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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.05.2023

Nur ein richtig schlechter Tag?

Institut für gute Mütter
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Frida Liu hat es nicht leicht. Die Tochter chinesischer Einwanderer hat beruflich nicht den erhofften Erfolg. Auch die Ehe mit Gust bleibt hinter ihren Erwartungen. Nur mit Harriet, ihrem Baby, erfüllt ...

Frida Liu hat es nicht leicht. Die Tochter chinesischer Einwanderer hat beruflich nicht den erhofften Erfolg. Auch die Ehe mit Gust bleibt hinter ihren Erwartungen. Nur mit Harriet, ihrem Baby, erfüllt sich ein Traum. Doch dann hat die alleinerziehende Frida einen sehr schlechten Tag…

„Institut für gute Mütter“ ist der Debütroman von Jessamine Chan.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst 18 Kapitel. Die Handlung spielt in der Zukunft. Erzählt wird weitestgehend in chronologischer Reihenfolge, allerdings mit Rückblenden.

Der Schreibstil ist atmosphärisch stark und anschaulich. Die Darstellungen sind meist detailliert.

Frida steht im Vordergrund der Geschichte. Ihre Gedanken und Gefühle werden deutlich. Sie und die anderen Charaktere erscheinen jedoch manchmal etwas schablonenhaft.

Inhaltlich geht es um ein totalitäres Regime, das sich stark unter anderem in die Kindererziehung einmischt und seine Bürger kontrolliert. Das dystopische Szenario ist interessant ausgestaltet. Mir gefällt, dass der Roman aktuelle Tendenzen aufgreift und gesellschaftlichskritische Elemente enthält. Darüber hinaus ist er als feministisch zu betrachten, weil er das Bild der perfekten Mutter nicht nur infrage stellt, sondern sogar demontiert. Zwar haben mich nicht alle Details überzeugt, weil die Darstellung zum Teil sehr überspitzt ist. Dennoch schafft es die Autorin, mit ihrer Geschichte zu fesseln und zum Nachdenken anzuregen.

Die mehr als 400 eng bedruckten Seiten sind durchaus umfangreich. Dennoch gibt es nur wenige Längen und lediglich im Mittelteil Wiederholungen.

Das Cover wirkt mysteriös und ein wenig düster, weshalb es gut zur Geschichte passt. Der deutsche Titel orientiert sich stark am englischsprachigen Original („The School for Good Mothers“).

Mein Fazit:
Mit „Institut für gute Mütter“ hat Jessamine Chan einen unterhaltsamen Roman verfasst, der Denkimpulse liefert. Trotz kleinerer Schwächen eine empfehlenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Ein Leben in leiser Würde

Maud Martha
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Chicago in den 1940er- und 1950er-Jahren: Maud Martha Brown wächst in bescheidenen, aber behüteten Verhältnissen auf. Als Heranwachsende träumt sie von Wohlstand, fremden Großstädten und der großen Liebe. ...

Chicago in den 1940er- und 1950er-Jahren: Maud Martha Brown wächst in bescheidenen, aber behüteten Verhältnissen auf. Als Heranwachsende träumt sie von Wohlstand, fremden Großstädten und der großen Liebe. Doch ganz so gut meint es das Leben nicht mit ihr. Trotz aller Widrigkeiten und Hindernisse ist sie stets darauf bedacht, ihre Würde zu behalten.

„Maud Martha“ ist der einzige Roman der verstorbenen Autorin Gwendolyn Brooks, der bereits im Jahr 1953 entstanden und nun erstmals auf Deutsch erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 34 kurzen Episoden. Er spielt in Chicago und begleitet Maud Martha von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter, mit Unterbrechungen in Form von kleineren und größeren Zeitsprüngen. Erzählt wird aus einer personalen Perspektive aus der Sicht der Protagonistin.

Die Sprache hat mich begeistert und schnell für den Roman eingenommen. Sie ist atmosphärisch und bildstark. Die Autorin beweist mit diesem Werk, dass sie mit nur wenigen Wörtern und Sätzen, sehr viel transportieren konnte. Der Stil ist zugleich reduziert und dennoch poetisch. Nur die Übersetzung von Andrea Ott weist kleinere Schwächen auf.

Wie der Titel richtigerweise vermuten lässt, steht die Figur Maud Martha im Vordergrund des Romans. Sie wird realitätsnah und mit psychologische Tiefe dargestellt. Beim Lesen kommt man der Figur nahe. Weil die Protagonistin Gemeinsamkeiten mit der Autorin aufweist, ist davon auszugehen, dass autobiografische Elemente eingearbeitet sind.

Inhaltlich ist der Roman ein Porträt einer jungen Schwarzen und gleichzeitig eine Art Gesellschaftsstudie, denn die Biografie Maud Marthas zeigt exemplarisch, wie es ist, als nicht-privilegierte Person in dieser Zeit zu leben. Einerseits nehmen der Rassismus und seine Folgen breiten Raum ein. Andererseits wird die Protagonistin nicht nur wegen ihrer Hautfarbe, sondern auch wegen ihres Geschlechts, ihres Aussehens insgesamt und ihrer gesellschaftlichen Stellung diskriminiert und abgewertet. Vor allem Situationen, in denen diese Aspekte zutage treten, werden schlaglichtartig beleuchtet. Diese Szenen sind es, die mich am meisten berührt und gedanklich beschäftigt haben. Betroffen macht die Feststellung, dass sich so manche Begebenheit auch in der heutigen Zeit so ereignet haben könnte. Obwohl die Erfahrungen sehr persönlich sind, sind sie zum Teil eben zugleich universell, was dem Roman auch in der Gegenwart Bedeutung verleiht.

Auf den knapp 140 Seiten werden die Erlebnisse verdichtet und aufs Wesentliche beschränkt. Einen klassischen Spannungsbogen und größere Überraschungen gibt es nicht. Dies tut dem Lesevergnügen jedoch keinerlei Abbruch.

Als gelungen empfinde ich auch das Nachwort von Daniel Schreiber („Eine Ballade gelebten Lebens“). Er ordnet den Roman ins Gesamtwerk von Gwendolyn Brooks ein, skizziert die Biografie der Autorin und legt ihr Anliegen dar.

Die unaufdringliche, aber ansprechende, zeitgemäße und durchdachte Aufmachung des Hardcovers passt sehr gut. Erfreulicherweise hat der Manesse-Verlag beim deutschen Titel auf Experimente verzichtet und sich am Original orientiert.

Mein Fazit:
Mit „Maud Martha“ hat Gwendolyn Brooks ein sprachlich beeindruckendes und inhaltlich intensives Leseerlebnis geschaffen. Ein Roman, der an Relevanz leider nicht eingebüßt hat und daher uneingeschränkt empfehlenswert ist.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Wenn Sparsamkeit ausartet

Das Fräulein
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Kaufmannstochter Rajka Radaković aus Sarajevo verliert mit 15 Jahren ihren Vater. Am Sterbebett schärft er ihr ein, stets sparsam zu sein. Ein Ratschlag, den sie sich sehr zu Herzen nimmt…

„Das Fräulein“ ...

Kaufmannstochter Rajka Radaković aus Sarajevo verliert mit 15 Jahren ihren Vater. Am Sterbebett schärft er ihr ein, stets sparsam zu sein. Ein Ratschlag, den sie sich sehr zu Herzen nimmt…

„Das Fräulein“ ist ein Roman von Ivo Andrić, der im Original bereits im Jahr 1945 erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einer Art Vorrede oder Prolog, der den Tod der Protagonistin vorwegnimmt und im Februar 1935 spielt. Daran schließen sich acht Kapitel an. Erzählt wird aus auktorialer Perspektive in Rückblenden.

Der Schreibstil ist atmosphärisch und anschaulich, in Teilen jedoch auf ermüdende Weise redundant und detailliert. Die Sprache ist angemessen und zeittypisch, aber auch recht nüchtern. Wort- und Sacherklärungen sind weiter hinten im Buch beigefügt.

Rajka steht zweifelsohne im Fokus der Geschichte. Die Protagonistin wird sehr stark überzeichnet. Sie wird ausführlich und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Dennoch kommt man der Figur nicht nahe und kann ihr Verhalten nicht immer nachvollziehen. Dadurch habe ich schnell das Interesse an diesem Charakter verloren.

Inhaltlich dreht sich der Roman vor allem um das Thema Geiz, und das in einer extremen Form. Nur vordergründig geht es um das Porträt einer Frau, denn Rajka wird immer wieder auf ihre Raffgier reduziert. Das macht die Geschichte für mich zu plakativ.

Auf den rund 250 Seiten schreitet die Handlung nur sehr langsam voran. Ein richtiger Lesesog wollte sich bei mir nicht einstellen. Erst im letzten Drittel kommt etwas Schwung in die Geschichte. Zum Ende hin konnte sie mich sogar noch überraschen. Positiv anzumerken ist zudem, dass historische Ereignisse und Entwicklungen eingebettet werden, sodass die Lektüre lehrreiche Elemente enthält.

Das Nachwort der Zsolnay-Ausgabe („Geiz und Ehrgeiz“), verfasst von Michael Martens, ist informativ.

Leider bin ich mit dem Marketing der deutschen Ausgabe nicht so glücklich. Der Klappentext verrät bereits viel. Das Cover ist sehr hübsch, passt jedoch nur bedingt.

Mein Fazit:
Mit „Das Fräulein“ hat mich Nobelpreisträger Ivo Andrić insgesamt nicht überzeugt. Ein Klassiker, der nicht zwingend im Bücherregal stehen sollte.

Veröffentlicht am 20.04.2023

Was Geld über deine Persönlichkeit aussagt

3000 Yen fürs Glück
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Großmutter Kotoko, die Matriarchin der Familie Mikuriya, ist sich sicher: Wie man die kleine Summe von 3000 Yen, also etwa 23 Euro, ausgibt, sagt viel über die eigene Persönlichkeit aus. Enkelin Miho muss ...

Großmutter Kotoko, die Matriarchin der Familie Mikuriya, ist sich sicher: Wie man die kleine Summe von 3000 Yen, also etwa 23 Euro, ausgibt, sagt viel über die eigene Persönlichkeit aus. Enkelin Miho muss erkennen, dass an dieser Theorie etwas dran sein muss. Auch ihre Schwester Maho und Tomoko, die Mutter der beiden jungen Frauen, geraten in Lebenssituationen, die sie dazu bringen, ihre Finanzen zu überdenken.

„3000 Yen fürs Glück - Ein Familienroman über die Kunst des Sparens“ ist ein Roman von Hika Harada.

Meine Meinung:
Der Roman beinhaltet sechs Kapitel, die in mehrere Abschnitte unterteilt sind. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Die Handlung spielt in Japan.

In sprachlicher Hinsicht ist der Text anschaulich, aber schnörkellos. Dialoge und kurze Beschreibungen schließen aneinander an. Blogbeiträge und Artikel lockern den Roman stilistisch auf.

Die Anmerkungen der Übersetzerin Cheyenne Dreißigacker zu kulturellen und kommunikativen Gepflogenheiten erleichtern das Textverständnis, obwohl einige Namen übernommen wurden. Hilfreich ist diesbezüglich außerdem das Glossar.

Im Fokus der Geschichte stehen vor allem vier Frauenfiguren aus drei Generationen, allen voran Miho. Sie wirken authentisch. Obwohl ich nicht alle Denkweisen teile, konnte ich mich gut in Miho hineinversetzen. Insgesamt ist die Anzahl an Charakteren nicht klein. Eine Übersicht vereinfacht jedoch die Orientierung.

Inhaltlich hat mich der Roman sofort gereizt. Finanzielle Bildung ist nur selten ein Thema in der Literatur. In Verbindung mit einer völlig anderen Kultur war meine Neugier daher sofort geweckt. Einen Finanzratgeber kann dieses Buch sicherlich nicht ersetzen. Einige Denkimpulse zum Sparen, Investieren, Vorsorgen und Ausgeben liefert die Geschichte jedoch allemal. Die Botschaft, dass sich Frauen um das Thema Finanzen kümmern sollten, finde ich sehr wichtig und richtig. Insofern kann sich der Roman auch als feministischer Beitrag lesen lassen.

Auf den knapp 300 Seiten konnten mich nicht alle Passagen mitreißen. Dennoch habe ich die Lektüre alles in allem als unterhaltsam und kurzweilig empfunden.

Das deutsche Marketing finde ich eher unpassend. Der Titel klingt etwas kitschig. Das Cover der deutschen Ausgabe spricht mich nicht an. Es wirkt ein wenig verspielt und klischeehaft. Beides schreckt mich ab. Nur durch Zufall habe ich einen genaueren Blick auf das Buch geworfen.

Mein Fazit:
Mit „3000 Yen fürs Glück - Ein Familienroman über die Kunst des Sparens“ gelingt es Hika Harada ein an sich trockenes Thema auf erfrischende Weise literarisch zu verarbeiten. Trotz kleinerer Schwächen ein lesenswerter Roman.

Veröffentlicht am 14.04.2023

Wenn eine Mädchenleiche eine Kleinstadt beschäftigt

Dinge, die wir brennen sahen
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Die australische Kleinstadt Durton im Jahr 2001: Erst ist die zwölfjährige Esther Bianchi plötzlich verschwunden, dann wird ihre Leiche gefunden. Was ist passiert? Und wer hat etwas mit dem Tod des Mädchens ...

Die australische Kleinstadt Durton im Jahr 2001: Erst ist die zwölfjährige Esther Bianchi plötzlich verschwunden, dann wird ihre Leiche gefunden. Was ist passiert? Und wer hat etwas mit dem Tod des Mädchens zu tun? Schnell werden Verdächtigungen angestellt.

„Dinge, die wir brennen sahen“ ist der Debütroman von Hayley Scrivenor.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 38 Kapiteln. Fünf verschiedene Erzählperspektiven wechseln sich ab. Die Handlung spielt vorwiegend im November und Dezember 2001, wobei nicht streng chronologisch erzählt wird. Dennoch lässt sich das Ganze auch dank der Angaben zu Beginn der Kapitel gut nachverfolgen.

Der Schreibstil ist schnörkellos und unauffällig, aber anschaulich und atmosphärisch. Stellenweise dominieren Dialoge. Die Übersetzung von Andrea O‘Brien wirkt rund.

Die Figuren sind interessant gestaltet und machen größtenteils einen realitätsnahen Eindruck. Die Charaktere sind nicht komplett durchschaubar. Dennoch kommt man ihnen nahe.

Inhaltlich geht es einerseits um die Hintergründe von Esthers Tod und andererseits um Dynamiken in einer Kleinstadt. Der Roman enthält nicht nur Krimi- beziehungsweise Thrillerelemente, sondern ist auch eine Gesellschaftsstudie. Zugleich ist die Geschichte emotional bewegend und regt zum Nachdenken an.

Auf den rund 350 Seiten bleibt die Story lange undurchsichtig, unterhaltsam und fesselnd. Die Auflösung ist schlüssig und hat mich überzeugt.

Der englischsprachige Originaltitel („Dirt Town“) geht in eine andere Richtung, ist aber nicht mehr oder weniger passend als der deutsche Titel. Das stimmungsvolle, modern anmutende Cover ist ebenfalls stimmig.

Mein Fazit:
Mit „Dinge, die wir brennen sahen“ ist Hayley Scrivenor ein spannender Roman gelungen, der sich positiv von 08/15-Krimis abhebt. Eine ungewöhnliche und eindrückliche Lektüre.

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