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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.11.2023

feiner Politthrill

Im Sturm der Macht
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Leo Koski und Emma Erola sind zurück auf der finnischen Politbühne. Endlich. Nachdem sie ein halbes Jahr in Spanien untergetaucht sind, da Emma wegen Landesverrat gesucht wird, stellt sie sich und nachdem ...

Leo Koski und Emma Erola sind zurück auf der finnischen Politbühne. Endlich. Nachdem sie ein halbes Jahr in Spanien untergetaucht sind, da Emma wegen Landesverrat gesucht wird, stellt sie sich und nachdem das Gerichtsverfahren leider nicht so läuft, wie erhofft, kommt auch Leo in die Heimat zurück um für Emma ein gutes Wort an richtiger Stelle einzulegen.

Aber alles läuft seltsam schief. die Präsidentin wird von einer Unbekannten erschossen und Leo der Mitwisserschaft verdächtigt. Und eine rechtsradikale Truppe plant einen Anschlag, der das ganze Land an den Rand eines Krieges bringen könnte.

Tuomas Oskari, der im zweiten Leben politischer Journalist ist, spielt all seine Stärken auch im zweiten Band wieder aus. Sein gesellschaftliches Szenario in einem Finnland der nahen Zukunft ist realistisch und hart dran an der heutigen Realität. Atemlos jagt man durch das Buch und am Ende gibt es mehr als einen furiosen Höhepunkt bis hin zum Finale, mit dem ich so nicht gerechnet hatte.

Wer Band eins toll fand, wird auch hier auf seine Kosten kommen. Ein Politthriller vom Feinsten.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 06.10.2023

einfach nur toll

Sekunden der Gnade
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Von moehawk
Boston 1974. Ein junger Schwarzer wird tot auf den Zuggleisen gefunden. In der Stadt brodelt es bereits, denn die Stadt hat beschlossen, dass es keine Rassentrennung in den Schulen mehr geben ...

Von moehawk
Boston 1974. Ein junger Schwarzer wird tot auf den Zuggleisen gefunden. In der Stadt brodelt es bereits, denn die Stadt hat beschlossen, dass es keine Rassentrennung in den Schulen mehr geben darf und dass man schwarze Kinder an weiße Schulen schicken möchte und umgekehrt. Wenn nötig auch gegen den Willen der Eltern und der Gemeinde. Da kommt ein Toter wie dieser sehr ungelegen. War es wirklich ein Drogentod? Oder war es Mord? Am gleichen Abend verschwindet eine junge Weiße und deren Mutter ist ist keine die sich mit fadenscheinigen Beruhigungen abspeisen lässt. Denn Mary Pat Fennessy ist ziemlich schnell klar, dass das Verschwinden ihrer 17jährigen Tochter mit dem Toten auf den Gleisen zu tun hat. Und sie will die Wahrheit herausfinden, egal was es sie kostet.

Dennis Lehane erzählt eine Geschichte von Rassenhass und Vorurteilen. Die alltägliche Gewalt auf mitten in der Bevölkerung ist beklemmend und sehr realistisch. Mary Pat macht sich keine Illusionen. Sie weiß, wie das Gefüge von Dealern, Polizei und normalen Bürgern funktioniert. Sie scheut selbst nicht vor Drohungen und harten Mitteln zurück, um zu erfahren, was in jener Nacht wirklich passiert ist. Dabei lernt sie sich selbst auf eine ganze neue Art und Weise kennen. Und sie muss erkennen, dass auch sie nicht frei von Vorurteilen war und dass das Leben eine verdammt ungerechte Sache sein kann.

Ich liebe die Art, wie Lehane erzählt. Seine Hauptpersonen berühren, man kann mit ihnen mitfühlen. Man erkennt ein bisschen besser wie die Menschen ticken, wie die Welt funktioniert. Noch immer funktioniert. Denn da muss man ehrlich sein. Viel besser läuft es auch heute noch nicht.

Veröffentlicht am 06.10.2023

sehr persönlich und berührend

Aenne und ihre Brüder
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Wenn man in seine eigene Familienchronik zurückblickt, dann wird wahrscheinlich fast jeder eine Geschichte finden, ähnlich der, die hier erzählt wird. Hier heißen die Darsteller Alfons, Hans, Franz und ...

Wenn man in seine eigene Familienchronik zurückblickt, dann wird wahrscheinlich fast jeder eine Geschichte finden, ähnlich der, die hier erzählt wird. Hier heißen die Darsteller Alfons, Hans, Franz und Willi und deren Schwester Aenne. In meiner Familie waren es Alex und seine sechs Brüder. Mein Urgroßvater war der einzige Sohn, der den Krieg überlebte, weil er als Kleinster zuhause geblieben war. Alle anderen fielen im Krieg. So erging es auch den Brüdern von Reinhold Beckmann. Alle vier wurden Soldaten - der eine freiwillig, die anderen wurden eingezogen. Und keiner kehrte von der Front zurück. Zurück blieb nur die Schwester, die ohne Eltern und ohne Geschwister versuchte sich durchzukämpfen nach dem Krieg.

Beckmann schreibt emotional und sehr persönlich. Als Grundlage für die Recherche und das Buch dienten die Briefe der verstorbenen Onkel und die langen Gespräche mit der Mutter über ihre Brüder. Besonders hat mir gefallen, dass Aenne sie nie vergessen hat und diese Erinnerung dadurch in ihrer Familie bestand hat und ihr Sohn Reinhold dem kurzen tragischen Leben der vier Brüder ein Denkmal setzt. Und ein bisschen war es wie ein Denkmal auch für die Gefallenen in meiner Familie. Das hat mich berührt. Das finde ich wichtig.

Veröffentlicht am 06.10.2023

Listenschreiber Lars

Kleine Probleme
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Lars weiß, er hat Probleme. Kleine Probleme. Probleme mit der Motivation halt. Solche, wie jeder sie kennt. Den Hintern hochkriegen und mal was anpacken. Oder lieber drüber nachdenken, wie man es denn ...

Lars weiß, er hat Probleme. Kleine Probleme. Probleme mit der Motivation halt. Solche, wie jeder sie kennt. Den Hintern hochkriegen und mal was anpacken. Oder lieber drüber nachdenken, wie man es denn richtig anpacken sollte. Ist doch wichtig, dass es am Ende gelingt. Das man sich nicht verzettelt. Alles gut organisiert hat. Ein Plan muss her. Eine Liste auf jeden Fall. Mit dem was es braucht, dem was man weglassen kann. Eine To-do-Liste, das kann auf keinen Fall schaden. Dann wird sich alles lösen. Dann werde ich alles schaffen, wenn ich es erst mal anpacke.

So ist er, der gute Lars. Er hat den kleinen inneren Schweinehund riesengroß werden lassen und da ist es nicht verwunderlich, dass ihm kurz vor Silvester alles auf die Füße fällt. Die Steuer, die Freundin, die Familie, ein Buchprojekt. Er beschließt, alles an einem Tag abzuarbeiten. Mit der ultimativen Liste.

Lest selber, ob ihm das gelingt. Das Büchlein ist schmal und schnell gelesen. Und das ein oder andere Mal fühlt man sich etwas ertappt in eigenen Ausreden. Auch wenn man nicht der weltgrößte Bedenkenträger ist, so wie Lars.

Veröffentlicht am 06.10.2023

Der Sperling

Ich, Sperling
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Dass James Hynes mit "Ich, Sperling" keine leichte Kost für mich bereit hält, das war mir schnell klar.
„Ich, Jakob, Sohn von niemandem, Vater von niemandem, geliebt von niemandem, Sklave, Hure, ein Cineadus, ...

Dass James Hynes mit "Ich, Sperling" keine leichte Kost für mich bereit hält, das war mir schnell klar.
„Ich, Jakob, Sohn von niemandem, Vater von niemandem, geliebt von niemandem, Sklave, Hure, ein Cineadus, Eunuch, Nilschlamm, Arbeiter, Aufseher, Krüppel, Schwindsüchtiger, herrenloses Gut…“
So beschreibt sich der Hauptdarsteller am Anfang seiner Geschichte - am Ende seines Lebens. Und dieser Einleitung wird er im Laufe des Buches mehr als gerecht.

Als ausgesetztes Kind ohne Vergangenheit in einem Bordell. Was für eine Zukunft soll das werden, welches Leben kann da kommen. Dank der Hure Euterpe ist es zumindest in den ersten Jahren von einer betreuenden Hand geführt. Die Frau versucht dem Jungen jedes bisschen Wärme und Bildung zu geben, dass sie geben kann. So bekommt er ein Rüstzeug, als sein Sklavenleben härter wird.

Für LeserINNen, die empfindsam sind, bräuchte das Buch sicher jede Menge Triggerwarnungen, denn es es voller Härte, Grausamkeiten, Gewalt. Es ist auch keine Story, die gute Laune verbreitet. Man wird durchgerüttelt, auch mal abgestoßen und erschüttert. Dass man dennoch nicht komplett scheitert an der Geschichte liegt an der klugen Erzählweise des Autors, an deren literarischem Tiefgang man sich entlanghangeln kann.

Ein sehr gehaltvolles und tiefgründiges Buch. Sicher keine leichte Kost.