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Veröffentlicht am 06.11.2021

Sophie geht ihren Weg

Das Kaffeehaus - Geheime Wünsche
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Wien zum Ende des 19. Jahrhunderts: Nach dem Tod ihres Onkels Stephan Danzer übernimmt Sophie von Werdenfels das Kaffeehaus Prinzess. Das Café wird unter ihrer Leitung schnell zum Treffpunkt der städtischen ...

Wien zum Ende des 19. Jahrhunderts: Nach dem Tod ihres Onkels Stephan Danzer übernimmt Sophie von Werdenfels das Kaffeehaus Prinzess. Das Café wird unter ihrer Leitung schnell zum Treffpunkt der städtischen Kulturbohème. Doch dann bedroht ein Saboteur ihren Erfolg. Auch privat ist Sophie in Sorge: Was ist mit ihrer Schwester Milli los? Derweil ist ihre große Liebe, Richard von Löwenstein, unglücklich in seiner Ehe und will Sophie wieder nahe kommen...

„Das Kaffeehaus - Geheime Wünsche“ ist der Abschluss der Trilogie um Sophie von Werdenfels, geschrieben von Marie Lacrosse.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Es gibt insgesamt 26 Kapitel, die sich über sechs Teile erstrecken. Die Handlung umfasst die Jahre 1891 bis 1897. Die Schauplätze variieren ebenfalls, wobei die meisten Ereignisse in Wien und Umgebung angesiedelt sind. Dank einheitlicher Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel und zwischendurch findet man sich jedoch gut zurecht. Land- und Stadtkarten sind zusätzlich abgedruckt, damit man den Überblick behalten kann. Erzählt wird nicht nur aus der Sicht von Sophie, sondern auch aus der weiterer Personen. Ein schlüssiger und funktionaler Aufbau.

Der Schreibstil ist - wie in den ersten beiden Bänden der Trilogie - anschaulich und einfühlsam. Lebhafte Dialoge und gelungene Beschreibungen lassen viele Bilder vor dem inneren Auge entstehen. Wieder sind gelegentlich Einschübe des Wiener Dialekts eingebaut, was ein authentisches Gefühl vermittelt. Ein Glossar mit Begriffen aus der Zeit, ein weiteres schönes Extra, ist am Ende des Buches eingefügt und hilft beim sprachlichen Verständnis.

Es empfiehlt sich, die Teile der „Kaffeehaus“-Saga in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Dennoch ist auch der dritte Band ohne Vorkenntnisse leicht verständlich.

Wieder steht Sophie im Vordergrund der Geschichte, eine starke und sehr sympathische Protagonistin, mit der ich auch dieses Mal mitgefühlt habe. Darüber hinaus sind etliche weitere Charaktere dabei. Sinnvoll ist daher die beigefügte Personenübersicht, die historische Persönlichkeiten beinhaltet.

Zwar spielt das Kaffeehaus an sich dieses Mal eine größere Rolle als in den Vorgängerbänden. Auch die Liebesgeschichte um Sophie und Richard nimmt breiteren Raum ein. Damit der Roman facettenreich und nicht zu seicht wird, hat es die Autorin aber erneut geschafft, ein differenziertes Bild der damaligen politischen und gesellschaftlichen Umstände zu liefern. Dabei geht es besonders um die Situation von Frauen in der Arbeitswelt und im Privaten. So kommt auf den mehr als 700 Seiten keine Langeweile auf und man lernt auf unterhaltsame Weise dazu.

Der Roman glänzt mit gründlich recherchierten Fakten und Hintergründen. Wie fundiert die Nachforschungen sind, zeigt sich nicht nur im Quellenverzeichnis, sondern auch im ausführlichen Nachwort „Wahrheit und Fiktion“. Darin erläutert die Autorin, was auf tatsächlichen Begebenheiten basiert und was ihrer Fantasie entsprungen ist.

Übrigens: Auch dieses Mal gibt es ein Kuchen-Rezept in den Innenklappen: eine lecker aussehende Orangentorte.

Das genretypische Cover und der passende Titel fügen sich gut in die Reihe ein.

Mein Fazit:
„Das Kaffeehaus - Geheime Wünsche“ ist ein überaus gelungener und würdiger Abschluss der Trilogie von Marie Lacrosse. Ein gleichsam bewegender wie abwechslungsreicher Roman, der nicht nur für eingefleischte Historienfans empfehlenswert ist und Lust auf weitere Bücher der Autorin macht.

Veröffentlicht am 03.11.2021

Von der Bedeutung der Büchereien

Die letzte Bibliothek der Welt
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In der englischen Kleinstadt Chalcot lebt June Jones ein zurückgezogenes Leben. Die junge Bibliothekarin hat das verschlafene Örtchen, in dem sie aufgewachsen ist, noch nie verlassen. Seit dem Tod ihrer ...

In der englischen Kleinstadt Chalcot lebt June Jones ein zurückgezogenes Leben. Die junge Bibliothekarin hat das verschlafene Örtchen, in dem sie aufgewachsen ist, noch nie verlassen. Seit dem Tod ihrer Mutter zieht sich die schüchterne 30-Jährige mehr denn je in die Welt der Bücher zurück. Doch dann droht der Bibliothek, in der sie arbeitet, plötzlich die Schließung und June muss sich neuen Herausforderungen stellen…

„Die letzte Bibliothek der Welt“ ist der Debütroman von Freya Sampson.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 38 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von June, allerdings mit Rückblicken. Der Aufbau ist einfach, aber funktional.

Der Schreibstil ist zwar unspektakulär, jedoch anschaulich und lebhaft. Gut gefallen haben mir die vielen Referenzen zu bekannten Romanen und fiktiven Figuren.

Das Personal des Romans ist erfrischend bunt und vielfältig. Neben der introvertierten Protagonistin June, die schnell meine Sympathie gewinnen konnte, gibt es viele liebenswerte Nebencharaktere wie die 16-jährige Chantal und den 82-jährigen Stanley. Leider kommen manche Figuren etwas klischee- und schablonenhaft rüber.

Den Reiz des Romans machen für mich die bibliophilen Passagen aus. Die Botschaft, dass Büchereien bedeutsam sind, finde ich wichtig und begrüßenswert. Darüber hinaus spielt eine Liebesgeschichte eine entscheidende Rolle. Es gibt humorvolle und anrührende Momente. Alles in allem hätte die Story aber durchaus etwas tiefgründiger und überraschender sein dürfen.

Ich habe den Roman als ungekürzte Lesung angehört. Sprecherin Laura Maire verleiht dem Hörbuch mit ihrer angenehmen Stimme eine warmherzige Note.

Der deutsche Titel ist fast, aber nicht ganz wörtlich aus dem Englischen („The Last Library“) übersetzt, wobei mir die Originalformulierung besser gefällt. Das liebevoll illustrierte Cover passt gut zu der Geschichte.

Mein Fazit:
„Die letzte Bibliothek der Welt“ von Freya Sampson ist ein unterhaltsamer Roman mit liebenswerten Charakteren für schöne Lese- oder Hörstunden.

Veröffentlicht am 02.11.2021

Dunkle Machenschaften

Das Glashotel
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Das Unterwegssein gehört zu Vincents Leben. Schon früh verlässt die junge Frau ihre Heimat, nachdem ihre Mutter nicht mehr nach Hause kommt. Als ihr Vater stirbt, kehrt sie zurück und fängt einen Job als ...

Das Unterwegssein gehört zu Vincents Leben. Schon früh verlässt die junge Frau ihre Heimat, nachdem ihre Mutter nicht mehr nach Hause kommt. Als ihr Vater stirbt, kehrt sie zurück und fängt einen Job als Barkeeperin im Hotel Caiette an. Dort lernt sie Jonathan Alkaitis kennen, einen New Yorker Investor. Sie ahnt nichts von seinen dunklen Machenschaften…

„Das Glashotel“ ist ein Roman von Emily St. John Mandel.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, die insgesamt 16 Kapitel umfassen, die sich wiederum aus mehreren nummerierten Abschnitten zusammensetzen. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, zum Beispiel in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Vincent. Die Geschichte beginnt und endet 2018, aber spielt zwischendurch in den 1990er-, 2000er- und 2010er-Jahren. Sie springt zwischen den Zeiten hin und her. Einheitliche Angaben am Anfang der Kapitel helfen bei der Orientierung. Auch die Schauplätze variieren. Der Aufbau ist recht komplex und erfordert ein sorgfältiges Lesen, funktioniert jedoch gut.

Der Schreibstil ist eine der Stärken des Romans. Er ist atmosphärisch stark, eindringlich und manchmal sogar ein wenig poetisch. Weil er anfangs recht fragmentarisch wirkt, fiel es mir zunächst schwer, in das Buch zu finden. Die Geschichte konnte mich aber zunehmend für sich einnehmen.

Der Roman hat erstaunlich viele Protagonisten. Die Charaktere sind authentisch und reizvoll ausgestaltet. Sie bleiben allerdings etwas fremd. Die meisten sind zudem keine Sympathieträger.

Inhaltlich ist die Geschichte durchaus kreativ, facettenreich und interessant. Es geht um die Schicksale unterschiedlicher Menschen. Deren Verbindung, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte, wird nach und nach deutlich.

In den ersten beiden Dritteln der fast 400 Seiten gibt sich der Roman bisweilen ein bisschen sperrig. Besonders gelungen, überraschend und überzeugend ist für mich allerdings der dritte Teil.

Der deutsche Titel wurde erfreulicherweise wörtlich aus dem Englischen („The Glas Hotel“) übersetzt. Trotzdem ist er etwas irreführend. Das Cover finde ich leider gar nicht ansprechend, allerdings passender.

Mein Fazit:
Mit „Das Glashotel“ hat Emily St. John Mandel einen Roman geschrieben, der sowohl in seiner Struktur als auch wegen seines Inhalts ungewöhnlich ist. Eine nicht immer einfache, gleichwohl jedoch lohnende Lektüre.

Veröffentlicht am 28.10.2021

Wie das Licht fällt

Wenn wir heimkehren
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Köln in den 1950er-Jahren: Wilhelm Koch wird in eine Wohnung gerufen, in die er eine Wand einziehen soll. Der Handwerker ist über den Auftrag verwundert, da die Wand Licht wegnehmen wird. Margot und ihr ...

Köln in den 1950er-Jahren: Wilhelm Koch wird in eine Wohnung gerufen, in die er eine Wand einziehen soll. Der Handwerker ist über den Auftrag verwundert, da die Wand Licht wegnehmen wird. Margot und ihr Sohn Fred, die dort wohnen, gehen ihm danach nicht aus dem Kopf. Die gebürtige Luxemburgerin musste ihre Heimat verlassen. Mit einem unehelichen Kind war sie im Krieg auf sich allein gestellt. Margot hat Schuld auf sich geladen. Aber auch Willi hat der Krieg traumatisiert…

„Wenn wir heimkehren“ ist ein Roman von Andrea Heuser.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen. Diese gliedern sich in mehr als 50 Kapitel mit einer angenehmen Länge. Der Roman umfasst viele Jahrzehnte: Er reicht von 1933 bis in die Gegenwart. Er springt durch Zeit und Raum. Einheitliche Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel erleichtern jedoch die Orientierung. Auch die Erzählperspektive wechselt mehrfach.

Sprachlich ist der Roman besonders gelungen. Der Schreibstil ist detailliert, dialoglastig und poetisch angehaucht. Eingefügt sind hin und wieder Zitate aus Liedern und dergleichen.

Margot, Fred und Willi stehen im Vordergrund des Romans. Aber auch auf die übrigen Familienmitglieder fällt hin und wieder ein Schlaglicht. Die Charaktere sind authentisch und mit psychologischer Tiefe ausgestaltet.

Inhaltlich handelt es sich um einen Familienroman, der mehrere Generationen abdeckt, und zugleich eine tiefgründige und facettenreiche Liebesgeschichte. Es geht um Schuld, Verdrängung, Traumata, Beziehungen, Wurzeln und das Weitermachen. Der Schwerpunkt liegt auf der Nachkriegszeit, aber die Geschichte beschränkt sich nicht nur darauf.

Auf fast 600 Seiten ist die Geschichte meistens recht dicht, aber nicht ohne Längen und manchmal spannungsarm. Trotzdem konnte sie mich immer wieder abholen und berühren.

Der Roman hat autobiografische Züge. Die Figur Willi basiert auf dem Großvater der Autorin. Zudem hat Andrea Heuser eigene Erinnerungen eingearbeitet. An mehreren Stellen wird darüber hinaus die akribische Recherche der Autorin deutlich. Ein Nachwort, das diese Hintergründe des Buches erläutert, hätte den Roman abrunden können.

Das künstlerische Cover hat wenig Aussagekraft, gefällt mir aber dennoch gut. Der Titel ist treffend formuliert.

Mein Fazit:
„Wenn wir heimkehren“ von Andrea Heuser ist ein Familien- und Liebesroman, der vor allem in sprachlicher Hinsicht glänzt. Eine lesenswerte Geschichte.

Veröffentlicht am 27.10.2021

Eine Art Roman

Eine Art Familie
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Schon als Kind hat Alma ihre Eltern verloren. Ihr Patenonkel Ludwig Lendle, genannt Lud, ist nur wenig älter als sie selbst und noch ein Student, als sie nach mehreren Umwegen schließlich bei ihm unterkommt. ...

Schon als Kind hat Alma ihre Eltern verloren. Ihr Patenonkel Ludwig Lendle, genannt Lud, ist nur wenig älter als sie selbst und noch ein Student, als sie nach mehreren Umwegen schließlich bei ihm unterkommt. Zusammen mit dessen Haushälterin werden sie eine Art Familie in unruhigen Zeiten…

In „Eine Art Familie“ wandelt Autor Jo Lendle auf den Spuren seiner Vorfahren.

Meine Meinung:
Das Buch beginnt mit einem Prolog. Der Roman besteht aus sechs Teilen, die wiederum mehrere Kapitel beinhalten. Erzählt wird aus der Perspektive von Lud, Alma und Frau Gerner. Am Ende springt der Erzähler überraschenderweise in die Ich-Perspektive, also in die Sicht des Großneffen.

Eine der Stärken des Buches ist die Sprache. Sie ist zugleich klar, schnörkellos und intensiv, aber auch voller ansprechender Metaphern und sonstiger Bilder.

Im Fokus steht einerseits Lud, ein ambivalenter Charakter. Obwohl der Autor ihn nicht persönlich kannte, ist ihm eine authentisch wirkende Personenzeichnung gelungen. Andererseits nimmt Alma eine zentrale Rolle ein. Sie erscheint als sympathische und selbstbewusste Protagonistin. Zu guter Letzt sticht auch Fräulein Gerner, Luds Haushälterin, ein wenig hervor. Zusammen bilden sie eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft.

Inhaltlich geht es um einen Teil der Familiengeschichte von Jo Lendle. Das Buch basiert daher auf wahren Begebenheiten. Aufhänger ist das Leben seines Großonkels Lud. Der Autor speist das Buch sowohl aus Familienanekdoten und mündlichen Überlieferungen als auch aus Briefen, Dokumenten und vor allem Tagebüchern seines Großonkels. Mit Ludwig reisen wir durch die Zeiten der beiden Weltkriege, das Kaiserreich, den Nationalsozialismus, den DDR-Sozialismus und die Anfänge der Bundesrepublik. Dabei bekommt man beim Lesen erfreulich viel von der jeweiligen Historie und vom Zeitgeist mit.

Zwar ist Lendle bemüht, die einzelnen Stationen zu verbinden. Trotzdem bleibt das Buch episodenhaft und auf den rund 360 Seiten zudem bedauerlicherweise recht spannungsarm. Für mich ist es daher kein Roman im klassischen Sinne, allerdings auch keine Autobiografie, sondern eine etwas unbefriedigende Mischform.

Das letzte Kapitel zeigt die Verbindung zwischen Autor und Lud besonders auf. Dennoch hätte ich mir ein stärker einordnendes Nachwort gewünscht, zum Beispiel im Hinblick darauf, wie es sich mit Fakten und Fiktion im Buch verhält und wie sich der Autor das Leben des Großonkels erschlossen hat. Um das herauszufinden, musste ich selbst recherchieren.

Das symbolhafte Cover gefällt mir gut. Auch der Titel ist treffend formuliert.

Mein Fazit:
Mit „Eine Art Familie“ hat mich Jo Lendle leider nur in den Ansätzen überzeugt. Während das Buch sprachlich sehr gelungen ist, zeigen sich inhaltlich mehrere Schwächen.