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Veröffentlicht am 04.01.2018

Zwei Männer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens

Mensch, Rüdiger!
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„Mensch, Rüdiger“ ist für mich ein Lesehighlight des Jahres, Sven Stricker hat sich hier mit viel Feingefühl aber auch Witz dem sensiblen Thema Depressionen gewidmet.

Rüdiger ist Lehrer, Vater von zwei ...

„Mensch, Rüdiger“ ist für mich ein Lesehighlight des Jahres, Sven Stricker hat sich hier mit viel Feingefühl aber auch Witz dem sensiblen Thema Depressionen gewidmet.

Rüdiger ist Lehrer, Vater von zwei Kindern und ansonsten eher unscheinbar. Als selbst sein 40.Geburtstag von niemandem beachtet wird, reicht es ihm, mitten im Unterricht verlässt er die Schule - einfach so.

Tom hat vor einigen Jahren mit einem Buch einen Bestseller gelandet, Glück hat es ihm nicht gebracht, in seinem Leben ist im Gegenteil so einiges schief gegangen, aufgrund seiner Schreibblockade bestreitet er nun mit einem Job an der Supermarktkasse seinen Lebensunterhalt. Auch er hat eines Tages genug, und so sitzen Rüdiger und Tom plötzlich nebeneinander auf der Lembachtalbrücke, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten.

Sie kommen ins Gespräch und zu dem Schluss, sich noch 5 Tage Aufschub zu geben um herauszufinden, ob sie ihren Leben vielleicht doch noch einen Sinn geben können. Ein paar folgenschwere Erlebnisse und Ereignisse stürzen in diesen Tagen Rüdiger und Tom in ein Wechselbad der Gefühle. Sie treffen in diesen Situationen immer wieder auf Menschen, denen das Schicksal auf unterschiedliche Weise über mitgespielt hat, und die ganz unterschiedliche Wege gefunden haben, damit umzugehen.

Eine Stärke des Buchs liegt für mich darin, dass es beides kann, witzig und ernst sein. Es gibt viele komische bis hin zu an Slapstick erinnernde Szenen und Dialoge voller Wortwitz, auf der anderen Seite aber auch tragische und nachdenklich stimmende Momente, ernste Dialoge über den Sinn und Ziele des Lebens, Szenen die zu Tränen rühren. Diese Gefühlsschwankungen passen zu der depressiven Grundstimmung der Hauptfiguren. Einiges ist sehr überspitzt dargestellt, aber gerade das lässt den Leser auf den realen Kern der Dinge schauen. Mit viel Liebe zum Detail schildert Sven Stricker die kleinen Widrigkeiten des Alltags, blickt seinen Figuren in die Seele, lässt sie mal stark sein, mal schwach.

Das Buch spiegelt glaubhaft die Facetten dieser Krankheit, dieses Gemütszustands wieder und gibt einen kleinen Anstoss, nicht aufzugeben sondern an dem möglicherweise dünn gewordenen Faden des Lebens festzuhalten und den Mut aufzubringen zu Veränderungen.

Veröffentlicht am 04.01.2018

ein außergewöhnlicher Erzählstil, aber mich konnte die Geschichte nicht berühren

Außer sich
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Der Roman „Ausser sich“ von Sasha Marianna Salzmann hatte mein Interesse geweckt aufgrund des interessant klingenden Klappentextes und seiner Nominierung zum Deutschen Buchpreis. Im Verlauf der Lektüre ...

Der Roman „Ausser sich“ von Sasha Marianna Salzmann hatte mein Interesse geweckt aufgrund des interessant klingenden Klappentextes und seiner Nominierung zum Deutschen Buchpreis. Im Verlauf der Lektüre wurde ich jedoch zunehmend enttäuscht, zu aneinander gestückelt wirken die einzelnen Kapitel, die Figuren zu blass, die Erzählung konnte mich nicht berühren.

Dabei bietet Geschichte viel, die Hauptfigur Alissa stammt aus einer jüdisch russischen Familie mit einigen charismatischen Vorfahren, Alissa selbst ist mit ihren Eltern, ihrem Großvater und ihrem Zwillingsbruder Anton Mitte der 90er Jahre von Moskau nach Deutschland umgesiedelt. Mit Mitte 20 verlässt Anton die Familie und verschwindet zunächst spurlos. Eine Postkarte aus Istanbul lässt Ali ihrem Bruder nachreisen, doch nachdem auch sie schon zuhause viele Brücken in ihrem Leben abgebrochen hatte, gerät die Suche nach Anton schnell in den Hintergrund, sie verfällt den Reizen der Stadt Istanbul und lässt sich Treiben, mehr auf der Suche nach sich selbst.

Insbesondere der Teil um Alis und Antons Aufenthalte in Istanbul ist mir zu gewollt kunstvoll angelegt, die Sprache ist teils überspitzt bildhaft, so dass Ali als Figur sehr nebulös bleibt, dann wieder extrem vulgär und abstoßend, was eine sehr große Distanz zu den Figuren schafft, so dass mir ihr Schicksal beim Lesen zunehmend egal war.

Die angesprochenen Themen wie Migration, Identität nicht nur im Sinne von einer Heimat-Zugehörigkeit sondern auch von Geschlechtsidentität sind tiefgreifende und aktuelle Themen, die hier darunter leiden, dass das Buch ungeordnet wirkt und zu vieles in den nebulösen wie in einem Drogenwahn aufgelösten Gedanken Alis unter geht.

Am interessantesten habe ich noch die Rückblenden in die Familiengeschichte empfunden, die einen Bogen spannt vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die sowjetische Nachkriegszeit und die ebenso von Unterdrückung wie von mythisch anmutendem Heldentum erzählt. Die Rückblenden erfolgen nicht chronologisch und wirken meist zufällig und zusammenhangslos eingestreut, was das Lesen und Verstehen ebenso erschwert, wie die verschiedenen Namen, mit denen die einzelnen Personen benannt werden. Die Schicksale der Familienmitglieder sind geprägt von dem Eindruck, dass sie alle überwiegend in Unglück gelebt haben, Liebe, Unbeschwertheit und die Erfüllung von Träumen haben kaum Platz. Aber auch diese negatives Stimmungen erklären nicht, weshalb Ali und Anton ihr Leben und ihre Freunde aufgeben, um in einem fremden Land ihr eigenes Selbst derart herabwürdigen und ausnutzen zu lassen.

Ich kann den Hype um dieses Buch nicht nachvollziehen, mir fehlt hier die klare Aussage. Das Buch ist offenbar mit Absicht so angelegt, ich bin ein zu rational denkender Mensch, als dass mich das ansprechen könnte.

Veröffentlicht am 04.01.2018

zu unglaubwürdig und konstruiert

Remember Mia
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„Remember Mia“ von Alexandra Burt ist ein Thriller, der in der Aufmachung und Ankündigung an Bücher wie „Gone Girl“ oder „Girl on the Train“ erinnert aber nicht mit deren Komplexität und Tiefe mithalten ...

„Remember Mia“ von Alexandra Burt ist ein Thriller, der in der Aufmachung und Ankündigung an Bücher wie „Gone Girl“ oder „Girl on the Train“ erinnert aber nicht mit deren Komplexität und Tiefe mithalten kann.

Im Mittelpunkt steht die junge Mutter Estelle Paradise die nach einem Autounfall mit Gedächtnisverlust im Krankenhaus aufwacht. Ihre 7 Monate alte Tochter Mia ist verschwunden, Polizei, Öffentlichkeit und sogar ihr Ehemann Jack halten sie für die Mörderin des Babys, denn Mia befand sich nicht mit im Unfallwagen sondern war schon drei Tage vorher unter mysteriöse Umständen aus der elterlichen Wohnung verschwunden, ohne dass Estelle sie vermisst gemeldet hätte. Umso verzweifelter versucht Estelle ihre Erinnerung wieder zu finden, sie reflektiert die nicht immer einfache Beziehung zu ihrer Tochter und fragt sich, ob sie fähig wäre, ihrem eigenen Kind etwas anzutun.

Anfangs vermag das Buch noch einigermaßen zu fesseln und Spannung aufzubauen, im Verlauf wirkt es aber zunehmend zäher, unglaubwürdiger und konstruierter. Sowohl Estelles Verhalten als auch die Reaktionen ihrer Umfelds und beteiligter Polizisten erschienen mir zu oft als unglaubwürdig und konstruiert. Anfangs habe ich beim Lesen noch mit gerätselt, es ergeben sich wechselnde Thesen zu möglichen Szenarien, zu früh im Buch ist der Fall jedoch gelöst und geht es in erster Linie um eine Aufarbeitung. Hier flacht der Spannungsbogen sehr ab, während es am Anfang noch passend wirkte, dass Estelles Gefühle eher gedämpft wirken, kann die Geschichte zum ende hin immer weniger emotional berühren.

Dazu mag beigetragen haben, dass ich in dem Hörbuch die Sprecherin die Geschichte mit wenig Variation und einem unpassend breiten Dialekt liest. Dieser nüchterne Ton lähmt die Erzählung zusätzlich, so dass ich im Vergleich zu anderen Thrillern nur auf eine Wertung von drei Sternen komme.

Veröffentlicht am 11.12.2017

ein temporeicher, solider Krimi aus Skandinavien

Dominotod
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„Dominotod“ ist ein temporeicher Thriller, bei dem es mir schwergefallen ist, ihn zwischendurch aus der Hand legen zu müssen, so sehr habe ich mich von dem Zeitdruck anstecken lassen, unter dem die Ermittler ...

„Dominotod“ ist ein temporeicher Thriller, bei dem es mir schwergefallen ist, ihn zwischendurch aus der Hand legen zu müssen, so sehr habe ich mich von dem Zeitdruck anstecken lassen, unter dem die Ermittler in diesem Fall stehen.
In der Nähe der schwedischen Stadt Sundsvall wird die Leiche des Arztes Thomas Hoffmann gefunden, der vier Tage lang von seinem Mörder gefangen gehalten und vor seinem Tod gequält wurde. Dann verschwindet ein weiterer Kollege aus dem Krankenhaus spurlos, sein zurückgelassenes Namensschild und ein Dominostein deuten darauf hin, dass auch Erik Jensen in die Hände desselben Täters geraten ist. Zur Erstellung eines Täterprofils wird die Psychiaterin Nathalie Svensson aus Uppsala mit einem Team zu den Ermittlungen hinzugezogen. Die Zeit drängt, wenn Erik noch lebend gefunden werden soll. Nathalie muss erfahren, dass ausgerechnet ihre Schwester die letzte Person war, die ihn lebend gesehen hat, und dass Estelle ihr nicht die ganze Wahrheit verrät. Könnte Sie etwas mit dem Fall zu tun haben? Es gibt aber noch andere Verdächtige, die über glaubhafte Motive verfügen, so dass die Teams parallel in verschiedene Richtungen ermitteln müssen.
Eine Stärke des Buchs ist das Tempo, die Geschichte spielt sich während zwei ereignisreicher Tage ab, es gibt viele Hinweise, mehrere Verdächtige, der Leser weiß wenig mehr als die Ermittler und kann miträtseln. Einige Rückblicke in die Jahre 2005 und 2008 geben dem Leser ein paar zusätzliche Informationen, die jedoch nicht eindeutig den Täter entlarven. Neben Nathalie ist auch einer der Polizisten aus Sundsvall persönlich in den Fall involviert, da der verschwundene Arzt sein bester Freund ist. Das schafft eine besondere emotionale Nähe zu dem Fall, auch wenn die Charaktere ansonsten etwas blass wirken.
„Dominotod“ ist der 2. Band um die Nathalie Svennson, es werden ein paar Hintergrundinformationen zu ihrer Vorgeschichte und dem ersten Teil eingestreut, um ihre Gemütsverfassung zu erklären. Ich kenne den ersten Band nicht, hatte aber auch nicht den Eindruck, dadurch im Nachteil zu sein. Wer „So tödlich nah“ ebenfalls lesen möchte, sollte das vorher tun, da hier einige Details auch zum Ausgang der Geschichte verraten werden.
Der Krimi wirkt solide und ist spannend aufgebaut, die Charaktere können nicht ganz überzeugen. Die Reihe dreht sich zwar um Nathalie Svensson, ihre Rolle bei der Lösung des Falls ist aber eher gering, Johan Axberg wirkt da als Persönlichkeit und kompetenter Ermittler überzeugender. In Schweden gibt es übrigens eine eigene Krimireihe um Johan Axberg, die bereits vor dieser Serie von Jonas Moström geschrieben und veröffentlicht wurde.

Veröffentlicht am 03.12.2017

eine beeindruckende und emotionale Erzählung

Quicksand: Im Traum kannst du nicht lügen
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„Im Traum kannst Du nicht lügen“ ist ein starkes Buch, dass ich am Anhang als etwas langatmig empfunden habe, das mich im Verlauf aber immer mehr in seinen Bann gezogen hat.
Zu Beginn des Buchs steht die ...

„Im Traum kannst Du nicht lügen“ ist ein starkes Buch, dass ich am Anhang als etwas langatmig empfunden habe, das mich im Verlauf aber immer mehr in seinen Bann gezogen hat.
Zu Beginn des Buchs steht die 18-jährige Maja Norberg vor Gericht, sie ist angeklagt, an einem Blutbad in ihrer Schule beteiligt gewesen zu sein, bei dem unter anderem ihr Freund Sebastian, ihr beste Freundin Amanda und ein Lehrer erschossen wurden. Aber ist Maja wirklich schuldig? Wie konnte es dazu kommen, dass dieses beliebte Mädchen aus reichem Elternhaus in so eine Tragödie verwickelt und zu einem derartigen Hassobjekt wurde?
Die Autorin lässt Maja in der Ich-Perspektive in Rückblicken von den Ereignissen erzählen, die zu dem Blutbad geführt haben aber auch von ihrer Zeit im Gefängnis, von ihren wechselnden Gefühlen und ihren Ängsten.
Der Prozess, der sich über insgesamt drei Wochen erstreckt, bildet eine Art Rahmenhandlung, während der Maja noch einmal mit der Tat aber auch mit ihrer Beziehung zu ihrem Freund Sebastian Fagerman konfrontiert wird, dem Haupttäter, der durch sie zu Tode gekommen ist.
Der Leser bleibt bis zum Schluss im Ungewissen darüber, in wieweit Maja schuldig oder ein Opfer ist, die tatsächlichen Ereignisse, Hintergründe und Zusammenhänge werden nur schrittweise herausgearbeitet. Der Spannungsbogen ist dabei durchweg hoch, auch trotz der wechselnden Zeitebenen verliert man nie den Überblick.
Eine große Stärke des Buches liegt in der Intensität und Offenheit mit der Maja ihre Eindrücke schildert. Die Autorin wird in der Erzählung zu Maja, diese spricht den Leser zum Teil direkt an, was eine große Nähe zur Hauptfigur schafft. Ihre Wut ist ebenso greifbar wie ihre Verzweiflung.
Im Verlauf der Geschichte war mir Maja mal mehr, mal weniger sympathisch, mal ist ihr Verhalten abstoßend, mal leidet man mit ihr, wenn Freunde und Familie sie missverstehen und allein lassen.
Das Buch ist ein Drama, das Fragen von Schuld und Verantwortung, von Bestrafung und Versöhnung aufwirft aber bewusst keine Antworten gibt, sondern den Leser sich sein eigenes Urteil fällen lässt. Es geht um Liebe, Freundschaft, Jugend, Drogenmissbrauch, soziale Verantwortung und Klassenunterschiede. Ein Thriller der besonderen Art, der nachhallt und oft sprachlos macht. Ich werde mir die Autorin auf jeden Fall merken, dieser Erzählstil ist beeindruckend realistisch und nahe gehend.