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Veröffentlicht am 29.10.2023

eine spannende und beklemmende Geschichte über die Kultur der Sámi

Das Leuchten der Rentiere
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In ihrem Roman „Das Leuchten der Rentiere“ zeigt Ann-Helén Leastadius auf eindringliche Weise, mit welchen Widrigkeiten das indigene Volk der Sámi im Norden Schwedens zu kämpfen hat.
Im Mittelpunkt steht ...

In ihrem Roman „Das Leuchten der Rentiere“ zeigt Ann-Helén Leastadius auf eindringliche Weise, mit welchen Widrigkeiten das indigene Volk der Sámi im Norden Schwedens zu kämpfen hat.
Im Mittelpunkt steht das Sámi-Mädchen Elsa, das zu Beginn der Erzählung gerade einmal neun Jahre als ist, als sie Zeugin wird, wie ein Wilderer ihr geliebtes Rentierkalb Nástegallu tötet. Aus Angst vor dem Täter verschweigt Elsa, was sie gesehen hat, und trägt diese Schuld Jahre lang mit sich, während ihrer Familie ebenso wie anderen Rentierzüchtern immer wieder Leid angetan wird, wenn Wilderer Tiere aus den Herden jagen, grundlos quälen und töten. Die Polizei ist einerseits machtlos, da sie in dieser weitläufigen Gegend über zu wenig Personal verfügt, das Töten der Rentiere außerdem maximal als Diebstahl gilt und die Strafverfolgung nicht priorisiert wird. In der Gesellschaft sind die Sámi umstritten, sie stehen dem Ausbau der Forst- und auch Bergwirtschaft im Weg, ihre Arbeit mit dem Tieren wird nicht wertgeschätzt, die Kinder in der Schule ausgegrenzt und gemobbt. Elsa wächst heran und versucht ihren Platz in diesem Umfeld der Feindseligkeit und Diskriminierung zu finden, auch innerhalb der Gemeinschaft der Sámi muss sie dabei gegen althergebrachte Strukturen kämpfen.
Es ist nicht immer leicht, die Schilderungen der Geschichte zu ertragen, die Hilflosigkeit der Familien gegenüber dem Unrecht, das ihnen widerfährt. Die Autorin schafft eine große Nähe zu ihren Figuren, so dass man als Leser Wut und Schmerz mitempfindet, wenn Lasse, Elsa und Mattias an ihrem Schicksal zu zerbrechen drohen. Sie erzählt eine spannende Geschichte und gibt gleichzeitig einen tiefen Einblick in das Leben und die Tradition der Sámi, über die vermutlich viele nur wenig wissen. Ich habe schon in anderen Büchern aus Schweden und Norwegen über ihre Kultur und Probleme gelesen und war dennoch bei dieser Geschichte erneut fassungslos.
Jana Maire Backhaus-Tors in der Hörbuch-Fassung die Geschichte packend erzählt.

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Veröffentlicht am 20.10.2023

spannend, komplex, brisant

Eine Idee von Mord
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„Eine Idee von Mord“ ist der dritte Band der norwegischen Autorin Anne Holt um ihre Hauptfigur Selma Falck, kann aber durchaus ohne Vorkenntnis der übrigen Bücher gelesen werden. Die Privatermittlerin ...

„Eine Idee von Mord“ ist der dritte Band der norwegischen Autorin Anne Holt um ihre Hauptfigur Selma Falck, kann aber durchaus ohne Vorkenntnis der übrigen Bücher gelesen werden. Die Privatermittlerin Selma Falck sitzt mit zwei Freundinnen in Oslo in einem Straßencafé, als ein Schuss fällt, der Selma in den Arm trifft und ihre Freundin Linda tödlich in den Kopf. Hat Lindas unvermittelte Bewegung im Moment des Schusses verhindert, dass Selma schwerer getroffen wurde? Ihre alte Schulfreundin Linda ist zwar Abgeordnete im Parlament, dort aber eher unbekannt, ganz im Gegenteil zu Selma, die durch Fernsehauftritte und spektakuläre Ermittlungserfolge schon häufiger im Rampenlicht stand. Auch Selma befürchtet, das eigentliche Ziel des Anschlags gewesen zu sein, da sie seit kurzem in ihrer Wohnung von einem Stalker verfolgt wird. Doch dann geschehen weitere Morde und es tauchen Hinweise auf, die auf einen großen Skandal im Bereich der staatlichen Jugendämter hindeuten. Ist Selma doch nur ein zufälliges Opfer? Auch dieser Band ist wieder komplex und vielschichtig, man merkt der Geschichte an, dass die Autorin als Juristin, Ermittlerin und Justizministerin weiß, wovon sie schreibt. Für mich ist es als Nicht-Norwegerin nicht immer einfach, den politischen Anspielungen und Feinheiten zu folgen, das trübt jedoch nicht die Spannung. Als Leser folgt man den Ermittlungen Selmas und der Polizei, trotz einiger Kapitel aus der Sicht des Täters kann man miträtseln und sich von den Entwicklungen überraschen lassen. Auch Lars Winter als Vertreter der Presse ist in diesem Band wieder mit dabei, ebenso wie die großartige Figur Einar Falsens. Selma Falck ist kein einfacher Charakter, sie wirkt oft spröde und unnahbar, ihre Karriere war ihr immer wichtiger als ihre Familie. Doch sie darf auch schwache Seiten zeigen, insbesondere in diesem Band wirkt sie bisweilen verletzlich. Mir hat auch hier wieder die Mischung gefallen aus spannendem Fall und kritischem Blick auf Norwegens Gesellschaft und Politik. Die Stärke der Reihe liegt in den komplexen Fällen ebenso wie in der psychologischen Ebene, in der Intensität, mit der die Autorin die Figuren ihre Eindrücke und Gefühle schildern lässt. In der Hörbuchfassung hat Katja Bürkle wieder einmal der Geschichte mit ihrer ausdrucksvollen Stimme Tiefe gegeben, ich freue mich schon auf eine Fortsetzung der Reihe.

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Veröffentlicht am 08.10.2023

eine Frau und ihre Rolle im Kampf gegen Polio

Die Formel der Hoffnung
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Polio als Krankheit ist mir ein Begriff, mir war jedoch nicht bewusst, wie sehr die Krankheit in der Mitte des 20.Jahrhunderts das Leben in Amerika beeinflusst hat und wie viele Kinder dort erkrankt sind. ...

Polio als Krankheit ist mir ein Begriff, mir war jedoch nicht bewusst, wie sehr die Krankheit in der Mitte des 20.Jahrhunderts das Leben in Amerika beeinflusst hat und wie viele Kinder dort erkrankt sind. Durch Corona haben wir vor kurzem die Auswirkungen einer Pandemie am eigenen Leib spüren können, zu unserem Glück erfolgte die Entwicklung eines Impfstoffs deutlich schneller als in der damaligen Zeit.
Lynn Cullen widmet sich in ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ der Rolle einer Wissenschaftlerin bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Polio, über die in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. In den 40er und 50er Jahren waren weibliche Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen eher die Ausnahme, wurden von der dominanten Männerwelt wenig akzeptiert und an den Rand gedrängt. Dorothy Horstmann, die im Mittelpunkt dieser Geschichte steht, stammte zudem aus einfachen Verhältnissen, so dass ihr helfende Kontakte fehlten und sie hart um Anerkennung kämpfen musste. Sie hat die Forschung nach einem Heilmittel gegen Polio in den Mittelpunkt ihres Lebens gestellt und für dieses Ziel ihr privates Glück in den Hintergrund treten lassen. Der Roman macht deutlich, wie sie in ihren Forschungen immer wieder ausgebremst wird, Gelder an männliche Kollegen verteilt werden, und Männer den Erfolg ihrer Ergebnisse einstreichen, während sie an den Rand gedrängt wird. Ähnlich ergeht es auch anderen weiblichen Forscherinnen, deren Erkenntnisse zum Teil bahnbrechend waren, die in der Geschichte der Entwicklung des Impfstoffs aber kaum auftauchen.
Der Roman ist interessant und bietet viele neue Einblicke in die medizinische Forschung ohne dabei zu wissenschaftlich zu werden. Andererseits legt er für meinen Geschmack bisweilen den Fokus zu sehr auf das Privatleben Dorothys aber auch der anderen Ärzte. Es entsteht so ein lebendiges Bild der Zeit, das Buch bekommt jedoch Längen, wenn ähnlich geartete gesellschaftliche Ereignisse wiederholt auftreten. Die Autorin orientiert sich an tatsächlichen Persönlichkeiten und geschichtlichen Ereignissen, die Ausschmückung der Szenen ist fiktiv. Es hat mich hier wie schon in „Eine Frage der Chemie“ von Bonnie Garmus fassungslos gemacht, mit welcher Selbstgerechtigkeit die Männer der damaligen Zeit die Leistungen der Frauen herabgesetzt haben.
Die Liebesgeschichte, die die Autorin für Dorothy zu dem Roman erfunden hat, ist in meinen Augen zu kitschig geraten, macht sie zwar emphatisch, setzt aber zu sehr den Fokus auf das Private als auf ihre wissenschaftlichen Leistungen.

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Veröffentlicht am 08.10.2023

ein ganz besonderer Roman über kleine und doch Schicksal bestimmende Begegnungen

Südfall
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Florian Knöppler ist inzwischen für mich ein Garant für einfühlsam und sprachlich überzeugend erzählte Geschichten über besondere Schicksale. Auch sein neuer Roman „Südfall“ ist da keine Ausnahme.
Im Sommer ...

Florian Knöppler ist inzwischen für mich ein Garant für einfühlsam und sprachlich überzeugend erzählte Geschichten über besondere Schicksale. Auch sein neuer Roman „Südfall“ ist da keine Ausnahme.
Im Sommer 1944 stürzt ein englischer Soldat der Air Force über dem norddeutschen Wattenmeer ab und macht sich von Hallig Südfall auf den gefährlichen Weg nach Hause. Auf seiner Flucht begegnet er verschiedenen Personen, denen jeweils einzelne Kapitel gewidmet sind. Sie alle eint, dass sie an Wendepunkten ihres Lebens stehen in einer Zeit, in der der Krieg das Leben in großen Teilen beeinflusst. Auch dort zeichnet sich durch die Landung der Alliierten in der Normandie gerade eine Wendung ab. Die Geschichte umfasst nur wenige Tage, Daves Geschichte bildet die Rahmenhandlung, im Fokus stehen die ganz unterschiedlichen Charaktere, in deren Leben und Gedanken der Leser wie in einer Momentaufnahme einen kleinen Eindruck bekommt.
Es hat mich auch in diesem Roman wieder beeindruckt, wie dicht der Autor an seinen Figuren dran ist, wie er sich in die unterschiedlichen Charaktere hineinversetzt, ihre Gedanken authentisch wieder gibt und den Leser an Gefühlen und Zweifeln teilhaben lässt.
Der Leser lernt nur kleine Ausschnitte aus dem Leben der Personen kennen, man weiß nicht viel über die Personen, dennoch wirken sie lebensnah, ihre Erfahrungen und Gedanken regen zum Nachdenken an. Der Roman umfasst nur rund 240 Seiten und eine sehr kurze Zeitspanne, umso mehr beeindruckt es, wie viel der Autor in dieser Geschichte unter bringt, wie viel man über die einzelnen Personen erfährt, und wie sehr die einzelnen Schicksale berühren, so dass ich es am Ende schade fand, ihre Geschichten nicht weiter verfolgen zu können.

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Veröffentlicht am 25.09.2023

ein spannender historischer Krimi

Die Erfindung des Lächelns
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In seinem Roman ‚Die Erfindung des Lächelns‘ entwickelt Tom Hillenbrand seine Version zu dem historischen Raub der Mona Lisa aus dem Louvre im Jahr 1911 und zeichnet dabei ein lebendiges Bild des Lebens ...

In seinem Roman ‚Die Erfindung des Lächelns‘ entwickelt Tom Hillenbrand seine Version zu dem historischen Raub der Mona Lisa aus dem Louvre im Jahr 1911 und zeichnet dabei ein lebendiges Bild des Lebens im Paris der ausgehenden Belle Époque.
Als im Sommer 1911 Leonardo Da Vincis Gemälde der Mona Lisa eines Morgens nicht mehr an seinem Platz im Louvre hängt, wird sofort die Polizei alarmiert und es beginnt eine intensive Suche nach dem Verbleib des Werkes. Doch ‚La Joconde‘, wie sie in Frankreich genannt wird, bleibt verschwunden. Die Presse verspottet die Arbeit der Polizei und sorgt mit ihrer Berichterstattung erst für den hohen Bekanntheitsgrads des Gemäldes. Nach einiger Zeit schwenkt das öffentliche Interesse jedoch um auf eine Serie brutaler Überfälle einer Gruppe von Anarchisten, die in Paris und Umgebung die Polizei in Aufruhr versetzen, Commissaire Juhel Lenoir lässt der Raub des Bildes jedoch nicht los, er sucht im Hintergrund weiter nach seinem Verbleib.
Es hat mir ausgesprochen gut gefallen, wie der Autor hier gleich mehrere Kriminalgeschichten mit historischen Begebenheiten verknüpft und ein anschauliches Bild unterschiedlicher Personen und Persönlichkeiten aus verschiedenen Gesellschaftsschichten aufzeigt. Anhand vieler kleiner Geschichten und Anekdoten, aus der Künstlerszene ebenso wie aus anarchistischen Kreisen entsteht ein lebendiges Bild des schillernden gesellschaftlichen Lebens in Paris und seiner Bedeutung für die damalige Kunstszene ebenso wie das ihrer Schattenseite.
Die Geschichte wirkt gut recherchiert, ist spannend und abwechslungsreich erzählt. Sie nimmt sich die Freiheit, die historischen Hintergründe so auszulegen, wie es zu dieser Version passt, vieles ist mit einem kleinen Augenzwinkern erzählt. Mich hat der Roman ausgesprochen gut unterhalten und mir ebenso gut gefallen, wie die Science-Fiction Romane von Tom Hillenbrand.

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