Rezension: „Das Weingut - In stürmischen Zeiten“ von Marie Lacrosse
Das Weingut. In stürmischen ZeitenMarie Lacrosse erzählt in ihrem Roman „Das Weingut“ vom deutsch-französischen Krieg 1870/71 und den bürgerlichen Verhältnissen jener Zeit. Erschienen ist der Roman im Juli 2018 bei Goldmann.
Weißenburg ...
Marie Lacrosse erzählt in ihrem Roman „Das Weingut“ vom deutsch-französischen Krieg 1870/71 und den bürgerlichen Verhältnissen jener Zeit. Erschienen ist der Roman im Juli 2018 bei Goldmann.
Weißenburg im Elsass, 1870: Die Waise Irene wird vom Weingutbesitzer Wilhelm Gerban als Dienstmagd in seinen Haushalt aufgenommen. Anfangs noch verwundert darüber, dass dieser ausgerechnet sie haben möchte, fügt sie sich schnell in ihre neue Rolle ein. Franz Gerban, der Sohn des Hauses, wurde als Strafe für einen Schulverweis zur Arbeit auf dem Hofe seines Onkels verpflichtet. Dort merkt er wie privilegiert sein Leben bisher verlaufen ist und kämpft für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Lohnarbeiter auf dem Gut seiner Familie. Bei seiner Rückkehr ins Elternhaus in Altenstadt verliebt er sich in Irene. Doch diese Liebe steht unter keinem guten Stern. Ein Krieg zieht herauf, der das Verhältnis von Deutschland und Frankreich maßgeblich beeinflussen soll.
Ich muss zugeben, ich war skeptisch bei diesem Buch. Aufgrund des Klappentextes dachte ich, dass es sich hierbei um einen sehr kitschigen Roman vor historischem Hintergrund handelt. Auf der Buchmesse saß ich dann mit der Autorin und einigen Bloggern zusammen und mir wurde versprochen, dass dem nicht so ist. Über die Zeit 1870/71 weiß ich so gut wie nichts und da sich dass dann doch ziemlich interessant anhörte, habe ich mich an dieses Buch gewagt.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm zu lesen. Man kann sich alles gut vorstellen und fühlt sich direkt in die Zeit zurückversetzt. Es wurden einige für die Zeit typische Begriffe benutzt, insgesamt ist aber alles sehr verständlich gehalten. Gerade die sozialen Verhältnisse jener Zeit werden sehr anschaulich und ausführlich beschrieben. Selbst 150 Jahre früher war die Welt deutlich anders als heutzutage. Das rote Kreuz steckte noch in den Kinderschuhen, es gab Gebäranstalten, in denen ledige Frauen ihre Kinder gebären konnten. Als ledige Frau schwanger zu werden, war zu diesem Zeitpunkt keine sehr angesehene Sache. Das Verhältnis von armen und reichen Leuten war eher schwierig und die Klassen waren deutlich getrennt.
Der deutsch-französische Krieg nimmt einen großen Raum in diesem Buch ein. Da ist auf der einen Seite die Verherrlichung des Soldatenlebens. In der Gesellschaft sind sie hochangesehen und prahlen gerne mit ihren Heldentaten. Es werden aber auch die grausamen Seiten des Krieges gezeigt, u.a. dass sinnlose Sterben ebenjener Soldaten oder auch wie die Bevölkerung unter den Schlachten leidet.
Der Spannungsbogen wurde den gesamten Roman über gut gehalten. Den Plottwist habe ich schon ziemlich früh geahnt und im letzten Drittel des Buches gibt es eine Episode, die mir etwas zu lang gezogen und für meinen Geschmack mit ein bisschen zu viel Drama verbunden war.
Mit den Personen im Roman habe ich mitgefiebert, insbesondere mit Irene, Franz und Pauline, aber auch Minna, die Irene eine gute Freundin wird, habe ich ins Herz geschlossen. Irene wurde in einer Gebäranstalt geboren und ist als Waise aufgewachsen. Mit diesen Vorraussetzungen hat sie eine schwere Stellung in der Gesellschaft und somit ist die Anstellung in einem Haushalt auf einem Weingut eine große Chance für sie.
Franz ist der Sohn eines Weingutbesitzers und privilegiert aufgewachsen. Ihm hat es noch nie wirklich an etwas gemangelt und so ist er erschüttert als er merkt, dass es den Arbeitern auf dem Weingut seiner Familie so viel schlechter geht als ihm.
Personen, die man eher nicht so gerne mag, gibt es auch einige. Gerade Mathilde ging mir teilweise richtig auf die Nerven mit ihrer unbegründeten Missgunst gegenüber anderen, aber auch ihr Vater war mir eher unsympathisch.
Dieser Roman wurde von der Autorin hervorragend recherchiert, was das Nachwort nochmals deutlich unterstreicht. Es gab nur minimale Änderungen, die ich allerdings für vertretbar halte. Die fiktiven Personen wurden hervorragend mit dem historischen Hintergrund verbunden. Historische Personen waren eher rar gesät, die Art wie dieser Roman aufgebaut ist und erzählt wird, macht dennoch deutlich, dass es sich hierbei um einen historischen Roman handelt, der auch etwas von der Zeit vermitteln will und in dem das Historische nicht nur Beiwerk ist.
Zusätzlich zum Nachwort gibt es am Anfang des Buches noch Kartenmaterial, dass ich ausführlich studiert habe, und ein Personenverzeichnis. Hinten findet man ein Glossar und eine Leseprobe aus dem zweiten Teil dieser Reihe.
Fazit: Ein klasse recherchierter historischer Roman, der eindrucksvoll das Leben sowie alle Seiten des Krieges Ende des 19. Jahrhunderts zeigt und dabei trotz Liebesgeschichte nicht ins Kitschige abdriftet. Trotz teilweise etwas zu viel Drama und vorhersehbaren Plot, empfehlenswert für alle, die gerne in anderen Zeiten abtauchen und sich für die Geschichte zwischen Deutschland und Frankreich interessieren.