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Veröffentlicht am 25.07.2024

Rätselhafte Jagd

Der Twyford-Code
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Steven Smith saß über zehn Jahre im Gefängnis, nach seiner Entlassung erinnert er sich an seine Lehrerin Miss Trout, die vor vierzig Jahren nach einem Ausflug mit ausgewählten Kindern verschwand. Diesem ...

Steven Smith saß über zehn Jahre im Gefängnis, nach seiner Entlassung erinnert er sich an seine Lehrerin Miss Trout, die vor vierzig Jahren nach einem Ausflug mit ausgewählten Kindern verschwand. Diesem Geheimnis, das mit einem Buch der Schriftstellerin Edith Twyford zusammenhängt, will Steven nun nachgehen. Recht bald stößt er auf den Twyford-Code, der ihn fasziniert und bald dazu bringt, wie besessen an dessen Auflösung zu forschen. Leider ist er nicht die einzige Person, die danach jagt.

„Unter den persönlichen Gegenständen einer kürzlich als vermisst gemeldeten Person befindet sich ein iPhone 4, für das kein aktueller Mobilfunkvertrag besteht. Auf den ersten Blick schien der Speicher leer, es waren weder Anruflisten noch Musikdateien, E-Mails, SMS oder Fotos zu finden. Bei genauerer Untersuchung haben wir jedoch eine Reihe gelöschter Audiodateien entdeckt: Sprachaufnahmen in diversen verschlüsselten Formaten, datiert auf einen Zeitraum von elf Wochen im Jahr 2019. Diese Dateien haben wir wiederhergestellt und dechiffriert.“ (Seite 7)

Das vorangestellte Zitat erklärt viel besser, als ich es könnte, wie ungewöhnlich aufgebaut dieses Buch ist. Die Aufnahmen von Steven, der an einer Lese- und Schreibschwäche leidet, machten den überwiegenden Teil der Geschichte aus. Durch die Transkription, was nichts anderes als die Verschriftlichung des gesprochenen Wortes bedeutet, ergaben sich viele Fehler, die so belassen wurden, sodass sich bereits beim Lesen ein erstes Rätsel ergab. Da wurde aus Miss Traut ein permanentes misstraut, aus dem umgangssprachlichen so‘n der Sohn, aus hab ich der Habicht und viele andere Wortfindungen, die man manchmal nur errät, indem man den Satz laut vorliest. Was sich anstrengend anhört, war es nicht, denn das eigene Gehirn übersetzt die meisten „Verschreiber“ des Programs richtig und passend zum Zusammenhang. Lediglich mit dem Kitz hatte ich kurz Probleme, dabei lag die Lösung eigentlich auf der Hand.

Was mich zu Beginn begeistert hat, verlor im Laufe der Zeit seinen Reiz und führte dazu, dass ich zwischenzeitlich ein wenig den Faden verlor. Steven hat wichtige, aber auch vollkommen überflüssige Dinge aufgenommen, es wurde etwas anstrengend für mich, seinen Ausführungen zu folgen. Lediglich die Suche nach den Antworten hielt mich zuletzt im Buch und im letzten Drittel wurde ich dafür belohnt. Die Auflösung verblüffte mich, rückblickend machte vieles plötzlich doch noch einen Sinn und lieferte mir eine unglaubliche Erklärung sowie Antworten auf alle meine Fragen. Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet! Insgesamt wurde ich gut unterhalten, wenn auch viel Luft nach oben blieb.

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Veröffentlicht am 23.07.2024

Gegen jeden Widerstand

Der Buchclub – Ein Licht in dunklen Zeiten
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Gertie Bingham, die Besitzerin von Binghams Bücher, überlegt, sich zur Ruhe zu setzen. Nachdem ihr geliebter Mann Harry vor zwei Jahren gestorben ist, fällt ihr der Alltag nicht mehr so leicht. Als ihr ...

Gertie Bingham, die Besitzerin von Binghams Bücher, überlegt, sich zur Ruhe zu setzen. Nachdem ihr geliebter Mann Harry vor zwei Jahren gestorben ist, fällt ihr der Alltag nicht mehr so leicht. Als ihr alter Freund Charles sie darum bittet, ein jüdisches Flüchtlingskind aus München bei sich aufzunehmen, ist Gertie zuerst skeptisch, stimmt dann aber doch zu. Als gegen jede Hoffnung der Zweite Weltkrieg ausbricht, ist die junge Hedy Fischer für Gertie eine große Stütze, gemeinsam kümmern sich beide um den Buchclub, der dafür sorgt, dass die Menschen im Luftschutzbunker abgelenkt werden von dem Grauen, das draußen wütet.

„Das Mädchen, das mit einem Rucksack auf dem Rücken vor ihr stand, war fast so groß wie sie. Hedy hatte schulterlange, braun gewellte Haare und melassebraune Augen. Sie trug einen marineblauen Wollmantel mit rosarotem Schal und wirkte wie ein in die Ecke getriebenes Kätzchen.“ (Seite 69)

Die Geschichte von Gertie und Hedy lässt mich tief berührt zurück, obwohl es anfangs gar nicht danach aussah, da ich erst mühsam in das Buch hineingefunden habe. Dies lag ein bisschen an der zuweilen etwas altmodischen Sprache, die der damaligen Zeit, aber auch dem Umstand geschuldet war, dass die Geschichte in England spielt, was mit ein Grund für einige altmodische Begriffe gewesen ist. Nach und nach gewöhnte ich mich daran und merkte dabei gar nicht, wie ich allmählich im Buch versank; so sehr sogar, dass ich alles um mich herum vergaß.

Die Persönlichkeit von Gertie hat mich für sie eingenommen, ich hatte irgendwann das Gefühl, ich würde sie ewig kennen, habe mit ihr gefühlt, gelitten und geweint, aber auch viele schöne Dinge mit ihr erlebt. Die Gräuel der Kriegszeit habe ich mit ihr durchgestanden, Krisen, Dramen und hoffnungsvolle Ereignisse haben wir miteinander hinter uns gebracht. Die Kraft der Bücher und der Geschichten, die in ihnen stecken, das Miteinander und die Hoffnung, die Menschen in schweren Zeiten eint, haben mir wunderbare Lesestunden und emotionale Momente geschenkt. Ich habe gelacht und geschmunzelt, ein paar Tränen der Rührung verdrückt, aber auch bitterlich geweint. Das Ende hat mich berührt, die letzten Seiten bewegt und so klappte ich das Buch mit einem schönen Gefühl zu, ohne traurig zu sein. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 22.07.2024

Schmerzhaft intensiv

Die schönste Version
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Zwischen Jella und Yannick ist es die große Liebe, die gemeinsame Wohnung die Krönung, Jella träumt bereits von mehr. Bis zu einem Vorfall, der alles ändert. Jella zieht zurück zu ihrem Vater, in ihrem ...

Zwischen Jella und Yannick ist es die große Liebe, die gemeinsame Wohnung die Krönung, Jella träumt bereits von mehr. Bis zu einem Vorfall, der alles ändert. Jella zieht zurück zu ihrem Vater, in ihrem früheren Kinderzimmer erinnert sie sich an ihre Kindheit und Jugend, geht Situationen noch einmal durch und fragt sich, wie es so weit kommen konnte, dass es dermaßen eskaliert. Erinnert sich an Yannicks Hände an ihrem Hals, denkt an ihre Todesangst und das folgende Gefühl.

„Ja, meine Güte, muss man jetzt nicht gleich überreagieren, kein Drama machen, nicht so hysterisch sein, wegen dieser Sache, die irgendwie schiefgegangen ist, also reiß dich mal zusammen, das war doch nichts. Wird schon wieder werden.“ (Seite 117)

Dieses Buch ist so schonungslos ehrlich, dass es wehtut. Aber nicht nur das, es macht mich auch wütend. So viele Situationen aus Jellas Jugend habe ich wiedererkannt, viele schmerzhafte Momente selbst erlebt. Glücklicherweise ist mir nie etwas ähnliches zugestoßen, dennoch konnte ich mitfühlen und nachvollziehen, wie es ihr geht. Der schreckliche Übergriff führt dazu, dass Jella endlich darüber nachdenkt, wie sie an einen Punkt in ihrem Leben kommen konnte, an dem es für sie nicht mehr weitergeht. Dies ist schmerzhaft, dies ist traurig und brutal, aber unumgänglich, denn ansonsten geht ihre Seele kaputt.

„Ich hatte alles unter Kontrolle. Und während ich alles so sehr unter Kontrolle hatte, zog gleichzeitig alles an mir vorüber und ich: so taub, dass ich kaum etwas spürte.“ (Seite 128)

Dieser Mix aus Coming of Age, Liebesgeschichte und Drama lässt mich tief berührt zurück. Der großartige Schreibstil und die manchmal unvollständigen Sätze, die umso mehr ins Schwarze treffen, weil man weiß, was die Autorin damit sagen will, bescherten mir ein intensives Leseerlebnis voller emotionaler Momente, die einen großen Eindruck hinterlassen haben. Danke dafür.

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Veröffentlicht am 18.07.2024

Schweigen ist Gold

Kleine Monster
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Pia und Jakob werden in die Schule ihres siebenjährigen Sohnes Luca bestellt, es gab einen Vorfall mit einem Mädchen. Während Jakob schnell davon überzeugt ist, dass es sich nur um ein Missverständnis ...

Pia und Jakob werden in die Schule ihres siebenjährigen Sohnes Luca bestellt, es gab einen Vorfall mit einem Mädchen. Während Jakob schnell davon überzeugt ist, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann, ist Pia alarmiert, weiß sie doch, dass Kinder auch anders sein können. Sie lässt Luca nicht mehr aus den Augen, will die Wahrheit förmlich aus ihm herauspressen. Währenddessen kommt ihre eigene Kindheit hoch, die alles andere als einfach war.

„Ich bin gut darin, die Fassade aufrechtzuerhalten. So gut, über weite Strecken glaube ich mir selbst. Und doch.
Die Liebe ist keine Selbstverständlichkeit für mich. Die Mutterhaut, die ich trage, passt nicht wie angegossen.“ (Seite 57)

Dieses emotionale Familiendrama lässt mich aufgewühlt und tief berührt zurück. Das Ereignis, das der Auslöser für die folgenden Geschehnisse ist, steht nur augenscheinlich im Vordergrund, Mittelpunkt der Geschichte ist die Aufarbeitung der Kindheit von Pia, die durch den Vorfall in der Schule getriggert und dadurch zu Handlungen getrieben wird, die mich an manchen Stellen erschüttert, um nicht zu sagen angewidert haben. Erst allmählich wird aufgedeckt, wie es in der Familie zuging, welche Kämpfe ausgefochten wurden und Gemeinheiten ausgeheckt. Dies alles nicht offen, nach außen hin war alles perfekt. Manchmal sind die subtilen Grausamkeiten schlimmer, schädigen eine Seele so sehr, dass diese sich schützt, bevor sie zukünftig jemand verletzt.

Auf zwei Zeitebenen wird die Geschichte erzählt, beide bieten Zündstoff und lassen sich nicht so leicht vergessen für mich. Die Schatten der Vergangenheit schüttelt man nicht ab, man muss sich ihnen stellen, den Schmerz zulassen, auch wenn er einen zerreißt. Selten wurde das so gut dargestellt wie hier. Eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

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Veröffentlicht am 16.07.2024

Dieser eine Tag

Joy
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Joy Stephens wird mit Mitte dreißig die Ehre zuteil, in ihrer Londoner Anwaltskanzlei zur Partnerin ernannt zu werden. Aus Gründen, die in der Vergangenheit, aber auch in ihrem Privatleben liegen, bereitet ...

Joy Stephens wird mit Mitte dreißig die Ehre zuteil, in ihrer Londoner Anwaltskanzlei zur Partnerin ernannt zu werden. Aus Gründen, die in der Vergangenheit, aber auch in ihrem Privatleben liegen, bereitet Joy für diesen Tag ihren Abgang vor, allerdings anders, als man es sich vorstellen könnte; sie will nicht mehr leben und hat einen Plan, wie sie dies bewerkstelligen wird. Bei der Ernennung zum Partner stürzt Joy vor versammelter Mannschaft zehn Meter in die Tiefe und wird lebensgefährlich verletzt. Der Verdacht liegt nahe, dass ihr Kollege und Ex-Geliebter etwas mit ihrem Sturz zu tun hat, oder war es doch etwas anderes?

Minutiös durfte ich verfolgen, wie Joy ihren Abgang plant und was ihr in der Zwischenzeit widerfährt. In den Kapiteln dazwischen ist das Unglück bereits passiert und es erfolgten Befragungen verschiedener Personen, die unmittelbar mit ihr zu tun hatten; im Privatleben, überwiegend aber im geschäftlichen Bereich. Der Schreibstil war fordernd, Sätze über eine ganze Seite, verschachtelt und mit Fußnoten versehen, die auch gerne mal die komplette Seite beanspruchten, erforderten meine gesamte Konzentration. Dies war anspruchsvoll, stellenweise sogar recht anstrengend, besonders wenn Dennis, der Ehemann von Joy, sich in seinen ausschweifenden Gedanken verlor und regelrecht schwadronierte. Die eigentliche Geschichte war irgendwo dazwischen zu finden, sie verlor sich fast in den vielen unwichtigen Erzählungen der Befragten. Dies empfand ich als tragisch, denn das Buch hatte viele interessante Momente, die allerdings fast wellenförmig mal da, mal weg waren. Es war schwierig für mich, konzentriert zu bleiben.

Letztendlich blieb ich am Ball, weil ich unbedingt erfahren wollte, welches Ende sich der Autor einfallen lassen würde, hatte die Hoffnung darauf, doch noch überrascht zu werden. Das wurde ich, aber anders als erwartet. Vielleicht aber habe ich es auch einfach nur nicht verstanden.

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