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Veröffentlicht am 18.02.2019

Einsame Seelen

Abendrot
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Holt, eine Kleinstadt im Herzen Colorados, mitten in den Great Plains: Die beiden alten Viehzüchter Raymond und Harold McPheron müssen den Wegzug von Victoria Roubideaux (19), ihrer Ziehtochter, verkraften. ...

Holt, eine Kleinstadt im Herzen Colorados, mitten in den Great Plains: Die beiden alten Viehzüchter Raymond und Harold McPheron müssen den Wegzug von Victoria Roubideaux (19), ihrer Ziehtochter, verkraften. Sie verlässt mit ihrer zweijährigen Tochter Katie die Farm, um zu studieren. Das Ehepaar Betty und Luther Wallace lebt in einem verwahrlosten Trailer und muss darum kämpfen, dass seine Kinder Richie und Joy Rae bei ihnen bleiben dürfen. Ein elfjähriger Junge, genannt DJ, kümmert sich rührend um seinen kranken Großvater Walter Kephart (75). Und auch einige andere Menschen in dem Ort haben es nicht leicht, doch sie sind entschlossen, dem Leben einen Sinn abzutrotzen…

„Abendrot“ ist die Fortsetzung des Romans „Lied der Weite“ und der zweite Band der „Plainsong“-Trilogie des bereits verstorbenen Autors Kent Haruf.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen, die nochmals in 46 Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert sind. Erzählt wird aus der Sichtweise unterschiedlicher Personen. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Sprachlich konnte mich der Roman begeistern. Der Schreibstil ist schnörkellos, unaufgeregt und recht nüchtern, gleichzeitig jedoch eindringlich, atmosphärisch dicht und einfühlsam. Er ist darüber hinaus von viel wörtlicher Rede gekennzeichnet. Nicht nur aufgrund der Kenntnis des Vorgängerromans fiel mir der Einstieg in die Geschichte leicht. Das Buch lässt sich auch unabhängig lesen.

Im Mittelpunkt stehen einige vertraute Charaktere wie Victoria und die McPheron-Brüder, aber auch neu eingeführte Personen. Auch im zweiten Band zeichnet der Autor ein vielschichtiges und authentisches Bild der Protagonisten.

Die Schicksale und Probleme der Figuren sind ziemlich verschieden und keine leichte Kost. Sie konnten mich jedoch alle auf ihre eigene Weise berühren. Dargestellt werden unterschiedliche Facetten der Menschlichkeit. Dabei geht es um seelische Abgründe, aber auch um Hoffnungsschimmer. Immer wieder spielt die Einsamkeit eine große Rolle. Man fiebert mit den Personen mit und bangt, für wen sich alles noch zum Guten wendet und für wen nicht. Dadurch konnte mich der Roman fesseln. Dabei bleibt die Handlung allerdings stets realistisch und kommt ohne Kitsch aus.

Das vom Verlag gewohnt reduzierte Cover passt gut zur Geschichte. Auch der Titel ist treffend gewählt und orientiert sich stark am amerikanischen Original.

Mein Fazit:
Auch mit „Abendrot“ konnte mich Kent Haruf überzeugen. Ich bin nun gespannt, wann der dritte Teil auf Deutsch erscheinen wird, den ich mit Sicherheit auch noch lesen werde.

Veröffentlicht am 17.02.2019

Eine starke Frau in Zeiten des Umbruchs

Die Rose des Herzogs
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Frankreich im 18. Jahrhundert: Charlotte de Rohan-Rochefort, die junge Großnichte des Kardinals Louis von Rohan, trauert noch um ihren ersten Verlobten Vincent von Carignan, der den Septembermassakern ...

Frankreich im 18. Jahrhundert: Charlotte de Rohan-Rochefort, die junge Großnichte des Kardinals Louis von Rohan, trauert noch um ihren ersten Verlobten Vincent von Carignan, der den Septembermassakern in Paris zum Opfer gefallen ist. Da beginnt der vier Jahre jüngere Louis Antoine, der Herzog von Enghien, um sie zu werben. Es entwickelt sich eine platonische Freundschaft. Doch Louis bleibt hartnäckig, und so wächst eine tiefe Liebe zwischen den beiden, die den äußeren Einflüssen trotzen kann. Aber dann wollen die Royalisten Louis zum Thronprätendenten ernennen. Damit wird er zur Gefahr für Napoleon Bonaparte…

„Die Rose des Herzogs“ von Marita Spang ist ein historischer Roman, der in der Zeit der Französischen Revolution angesiedelt ist.

Meine Meinung:
Es gibt fünf Teile. Der Roman besteht darüber hinaus aus 28 Kapiteln. Sie werden von einem Prolog und einem Epilog eingerahmt. Die Handlung umfasst einen längeren Zeitraum: von 1786 bis 1841. Zudem gibt es immer wieder Ortswechsel. Nicht nur die einzelnen Kapitel, sondern auch alle Abschnitte sind jedoch einheitlich und deutlich mit Orts- und Zeitangaben versehen, was eine Orientierung in der Geschichte sehr erleichtert. Erzählt wird nicht nur aus der Sicht von Charlotte, sondern auch aus der von weiteren Personen. Dieser Aufbau hat mir gut gefallen.

Der Schreibstil ist gewohnt flüssig, angenehm und anschaulich. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Im Mittelpunkt steht Charlotte de Rohan-Rochefort, eine starke Frau, deren Gefühls- und Gedankenwelt gut nachvollziehbar ist. Sie wirkt ebenso authentisch und vielschichtig wie die sonstigen Charaktere.

Auch in diesem historischen Roman zeigt sich die fundierte, sorgfältige Recherche der Autorin, die auf gekonnte Art tatsächliche Begebenheiten mit fiktiven Elementen vermischt. Obwohl mir die Epoche bereits vor der Lektüre vertraut war, hat es der Roman immer wieder geschafft, Wissenswertes zu vermitteln, das ich noch nicht wusste. Gut gefallen hat mir auch, dass mit der Großnichte des Kardinals Louis von Rohan wieder eine faszinierende weibliche Persönlichkeit der Historie dargestellt wird, die bisher in der Öffentlichkeit weniger bekannt ist. Die Kombination aus informativer Lektüre und kurzweiliger Unterhaltung sorgt dafür, dass trotz der recht hohen Seitenzahl keine Langeweile aufkommt.

Viel Mühe hat die Autorin offensichtlich auch in den Anhang gesteckt, der auf interessante Weise Wahrheit und Fiktion des Romans aufdröselt. Positiv hervorzuheben ist außerdem die umfangreiche Personenübersicht, in der die historischen Persönlichkeiten gekennzeichnet sind. Hilfreich für die Orientierung sind zudem die Landkarten, die die beschriebenen Regionen zeigen, und die Zeittafel bedeutender Ereignisse. Zu dem vorbildlichen Zusatzmaterial sind auch das Glossar und das Verzeichnis der wichtigsten Quellen zu zählen.

Das Cover passt gut zur Geschichte und der entsprechenden Epoche. Auch den prägnanten Titel finde ich treffend gewählt. Etwas störend habe ich lediglich empfunden, dass die Seiten des Taschenbuchs so dünn sind, dass die Buchstaben stark durchscheinen.

Mein Fazit:
Mit „Die Rose des Herzogs“ ist Marita Spang erneut ein lesenswerter historischer Roman über eine starke Persönlichkeit gelungen. Wieder einmal konnte mich die Autorin überzeugen.

Veröffentlicht am 16.02.2019

Er liebt sie, er liebt sie nicht

Die zehn Lieben des Nishino
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Nishino Yukihiko fällt es nicht schwer, Frauen kennenzulernen. Fremde, Kolleginnen und andere diverse Bekanntschaften: Immer wieder gelingt es ihm, eine Bettgefährtin zu finden. Nicht selten läuft sogar ...

Nishino Yukihiko fällt es nicht schwer, Frauen kennenzulernen. Fremde, Kolleginnen und andere diverse Bekanntschaften: Immer wieder gelingt es ihm, eine Bettgefährtin zu finden. Nicht selten läuft sogar mit mehreren gleichzeitig etwas. Er ist ein scheinbar guter Liebhaber, doch keine Beziehung kann er lange aufrechterhalten. Obwohl er durchaus an einer ernsthaften Liebe interessiert ist, will sich keine längere Zeit mit ihm binden. Doch woran liegt das?

„Die zehn Lieben des Nishino“ ist ein gelungener Roman von Hiromi Kawakami.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zehn Kapiteln – jedes ist einer Frau zugeordnet. Erzählt wird jeweils in der Ich-Perspektive aus der Sicht der früheren Liebschaften Nishinos – allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge. Dieser Aufbau gefällt mir sehr gut.

Auch in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman beeindruckt. Der Schreibstil ist klar und schnörkellos, aber doch poetisch, bildhaft und eindringlich. Mit nur wenigen Sätzen gelingt es der Autorin viel auszudrücken. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Nishino steht klar im Mittelpunkt der Geschichte. Seine etwas unterkühlte Art und sein häufiges Fremdgehen haben mir ihn nicht gleich sympathisch gemacht. Allerdings ist er ein absolut reizvoller Charakter, der bis zum Schluss etwas geheimnisvoll und unnahbar bleibt. Stück für Stück wird seine Lebensgeschichte enthüllt. Darüber hinaus führt die Autorin zehn recht unterschiedliche Frauen ein. Die Personen wirken durchweg authentisch.

Obwohl der Leser quasi zehn verschiedene Geschichten in der Geschichte präsentiert bekommt, gibt es durchaus einige Parallelen zwischen den Kapiteln, was sicherlich größtenteils dem Protagonisten geschuldet ist. Auch der Grundton der einzelnen Geschichten, eine gewisse Melancholie, ist allen gemein. Dennoch kommt beim Lesen keine Langeweile auf, was nicht nur an der eher geringen Seitenzahl liegt.

Inhaltlich steht natürlich die Liebe im Vordergrund, die jedoch nicht auf kitschige Weise dargestellt wird. Dabei gelingt es der Autorin, ein Bild der modernen japanischen Gesellschaft zu zeichnen und zum Nachdenken über die Bedeutung von Liebesbeziehungen anzuregen.

Das Cover und die hochwertige Aufmachung der gebundenen Ausgabe gefallen mir optisch sehr gut, wobei ich den thematischen Bezug nicht erkennen kann, weil im Buch nur Goldfische, aber keine Kois auftauchen. Den Titel finde ich allerdings ziemlich passend.

Mein Fazit:
„Die zehn Lieben des Nishino“ von Hiromi Kawakami ist ein ungewöhnlicher Roman der leisen Töne, der mich begeistern konnte. Ich werde mir nun auch die anderen Bücher der Autorin einmal genauer ansehen.

Veröffentlicht am 05.02.2019

Eine Ode ans Leben

Agathe
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Paris im Jahr 1948: Ein 71-jähriger Psychiater hat nur noch wenige Monate bis zu seinem Ruhestand. Er kann es kaum erwarten und zählt bereits die letzten Tage. Die Probleme seiner Patienten sind ihm egal ...

Paris im Jahr 1948: Ein 71-jähriger Psychiater hat nur noch wenige Monate bis zu seinem Ruhestand. Er kann es kaum erwarten und zählt bereits die letzten Tage. Die Probleme seiner Patienten sind ihm egal geworden, die Arbeit langweilt ihn. Er möchte auf keinen Fall noch weitere Termine einschieben. Doch Agathe Zimmermann, eine Frau in ihren Vierzigern, ist hartnäckig und lässt sich einfach nicht von seiner Sekretärin, Madame Surrugue, abwimmeln. Durch die Treffen mit der gebürtigen Deutschen verändert sich für ihn alles…

„Agathe“ ist der gelungene Debütroman von Anne Cathrine Bomann.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus fast 40 kurzen Kapiteln mit jeweils knappen Überschriften. Eingefügt sind Auszüge aus Agathes Krankenakte sowie weitere Notizen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht des Psychiaters. Dieser Aufbau funktioniert prima.

Der Schreibstil ist sehr besonders. Er ist reduziert, aber dennoch gut verständlich, einfühlsam und eindringlich. Die Sprache ist bildstark und stellenweise poetisch. Der Autorin gelingt es auf beeindruckende Weise, mit nur wenigen Worten viel auszudrücken. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Im Mittelpunkt steht – anders als es der Romantitel vermuten lässt – nicht die Frau, sondern der gealterte Psychiater. Nichtsdestotrotz spielt Agathe natürlich in der Geschichte eine sehr wichtige Rolle. Beide sind recht spezielle, aber reizvolle Charaktere, die mit ihrer liebenswerten Art meine Sympathie gewinnen konnten. Ihre Darstellung wirkt authentisch.

Das Setting hat mir sehr gut gefallen. Im Vordergrund stehen die Themenbereiche Psychologie und Philosophie. Dabei geht es sowohl um psychische Erkrankungen als auch um Lebensweisheiten. Dies macht den Roman zu einer tiefgründigen Lektüre, die zum Nachdenken animiert. Dazu passt die oft melancholisch anmutende Atmosphäre.

Allerdings stimmt der Roman nicht nur ernste, sondern auch heitere Töne an. Mehrfach konnte mich die Geschichte emotional berühren, denn es tauchen immer wieder universelle Aspekte wie Liebe, Freundschaft und Nähe auf.

Eine weitere Stärke des Romans ist es, dass er viel Raum für eigene Interpretationen und Gedanken lässt. Die schöne Botschaft der Geschichte wird dabei jedoch klar deutlich: Auch die kleinen Dinge des Lebens können glücklich machen.

Das Cover finde ich sehr hübsch. Ein indirekter Bezug zur Geschichte ist erkennbar. Der prägnante Titel wurde von dem Original übernommen.

Mein Fazit:
„Agathe“ von Anne Cathrine Bomann ist ein kurzer, aber besonderer Roman. Die Geschichte verfügt über viel Charme und zählt schon jetzt zu meinen Lesehighlights des Jahres. Eine empfehlenswerte Lektüre.

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Veröffentlicht am 29.01.2019

Nordseegesichter

Mittagsstunde
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Das Dorf Brinkebüll in Nordfriesland: Nach 30 Jahren kehrt Dr. Ingwer Feddersen, Archäologe und Hochschullehrer, in seinen kleinen Heimatort zurück. Der 47-Jährige findet ein Dorf vor, das einen Niedergang ...

Das Dorf Brinkebüll in Nordfriesland: Nach 30 Jahren kehrt Dr. Ingwer Feddersen, Archäologe und Hochschullehrer, in seinen kleinen Heimatort zurück. Der 47-Jährige findet ein Dorf vor, das einen Niedergang erlebt hat. Auch in seinem persönlichen Umfeld haben die Menschen die besten Zeiten schon hinter sich. Seine Großmutter Ella ist dement. Sein Großvater Sönke (93), von Arthrose geplagt und auf einem Auge blind, hält dennoch die Stellung im „Dorfkrug“, dem Gasthof von Brinkebüll. Als seine Uni ihm eine Auszeit genehmigt, kommt Ingwer zurück. Nicht ohne Grund: Er hat in dem Dorf noch etwas gutzumachen…

„Mittagsstunde“ von Dörte Hansen ist ein beeindruckender Roman.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 22 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Sie sind überschrieben mit den Titeln bekannter Songs – eine schöne Idee. Erzählt wird nicht nur aus der Sicht von Ingwer, sondern auch aus der verschiedener weiterer Personen. Es gibt zudem immer wieder Rückblenden in die weiter zurückliegende Vergangenheit. Der Aufbau hat mir gut gefallen.

Besonders der Schreibstil macht das Lesen zu einem Hochgenuss. Die Sprachbilder und Vergleiche sind sehr eindrucksvoll, die Beschreibungen zum Teil ungewöhnlich, aber mit verblüffender Treffgenauigkeit. Die Sprache wirkt bisweilen poetisch.

Eine weitere Stärke des Romans liegt in den starken Charakteren. Im Mittelpunkt steht Ingwer Feddersen. Sein Innenleben lässt sich sehr gut nachvollziehen. Auch die übrigen Personen sind reizvoll, vielschichtig und authentisch dargestellt. Sie illustrieren sehr gut die dörflichen Strukturen und das Gesellschaftssystem dort, haben aber jeweils ihre eigene, interessante Geschichte.

Inhaltlich geht es vor allem um den Niedergang eines Dorfes, über die Veränderungen, die die Zeit mit sich brachte, und den Strukturwandel. Das äußert sich in vielen Bereichen. Brinkebüll steht damit exemplarisch für viele kleine Dörfer. Darüber hinaus werden auch emotional behaftete Bereiche wie Alter, Einsamkeit und Krankheit thematisiert. Ohne ins Kitschige abzudriften, gelingt es der Autorin darüber hinaus, Szenen einzustreuen, die berühren. Immer wieder liefert die Geschichte Impulse zum Nachdenken.

Ein wichtiges Thema sind auch die menschlichen Schwächen und Fehler. Den Leser erwarten mehrere Überraschungen. Stück für Stück werden einige Geheimnisse erst angedeutet und dann aufgedeckt. Das sorgt für Spannung.

Das Cover entspricht nicht ganz meinem Geschmack, obgleich es inhaltlich durchaus passt. Der Titel ist ebenso prägnant wie treffend gewählt.

Mein Fazit:
Mit „Mittagsstunde“ ist Dörte Hansen wieder ein toller Roman gelungen, der völlig zu recht auf der Bestsellerliste gelandet ist. Die hohe sprachliche Qualität und die überzeugend dargestellten Charaktere machen das Buch für mich schon jetzt zu einem der Lesehighlights in diesem Jahr. Eine Lektüre, die ich uneingeschränkt empfehlen kann.