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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.11.2022

Aus der französischen Provinz

Connemara
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Karriere, Ehe, Kinder, Haus: Mit Ende 30 hat Hélène ihre Träume erreicht. Doch richtig glücklich ist sie nicht. Christophe Marchal ist hingegen nicht erfolgsverwöhnt. Er hat die kleine Stadt im Osten Frankreichs, ...

Karriere, Ehe, Kinder, Haus: Mit Ende 30 hat Hélène ihre Träume erreicht. Doch richtig glücklich ist sie nicht. Christophe Marchal ist hingegen nicht erfolgsverwöhnt. Er hat die kleine Stadt im Osten Frankreichs, in dem er und Hélène aufgewachsen sind, nie verlassen. Dann treffen die beiden wieder aufeinander…

„Connemara“ ist ein Roman von Nicolas Mathieu.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst 21 Kapitel und endet mit einem Epilog. Erzählt wird aus der Perspektive von Hélène und Christophe. Die Geschichte springt zwischen gegenwärtigen Ereignissen und Vergangenem hin und her. Dennoch lässt sich der Handlung sehr gut folgen.

Die Sprache ist schnörkellos. Anschauliche Beschreibungen und plastische Dialoge wechseln sich ab.

Vor allem Hélène und Christophe stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Die Protagonisten weisen menschliche Schwächen auf und sind mit psychologischer Tiefe gezeichnet. Sie sind keine typischen Sympathieträger, wirken aber realitätsnah und klischeefrei.

Inhaltlich bietet der Roman nicht nur ein breites Themenspektrum, sondern auch viele Anknüpfungspunkte. Alltägliche Probleme, viel Zwischenmenschliches, Zeitgenössisches und gesellschaftskritische Aspekte ergeben einen unterhaltsamen Mix, der gedankliche Impulse liefert.

Auf den etwas mehr als 400 Seiten ist das Erzähltempo nicht immer hoch. Dennoch konnte mich die Geschichte schnell für sich einnehmen und fast durchgängig fesseln.

Der französische Originaltitel, der gut zum Inhalt passt, wurde glücklicherweise übernommen. Das Cover ist ansprechend und aus thematischer Sicht sehr geeignet.

Mein Fazit:
Mit „Connemara“ hat mich Nicolas Mathieu überzeugt. Ein lesenswerter Roman, der einzelne Lebensgeschichten und das große Ganze in trefflicher Weise verbindet.

Veröffentlicht am 07.11.2022

Die (Ge)Zeiten ändern sich

Zur See
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Auf einer kleinen Nordseeinsel irgendwo zwischen Jütland, Friesland oder Zeeland: Hier ist das Klima rau - und manchmal auch der Umgang der Menschen miteinander. Viele Familien leben hier seit Generationen. ...

Auf einer kleinen Nordseeinsel irgendwo zwischen Jütland, Friesland oder Zeeland: Hier ist das Klima rau - und manchmal auch der Umgang der Menschen miteinander. Viele Familien leben hier seit Generationen. So auch Hanne Sander, ihre drei erwachsenen Kinder und Mann Jens. Aber es gibt auch die Zugezogenen wie der Inselpfarrer.

„Zur See“ ist ein Roman von Dörte Hansen.

Meine Meinung:
14 Kapitel umfasst der Roman, wobei jedes von ihnen den Schwerpunkt auf eine der Figuren legt. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge, allerdings mit diversen Rückblicken. Die Handlung erstreckt sich über etliche Monate.

Sprachlich hat mich der Roman begeistert. Starke, teils ungewöhnliche Bilder, viel Atmosphäre und eindringliche Beschreibungen prägen ihn. Der Schreibstil ist unaufgeregt und dennoch fesselnd. Da lässt es sich auch über die eine und andere allzu pathetische Passage hinwegsehen.

Die Figuren sind eine weitere Stärke des Romans. Die Erzählstimme ist nahe bei den Charakteren und blickt in ihre Seelen. Alle Protagonisten sind mit psychologischer Tiefe ausgestattet. Sie wirken lebensnah und überaus menschlich. Bei ihren Figuren beweist die Autorin, dass sie sich auf Grautöne versteht. Den Finger legt der Roman immer wieder in die Wunden, beleuchtet die Schwächen und Macken. Dennoch: Keine der Personen ist durchweg böse oder missraten.

Thematisch ist die Geschichte sehr facettenreich, ohne zu überladen zu wirken. Es geht um Naturschutz, Tourismus, menschliche Beziehungen, das oft entbehrungsreiche Inselleben und einiges mehr. Erwartungsgemäß nimmt die See breiten Raum ein, jedoch nicht in ihrer romantisierten Version, sondern vielmehr mit ihren Schattenseiten.

Wie schon das Cover vermuten lässt, bietet die Geschichte Tragik und Melancholie. Ein klassischer Spannungsbogen ist nicht vorhanden. Aber mehrere Überraschungen auf den rund 250 Seiten steigern den Lesegenuss.

Der Titel passt hervorragend zum Inhalt. Auch das etwas übertrieben dargestellte Cover spricht mich an.

Mein Fazit:
Mit „Zur See“ hat mich Dörte Hansen zum wiederholten Male überzeugt. Ein Lesehighlight 2022 und ein sehr empfehlenswerter Roman, nicht nur für Inselfans.

Veröffentlicht am 06.11.2022

Das harte Leben am Polarkreis

Das Leuchten der Rentiere
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Winter 2008 am nördlichen Polarkreis: Hier liegt Sápmi, das Land der Samen, der Ureinwohner Skandinaviens. Die neunjährige Elsa, die Tochter eines Rentierbesitzers, wächst auf mit dem Gefühl ständiger ...

Winter 2008 am nördlichen Polarkreis: Hier liegt Sápmi, das Land der Samen, der Ureinwohner Skandinaviens. Die neunjährige Elsa, die Tochter eines Rentierbesitzers, wächst auf mit dem Gefühl ständiger Bedrohung. Eines Tages wird sie Zeugin einer brutalen Tat: Ein Mann tötet ihr geliebtes Rentierkalb. Er droht ihr. Sie darf ihn nicht verraten…

„Das Leuchten der Rentiere“ ist der Debütroman von Ann-Helén Laestadius.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus mehreren Teilen, die wiederum in Kapitel untergliedert sind.
Die Handlung umfasst einige Jahre, beginnend im Jahr 2008, wobei Orts- und Zeitangaben für Orientierung sorgen. Erzählt wird aus der Perspektive von Elsa.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman nicht enttäuscht. Der Schreibstil ist sehr eindrücklich und anschaulich.

Im Mittelpunkt des Romans steht Elsa, eine sympathische und mutige Protagonistin, deren Gefühle sehr gut deutlich werden. Der Charakter wirkt ebenso wie die anderen Figuren authentisch.

Inhaltlich finde ich das Buch sehr wichtig. Es lenkt den Blick auf ein indigenes Volk, das diskriminiert und missachtet wird. Gerne habe ich über die Geschichte, Kultur und Strukturen der Sámi gelesen und so meinen Horizont erweitert. Mich persönlich hat der Roman immer wieder zum Nachdenken angeregt. Das Setting ist zudem sehr reizvoll.

Auf den mehr als 400 Seiten ist die Geschichte trotz des Kriminalfalls nicht durch und durch spannungsgeladen, aber dennoch fesselnd und nicht langatmig.

Den deutschen Titel empfinde ich für den Roman als zu romantisierend und weniger passend als das Original. Ähnliches gilt für das sehr hübsche Cover, das auf einen anderen Inhalt schließen lässt.

Mein Fazit:
„Das Leuchten der Rentiere“ von Ann-Helén Laestadius gehört zu meinen Lesehighlights in diesem Jahr. Eine durchweg empfehlenswerte Lektüre mit einer wichtigen Botschaft.

Veröffentlicht am 04.11.2022

Ein besonderes Warenhaus

KaDeWe. Haus der Träume
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Berlin im ersten Viertel des 20 Jahrhunderts: Das Kaufhaus des Westens bietet eine Welt des Luxus. Für Rieke Krause, die dort einen Job ergattern kann, ist sie sehr fremd. Anders ist es für Judith Bergmann, ...

Berlin im ersten Viertel des 20 Jahrhunderts: Das Kaufhaus des Westens bietet eine Welt des Luxus. Für Rieke Krause, die dort einen Job ergattern kann, ist sie sehr fremd. Anders ist es für Judith Bergmann, der Tochter des KaDeWe-Justiziars. Die Wirren des Ersten Weltkriegs wirbeln die Pläne beider Frauen kräftig durcheinander…

„KaDeWe - Haus der Träume“ ist der Auftaktband einer neuen Saga von Marie Lacrosse.

Meine Meinung:

Der Roman beginnt mit einem Prolog, an den sich fünf Teile mit 24 Kapiteln und ein Epilog anschließen. Die Handlung startet 1907 und endet 1926, wobei der Fokus auf den 1910er- und 1920er-Jahren liegt. Orts- und Zeitangaben zu Beginn von Kapiteln und Abschnitten erleichtern die Orientierung.

Der anschauliche und einfühlsame Schreibstil ist dialoglastig. Die vielen eindrücklichen Beschreibungen lassen lebhafte Bilder vor dem inneren Auge entstehen.

Rieke und Judith sind zwei reizvolle Protagonistinnen. Ihr Innenleben lässt sich prima nachvollziehen.

Das KaDeWe vor 100 Jahren ist ein ansprechendes Setting, das schnell meine Neugier geweckt hat. Wer die früheren Romane von Marie Lacrosse kennt, weiß, dass ihre Stärke darin liegt, Zeitgeschichtliches und historische Ereignisse auf gleichsam lehrreiche wie interessante Weise in die Handlung einzuflechten. Dies gelingt ihr auch in diesem Fall sehr gut.

Mit seinen rund 700 Seiten ist der Roman ein dicker Schmöker. Trotz des verhältnismäßig großen Umfangs bleibt die Geschichte unterhaltsam und abwechslungsreich.

Hilfreich ist die Personenübersicht, die historische Persönlichkeiten als solche ausweist. Auch das Glossar und das Quellenverzeichnis sind nützliche Extras, die das Lesevergnügen fördern.

Sehr gefreut hat mich, dass es wieder ein ausführliches Nachwort gibt („Wahrheit und Fiktion“), das die Geschehnisse und die Figuren des Romans einordnet. Wer bis hierhin noch nicht selbst gemerkt hat, wie intensiv sich die Autorin in das Thema eingearbeitet hat, erfährt darin außerdem viel über die fundierte Recherche.

Das Cover wirkt austauschbar und reißt mich dieses Mal nicht vom Hocker. Es geht aber in Ordnung. Letzteres gilt auch für den Romantitel.

Mein Fazit:

Auch mit diesem Auftaktband hat mich Marie Lacrosse nicht enttäuscht. „KaDeWe - Haus der Träume“ ist ein lesenswertes Roman, der Lust auf den zweiten Teil der Saga macht.

Veröffentlicht am 02.11.2022

Deckname: Hornclaw

Frau mit Messer
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Ihr Deckname ist Hornclaw. Sie ist Mitte 60 und gehört noch lange nicht zum alten Eisen. Die Auftragskillerin denkt nicht daran, ihren Job an den Nagel zu hängen. Doch das Alter lässt sie milde werden, ...

Ihr Deckname ist Hornclaw. Sie ist Mitte 60 und gehört noch lange nicht zum alten Eisen. Die Auftragskillerin denkt nicht daran, ihren Job an den Nagel zu hängen. Doch das Alter lässt sie milde werden, was sie in Schwierigkeiten bringt…

„Frau mit Messer“ ist ein Roman von Gu Byeong-Mo.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst elf Kapitel, die sich in mehrere Abschnitte gliedern. Erzählt wird chronologisch im Präsens aus der Perspektive von Hornclaw, jedoch unterbrochen von Rückblicken.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman überzeugt. Der Schreibstil ist unaufgeregt, aber fesselnd, schnörkellos und gradlinig, aber auch intensiv und atmosphärisch.

Was den Inhalt angeht, ist vor allem die Protagonistin an sich ein reizvolles Element. Eine interessante Figur, die sowohl speziell als auch authentisch wirkt.

Die Geschichte ist eine Mischung aus Porträt, Spannungsroman und Gesellschaftspanorama. Gut gefallen hat mir, dass hier viele tiefgreifende Fragen aufgeworfen werden. Zum Beispiel: Wer verdient es zu sterben, wer zu leben? Was ist moralisch verwerflich? Woran krankt die Welt? Somit ist der Roman facettenreicher und tiefgründiger als vermutet und regt zum Nachdenken an.

Auf den knapp 300 Seiten bleibt auch der Nervenkitzel nicht außen vor, tritt allerdings stellenweise in den Hintergrund. Nur wenige Passagen jedoch sind für meinen Geschmack zu langatmig geworden.

Das knallige, moderne Cover sticht hervor und ist durchaus passend. Der prägnante Titel ist ebenfalls nicht die schlechteste Wahl.

Mein Fazit:
Wer eine ungewöhnliche Geschichte zum Thema Auftragsmord lesen möchte, ist mit „Frau mit Messer“ von Gu Byeong-Mo sehr gut bedient. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, für die es nicht immer der 08/15-Krimi sein muss.