Cover-Bild Vor der Nacht
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25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Leykam
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 12.08.2024
  • ISBN: 9783701183524
Salih Jamal

Vor der Nacht

Roman

Eine Geschichte über das Verlieren, Suchen und Wiederfinden. Über Schuld und Vergebung, das Wesen der Liebe und die unerschütterliche Kraft des Zusammenhalts.

Sechs Kinder in einem Heim geben einander Halt, aber verlieren sich wieder. Bis sich einer von ihnen auf die Suche begibt.

Als Vierzehnjähriger kommt Jimmy in ein mitten im Autobahnwald gelegenes Kinderheim, genannt „das Heim der Wölfin“. Dort trifft er Frei, Pappel, Lilly, Sinan und Beria. Die Erfahrung von Verlust und Verlorenheit schweißt die Kinder schnell zusammen, sie sind füreinander da, weil es sonst keiner ist. Doch die Gemeinschaft wird zersprengt, zwei von ihnen verschwinden spurlos.

Als Jimmy volljährig wird und seinen eigenen Weg gehen muss, lässt ihn die Vergangenheit nicht los. Was geschah damals? Er begibt sich auf die Suche nach seinen vermissten Freunden und es entfaltet sich eine Geschichte über Schuld, Vergebung und dem Streben nach einem besseren Leben.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.09.2024

"Verloren sein"

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Der Roman "Vor der Nacht" umfasst 320 Seiten auf 32. Kapiteln.

Kurzer Plot:

1986 - Der 14-jährige Jonas Kovacs, der später Jimmy genannt wird, kommt durch das Jugendamt in die "Kindertagesstätte" Marienkäfer. ...

Der Roman "Vor der Nacht" umfasst 320 Seiten auf 32. Kapiteln.

Kurzer Plot:

1986 - Der 14-jährige Jonas Kovacs, der später Jimmy genannt wird, kommt durch das Jugendamt in die "Kindertagesstätte" Marienkäfer. Jimmys Mutter war bereits vor einiger Zeit an Krebs verstorben, sein Vater war im Gefängnis.

"Es ist das Unwesentliche und Unwichtige, das unsere traumatischen Erinnerungen überdeckt, damit wir nicht zu schnell am Leben danach zerbrechen." - Seite 12

Das Stigma Heimkind teilt sich Jimmy mit Pappel, Frei, den Geschwistern Beria und Sinan, und der erst 8- jährigen Lilly. "Alle im Heim waren Suchende." - Seite 25

Alle warten auf die "magische 18" um diesen Ort am Autobahnwald verlassen zu können. Und trotz des Zusammenhalts und der gegenseitigen Unterstützung sind sie alle von Orientierungslosigkeit geprägt. Erst verschwinden Sinan und Frei, und später trennen sich auch die Wege der Anderen.

Jimmy, der Erzähler, jobbt in einem Theater, schreibt Kurzgeschichten und hat daraus einen Roman gemacht. Der Blick zurück, zu seinen alten Freunden, lässt Jimmy auf die Suche gehen. Er, der Schriftsteller, möchte die Menschen, die ihn eine Zeitlang begleitet und auch auf die eine oder andere Weise geprägt haben, finden. "Jedes Wiedersehen ist ein bisschen Wiederauferstehung." - Seite 164

Doch "Irgendwann ist die Distanz zu deinem früheren Leben zu entfernt für ein Zurück und dann hat man sich verloren, und du vermisst das, was du nicht mehr bist und nie wieder sein wirst." - Seite 206

Fazit:

Salih Jamal schreibt in seinem neuen Roman über Liebe, Angst, Scham und Schmerz.

Wie entwickeln sich Menschen, die schon in sehr jungen Lebensjahren von Verlust geprägt werden, und doch einen unbändigen Drang nach Freiheit haben...

"Am Ende wollen wir nur jemanden, der es geschissen kriegt, uns zu ertragen." - Seite 125

Salih Jamal lässt den Lesenden seine oft sehr melancholischen und auch düsternden Charaktere fühlen, und macht sie sichtbar.

Wie die Vorgängerromane "Briefe an die grüne Fee", "Orpheus", "Das perfekte Grau" und "Blinder Spiegel" stechen die Romane durch die Wortgewandtheit und den poetischen Schreibstil des Autors heraus.

Ein Roman, der die Frage stellt: Wie beeinflusst die Vergangenheit die Gegenwart?

5. Sterne!

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Veröffentlicht am 02.01.2025

Nachdenklich machendes Buch über Heimunterbringung und die Folgen

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Das Buch "Vor der Nacht" von Salih Jamal zeichnet sich durch eine ganz besonders schöne Sprache aus, mit vielen Metaphern, die zum Nachdenken anregen. Das beginnt schon ganz am Anfang und zieht sich durch ...

Das Buch "Vor der Nacht" von Salih Jamal zeichnet sich durch eine ganz besonders schöne Sprache aus, mit vielen Metaphern, die zum Nachdenken anregen. Das beginnt schon ganz am Anfang und zieht sich durch das ganze Buch:

"Da, wo ich bin, kann ich nicht ankommen. Und da, wo ich ankomme, kann ich nicht hin."

"Ich berichte von Leben, die auf Seelen gelegt worden sind, die dem Leben nicht gewachsen waren."

"Nichts war mehr an seinem Ort. Nicht mal ich selbst, als wäre ich aus der Landschaft gefallen."

"Meine Eltern schauten beide zueinander auf. Bis sie gemeinsam in den Abgrund hinabblicken mussten."

Diese eindringlichen Sprachbilder laden also beim Lesen immer wieder dazu ein, innezuhalten und zu reflektieren, das mochte ich sehr.

Inhaltlich ist es ein Buch, das von der Handlung her - insbesondere in der ersten Hälfte - auch ein Jugendbuch sein könnte. Durch die Augen von Jonas (dem im Heim von den anderen Kindern der Spitzname "Jimmy" gegeben wird) lernen wir ihn, einige weitere Kinder und deren Umgebung kennen. Die Kinder können alle aus verschiedensten Gründen nicht mehr daheim wohnen, ihre Eltern sind tot, im Gefängnis oder sonstwo verschollen, und so kommen sie in das Heim der "Wölfin" Vora, die gelegentlich Gewalt ausübt und die Kinder sonst ignoriert. Dort leben sie in Zweibettzimmern, und was den Kindern Halt gibt, ist die innige Gemeinschaft und der Zusammenhalt, der sie bald miteinander verbindet, und die gemeinsamen Ausflüge in den Wald hinter der Autobahn, aber auch das Füreinander-Einstehen, wenn eines von ihnen angegriffen wird. Diese Kameradschaft und Solidarität unter den Kindern ist schön zu lesen.

Dann werden die Kinder älter und verlassen das Heim Stück für Stück, manche dramatisch durch eine Flucht, manche relativ unspektakulär durch Adoption oder Erreichen des 18. Geburtstags. Und sie verlieren sich gegenseitig aus den Augen, bis Jimmy - angespornt durch eine zufällige Begegnung mit einem Mädchen aus dem Kinderheim - sie einen nach dem anderen wieder aufspürt und wir so erfahren, was weiter aus den nun erwachsenen ehemaligen Heimkindern geworden ist.

Bis hierhin war es ein sehr schönes und bewegendes Buch für mich, wenn auch die charakterliche Darstellung mancher Personen, z.B. der Heimleitung Vora und ihrer Tochter, für mich eher blass geblieben ist (was aber durchaus damit zu erklären ist, dass wir die beiden durch die Augen des noch nicht so reflektierten jugendlichen Jimmy wahrnehmen). Der zweite Teil des Buches wird dann aber sehr dramatisch und lässt an schlimmen Umständen und Klischees nichts aus: von Schwerstkriminalität inklusive mehreren Morden bis zu Prostitution, sehr toxischen Beziehungen, schweren Demütigungen und Drogensucht ist da alles dabei - in ein bisschen Slapstick-artig, kabarettistischer Form, sodass ich es inhaltlich nicht mehr ganz ernst nehmen konnte und hier gefühlsmäßig nicht mehr mitgeschwungen bin.

Die Botschaft des Buches, wie sehr eine schwere Heimkindheit das eigene Leben prägen kann und nachwirkt, ist eine wichtige. Dennoch war es für mich etwas zu viel an Dramatik, hier hätte ich mir mehr Differenzierung gewünscht. Und ob wie diese möglich gewesen wäre, weiß ich nicht - immerhin scheint es sich zumindest in Teilen um eine wahre Geschichte zu handeln und so ist es schwer zu beurteilen, was davon wahr ist bzw. was der Anonymisierung der beteiligten Personen dient.

Insgesamt war es jedenfalls ein gutes und nachdenklich machendes Buch mit sehr schöner Sprache, das ich gerne gelesen habe, und über das ich noch weiter nachdenken werde.

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Intensiv und philosophisch tiefgründig: vom Trauma einer Kindheit ohne Liebe

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Dass Salih Jamal einen bodenlosen Abgrund aufreißen kann, weiß ich seit der Lektüre seines Romans “Blinder Spiegel”. Auch in “Vor der Nacht” ist der Fall tief, aber er geht diesmal wenigstens nicht ins ...

Dass Salih Jamal einen bodenlosen Abgrund aufreißen kann, weiß ich seit der Lektüre seines Romans “Blinder Spiegel”. Auch in “Vor der Nacht” ist der Fall tief, aber er geht diesmal wenigstens nicht ins bodenlose Nichts. Es ist die Liebe, die uns auffangen kann.

“Alles, einfach alles dreht sich um Liebe. Nie ist sie abwesend. Nie. Nie. Nie. Sie ist immer da. Sogar wenn sie nicht da ist.”

In einem Kinderheim in einem Wald direkt neben der Autobahn treffen sechs verlorene Kinder aufeinander und werden Freunde. Der Ich-Erzähler Jonas, später Jimmy genannt, Pappel, Frei, Lilly und die Geschwister Sinan und Beria. Alle bringt eine schwierige, wenn nicht gar traumatische Vergangenheit mit ins Heim und die Freundinnen geben sich mit kleinen Ritualen Geborgenheit und Halt.
Die Gruppe wird älter und irgendwann sind Sinan und Frei einfach verschwunden. Es dauert nicht lange und auch der Rest der Gruppe zerbricht, wird zerstreut und verliert sich aus den Augen.

Jimmy, der Erzähler wird erwachsen und zieht mit seinem Freund Pappel in eine kleine Wohnung. Der Mangel an Liebe hat schwere Spuren in ihren Seelen hinterlassen und ihre eigene Fähigkeit zu lieben und einem anderen Menschen völlig zu vertrauen schwer beschädigt. Jimmy fühlt sich teilweise leer und dissoziiert .

“Manchmal schien es mir, als würde ich aus dem Leben verschwinden. Innen ständig außer Reichweite.”

Um zu heilen und wieder ganz zu werden ist er auf der Suche nach seinen alten Freund
innen.
Irgendwann trifft er zufällig auf Lilly und muss das komplette Ausmaß ihrer seelischen Zerstörung erkennen. In ihrer Geschichte finden sich Parallelen zu “Der blinde Spiegel”.

Von derart selbstzerstörerischen Menschen wie Lilly zu lesen ist für mich als lebensbejahender und größtenteils stabiler Mensch bisweilen eine Qual und gleichzeitig auch morbide faszinierend.

Auch in “Vor der Nacht” stößt mich die Dunkelheit in Jamal’s Roman wieder genauso ab, wie sie mich anzieht und nicht alle Figuren werden ihren Abgründen entkommen können.

Und wie schon in “Blinder Spiegel” finde ich das skizzierte Frauen- und Menschenbild teilweise verstörend, aber in “Vor der Nacht” bilden die helleren Charaktere des Erzählers Jimmy und von Beria und Mia ein gutes Gegenwicht zu den zerstörten, dunklen Seelen der anderen.

Bei Jamal geht es um existenzielle und philosophische Fragen des Menschseins, es geht um die zerstörerische und heilende Kraft der Liebe, um Vergebung und Schuld und letztendlich darum, ob wir den Wolf in uns besiegen können.
Den Schreibstil des Schriftstellers finde ich besonders und einzigartig poetisch kraftvoll. Ich habe das Gefühl, Jamal bringt viel seiner eigenen Gefühle und Erfahrungen mit in seine Arbeit ein. Das tun wahrscheinlich alle Schreibende auf gewisse Art, aber gerade bei Jamals Romanen habe ich den Eindruck einer gewissen Entblößung und einer sehr intimen Verletzlichkeit. Diese Direktheit macht auch „Vor der Nacht“ wieder so unglaublich intensiv.

Ob sich die Gruppe der Freund*innen jemals wieder vereint, lässt Jamal bis kurz vor Schluss offen und gerade auf den letzten Seiten steigert sich die Spannung noch derart, dass ich das Buch bis zur letzten Seite nicht mehr weglegen kann.

„Vor der Nacht“ ist sicher keine sommerleichte Lektüre, die den Mainstream bedient und die existenzielle Schwere und Bedeutsamkeit, die in Jamals Roman liegt, passt vielleicht nicht in jede Lese- und Lebenssituation.

Ich bin aber schon immer auch auf der Suche nach den intensiveren und extremeren Gefühlen und literarischen Leseerlebnissen und wenn du das auch bist, dann ist „Vor der Nacht“ definitiv eine Empfehlung für dich!

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