motiv gelungen. Der mehrdeutige Titel des Originals („Fille“) lässt sich schwer ins Deutsche übertragen. Die gewählte Lösung kommt aber nahe heran.

Mein Fazit:
„Es ist ein Mädchen“ von Camille Laurens ist mehr eine feministische Anklage als ein Unterhaltungsroman. Bei mir hat das Buch einen Nerv getroffen. Eine empfehlenswerte Lektüre!

Veröffentlicht am 21.07.2022

Wenn ein Elternteil stirbt

Die Schuhe meines Vaters
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Frankfurt am Main im Jahr 2018: Robert Schäfer, der Vater des Schriftstellers Andreas Schäfer, ist 81 Jahre alt, als er stirbt. Nach mehr als 20 Jahren war bei ihm der Krebs zurückgekehrt. Als er die Diagnose ...

Frankfurt am Main im Jahr 2018: Robert Schäfer, der Vater des Schriftstellers Andreas Schäfer, ist 81 Jahre alt, als er stirbt. Nach mehr als 20 Jahren war bei ihm der Krebs zurückgekehrt. Als er die Diagnose erhielt, hatten sich bereits Metastasen gebildet. Wer war dieser Mann? Wie hat er seinen Sohn geprägt?

„Die Schuhe meines Vaters“ ist ein Memoir von Andreas Schäfer.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus drei Teilen, die sich in unterschiedliche Absätze gliedern. Berlin und Frankfurt sind wichtige Orte. Zeitlich springt die Erzählung hin und her. Dennoch lässt sich das Geschilderte gut verfolgen.

Erzählt wird in der Ich-Perspektive, aus der Sicht des Autors. Der Schreibstil ist schnörkellos, fast nüchtern, aber dennoch eindringlich und sprachlich ausgefeilt. An einigen Stellen sind mir die Formulierungen zu knapp, an anderen erzeugt der Autor starke Bilder und poetische Anklänge.

Inhaltlich geht es einerseits um Trauer, Abschied und Verlust, andererseits aber auch um die Stationen im Leben von Robert Schäfer. Zum Teil streift das Buch sogar noch die Geschichte der Großeltern, wobei sich das sicherlich auch nicht trennen ließe.

Auf weniger als 200 Seiten zeichnet der Autor ein umfassendes, ungeschöntes Bild seines Vaters. Dabei wird deutlich, dass die Beziehung der beiden nicht ungetrübt war. Dennoch gibt es immer wieder Passagen, die mich emotional berühren konnten und mich nachdenklich gemacht haben.

Das reduzierte Cover erschließt sich nicht sofort, ist aber trotzdem passend. Der Titel ist nicht sonderlich originell. Er trifft den Kern des Memoirs jedoch gut.

Mein Fazit:
Mit seinem „Die Schuhe meines Vaters“ hat Andreas Schäfer ein lesenswertes Memoir geschrieben, das mich zum Nachdenken angeregt hat. Eine bewegende Lektüre, die für mich allerdings nicht ganz an ähnliche Bücher wie „Sterben im Sommer“ von Zsuzsa Bánk herankommt.