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Veröffentlicht am 25.02.2023

Ukrainische Geschichte aus Sicht einer ukrainischen Nachfahrin

Aleksandra
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In „Aleksandra“ von Lisa Weeda geht es um die Ostukraine und ihre Geschichte, erzählt aus der Sicht einer Nachfahrin dieser Region. Erschienen ist der Roman im Februar 2022 im Kanon-Verlag.

Lisa Weedas ...

In „Aleksandra“ von Lisa Weeda geht es um die Ostukraine und ihre Geschichte, erzählt aus der Sicht einer Nachfahrin dieser Region. Erschienen ist der Roman im Februar 2022 im Kanon-Verlag.

Lisa Weedas Oma heißt Alexandra und ist in der Ostukraine geboren und aufgewachsen. Sie bittet ihre Enkelin darum nach Lugansk zu fahren. Ihr Onkel Kolja ist 2015 verschwunden und kann keine Ruhe finden, solange das Grab nicht gefunden worden ist. Sie macht sich auf den Weg, doch der Soldat am Grenzposten warnt sie, dass Lugansk gefährlich ist und sich nicht für einen kurzen Besuch eignet. Sie flieht über ein Feld und landet auf wundersame Weise im verlorenen Palast des Donkosaken. Dort trifft sie ihren Urgroßvater Nikolaj, der ihr die Geschichte der Ostukraine und der Donkosaken sowie die Geschichte ihrer Familie erzählt. Doch findet sie auch Kolja und kann ihm die Ruhe bringen, die sich ihre Großmutter so sehr für ihn wünscht?

Zu diesem Buch hatte ich tatsächlich eine mail von netgalley in meinem Postfach und da ich mich gerade sehr für die Ukraine und ihre Geschichte interessiere, hat mich ein Roman zu diesem Thema, der die Sichtweise der Ukrainerinnen schildert sehr interessiert. Lisa Weeda lebt in den Niederlanden und sie selber musste nicht vor dem aktuellen Konflikt fliehen, aber ihre Familie hat eine sehr wechselvolle Geschichte zu erzählen. Noch ein interessanter Fakt zu diesem Buch. Dieses wurde aus dem niederländischen ins Deutsche übersetzt.
Die Autorin holt einen mit starken Bildern ins Buch hinein. Man kann sich den Checkpoint in Lugansk sehr gut vorstellen, aber auch die Anmerkungen zu Beginn des Buches sind interessant. Die Geschichte hat eine sehr eigene Sprache, die einen dennoch in ihren Bann zieht. Das eine Nachfahrin dieser Region das Buch geschrieben hat, kann man auf jeder Seite spüren. Leider wird hier viel in Monologen erzählt. Ich habe quasi immer jemanden zugehört, der mir gerade diese Geschichte erzählt. Das hat etwas sehr nahbares, hat es manches Mal allerdings eher zäh gemacht.
Ich fand das Buch ein wenig wirr aufgebaut. Es gibt einen Wechsel zwischen unterschiedlichen Perspektiven und Zeiträumen. Am besten konnte ich das noch unterscheiden, wenn ich mich im Jahre 2018 befand. Mal war ich mit Lisa im Palast des verlorenen Donkosaken, dann erzählt wieder ihre Großmutter, ihr Urgroßvater oder auch Hirsche, die die Ereignisse rund um Koljas Verschwinden beobachten.
Dabei wurde ich auf eine Reise durch die Geschichte der Ostukraine und der Region Lugansk entführt. Es geht in diesem Roman um die Proteste auf dem Maidan, um die Zeit im Sowjetreich und den zweiten Weltkrieg, die Annektion der Krim und das einstmals Donkosaken auf diesem Gebiet lebten. Hier ist wirklich sehr viel Wissen über die Region und die Mentalität der Menschen eingewoben und das kann fast schon etwas viel werden. Durch das Lesen einiger Sachbücher zu diesem Thema hatte ich schon ein gewisses Vorwissen und habe vieles wiedererkannt. Ihr braucht aber kein Vorwissen zur Geschichte der Ukraine haben, um dieses Buch lesen zu können. Allerdings würde ich nach dem Lesen des Buches empfehlen, sich über andere Quellen weiter über die Geschichte der Ukraine zu informieren. Dieses Buch enthält eine Perspektive und Sichtweise auf die Ereignisse.
Sehr gefallen hat mir die Symbolik in diesem Buch. Es wird mit Farben gearbeitet, mit oben erwähnten Hirschen und noch einigem mehr. Lisa Weeda hat einige russische Begriffe im Buch untergebracht. Einiges wird in den Anmerkungen zu Beginn des Buches erläutert, anderes direkt im Roman. Ich fand das sehr schön und habe mich sehr gefreut als ich das ein oder andere auch ohne Erklärung verstanden habe. Ich lerne ein paar russische Floskeln und Worte, da der Sohn einer Freundin zweisprachig erzogen wird.
Dadurch das dieses Buch teilweise eher einem Bericht gleicht, habe ich nicht so sehr mit den Protagonisten in diesem Buch mitgefiebert. Mir wurde die Familiengeschichte von einem Verwandten erzählt. Ich war interessiert dabei und empfand es durchaus als eine bemerkenswerte Geschichte, bin allerdings nicht so sehr eingetaucht, als das ich alles mitgefühlt hätte. Es stecken sehr viele Emotionen in den Ereignissen drin. Für mich hätte es anders erzählt werden müssen, damit ich diese spüren kann.
Viel Zusatzmaterial gibt es in dem Buch nicht. Ihr bekommt die Anmerkungen zu Beginn des Buches und im ebook gab es am Ende nochmal eine Karte der Ukraine und des Donbass. Das ist für dieses Buch vollkommen ausreichend. Da dieses Buch anscheinend in Zusammenarbeit mit der bpb entstanden ist, hätte ich mir vielleicht am Ende noch ein kleines Verzeichnis mit weiterführender Lektüre gewünscht.

Fazit: Ein Buch, dass die Geschichte der Ostukraine und der Region Lugangsk erzählt und so einen guten Einblick darauf gibt, wie Ukrainer
innen und deren Nachfahren das aktuelle Geschehen dort empfinden. Dabei muss man Bedenken, dass dies nur eine Perspektive darauf ist. Ich mochte die Symbolik im Buch. Die monologartige Erzählweise war nicht so ganz meins. Ein guter Einstieg, um sich anschließend noch näher mit dem Thema beschäftigen zu können.

Veröffentlicht am 18.02.2023

Eine Familiensaga mit Höhen und Tiefen im schillernden Odessa

Grandhotel Odessa. Die Stadt im Himmel
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„Grandhotel Odessa - Die Stadt im Himmel“ ist der Auftakt zur zweibändigen Reihe über Odessa und das titelgebende Hotel im 20. Jahrhundert. Erschienen ist der Roman bei Droemer-Knaur im Januar 2021.

Odessa, ...

„Grandhotel Odessa - Die Stadt im Himmel“ ist der Auftakt zur zweibändigen Reihe über Odessa und das titelgebende Hotel im 20. Jahrhundert. Erschienen ist der Roman bei Droemer-Knaur im Januar 2021.

Odessa, 1910: Ein besonderes Fest erwartet die Gäste des Grandhotel Odessa. Die junge Hotelerbin feiert ihren 21. Geburtstag und das soll gebührend gefeiert werden. Ein Ereignis, das noch viele Jahre in Erinnerung bleiben soll, allerdings anders als gedacht. Trotz ihrer Eifersucht auf die schöne Belle, verrät Oda ihrer Ziehschwester ihr großes Geheimnis: Sie hat sich in den neuen Star am Balletthimmel Odessas verliebt. Gemeinsam mit ihm möchte sie durchbrennen und ihren Vater vor vollendete Tatsachen stellen.

Ich gebe zu, ich mag diesen Trend hin zu Familiensagas im historischen Genre nicht wirklich. Gefühlt gibt es kaum noch etwas anderes. Manchmal gebe ich dem Genre allerdings noch eine Chance, wenn ich so wie hier, das Buch als Mängelexemplar entdecke. Odessa als Kulisse für einen historischen Roman fand ich spannend.
Der Schreibstil der Autorin lies sich angenehm lesen, allerdings war der melancholische Unterton nicht so ganz meins. Odessa wiederum fand ich toll beschrieben und ihr Status als ein Schmelztiegel der Nationen kam gut zu Geltung. Ich konnte mir gut vorstellen, eine Reise in diese Stadt zu unternehmen und dort meinen Sommerurlaub zu begehen. Aktuelle Ereignisse werden das wahrscheinlich für viele Jahre nicht mehr möglich machen.
Der Roman spielt hauptsächlich in der Zeit von 1910 bis 1917. Es gibt aber immer wieder Sprünge in die Vergangenheit zu den Hintergründen der Gründung des Hotels. Die Russische Revolution sendet seine Vorboten aus und es gibt einige Herausforderungen mit denen das Grandhotel in dieser Zeit umgehen muss. Der erste Weltkrieg bringt u.a. Schwierigkeiten bei der Nahrungsmittelversorgung mit sich und die Stimmung gegen den Adel und Großgrundbesitzer verschlechtert sich.
Bei den Personen im Buch bin ich sehr zwiegespalten. Es gab für mich zumindest nicht die Identifikationsfigur. Ich gebe zu, dass ich das schon sehr mag, wenn es Personen in einem Buch gibt, die mir sympathisch sind und die ich einfach nur mag und die dann sicherlich ein bisschen zu gut dargestellt sind. Hier gibt es an jeder Person durchaus etwas, was ich gut finde, aber oft genug eben auch Dinge, die ich verachtenswert finde.
Oda beispielsweise ist sehr fixiert auf das Grandhotel Odessa und stellt dies über ihr persönliches Glück. Der Kontrast zwischen ihr und Belle ist ein zentrales Thema im Buch. Oda ist hässlich, Belle ist schön. Oda wird die Liebe ihres Vaters entzogen, Belle wird damit überhäuft. Oda zieht sich diesen Schuh allerdings auch an und steht sich so selber im Weg, dennoch ist es auch bewundernswert was sie im Buch mit dem Hotel erreicht.
Ihr Vater wiederum ist über einige Leichen gegangen, um das Hotel überhaupt Wirklichkeit werden zu lassen. In den Rückblenden war das einfach kein schöner Freundeskreis, der sich um ihn und seine Zwillingsschwester gebildet hat. Es war so viel Falschheit, so viel böse Gedanken drin, die teilweise durchaus reflektiert wurden. Das überhebliche Verhalten wurde aber dennoch beibehalten und doch hat er mit dem Grandhotel etwas erschaffen. Dieser Traum des Hotels hat mir gut gefallen. Der Weg dahin eher weniger.
Wie ihr seht, in diesem Buch gibt es familiensaga-mäßiges Drama. Es war ok, aber es ist eben nicht so ganz meins. Ich bin schon froh, dass es nicht dieses Ding gab von wegen sie ist anders als andere Frauen. Das Drama wird aus den Konfliktpunkten, die bereits in der Vergangenheit geschaffen wurden, gezogen und diese wiederum wirken sich bis in die Gegenwart des Buches aus. Die Autorin hat eine geschickte Personenauswahl getroffen, die genug Reibungspotenzial bietet, um interessant zu sein. Der historische Hintergrund mit der russischen Revolution und dem ersten Weltkrieg hat mir gefallen. Wenn ich den zweiten Teil mal in der Mängelexemplar-Kiste entdecke, werde ich diesen sicher mitnehmen, weil mich die Veränderungen, die bis ins Jahr 1935 geschehen, sehr interessieren.
Zu Beginn des Buches gibt es einige Hinweise zum historischen Hintergrund und am Ende ein Glossar mit historischen sowie russisch/ukrainischen Begriffen. Eine Karte von Odessa sowie ein Personenverzeichnis sucht man vergebens. Insgesamt war das Zusatzmaterial für mich ausreichend.

Fazit: Eine Familiensaga, die für mich Höhen und Tiefen hatte. Der historische Hintergrund war interessant, die Personen und die insgesamt eher melancholische Stimmung hat mich eher zwiegespalten zurückgelassen. Odessa als Schauplatz hat mir sehr gut gefallen. Insgesamt eine Reihe, die man lesen kann, aber nicht unbedingt muss.

Veröffentlicht am 12.02.2023

Krimi-Kurzgeschichten funktionieren für mich gut

Tatort Nord
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„Tatort Nord“ ist eine Krimi-Anthologie, die von Franziska Henze, Anke Küpper und Yvonne Wüstel herausgegeben wurde. 23 Kurzgeschichten von 23 Autorinnen sind enthalten. Erschienen ist das Buch bei Harper ...

„Tatort Nord“ ist eine Krimi-Anthologie, die von Franziska Henze, Anke Küpper und Yvonne Wüstel herausgegeben wurde. 23 Kurzgeschichten von 23 Autorinnen sind enthalten. Erschienen ist das Buch bei Harper Collins im Mai 2022.

Eine Krimi-Anthologie, die ihrem Namen gerecht wird und einen in den Norden Deutschlands führt. Neben Hamburg und Lübeck sind auch die Top-Urlaubslocations wie Sylt oder Fehmarn vertreten, aber auch andere Orte in Schleswig-Holstein sind Schauplätze der Geschichten.
Mit Kurzkrimis von Monika Buttler, Carola Christiansen, Heike Denzau, Kathrin Hanke, Franziska Henze, Eva Jensen, Svea Jensen, Anke Küpper, Alexa Lewrenz, Anja Marschall, Bettina Mittelacher, Regina Müller-Ehlbeck, Ricarda Oertel, Susanne Pohl, Alex Roller, Maja Schendel, Anette Schwohl, Stefanie Schreiber, Regine Seemann, Elin Seidel, Carolyn Srugies, Joyce Summer und Sabine Weiß.

Zu dieser Krimi-Anthologie kam ich über die Ladies Crime Nights, die hier im Norden stattfanden und von denen, die ein oder andere gut für mich erreichbar war. Das Konzept dieser Veranstaltung konnte mich sehr überzeugen und so musste ich natürlich auch wissen, wie die einzelnen Geschichten ausgehen, deren Anfang ich dort gehört hatte. Immerhin 10 von 23 Autorinnen haben sich in meiner Ausgabe von Tatort Nord verewigt und alleine deswegen hat dieses Buch schon einen besonderen Platz in meinem Herzen verdient.
Die Kurzgeschichten in dieser Anthologie sind sehr abwechslungsreich. Vom klassischen Ermitteln über Beziehungsdramen und Rivalitäten bis hin zu Serientätern ist hier wirklich alles vorhanden. Für mich, die bisher eher keine Krimis liest, war es eine gelungene Möglichkeit mal zu schauen, was denn für mich das Richtige sein könnte.
Oftmals hatten die Geschichten überraschende Wendungen, die ich so nicht ahnen konnte. Manchmal waren sie so gruselig geschrieben, dass ich mich nicht mehr raus trauen wollte und andere Geschichten wirkten manchmal unfreiwillig komisch.
Wir nehmen die unterschiedlichsten Perspektiven ein und sind im Kopf eines Serienkillers, erleben den schrulligen Ermittler oder sind dabei wie ein verschmähter Liebender bei einem Wiedersehen nach vielen Jahren falsche Schlüsse zieht oder auch die Ehefrau, die aus dem Schatten ihres Mannes treten möchte.
Jede Autorin konnte mich auf ihre Weise an verschiedene Orte entführen und meist konnte ich mir alles gut vorstellen, was vielleicht auch daran liegt, dass ich in Schleswig-Holstein wohne. Für mich hat es so manche Geschichte fast noch ein wenig echter gemacht. Für das eigenen Kopfkino ist es auf jeden Fall sehr zuträglich, wenn man den ein oder anderen Ort in einem Buch kennt.
Von der Vielfalt war ich wirklich überrascht und als Kurzgeschichten war es für mich genau die richtige Dosis. So ganz ist der Knoten mit mir und den Krimis noch immer nicht geplatzt. Ich denke dennoch, dass ich eine bessere Vorstellung davon habe, was mir gefallen könnte und ich werde bei zukünftigen Krimis, die ich hoffentlich lesen werde, den Fokus ein bisschen anders setzen. Das klassische Ermitteln wird mich glaube ich nie wirklich bekommen, aber manchmal kann eben auch das Drumherum sehr für sich einnehmen und manchmal muss man die Geschichte auch mit dem nötigen Fokus auf dem Unterhaltungswert lesen.

Fazit: Krimi-Anthologien scheinen für mich derzeit noch das richtige Mittel der Wahl zu sein. Sehr abwechslunsgreiche Geschichten, die alle auf ihre Weise zu überzeugen wissen und ich werde definitiv auch die zweite Anthologie der Mörderischen Schwestern lesen und hoffentlich, die ein oder andere Ladies Crime Night im richtigen Ambiente genießen. Empfehlenswert für jeden, der Lust hat sich im Krimi-Genre auszuprobieren und natürlich auch für alle, die dem Genre schon jetzt verfallen sind.

Veröffentlicht am 05.02.2023

Der erste historische Krimi, der mir richtig gut gefallen hat

Die Totenärztin: Wiener Blut
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„Die Totenärztin - Wiener Blut“ von René Anour ist der erste Fall für Fanny Goldmann, einer junger Ärztin, die als Prosekturgehilfin in der Gerichtsmedizin Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitet. Erschienen ...

„Die Totenärztin - Wiener Blut“ von René Anour ist der erste Fall für Fanny Goldmann, einer junger Ärztin, die als Prosekturgehilfin in der Gerichtsmedizin Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitet. Erschienen ist der Roman im Juli 2021 bei Rowohlt.

Wien, 1908: Der Fall scheint zunächst klar zu sein, als ein obdachloser Toter in die Gerichtsmedizin eingeliefert wird. Auf den ersten Blick deutet nichts auf einen Mord hin. Doch die junge Ärztin Fanny Goldmann hat einen Blick für die Details und so fällt ihr einiges auf, dass nicht ins Bild passen will. Sie entschließt sich die Leiche heimlich in der Nacht zu obduzieren und gerät so in eine Verschwörung, in der Diebe, windige Grafen und ein verschwundener Diamantstern Kaiserin Sisis eine große Rolle spielen. Ihre Ermittlungen führen Fanny an die unterschiedlichsten Schauplätze Wiens und bringen sie nicht nur einmal in Gefahr.

Ich kann freudig verkünden: Ich habe einen Krimi gelesen, in diesem Fall sogar historisch, und dieser hat mir richtig gut gefallen. Es gab schon den ein oder anderen Krimi, den ich ok fand, aber so richtig begeistern konnte mich dieses Genre bisher nicht. Mein Experiment mit den Krimi-Kurzgeschichten und der richtigen Erwartungshaltung finden, ist also geglückt.
Das Buch lässt sich nicht lange bitten und startet direkt mit der Obduktion einer Leiche. Mir hat es den Einstieg erleichtert, da es gleich zu Beginn viele interessante Informationen gibt und ich konnte mir alles sehr gut vorstellen. Das hier Medizinhistorie mit einem Kriminalfall verbunden wird, war eine der Dinge, die mich schon vor dem Lesen angesprochen haben. Darüber hinaus schafft es René Anour das Wien des 20. Jahrhunderts einzufangen und alles durch Humor aufzulockern. Mir hat diese Mischung wahnsinnig gut gefallen.
Fanny war mir sehr sympathisch und ich habe sie gerne begleitet. Anfang des 20. Jahrhunderts war es nicht selbstverständlich für eine Frau zu studieren und zu arbeiten. Sie hat sich dennoch für den Weg entschieden, der ihrem Wesen entspricht, auch wenn dies nicht den Konventionen der Zeit entsprach. Die Freundschaft von ihr und Tilde hat mir sehr gut gefallen. Tilde hat den Fokus so manches Mal etwas anders gelegt, aber sie war immer an Fannys Seite und sie hatte so manche hilfreiche Idee. Vielleicht tue ich den anderen Büchern in dieser Hinsicht unrecht, aber so eine Freundschaft zwischen zwei Frauen so wirklich frei von Missgunst und Konkurrenzdenken ist mir selten in Büchern begegnet.
Die gesamte Mischung an Charakteren war super. Fanny hat einen tollen Vater. Franz arbeitet mit ihr gemeinsam in der Gerichtsmedizin und begegnet ihr dort auf Augenhöhe. Schlomo war sein ganz eigenes Kaliber und konnte Fanny mit seinen besonderen Talenten bei den Ermittlungen helfen. Fannys Tante war altmodisch, manchmal etwas nervig, aber dennoch irgendwie liebenswert. Und natürlich gab es auch einige wenige Charaktere, die mir eher unsympathisch waren. Der Institutsleiter, der Fanny nicht ernst nimmt und sie nur als Gefallen an seine Ehefrau eingestellt hat, sei hier stellvertretend als Beispiel genannt.
Alte Hasen des Krimi-Genres konnten wahrscheinlich sehr schnell sagen, wer der Täter ist. Für mich war es sehr gut gemacht. Ich hatte Spaß daran als am Ende das gesamte Puzzle zusammengesetzt wurde und man sich dann an die Hinweise darauf erinnert hat. Es kam nicht ganz überraschend, aber es war immer noch interessant genug die Hintergründe dazu zu erfahren. Wäre es anders gewesen, dann hätte mich das Buch denke ich gelangweilt. Ich finde das immer schade, wenn ich die Auflösung einer Geschichte schon sehr früh ahnen kann.
Das Ende des Romanes hat mich dann nochmal kalt erwischt. Ihr werdet ziemlich sicher direkt weiterlesen wollen. Ich wollte es zumindest, habe mich allerdings zusammengerissen, da ich mein Glück in Bezug auf Krimis nicht überstrapazieren wollte. Ich bin sehr froh endlich einen Zugang zu diesem Genre gefunden zu haben, bin mir aber ziemlich sicher, dass ich jetzt nicht gleich unzählige Krimis hintereinander lesen möchte.
Bezüglich des Zusatzmaterials hat mich dieses Buch vollkommen zufrieden gestellt. Es gibt eine Karte von Wien im Buch, ein Glossar zu medizinischen und österreichischen Begriffen, ein Nachwort, das Fiktion und Wahrheit voneinander trennt sowie eine Danksagung. Die Anzahl der Personen ist übersichtlich, so dass es keines Personenverzeichnisses bedarf.

Fazit: Ein historischer Krimi, der mir von Anfang bis Ende gefallen hat und den ich in zwei Tagen durchgesuchtet habe. Die Mischung aus Medizinhistorie, Humor und Krimi im Wien des 20. Jahrhunderts hat mir wahnsinnig gut gefallen und ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzungen. Wer einen Krimi mit einer tollen Freundschaft zwischen zwei Frauen lesen möchte, ist bei René Anour an der richtigen Adresse.

Veröffentlicht am 28.01.2023

Ein komplexes Sci-Fi Debüt

Im Herzen des Imperiums
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„A Memory Called Empire“ ist der Debüt-Roman von Arkady Martine und der erste Teil einer Science-Fiction-Duologie, in der die Botschafterin Mahit Dzmare in die politischen Ränkespiele des teixcalaanischen ...

„A Memory Called Empire“ ist der Debüt-Roman von Arkady Martine und der erste Teil einer Science-Fiction-Duologie, in der die Botschafterin Mahit Dzmare in die politischen Ränkespiele des teixcalaanischen Imperiums gerät. Erschienen ist der Roman im März 2019 bei Tor Books. Dieser war für zahlreiche Preise nominiert und hat den Hugo Award für den besten Roman 2020 gewonnen.

Mahit Dzmare wird als neue Botschafterin von der weit entfernten Minenstation Lsel in die Hauptstadt des Imperiums geschickt. Als sie dort eintrifft, muss sie feststellen, dass ihr Vorgänger ermordet wurde. Doch niemand will dies zugeben und so muss sie sich auf eigene Faust auf die Suche des Mörders begeben, da möglicherweise auch sie selbst in Gefahr schwebt. Gleichzeitig hat sie allerdings auch ihre Pflichten als neue Botschafterin zu erfüllen. Lsel-Station möchte unbedingt seine Unabhängkeit von Teixcalaan erhalten. Schnell gerät sie immer tiefer in einen Strudel aus politischen Machtspielchen, spinnt aber auch eigene Intrigen, denn die Menschen von Lsel-Station besitzen eine geheime Technologie, die zugleich ihr Untergang oder ihre Rettung bedeuten können.

Dieses Buch habe ich dieses Jahr so oft auf Social Media gesehen, was für einen Science-Fiction Roman recht ungewöhnlich ist. Es handelt sich um eine Space-Opera. Hier braucht also niemand Angst haben, dass es zu technisch oder wissenschaftlich wird. Es ist allerdings sehr politisch und in diesem Falle empfehle ich dieses Buch nur auf englisch zu lesen, wenn euer Wortschatz breit gefächert ist. Ich lese viel auf englisch und einige Passagen waren eine echte Herausforderung für mich. Ich habe einige Synonyme gelernt und so meinen Wortschatz erweitert. Auf deutsch heißt der Roman „Im Herzen des Imperiums“.
Der Start war tatsächlich etwas holprig, da es mir der Wortschatz am Anfang doch etwas schwer gemacht hat, das Buch richtig zu genießen. Es war aber von Beginn an interessant. Immerhin lernen wir hier ein Imperium kennen, das weite Teile der Galaxie beherrscht. Sehr gefallen hat mir in diesem Zusammenhang, dass dieses Imperium nicht so sehr zu Extremen neigt wie in vielen anderen Reihen. Es hat seine Eigenheiten, aber es wirkte auf mich dennoch ausgeglichener und nicht extrem böse oder extrem gut.
Das Imperium habe ich immer auch im Kontrast zum Leben auf der Lsel-Station kennengelernt. Lsel-Station ist beispielsweise eine Raumstation und die Hauptstadt Teixcalaan ist auf einem Planeten. Mahit Dzmare kannte bis zu ihrer neuen Rolle als Botschafterin nicht das Leben auf einem Planeten und natürlich hat Teixcalaan noch viel mehr aufzubieten, worauf Mahit zwar vorbereitet wurde, dass sich in der praktischen Umsetzung allerdings noch bewähren muss.
Der Weltenbau hat mir gut gefallen. Es unterschiedet sich sehr deutlich von unserem heutigen Leben, ist aber in sich schlüssig und gut nachvollziehbar. An wirklich eindeutige Referenzen zu unserer Erde könnte ich mich gerade gar nicht wirklich erinnern. Ich würde jetzt einfach mal behaupten es spielt in einer anderen Galaxie. Das teixcalaanische Imperium hat sich allerdings irgendwann von seinem Planeten gelöst und Teile des Universums erobert und existiert nun über seinen ursprünglichen Planeten hinaus. Ihr braucht hier wie gesagt keine Angst haben, dass es zu technisch oder wissenschaftlich wird. Das zu anderen Planeten und Stationen gereist werden kann, ist quasi einfach so. Es wird hier nicht erklärt, was dazu erfunden werden musste und wie das technisch funktioniert. Das ist quasi so wie in „Guardians of the Galaxy“. Da hinterfrage zumindest ich das nicht und nehme das so hin.
Dieses Buch ist sehr politisch. Spannung wird hier anders erzeugt und ist nicht immer unmittelbar greifbar. Arkady Martine hat das sehr gut gemacht, in dem sie bei der Interpretation in gewisserweise hilft. Es gibt viele Dialoge, es muss viel interpretiert und umgedeutet werden, politische Hintergründe werden erläutert. Es geht um wechselnde Loyalitäten und wer welche Ziele verfolgt. Wenn ihr beispielsweise „Never“ von Ken Follett mochtet, dann könnte euch potenziell auch dieses Buch sehr gefallen.
Ich bin der Botschafterin Mahit Dzmare gerne gefolgt. Sie war mir von Anfang an sympathisch. Die geheime Technologie, die sie mitbringt, ist spannend und gibt dem gesamten Buch einen interessanten Twist. Sie knüpft interessante Allianzen, die teilweise schwer einzuschätzen sind und dem Roman mehr Tiefe geben. Ich hatte beim Lesen tatsächlich nicht so sehr das schwarz-weiß Denken im Kopf, wie ich das bei so manch anderem Roman habe. Es schwebte für mich immer die Gefahr mit, sich in einer Person doch grundlegend geirrt zu haben.
Wer gerne Liebesgeschichten als Teil des Romanes hat, wird hier eher enttäuscht sein. Es gibt Romantik in diesem Buch und die Umsetzung dessen war interessant. Es ist den größten Teil sehr subtil eingebaut und es gibt nur sehr wenige wirklich eindeutig romantische Szenen. Diese Geschichte hat das auch nicht gebraucht. Mit der politischen Intrige und seinen ganzen Implikationen ist dieser Roman mehr als gut gefüllt und eine platzeinnehmende romantische Geschichte hätte nicht wirklich gepasst.
Am Ende des Buches gibt es ein Glossar mit Personen, Orten und Objekten. Teixcalaan hat seine eigene Sprache und Begrifflichkeiten für Berufsgruppen. Meist werden diese auch im Roman direkt erklärt. Diese sind allerdings sehr vielfältig und so macht ein Glossar durchaus Sinn, um den ein oder anderen Begriff nochmals nachschlagen zu können. Auch einen kleinen Aussprache Guide zur teixcalaanischen und der Sprache auf Lsel-Station ist vorhanden.

Fazit: Arkady Martine hat als Debüt einen äußerst komplexen Science-Fiction Roman vorgelegt, der mich überzeugen konnte. Ich mochte die eher subtile Spannung durch die vielen politischen Verwicklungen und bin gerne in die Welt Teixcalaans abgetaucht. Auf englisch nur empfehlenswert, wenn ihr einen breit aufgestellten Wortschatz habt. Wenn ihr auf deutsch lest, dann solltet ihr Spaß an politischen Intrigen haben. Wer viel Action oder Liebe sucht, wird von diesem Roman eher enttäuscht sein.