Tony Parsons – Die Essenz des Bösen
Die Essenz des BösenDetective Max Wolfe ist nur kurz im Einkaufszentrum Lake Meadows als die Hölle über ihn hereinbricht: ein Hubschrauber, von einer Drohne abgeschossen, stürzt in das Gebäude und löst ein Inferno aus. Es ...
Detective Max Wolfe ist nur kurz im Einkaufszentrum Lake Meadows als die Hölle über ihn hereinbricht: ein Hubschrauber, von einer Drohne abgeschossen, stürzt in das Gebäude und löst ein Inferno aus. Es dauert nicht lange, bis die beiden Khan Brüder als Täter identifiziert sind, doch bei der Festnahme kommt es zum Schusswechsel und eine Polizistin stirbt durch die Waffe des Islamisten. Die Bevölkerung ist außer sich und schwankt zwischen Trauer um die junge Polizistin und Mutter von zwei Kindern und Hass auf die Khan Familie. Die Eltern der Attentäter und eine Nichte wollen trotz ausdrücklicher Warnung nicht unter Polizeischutz bleiben, sondern in ihr altes Haus, in ihr altes Leben zurück und so passiert, was passieren muss: ein weiteres Leben wird ausgelöscht. Nur dieses Mal findet die Polizei den Täter nicht so schnell.
Auch im fünften Teil seiner Reihe um den Londoner Detective greift Tony Parsons aktuelle Themen auf und baut um diese eine überzeugende und vor allem spannende Geschichte. Pünktlich zum Erscheinungstermin könnte die Story auch kaum aktueller sein, ist doch mit London Gatwick einer der wichtigsten europäischen Flughäfen wegen wiederholter Störungen durch Drohnen für mehrere Tage lahmgelegt worden. Und an der unmittelbaren Gefahr, die von fanatischen Islamisten auch in Europa ausgeht, zweifelt inzwischen ohnehin niemand mehr.
Neben der Aktualität hat mich vor allem die Differenziertheit, mit der Parsons die Problematik darstellt, überzeugt. Einerseits jagt die Polizei Terroristen, aber nicht alle Familienmitglieder sind Täter und dürfen nicht als solche behandelt werden. Der Vater, der auf sein Recht auf sein altes Leben pocht, weil er alles für seine Integration getan hat, tut einem Leid. Neben den Opfern, die durch die Attentate zu beklagen sind, ist er der Hauptleidtragende, denn so sehr er sich auch bemüht, die englische Gesellschaft wird ihn nie aufnehmen und seine Söhne versetzen diesem Wunsch den letzten Dolchstoß. Die Polizei muss ihn vor den eigenen Leuten schützen – wahrlich kein leichtes Unterfangen, weder praktisch noch moralisch.
Auch Layla, die 16-jährige Nichte ist gefangen zwischen den Erwartungen und kann letztlich keine erfüllen. Niemand hilft ihr, nimmt sie an die Hand, um ihren Weg zu finden und so bleibt ihr nur die Verzweiflungstat als letzter Ausweg.
Auch Max Wolfe steckt in einem Dilemma: seine Ex will nach Jahren plötzlich die gemeinsame Tochter zurück. Er will sie nicht aufgeben, will aber auch ihr Bestes und ihr vor allem nichts vorenthalten. Gleichzeitig liebt er seinen Beruf – doch als alleinerziehender Vater Verbrecher jagen ist zeitlich nicht immer koordinierbar und geht unweigerlich zu Lasten des Mädchens. Was also tun?
Auch wenn Max Wolfe so einiges einstecken kann, er ist nicht der Superheld, der im Alleingang alle Gegner besiegt. Gerade sein kompliziertes Privatleben hindert ihn an dieser Rolle. Das macht aber die Reihe aus und liefert immer das kleine bisschen mehr, das Tony Parsons‘ Romane auszeichnet.