Cover-Bild Eine Art Familie
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Penguin
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 368
  • Ersterscheinung: 30.08.2021
  • ISBN: 9783328601944
Jo Lendle

Eine Art Familie

»Es ist die Geschichte einer deutschen Familie. Zufällig meiner eigenen.« Jo Lendle

Man sucht sich die Zeiten nicht aus, in die man gerät und die einen prägen. So wie Lud und Alma. Lud, 1899 geboren, und sein Bruder Wilhelm verehren Bach und Hölderlin und teilen dieselben unerreichbaren Ideale. Wilhelm, der früh in die nationalsozialistische Partei eintritt, misst andere daran, Lud sich selbst, was ihn ein Leben lang mit sich hadern lässt. Alma hat ihre Eltern schon als Kind verloren. Ihr Patenonkel Lud, wenig älter als sie selbst, und seine Haushälterin werden ihr eine Art Familie werden. Als Professor für Pharmakologie erforscht Lud den Schlaf und die Frage, wie man ihn erzeugen kann. Während er die Tage an der Universität verbringt, kann Alma zu Hause nicht aufhören, an ihn zu denken. Als er beginnt, Giftgas zu erforschen, erzählt er ihr nichts davon. Sein Ringen mit den hehren Idealen wird verzweifelter. Denn da ist auch noch Gerhard, an dessen Seite er im Ersten Weltkrieg kämpfte, den er nicht aus seinem Kopf bekommt.

Vom Kaiserreich über den Nationalsozialismus und die junge DDR bis in die Bundesrepublik der Nachkriegszeit führt Jo Lendles raffiniert erzählter Roman über das Zerbrechen einer Familie, über Schuld, über Wissenschaft und ihr Verhältnis zur Welt und die feinen Unterschiede zwischen Schlaf, Narkose und Tod. Es ist die Geschichte einer deutschen Familie – zufällig seiner eigenen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.03.2022

Schlaflosigkeit, Narkose und Tagebücher

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Anker im sturmgepeitschten 20. Jahrhundert ist die Hausgemeinschaft von Ludwig Lendle, seinem Patenkind Alma Grau (fast gleichaltrig) und der Haushälterin Fräulein Gerner. Mit ihnen streifen wir die Wirren ...

Anker im sturmgepeitschten 20. Jahrhundert ist die Hausgemeinschaft von Ludwig Lendle, seinem Patenkind Alma Grau (fast gleichaltrig) und der Haushälterin Fräulein Gerner. Mit ihnen streifen wir die Wirren der beiden Weltkriege, die Teilung Deutschlands und die Errungenschaften der Pharmakologie.

In kurzen Kapiteln und kleinen Szenen wird das Leben von Waisenkind Alma, die ihren Patenonkel Professor Lud Lendle ebenso heimlich liebt, wie sie heimlich seine Tagebücher liest, ebendiesem und dem Fräulein mit den geschichtlichen Ereignissen in Deutschland höchst geschickt verflochten. Dabei schimmert vieles oft nur durch, wird angedeutet oder in einem Nebensatz "versteckt". Die Dialoge und Gedanken der Personen werden eher nüchtern dargestellt, allerdings hat der Autor einen ganz eigenen Ton gefunden. Oft kurze, knackige Sätze, durchsetzt mit Witz und Ironie, Melancholie und treffenden Beschreibungen. Das liest sich fast durchgängig ganz leicht, verleitet aber dazu, die vielen klugen Sätze zu schnell zu lesen.

"Die Zeit flatterte an ihm vorüber, während er selbst stehen zu bleiben schien. Sein Leben, so viel war ihm mittlerweile klar, würde langsamer verstreichen, wenn er mehr erlebte. Dafür aber hätte man sich getrauen müssen, das Leben auf sich wirken zu lassen. Sich herzuschenken, es so tief zu inhalieren, dass es einen berührte. Er dagegen atmete flach hindurch." (S. 178)

Lud ist fasziniert vom Schlaf und fokussiert seine Forschungstätigkeit ganz auf den künstlichen Schlaf, die Narkose. So lenkt er sich ab, von der Person, an die er immer wieder denken muss. Alma sucht derweil im Wald, was sie von Lud nicht bekommen kann. Dann gibt es noch Luds Bruder Wilhelm und dessen Familie, aber dem Professor ist seine kleine WG näher. Am Küchentisch wird über Jahrzehnte politisches, persönliches und wissenschaftliches Geschehen diskutiert.

Erstaunlicherweise hatte ich bisher nichts von diesem Buch gehört. Wenn man sich ein wenig in diesen besonderen Sprachstil eingelesen hat, ist es ein Vergnügen. Ich wünsche dem Buch von Herzen noch viele Leser*innen.

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Veröffentlicht am 10.10.2021

Die Patentochter

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Almas Eltern versterben früh. Über verschiedene Stationen kommt sie Anfang der 1920er nach Frankfurt zu ihrem Patenonkel, der eigentlich nicht ihr Patenonkel ist. Ludwig Lendle ist kaum älter als sie. ...

Almas Eltern versterben früh. Über verschiedene Stationen kommt sie Anfang der 1920er nach Frankfurt zu ihrem Patenonkel, der eigentlich nicht ihr Patenonkel ist. Ludwig Lendle ist kaum älter als sie. Pate war eigentlich sein Vater, der nicht mehr am Leben ist. Ludwig hat Alma gewissermaßen geerbt. In Frankfurt lebt er wegen des Studiums. Im Haus der Familie Mensch hat er eine Wohnung, die er sich mit Fräulein Gerner teilt. Und Alma vervollständigt die ungewöhnliche Wohngemeinschaft. In diesen ersten Jahren ist die Zeit relativ leicht, der erste Weltkrieg, in dem auch Ludwig diente, ist vorbei und es hat den Anschein, als genieße die Gesellschaft die Freiheit.

Der Autor zeichnet, wie im Umschlagtext erläutert, die Geschichte seines Onkels nach. Wohl aus Erzählungen von Alma und aus Tagebüchern, die Ludwig hinterlassen hat. Nicht nur um die ungewöhnliche Wohngemeinschaft von Ludwig und den zwei Frauen geht es, auch um Ludwigs Bruder Wilhelm, dem die Eltern verbundener scheinen. Die Ursprungsfamilie wirkt wie ein Gegenpol zu Ludwigs Lebenswirklichkeit. Und doch mag sich Ludwig nicht fügen. Lieber studiert er, forscht und bleibt distanziert. Alma dagegen wirkt neugierig und nimmt die Dinge des Lebens in die Hand. Einen richtigen Beruf zu ergreifen, ist ihr nicht vergönnt.

Diese Lebensbeschreibung verläuft trotz der turbulenten und auch grausamen Zeit, in der sie sich abgespielt hat, eher ruhig. Ludwig lässt Leidenschaft nur erahnen und Alma findet sich mit der Vergeblichkeit ab. Das Fräulein Gerner scheint den Rahmen der Sicherheit für ihr Wohlbefinden zu wünschen. Findet man sich mit der Beschreibung ab, die Höhen und Tiefen glättet, hat man eine interessante Familiengeschichte, die sehr authentisch wirkt. Zwei Arten von Familien, die sich durchs Nazi-Regime lavieren und irgendwie durchkommen. Wobei gerade Ludwigs Dreierfamilie für die Zeit wohl bemerkenswert ist. Das mag etwas fade klingen, die Geschichte sticht aber gerade deshalb hervor, weil sie so ungewöhnlich normal oder normal ungewöhnlich ist. So wird es häufig gewesen sein, man war dabei oder schwamm mit und hat die Augen verschlossen. Die Lebensbeschreibung des Ludwig Lendle bleibt zwar etwas distanziert gefällt aber durch ihre Ehrlichkeit.

Veröffentlicht am 27.10.2021

Eine Art Roman

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Schon als Kind hat Alma ihre Eltern verloren. Ihr Patenonkel Ludwig Lendle, genannt Lud, ist nur wenig älter als sie selbst und noch ein Student, als sie nach mehreren Umwegen schließlich bei ihm unterkommt. ...

Schon als Kind hat Alma ihre Eltern verloren. Ihr Patenonkel Ludwig Lendle, genannt Lud, ist nur wenig älter als sie selbst und noch ein Student, als sie nach mehreren Umwegen schließlich bei ihm unterkommt. Zusammen mit dessen Haushälterin werden sie eine Art Familie in unruhigen Zeiten…

In „Eine Art Familie“ wandelt Autor Jo Lendle auf den Spuren seiner Vorfahren.

Meine Meinung:
Das Buch beginnt mit einem Prolog. Der Roman besteht aus sechs Teilen, die wiederum mehrere Kapitel beinhalten. Erzählt wird aus der Perspektive von Lud, Alma und Frau Gerner. Am Ende springt der Erzähler überraschenderweise in die Ich-Perspektive, also in die Sicht des Großneffen.

Eine der Stärken des Buches ist die Sprache. Sie ist zugleich klar, schnörkellos und intensiv, aber auch voller ansprechender Metaphern und sonstiger Bilder.

Im Fokus steht einerseits Lud, ein ambivalenter Charakter. Obwohl der Autor ihn nicht persönlich kannte, ist ihm eine authentisch wirkende Personenzeichnung gelungen. Andererseits nimmt Alma eine zentrale Rolle ein. Sie erscheint als sympathische und selbstbewusste Protagonistin. Zu guter Letzt sticht auch Fräulein Gerner, Luds Haushälterin, ein wenig hervor. Zusammen bilden sie eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft.

Inhaltlich geht es um einen Teil der Familiengeschichte von Jo Lendle. Das Buch basiert daher auf wahren Begebenheiten. Aufhänger ist das Leben seines Großonkels Lud. Der Autor speist das Buch sowohl aus Familienanekdoten und mündlichen Überlieferungen als auch aus Briefen, Dokumenten und vor allem Tagebüchern seines Großonkels. Mit Ludwig reisen wir durch die Zeiten der beiden Weltkriege, das Kaiserreich, den Nationalsozialismus, den DDR-Sozialismus und die Anfänge der Bundesrepublik. Dabei bekommt man beim Lesen erfreulich viel von der jeweiligen Historie und vom Zeitgeist mit.

Zwar ist Lendle bemüht, die einzelnen Stationen zu verbinden. Trotzdem bleibt das Buch episodenhaft und auf den rund 360 Seiten zudem bedauerlicherweise recht spannungsarm. Für mich ist es daher kein Roman im klassischen Sinne, allerdings auch keine Autobiografie, sondern eine etwas unbefriedigende Mischform.

Das letzte Kapitel zeigt die Verbindung zwischen Autor und Lud besonders auf. Dennoch hätte ich mir ein stärker einordnendes Nachwort gewünscht, zum Beispiel im Hinblick darauf, wie es sich mit Fakten und Fiktion im Buch verhält und wie sich der Autor das Leben des Großonkels erschlossen hat. Um das herauszufinden, musste ich selbst recherchieren.

Das symbolhafte Cover gefällt mir gut. Auch der Titel ist treffend formuliert.

Mein Fazit:
Mit „Eine Art Familie“ hat mich Jo Lendle leider nur in den Ansätzen überzeugt. Während das Buch sprachlich sehr gelungen ist, zeigen sich inhaltlich mehrere Schwächen.