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Veröffentlicht am 30.11.2019

Sweet Sorrow

Sweet Sorrow
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Ein Sommer, der alles ändert. Nachdem seine Mutter erklärt, dass sie sich trennen wird und auszieht, bleibt Charlie mit seinem arbeitslosen Vater allein zurück. Immer mehr verliert er die Lust auf Schule ...

Ein Sommer, der alles ändert. Nachdem seine Mutter erklärt, dass sie sich trennen wird und auszieht, bleibt Charlie mit seinem arbeitslosen Vater allein zurück. Immer mehr verliert er die Lust auf Schule und nimmt nur widerwillig an den Abschlussprüfungen teil. Doch dann begegnet er zufällig Fran Fisher. Sie wiederzusehen hat jedoch einen Haken: er muss sich ihrer Schauspielgruppe Full Fathom Five anschließen und in Shakespeares „Romeo und Julia“ auftreten. Eigentlich nicht seine Welt, aber was tut man nicht alles für das Mädchen, das man liebt. Doch der Moment des Glücks sollte nur kurz währen, über ihm schwebt ein Damoklesschwert, das droht, alles zunichte zu machen. Und dann tritt die Katastrophe auch ein. Zwanzig Jahre später, kurz vor seiner Hochzeit, wird er wieder an diesen Sommer erinnert und muss sich der Frage stellen, ob er es wagen soll, Fran noch einmal zu treffen.

Wenn dem Autor eines hervorragend gelingt, dann das Lebensgefühl der Teenager einzufangen. Die Unsicherheiten, widersprüchliche Gefühle, das Schwanken zwischen cool sein oder seiner inneren Stimme folgen zu wollen, die typischen Probleme mit den Eltern und eine gewisse Plan- und Orientierungslosigkeit was die Zukunft angeht – all dies findet sich im Protagonisten Charlie Lewis, der dann durch das unerwartete Verlieben vollends ins Wanken gerät. Der erwachsene Charlie hätte sicher noch mehr sagen können und dürfen, bleibt jedoch eine Figur am Rande, die nur den Rahmen liefert.

„Sweet Sorrow“ war mein erster Roman von David Nicholls und er hat mich stark an die 90er Jahre Romane von Nick Hornby erinnert. Im Zentrum der Geschichte der sympathische Loser, dem nichts so richtig auf Anhieb gelingen will, der aber irgendwie liebenswert ist und ganz sicher das Herz am rechten Fleck hat. Das zeigt Charlie vor allem im Umgang mit seinem alkoholabhängig-depressiven Vater. Eigentlich hätte er selbst genügend Probleme, muss er sich auch noch um einen Erwachsenen Kümmern, der als Erzieher völlig ausfällt.

Was mich bei Hornby immer begeisterte, findet sich auch bei Nicholls: die musikalische Einbettung des Romans. Wer in den 90ern jung war und britische Musik liebte, wird seine große Freude an „Sweet Sorrow“ haben. Daneben überzeugt Nicholls damit, dass er die erste große Liebe nicht verklärt und überhöht und zu dieser bittersüßen Liebesgeschichte den Jugendlichen auch die Realität in Form der Eltern aufbürdet.

Die erste Liebe, präsentiert wie ein Popsong, den man einen Sommer lang in Dauerschleife hört und doch nicht überdrüssig wird und der einem Jahre später, wenn er zufällig wieder einmal im Radio läuft, an die Zeit erinnert und fröhlich mitträllern lässt.

Veröffentlicht am 27.11.2019

Helen Fields - Die perfekte Strafe

Die perfekte Strafe
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Eine junge Frau wird tot aufgefunden. Was hatte sie in der eisigen Nacht auf dem Berg zu suchen und weshalb war sie nicht bekleidet? Anzeichen von Gewalt gibt es augenscheinlich keine, erst die Blutprobe ...

Eine junge Frau wird tot aufgefunden. Was hatte sie in der eisigen Nacht auf dem Berg zu suchen und weshalb war sie nicht bekleidet? Anzeichen von Gewalt gibt es augenscheinlich keine, erst die Blutprobe weist auf Drogen hin – doch Lily war eine erklärte Gegnerin von allen Substanzen. Auch die Leiterin einer Wohltätigkeitsorganisation schwebt in Lebensgefahr, denn der nette junge Mann, der sie seit Neuestem unterstützt, hat eine eigene Agenda, die so gar nichts mit Nächstenliebe zu tun hat. DCI Ava Turner und ihr Kollege Luc Callanach stehen unterdessen immer noch unter Schock: scheinbar hat ihr ehemaliger Vorgesetzter Selbstmord begangen. Doch es gab keine Anzeichen für eine solche Tat. Ava kann und will das Ergebnis nicht hinnehmen und kommt bald schon Ungereimtheiten auf die Spur – die jedoch direkt zurück zur Polizei führen.

Teil drei für das Ermittlerduo aus Edinburgh, der beide auch ganz privat weit über ihre Grenzen hinaus führt. Auch ohne die beiden Vorgänger zu kennen, lässt sich mit „Die perfekte Strafe“ gut in die Serie einsteigen. Helen Fields gelingt es hier vor allem, die persönliche Seite der Ermittler und die Zwiespälte, denen sie ausgesetzt sind, zu offenbaren: Gefühl und Verstand lassen sich nicht immer ganz einfach unter einen Hut bringen, wenn beide auch dasselbe Ziel von Gerechtigkeit verfolgen.

Die Mordfälle scheinen zunächst völlig lose zu sein und es dauert, bis die Verbindungen sich zeigen und die Polizei überhaupt einen Ansatzpunkt findet. Die Komplexität hätte auch nicht höher sein dürfen, der Thriller ist schon recht anspruchsvoll, wenn man keinen der Handlungsstränge aus dem Auge verlieren möchte. Durch die geschickte Verwebung nimmt die Spannung dann aber kontinuierlich zu und steigert sich bis zum passenden Schluss.

Besonders konnte mich jedoch der Erzählton der Autorin begeistern. Treffsichere Formulierungen laden immer wieder zum Schmunzeln ein und brechen den brutalen Polizeialltag und die Anspannung auch immer wieder an den richtigen Punkten auf. Dies nutzt sie insbesondere da, wo auch der unterschwellige Sexismus in den Ermittlungsbehörden sich zeigt, um diesen bloßzustellen und ins Abseits zu rücken. Ein insgesamt vielschichtiger und anspruchsvoller Thriller, bei dem alles passt.

Veröffentlicht am 23.11.2019

Anthony Horowitz - James Bond: Ewig und ein Tag

James Bond: Ewig und ein Tag
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007 ist tot. Sein Körper treibt regungslos im Hafen von Marseille. Die Mission lief sensationell schief. Glücklicherweise kann M auf einen jungen Kandidaten zurückgreifen, der sich in New York und Stockholm ...

007 ist tot. Sein Körper treibt regungslos im Hafen von Marseille. Die Mission lief sensationell schief. Glücklicherweise kann M auf einen jungen Kandidaten zurückgreifen, der sich in New York und Stockholm bereits im Einsatz bewährt hat: James Bond. Eine neue Nummer lehnt er ab, er will in die Fußstapfen von 007 treten und in Südfrankreich die Mission zu Ende führen, die seinen Vorgänger das Leben gekostet hat und so dessen Ehre retten. Er weiß, dass mit der korsischen Mafia nicht zu spaßen ist und dass diese vermutlich hinter dem Mord an dem Spion steckt. Doch ihr seltsames Verhalten wirft seit Monaten Fragen auf: warum liefern sie keinen Heroin Nachschub? Was bereiten sie vor? James Bond begibt sich in die Höhle des Löwen, wo noch ein anderer Gegner wartet: die attraktive Sixtine, vor der er sich ebenfalls besser in Acht nehmen sollte.

James Bonds erster Einsatz als Doppelnull-Agent, mit dem er sich die Lizenz zum Töten verdienen soll und der die Vorgeschichte zu „Casino Royale“ liefert. Gewagt von Horowitz, der sich schon zum zweiten Mal mit Hilfe von unveröffentlichtem Material Ian Flemings an die große Agentenfigur wagt. Viele bekannte Bausteine finden sich wieder – das Casino, der Martini, die attraktive Gespielin, der übermächtige Gegner, der gleich die ganze Weltherrschaft an sich reißen will – und für meinen Geschmack hat Horowitz Fleming überzeugend seine Stimme verliehen. Vor allem finde ich die Handlung ganz hervorragend in die Zeit hineingesetzt: es ist nicht der James Bond, den man aus den aktuellen Filmen kennt, sondern der Agent der 1950er Jahre.

Der Kriminalfall bietet einiges an verwirrenden Ansatzpunkten, die einem kräftig miträtseln lassen. Insgesamt ein überzeugender Fall, der glaubwürdig fundiert ist und von höchst individuellen Motiven geleitet wird, die jedoch erst nach und nach offenbart werden. Die volle Punktzahl gibt es jedoch nicht, da mir Bond wiederholt nur schwer vorstellbar agiert, so leichtsinnig könnte und dürfte ein Doppelnull Agent nicht sein. Auch dass Sixtine schnell die Seiten wechselt und von der knallharten Geschäftsfrau zur unterwürfigen Begleiterin an Bonds Seite wird, war mir in der Figurenzeichnung nicht stimmig genug. Mehrfach haben seine Gegner die Möglichkeit, ihn zu töten und tun es nicht – für die brutale Mafia, die andere Agenten schnell hinrichtet nicht ganz einleuchtend.

Nichtsdestotrotz insgesamt tolle Unterhaltung, die problemlos an die Romane Flemings heranreicht.

Veröffentlicht am 20.11.2019

Elizabeth Harrower - Die Träume der anderen

Die Träume der anderen
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Als der Vater von Laura und Clare unerwartet stirbt, steht die Mutter mit den beiden Mädchen alleine da. Sie konnte noch nie viel mit ihnen anfangen und beabsichtigt auch jetzt nicht, sich um sie zu kümmern. ...

Als der Vater von Laura und Clare unerwartet stirbt, steht die Mutter mit den beiden Mädchen alleine da. Sie konnte noch nie viel mit ihnen anfangen und beabsichtigt auch jetzt nicht, sich um sie zu kümmern. Laura, die Ältere, soll auf eine Hauswirtschaftsschule, der Traum vom Medizinstudium oder als Opernsängerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen, soll sie halt aufgeben. Die Jüngere hat noch keine Träume und als sie in das Alter kommt, welche zu entwickeln, wird auch ihr die Entscheidung abgenommen. Die Mutter beschließt Australien trotz des wütenden 2. Weltkrieges gen England zu verlassen und da Lauras Chef ohnehin noch Bedarf an einer Gattin hat, kann er das Mädchen ja heiraten und sich auch gleich um Clare kümmern. So kommen die beiden aufgeweckten und neugierigen Frauen von einem Haushalt, in dem sie von jung an auf sich alleine gestellt waren in die Fänge eines kontrollsüchtigen und jähzornigen Eigenbrötlers.

Elizabeth Harrower wurde 1928 in Sydney geboren und hat bis Ende der 1960er vier Romane verfasst, von denen jedoch bislang nur einer in deutscher Sprache verfügbar war. „Die Träume der anderen“ ist die zweite Übersetzung, die mehr als 50 Jahre nach der Veröffentlichung entstand. Bemerkenswert – und auch erschreckend - daran ist, dass die Autorin den Zeitgeist damals ebenso wie heute eingefangen hat und das Buch quasi keinerlei Aktualität eingebüßt hat.

„‘Aber gibt es nicht irgendetwas, was du gern sein möchtest?‘ Das Mädchen betrachtete sie. Laura zwang sie unglücklich zu sein. Aber das wollte sie nicht sein. Und wenn doch, dann in ihrem eigenen Tempo und aus ihren eigenen gründen.“

Die Schwestern und ihre Träume bilden den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Interessanterweise beginnt das Buch mit der Präsentation einer recht unabhängigen Frau. Die Mutter der beiden ist hochgradig selbstbestimmt, dies geht sogar so weit, dass sie die Mutterrolle einfach ablegt und sich nicht verantwortlich erklärt. Sie verlässt ihre Töchter, um ihren eigenen Ideen nachzujagen und taucht auch später nicht mehr auf. Die vermeintlichen Freiheiten der Töchter werden jedoch durch die finanzielle Situation massiv eingeschränkt und so müssen sie sich dem Schicksal letztlich fügen.

Musste Laura früh schon die Last für ihre kleine Schwester mittragen nachdem die Eltern ausgefallen waren, drängt sie ihrerseits die Jüngere nun in die Zwangsgemeinschaft und fordert von ihr, das Leid im neuen Haushalt des Chefs mitzutragen. Es ist weniger Böswilligkeit aus dem Gedanken, dass die anderen nicht haben soll, was sie nicht bekommen konnte, als das Wissen, alleine das Leben an der Seite von Felix Shaw nicht ertragen zu können. Doch Clare kann und will sich nicht einfach einfügen und beginnt ihre Rebellion.

Der Roman leidet für meinen Geschmack unter etlichen Längen und dreht sich wiederholt im Kreis. So mühsam das Lesen an diesen Stellen wird, so beschwerlich gestaltet sich auch das Leben der Mädchen. In dieser Hinsicht ist die Passung sehr gut, überzeugt mich jedoch nicht wirklich. Auch fand ich es etwas schade, wie die Figur von Laura, die mir im ersten Teil sehr gut gefallen hat, so viel an Persönlichkeit verliert und immer mehr zur Puppe verkommt, die von Schwester und Ehemann nur noch benutzt und hin und her geschubst wird. Sicherlich war Emanzipation und völlige Entscheidungsfreiheit 1966 für junge Frauen eher im Bereich der Utopie angesiedelt, aber wäre es nicht gerade da wünschenswert gewesen, wenn die Literatur Ideen geliefert hätte und Modelle zur Orientierung hätte bieten können? Ein toller Anfang, den jedoch dann der Mut verlässt und mich am Ende etwas unglücklich mit der Geschichte zurücklässt.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Ilaria Tuti - Eiskalte Hölle

Eiskalte Hölle
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Das norditalienische Bergdörfchen Travenì wird von einem brutalen Mordfall erschüttert. Nicht nur wurde ein geschätzter Bewohner aus der Mitte der kleinen Gemeinschaft gerissen, nein, er wurde mit bloßen ...

Das norditalienische Bergdörfchen Travenì wird von einem brutalen Mordfall erschüttert. Nicht nur wurde ein geschätzter Bewohner aus der Mitte der kleinen Gemeinschaft gerissen, nein, er wurde mit bloßen Händen getötet und dann hat man ihm die Augen ausgerissen. Was für ein Mensch kann für so eine Tat verantwortlich sein? Auch die herbeigerufene Kommissarin Teresa Battaglia kann sich nur schwer einen Reim auf die Psyche des Mörders machen, fürchtet jedoch schnell, dass es noch weitere Opfer geben wird und zu ihrem Leidwesen behält sie Recht damit. Ein grausames Wesen treibt sich im Wald im das Dorf herum, auch die Kinder haben ihn schon gesehen und nennen ihn nur das Gespenst, weil er leichenblass ist und mit seiner Umwelt verschmilz und so geradezu unsichtbar wird, wenn er nicht gesehen werden will. Teresa hat es mit einem schwer greifbaren Gegner zu tun, doch noch ein anderer Feind setzt ihr zu: ihr eigener Körper. Wird dieser den Strapazen der winterlichen Ermittlungen standhalten und sie den Fall noch lösen können?

Das Thrillerdebut der italienischen Autorin packt den Leser schon nach wenigen Seiten. Leider wurde beim deutschen Titel einiges verschenkt, da die Aussagekraft des Originals („Fiori sopra l’inferno“) verloren geht, die im Buch wieder aufgegriffen wird und mit ein Schlüssel zur Lösung des Falls ist. Genau dieses ist es auch, dass den Roman von anderen des Genres abhebt: es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als uns bewusst ist und es gibt Menschen, die eine besondere Verbindung zur Natur haben und mehr wahrnehmen können als andere. Ein schreckliches Ereignis ermöglicht den Blick in die Hölle, den man nie wieder loswird. So geht es Teresa, die ihre Dämonen ständig im Zaum halten muss, so geht es dem Täter. Nur hierüber kann sie sein Denken verstehen, nur so kann sie ihn fassen.

Ein Thriller kann auf vielerlei Weise beeindrucken. Die geschilderte Brutalität, die völlig degenerierte Psyche eines Täters, die clever konstruierte Handlung, das Charisma und der Intellekt des Ermittlers. „Eiskalte Hölle“ fasziniert jedoch durch etwas anderes – wenn hier auch die psychologischen Aspekte ebenso fesseln wie die Figur der Kommissarin – und rückt den Thriller schon stark in die Nähe eines Horrorromans. Die Schilderungen vor allem der Kinder, dass sie ein Wesen im Wald sehen, dass sie sich beobachtet fühlen, dass es eine nicht greifbare Präsenz gibt, jagen einem den Schauer den Rücken hinunter. Man weiß, dass es diese Figur gibt und man weiß, dass sie wieder zuschlagen wird und so beschleunigt sich der Herzschlag beim Lesen mehr als einmal. Vor lauter Sorge, dass doch wenigstens die Kinder verschont bleiben mögen, kann man gar nicht anders als weiterlesen.

Die Angst, die im Dorf umgeht, der Schrecken, der von den verstümmelten Opfern ausgeht – der real gewordene Grusel, dem man sich nicht entziehen kann. Doch dann gelingt der Autorin etwas Unerwartetes: in dem augenscheinlich Bösen erkennt ihre Protagonistin noch etwas ganz anderes und die einfache Dichotomie von Gut und Böse muss infrage gestellt werden. Ein fesselnder Roman, der sich förmlich in den Leser hineinschleicht.