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Veröffentlicht am 04.07.2023

Leben mit dem Vulkan

Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna
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Die römische Stadt Pompeji rund 80 Jahre nach Christus: Der Halbwaise Josse lebt nach dem Tod seines Vaters, eines gelernten Metzgers, mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Als Zuwanderer hat es ...

Die römische Stadt Pompeji rund 80 Jahre nach Christus: Der Halbwaise Josse lebt nach dem Tod seines Vaters, eines gelernten Metzgers, mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Als Zuwanderer hat es seine Familie nie leicht gehabt in der neuen Stadt. Doch anstatt zu arbeiten oder sich zu bilden verbringt Josse lieber seine Zeit mit dem Herumstreunen und besäuft sich mit seinen Freunden. Eines Tages jedoch kommt ihm zu Ohren, dass ein Vulkan nahe der Stadt vor dem Ausbruch steht. Mit anderen Aussteigern macht er sich daran, am „Fenster am Meer“ eine neue Siedlung zu planen…

„Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna“ ist ein Roman von Eugen Ruge.

Meine Meinung:
Der Roman gliedert sich in sechs Teile, die wiederum aus 18 Kapiteln („Rollen“) bestehen. Der etwas unzuverlässige namenlose Erzähler geht chronologisch vor, arbeitet aber mit Rückblenden und Vorausdeutungen. Die Handlung umfasst einige Jahre und endet mit dem Vulkanausbruch. Sie ist vor allem in Pompeji und im direkten Umfeld der Stadt verortet.

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman kreativ und ungewöhnlich. Mit viel gelungenem Sprachwitz, süffisanten Bemerkungen und pointierten Beschreibungen sorgt der Schreibstil für ein unterhaltsames Lesevergnügen.

Josse steht im Vordergrund der Geschichte. Darüber hinaus richtet sich der Fokus nach und nach auf weitere Charaktere, die teils ebenfalls fiktiv, teils historisch belegt sind. Die Figuren werden bewusst überzeichnet, sind aber nicht gänzlich unglaubwürdig.

Inhaltlich dreht sich der Roman erwartungsgemäß um das Thema Vulkanismus. Wieso haben die Menschen die Vorzeichen des Ausbruchs nicht wahrgenommen oder nicht ernst genommen? Einer Antwort auf diese Frage nähert sich der Roman an. Zugleich ist er aber weitaus mehr als eine Dokumentation der historischen Ereignisse. Immer wieder schweift der Blick auf die Gesellschaft der Stadt, insbesondere auf politisch einflussreiche Persönlichkeiten. Machtstreben, Ränke, Gier, Demagogie, die frühe Demokratie, politischen und religiösen Wahn und vieles mehr werden dargestellt.

Das Zusammenspiel von gesellschaftlichen Tendenzen, die sich auch aktuell finden lassen, und Formulierungen, die an die Politik der jüngeren Geschichte erinnern, lassen bisweilen den Eindruck entstehen, dass es sich beim Roman um eine Parabel oder eine Satire in Bezug auf die Neuzeit handelt. Tatsächlich wird immer wieder deutlich, dass sich der Erzähler über seine Figuren und die Entwicklungen lustig macht. Mir ist es jedoch schwergefallen, das Buch als klassischen Schlüsselroman einzuordnen. Zu umfangreich und verschieden sind dafür die Verweise und Anklänge.

Obwohl das Ende, der Ausbruch, hinreichend bekannt und damit wenig überraschend ist, hat mich der rund 350 Seiten umfassende Roman auf keiner Seite gelangweilt. Trotz der ernsten Thematik habe ich mich beim Lesen köstlich amüsiert. Die eindrücklichen Beschreibungen des Ausbruchs konnten mich sehr bewegen. Dass sich Ruge, der frühere Erdbebenforscher, intensiv mit dem Vulkanismus und Pompeji beschäftigt hat, ist dem Buch anzumerken.

Der prägnante Titel und das ausdrucksstarke Cover passen sehr gut.

Mein Fazit:
Mit „Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna“ hat mich Eugen Ruge erneut überzeugt. Eine vergnügliche Lektüre, die zugleich zum Nachdenken anregt und aktuelle Themen aufgreift. Definitiv empfehlenswert.

Veröffentlicht am 21.06.2023

Eine besondere Familie

Schönwald
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Als Karolin einen queeren Buchladen in Berlin eröffnet, kommt die Familie Schönwald zusammen: Ihre Eltern Hans-Harald und Ruth sowie ihre Brüder Chris und Benni sind dabei. Doch dann passiert Unvorhergesehenes…

„Schönwald“ ...

Als Karolin einen queeren Buchladen in Berlin eröffnet, kommt die Familie Schönwald zusammen: Ihre Eltern Hans-Harald und Ruth sowie ihre Brüder Chris und Benni sind dabei. Doch dann passiert Unvorhergesehenes…

„Schönwald“ ist der Debütroman von Philipp Oehmke.

Meine Meinung:
Der Aufbau ist unspektakulär, aber funktioniert gut. Der Roman besteht aus 13 Kapiteln, die wiederum mehrere Abschnitte umfassen. Erzählt wird aus einer auktorialen Perspektive, wobei der Fokus immer wieder wechselt.

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman ebenfalls unauffällig. Der Schreibstil ist jedoch anschaulich und angenehm.

Im Vordergrund der Geschichte stehen die Mitglieder der Familie Schönwald. Die Figuren sind lebensnah und mit psychologischer Tiefe ausgestaltet. Die Gedanken und Gefühle der Charaktere werden sehr gut deutlich. Leider konnte ich mich dabei mit keinem Protagonisten identifizieren.

Thematisch ist die Geschichte sehr umfangreich. Es geht um viele politische und gesellschaftliche Bereiche, größtenteils mit starkem aktuellen Bezug. Unter anderem Homosexualität, Sexismus, Missbrauch und die Trump-Bewegung. Die Lektüre löst Denkimpulse aus. Stellenweise habe ich den roten Faden vermisst.

Auf den mehr als 500 Seiten ist der Roman abwechslungsreich und unterhaltsam. Einige unerwartete Wendungen haben mich positiv überrascht. Negativ aufgefallen sind mir mehrere Längen.

Das Cover wirkt etwas aus der Zeit gefallen und bieder. Der prägnante Titel ist naheliegend.

Mein Fazit:
Mit „Schönwald“ hat mich Philipp Oehmke gut unterhalten. Zwar konnte mich die Geschichte nicht in allen Punkten überzeugen, aber insgesamt empfinde ich den Roman als lesenswert.

Veröffentlicht am 12.06.2023

Von der Welt der Toten

Als wir Vögel waren
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Port Angeles in Trinidad und Tobago: Yejide wächst in einem Dorf in den Bergen auf. Ihre Familie stammt von Rabengeiern ab und kann den Toten den Weg in die andere Welt erleichtern. Als ihre Mutter stirbt, ...

Port Angeles in Trinidad und Tobago: Yejide wächst in einem Dorf in den Bergen auf. Ihre Familie stammt von Rabengeiern ab und kann den Toten den Weg in die andere Welt erleichtern. Als ihre Mutter stirbt, ist Yejide an der Reihe, dieses Erbe anzutreten. Das behagt ihr jedoch nicht. Emmanuel Darwins Religion verbietet ihm die Nähe zu Toten. Doch er ist gezwungen, als Totengräber auf dem Friedhof zu arbeiten.

„Als wir Vögel waren“ ist der Debütroman von Ayanna Lloyd Banwo.

Meine Meinung:
Der Roman beinhaltet 36 Kapitel, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Die Überschriften weisen die jeweilige Perspektive aus. Die Kapitel sind sieben Teilen zugeordnet. Erzählt wird im Präsens, wobei unklar bleibt, wann genau die Handlung spielt („gestern“, „heute“).

Der Sprache ist atmosphärisch und bildstark, aber nicht zu schnörkelhaft. Sie stellt für mich die größte Stärke des Romans dar.

Im Vordergrund stehen Darwin und Yejide. Beide Figuren werden realitätsnah und mit psychologischer Tiefe beschrieben. Dennoch blieben sie mir etwas fremd.

Inhaltlich ist die Geschichte ebenfalls besonders, hat mich allerdings nicht komplett überzeugt. Es geht um Liebe in ihren verschiedenen Formen, um Leben und Tod. Anders als erwartet, spielen jedoch Mythen, Märchen, Magisches und Schöpfungsgeschichten eine große Rolle und nehmen breiten Raum ein. Durch dieses Ausmaß hat mich die Geschichte leider etwas verloren.

Die Handlung nimmt nur sehr langsam Fahrt auf. Auf den rund 340 Seiten stellte sich bei mir bedauerlicherweise kein Lesesog ein. Erst gegen Ende konnte mich die Geschichte wieder abholen.

Das Cover ist nicht nur ansprechend gestaltet, sondern passt auch thematisch gut. Der englischsprachige Originaltitel („When we were Birds“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt.

Mein Fazit:
Mit „Als wir Vögel waren“ hat Ayanna Lloyd Banwo meine persönlichen Erwartungen nicht gänzlich erfüllt. Der ungewöhnliche Roman dürfte aber genügend Fans finden.

Veröffentlicht am 04.06.2023

Mehr Dinge als die, die sich mit dem Verstand erkennen lassen

Zwischen Himmel und Erde
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Geboren in eine bekannte Familie in Olinda (Brasilien), wächst Catarina im Schatten ihrer verstorbenen Tante Laura auf. Melissa dagegen kommt gebürtig aus dem Süden Londons und wurde von ihrer Mutter und ...

Geboren in eine bekannte Familie in Olinda (Brasilien), wächst Catarina im Schatten ihrer verstorbenen Tante Laura auf. Melissa dagegen kommt gebürtig aus dem Süden Londons und wurde von ihrer Mutter und Großmüttern aufgezogen. Im Januar 2016 treffen Melissa und Catarina erstmals aufeinander…

„Zwischen Himmel und Erde“ ist ein Roman von Yara Rodrigues Fowler.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Dazwischen gibt es acht Teile, die wiederum in mehrere Abschnitte untergliedert sind. Die Handlung umfasst die Jahre 1969 bis 2017. Erzählt wird nicht chronologisch, sondern mit Zeitsprüngen nach vorne und zurück.

Vor allem in sprachlicher Hinsicht ist der Roman auffällig und unverkennbar. Der Schreibstil ist sehr reduziert und wirkt daher recht modern. Die Beschreibungen sind überwiegend kurz, Dialoge dominieren. Darüber hinaus sind unterschiedliche Stilformen eingeflochten.

Catarina und Melissa, zwei interessante Protagonistinnen, stehen im Vordergrund der Geschichte. Eine Identifikation mit den beiden Frauen fiel mir nicht leicht. Dennoch werden die Figuren lebensnah dargestellt.

Inhaltlich ist der Roman eine Wundertüte mit vielen Themen, von denen ich manche gut nachvollziehen konnte, andere weniger. Die „Anmerkungen der Autorin“ habe ich leider erst zum Schluss hin entdeckt. Sie sind zum Verständnis sehr hilfreich. Alles in allem hat mir der rote Faden gefehlt.

Der Roman mit etwas mehr als 500 Seiten konnte mich leider nicht durchgängig fesseln. An mehreren Stellen konnte mich die Geschichte nicht abholen. Positiv anzumerken ist jedoch, dass sie abwechslungsreich und tiefgründig ist.

Der deutsche Titel weicht erheblich vom Original („There a more Things“) ab, wobei beide durchaus mehr miteinander zu tun haben, als es zunächst scheint. Dennoch finde ich die sehr freie Übersetzung nicht so gut gelungen. Hübsch, aber wenig aufschlussreich ist die Gestaltung des Covers.

Mein Fazit:
Mit „Zwischen Himmel und Erde“ hat Yara Rodrigues Fowler meine hohen Erwartungen bedauerlicherweise nicht in Gänze erfüllt. Wer Lust auf eine unkonventionelle und besondere Lektüre hat, für den wäre der Roman allerdings durchaus einen genaueren Blick wert.

Veröffentlicht am 01.06.2023

Zwei Freunde aus ungleichen Verhältnissen

Mit zitternden Händen
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Der Nikolaustag im Stockholmer Vorort Rönnviken: Ein Schuss fällt, ein Junge, der 14-jährige Billy, wird getroffen. Was ist passiert? Wie konnte es so weit kommen? Und was hat sein bester Freund Dogge ...

Der Nikolaustag im Stockholmer Vorort Rönnviken: Ein Schuss fällt, ein Junge, der 14-jährige Billy, wird getroffen. Was ist passiert? Wie konnte es so weit kommen? Und was hat sein bester Freund Dogge damit zu tun?

„Mit zitternden Händen“ ist ein Roman von Malin Persson Giolito.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 64 kurzen Kapiteln sowie mehr als 20 weiteren Einschüben („Die Jungen“). Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven. Eine Erzählebene umfasst das gegenwärtige Geschehen in einem Zeitraum von rund 18 Tagen. Darüber hinaus gibt es immer wieder Rückblenden.

Die Sprache ist anschaulich, atmosphärisch und überaus angemessen. Die Übersetzung von Thorsten Alms ist unauffällig.

Im Fokus stehen die beiden jungen Protagonisten. Billy und Dogge werden realitätsnah und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Auch die übrigen Figuren wirken authentisch und ausreichend detailliert.

Aus inhaltlicher Hinsicht ist das Buch ein ungewöhnlicher Spannungsroman. Nicht nur der Kriminalfall an sich ist ein Thema. Es geht weniger um die Frage, wer warum genau geschossen hat, sondern mehr darum, wie Teenager derart auf die schiefe Bahn geraten können. Darüber hinaus stellt der Roman eine Art Gesellschaftsstudie dar. Er liefert viel Stoff zum Nachdenken und hat es mehrfach geschafft, mich zu berühren.

Auf den etwas mehr als 400 Seiten ist das Tempo nicht durchgehend hoch. Dennoch hat mich die Geschichte gefesselt. Die Auflösung empfinde ich als sehr schlüssig und glaubwürdig.

Das Cover ist ansprechend gestaltet und hat ein passendes Motiv. Der deutsche Titel ist nah am Original und ebenfalls eine gute Wahl.

Mein Fazit:
Mit dem Roman „Mit zitternden Händen“ hat mich Malin Persson Giolito nicht nur gut unterhalten, sondern auch emotional bewegt.

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