Das bemerkenswerte Leben von Noah Klieger
Noah – Von einem, der überlebteErst 16 Jahre ist Noah Klieger alt, als der Jude in die Fänge der Nazis gerät. Er wird als Mitglied einer jüdischen Widerstandsgruppe enttarnt und muss im Anschluss als Jugendlicher die Konzentrationslager ...
Erst 16 Jahre ist Noah Klieger alt, als der Jude in die Fänge der Nazis gerät. Er wird als Mitglied einer jüdischen Widerstandsgruppe enttarnt und muss im Anschluss als Jugendlicher die Konzentrationslager Auschwitz, Dora-Mittelbau und Ravensbrück durchleiden. Unvorstellbare Gräuel muss Noah im Vernichtungslager mitansehen, Qualen und Demütigungen auch selbst über sich ergehen lassen. Doch er überlebt den Holocaust und beschließt, seine neue Heimat in Israel zu suchen.
„Noah - Von einem, der überlebte“ ist ein Buch von Takis Würger, das die Lebensgeschichte des Shoah-Überlebenden Noah Klieger erzählt.
Meine Meinung:
Das Buch ist kein fiktives Werk, sondern stützt sich auf Gespräche, die der Autor mit Klieger geführt hat. Es besteht aus vier Teilen. Der erste umreißt Noahs Kindheit und Jugend sehr kurz und schildert vor allem seine Zeit im Vernichtungslager. Der zweite Teil erklärt, wie es nach der Befreiung durch die Russen mit ihm weiterging, der dritte erzählt von Noahs Fahrt mit dem Schiff Exodus und den Anfängen seines Engagements um die Gründung des Staates Israel. Der Schluss ist ein Mix von Anekdoten, kurzen Zusammenfassungen, was aus den zuvor genannten Personen wurde, und einem anklagenden Fragenkatalog zum Thema Holocaust.
Der Schreibstil ist geprägt von einer klaren, aber reduzierten Sprache mit einer einfachen Syntax. Kurze Hauptsätze reihen sich aneinander. Dieser Stil passt im ersten Teil noch ganz gut, wenn man davon ausgeht, dass die Leserschaft viele der Bilder ohnehin im Kopf hat. Trotz des Weglassens von Details und ausführlicheren Beschreibungen ist das Buch zunächst sehr eindringlich und eindrucksvoll. Schnell wird klar, warum Klieger ein so wichtiger Zeitzeuge war. Seine Erlebnisse machen betroffen, erschüttern, bewegen und sind der Grund, weshalb das Buch noch sehr lange bei mir nachhallen wird.
Doch je weiter das Buch und Noahs Lebensgeschichte voranschreiten, umso weniger funktioniert für mich das stilistische Konzept, denn der Text wird immer fragmentarischer. Zusammenhänge und Hintergründe werden nicht erklärt, verschiedene Zeiträume einfach übersprungen. Ohne Vorkenntnisse und zusätzliche Eigenrecherche bleibt das Buch in mehreren Punkten leider unverständlich.
Mehr noch: Viele interessante Stationen im Leben von Klieger, der eigentlich Norbert mit Vornamen hieß und in Straßburg aufgewachsen ist, fallen unter den Tisch oder werden nur kurz erwähnt. Dabei bietet seine Biografie, die von mehreren glücklichen Fügungen gekennzeichnet ist, eine Menge Stoff. Somit drängt sich mir der Eindruck auf, dass es doch mehr als der bloß rund 150 Seiten bedarf, um das Leben Kliegers ausreichend darzustellen und zu erklären.
Andererseits legt Würger in seinem Nachwort Wert darauf, dass der im Jahr 2018 Verstorbene das Buch noch vor seinem Tod gelesen, korrigiert und abgesegnet habe. Der Autor schreibt darin: „Er wollte, dass ich sie [seine Geschichte] so festhalte, wie sie in diesem Buch erscheint.“ Er persönlich hätte gerne mehr über Kliegers Leben festgehalten, lässt Würger seine Leserschaft wissen. Über die konkreten Gründe für die Auslassungen lässt sich nur spekulieren. Daher fällt es mir schwer, die Umsetzung der Buchidee ausschließlich dem Autor anzukreiden.
Zwei weitere interessante Nachworte ergänzen das Buch. Zum einen äußert sich Kliegers einzig noch lebende Verwandte, seine Nichte Alice. Zum anderen kommt eine Expertin aus Israel, Sharon Kangisser Cohen, zu Wort, die unter anderem Zweifel aufkommen lässt, ob jeder der Erinnerungen Kliegers zu trauen ist. Sinnvoller wäre es sicherlich gewesen, diese Erläuterungen dem eigentlichen Text voranzustellen.
Das sehr puristische Cover und der prägnante Titel passen meines Erachtens bestens zum Buch.
Mein Fazit:
„Noah - Von einem, der überlebte“ von Takis Würger ist eine Lektüre, die mich ein wenig zwiegespalten zurücklässt. Zwar sagt mir die Kürze und Stilistik des Buches nicht zu. Allerdings sind diese Punkte offenbar genauso beabsichtigt und ändern nichts daran, dass ein wichtiger Inhalt transportiert wird.