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Veröffentlicht am 23.10.2024

Interessant, aber auch herausfordernd dicht und ziemlich verwirrend

Antichristie
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Ich mochte „Identitti“ richtig gerne und habe Einiges an Polarisierungspotential auch in Mithu Sanyals neuem Roman gefunden. Das Buch ist wirklich komplex, oft verwirrend und trotzdem witzig, weshalb ich ...

Ich mochte „Identitti“ richtig gerne und habe Einiges an Polarisierungspotential auch in Mithu Sanyals neuem Roman gefunden. Das Buch ist wirklich komplex, oft verwirrend und trotzdem witzig, weshalb ich in meinem Urteil sehr ambivalent bin. 🥴

Wirklich sicher bin ich mir darin, dass dies ein Roman für wiederholtes Lesen ist. Sanyal hat hier offensichtlich ein Recherche-Mammutprojekt bewältigt, so dicht ist das Werk. Beim ersten Lesen konnte ich unmöglich auch nur annähernd alles erfassen, was hier an Auseinandersetzung mit Identität und Kolonialisierung drin steckt. Ich habe zwar Einiges über den indischen Befreiungskampf gelernt und fand die Debatte rund um bewaffneten/unbewaffneten Widerstand sowie das Auftreten so vieler realer Figuren mit ihren diversen Positionen bereichernd. Doch hat mich die Fülle auch wirklich überfordert und ich hatte irgendwann Schwierigkeiten, der Handlung noch folgen zu können.

Die Zeitreise und Verblendung der beiden Figuren Sanjeev und Durga hat die Geschichte zwar innovativ, aber für mich auch deutlich schwerer lesbar gemacht. Ich habe mir deshalb Unterstützung vom Hörbuch geholt (Kompliment an der Stelle an die Hörbuchsprecherin! ❤️), welches die Figuren durch Stimmvarianz für mich deutlicher unterscheidbar gemacht hat. Parallel gelesen habe ich aber trotzdem, denn die vielen indischen Namen haben das Verständnis erschwert - und hier liegt gleichzeitig auch eine so deutliche Gesellschafts-/Literaturkritik: Warum kennen wir in der westlichen Literaturwelt so wenige Figuren mit indischen Namen?

Ich finde es herausragend, wie die Autorin es erneut schafft, gesellschaftspolitische Themen nicht nur innerhalb des Buches abzuhandeln, sondern damit einen Bogen zu schlagen zur lesenden Person selbst. Sicherlich kann „Antichristie“ nicht gelesen werden, ohne sich mindestens 35 Fragen zur eigenen Positionierung zu stellen. Dabei verfällt die Autorin nicht in vereinfachende Dogmen, was ich sehr schätze und auf positive Art herausfordernd finde.

Thematisch ist zwar nicht zwangsläufig Vorwissen vonnöten, ich habe aber schon gemerkt, dass auf Dauer zu viele mir unbekannte popkulturelle oder historische Referenzen drin waren. Selbst wenn diese zum Verständnis nicht wichtig sind, sorgt so etwas bei mir immer für Irritationsmomente und somit für einen gestörten Lesefluss. So spannend ich die Debatten rund um Intersektionalität, Aufarbeitung, Identität und historische Verantwortung in der Gegenwartsebene auch fand, so war mir das in der Gänze doch schlicht zu viel. Und den Krimi-Aspekt mit prominentem Gastauftritt fand ich zwar irgendwie fesselnd, aber mit allem anderen zusammen auch wieder… zu viel.

Für mehr als 3 Sterne war es mir persönlich also einfach zu chaotisch, sodass manche Themen im Zeitreisen-Trubel untergegangen sind. Trotzdem empfehle ich das Buch allen, die Sanyals Humor mögen und sich nicht vor dichten, philosophischen Werken scheuen, welche mit Aufmerksamkeit und ggf. mehrfach gelesen werden sollten.

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Veröffentlicht am 23.10.2024

Einfach absurd

Minihorror
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Ich glaube, ich bin schlicht mit anderen Erwartungen ins Buch gestartet und war dann so irritiert ob der Absurdität. 🙈

Die sehr kurzen Geschichten lassen sich schnell lesen und ich denke, es hilft, wenn ...

Ich glaube, ich bin schlicht mit anderen Erwartungen ins Buch gestartet und war dann so irritiert ob der Absurdität. 🙈

Die sehr kurzen Geschichten lassen sich schnell lesen und ich denke, es hilft, wenn das Buch am Stück gelesen wird und mensch sich auf diese Weise hineinziehen lässt. Sobald ich mehr Zeit hatte und anfing, die Geschichten wirklich verstehen zu wollen, war es bei mir vorbei. Denn dann habe ich wahrgenommen, wie absurd und auch eklig Vieles in dem Buch war. Wenn ich es als Unterhaltung nebenbei akzeptieren konnte, fand ich es stellenweise sogar auch lustig und verständlich. Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass mensch entweder so einen Schreibstil wirklich mögen oder einfach in der richtigen Mood dafür sein muss. 😃

Der Klappentext ließ mich vermuten, dass es hier gesellschaftskritische Aspekte gibt und ich konnte die an manchen Stellen auch ausfindig machen. Bestimmt gibt es aber noch viel mehr, was ich aber aufgrund des (ich wiederhole mich) absurden Settings einfach nicht verstanden habe. Das fand ich schade, kann aber akzeptieren, dass das einfach nicht mein Buch war.

Vieles ist innovativ an diesem Werk und ich bin mir sicher, dass andere es richtig gut finden werden. Ich mag halt schon Ekel, Horror und creepy Elemente gar nicht und das war mir dann insgesamt zu viel. Zumal ich zu den beiden Figuren auch bis zum Ende gar kein Bild vor Augen hatte oder eine Beziehung aufbauen konnte. Das liegt am fragmentarischen Bau des Buches und muss kein grundlegender Nachteil sein, es gefiel mir nur nicht, weil ich es von einer figurengetriebenen Geschichte anders erwartet habe.

Ich gebe nicht noch weniger Sterne, weil ich es trotzdem kurzweilig fand. Nur bleibt einfach nichts bei mir hängen und ich hätte es, was das Nachwirken angeht, genauso gut auch nicht lesen können.

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Veröffentlicht am 19.10.2024

Ein ruhiger, sanfter und vergebungsvoller Roman

Ein menschlicher Fehler
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Ich war erst unschlüssig, ob ich den Roman lesen sollte, weil mich „Die Tochter“ nicht so ganz catchen konnte. Aber ich bin richtig froh, dass ich meinem Bauchgefühl hier gefolgt bin und dieses besondere ...

Ich war erst unschlüssig, ob ich den Roman lesen sollte, weil mich „Die Tochter“ nicht so ganz catchen konnte. Aber ich bin richtig froh, dass ich meinem Bauchgefühl hier gefolgt bin und dieses besondere und zarte Buch nicht habe an mir vorbeiziehen lassen.

Hae-Su war einst eine erfolgreiche Psychotherapeutin, verlor aber ihren Job nach einer unbedachten und folgenschweren Aussage im Fernsehen. Seit einem Jahr verbringt sie ihre Zeit allein in Seoul, ohne Kontakte zu anderen Menschen. Eines Tages trifft sie auf die zehnjährige Se-I, die ebenfalls eine Verstoßene zu sein scheint. Doch für mich viel prägender war der Kontakt zu Straßenkatze Rübe, die dringend medizinische Hilfe braucht, sich aber nicht einfangen lassen will. Es entsteht ein Band zwischen diesen drei Figuren, das mich wirklich berührt hat.

Eine große Stärke des Romans ist seine Interpretationsvielfalt. Die Autorin schreibt auch selbst im Nachwort, dass „Ein menschlicher Fehler“ hoffentlich individuell verschieden gelesen wird - je nachdem, was im Innersten der Lesenden gerade los ist. Kim Hye-jin schreibt beobachtend, wertfrei und ruhig. Der Schreibstil ist zugänglich, hat aber auch einen gewissen Anspruch. Vor allem erfordert das Lesen meiner Meinung nach Raum zum Fühlen, um die feinen Nuancen wahrnehmen zu können.

Die Protagonistin Hae-Su kämpft ihren eigenen Kampf in Bezug auf Verantwortung, Schuld und Abwehr. Deshalb schreibt sie täglich Briefe an Journalist*innen, den ehemaligen Chef, eine Kollegin oder eine enge Vertraute, von denen sie sich nach dem Fehler ungerecht behandelt fühlte. Doch sie kann nicht ausdrücken, was sie eigentlich sagen möchte und bricht alle Briefe ab. Denn was sie eigentlich sucht, ist eine Vergebung für ihren Fehler, die aus ihr selbst kommt. Dabei hilft ihr auch die fragile Beziehung zu Rübe, in dessen Schicksal als wenig beachtete bzw. verachtete Straßenkatze sie sich zu sehen scheint.

Für mich war dieser Roman ein Plädoyer für Menschlichkeit, Respekt und Sanftheit. Die Autorin webt die drei so verschiedenen Figuren auf eine unaufgeregte, liebevolle Art ineinander. Ein wirklich tolles Buch, dessen Essenz ich irgendwie nicht so ganz zufriedenstellend in Worte fassen kann. Lest es am besten selbst und nehmt euch daraus mit, was ihr gerade am meisten braucht. 🫶🏻
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Triggerwarnungen:
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Mobbing, Suiz-d, Wunden bei Tieren

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Veröffentlicht am 15.10.2024

Interessantes Thema, aber zähe und charakterlich schwache Umsetzung

Glück
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Ich finde Bücher rund um das Thema Mutterschaft bzw. die gesellschaftlichen Erwartungen einer solchen immer sehr interessant. Der Roman nimmt hier vor allem Frauen Ende 30/Anfang 40 in den Fokus und damit ...

Ich finde Bücher rund um das Thema Mutterschaft bzw. die gesellschaftlichen Erwartungen einer solchen immer sehr interessant. Der Roman nimmt hier vor allem Frauen Ende 30/Anfang 40 in den Fokus und damit eine Gruppe, die zudem einen biologischen Druck verspürt.

Entgegen dem Klappentext geht es nicht nur um Marie-Claire und Anahita, sondern auch noch um einige weitere Frauen, die wiederum auf irgendeine Art mit den beiden ersten verbunden sind. Und hier befindet sich für mich bei aller Relevanz des Themas die größte Schwäche des Romans: in der Vielzahl an Charakteren, die teilweise nur ein Kapitel lang Aufmerksamkeit bekommen und so schlicht viel zu viel angeschnitten wird, ohne dass ich die Chance hatte, eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Phasenweise hatte ich sogar Schwierigkeiten, sie voneinander zu unterscheiden. Und sobald ich mit einer Frau mitgefühlt habe, wurde ich durch Zeitsprünge und/oder Perspektivenwechsel schon wieder völlig entfremdet.

Ich bin hier schnell zum Hörbuch gewechselt, weil mir das reine Lesen viel zu zäh gewesen wäre. Die Kapitel, die stets aus verschiedenen Perspektive erzählt werden, sind einfach zu lang und ich hatte gleichzeitig nicht das Gefühl, die Figur danach wirklich besser zu kennen. Dabei sind sie alle grundlegend wirklich spannend und in ihren Lebensrealitäten divers, wenngleich Mutterschaft bzw. das Fehlen dieser das zentrale Thema bleibt. Der Epilog war für mich das beste Kapitel, weil es sich endlich wie eine Entwicklung mit konkreter Message anfühlte, während ich bei der Handlung davor zunehmend den Eindruck hatte, dass nichts wirklich vorangeht und sich die Figuren extrem langatmig um die immer gleichen Gedanken kreisen.

Für mich persönlich war die Kinderfrage mit Ende 20 geklärt, vielleicht bin ich deshalb auch nicht die optimale Zielgruppe des Romans. Trotzdem hätte ich mir zugänglichere Figuren gewünscht und vor allem auch weniger isolierte Charaktere. Das hat mich nämlich ganz schön runtergezogen, obwohl im Alleinsein sicher auch viel Positives stecken kann, das mir hier aber schlicht nicht vermittelt wurde.

Das Thema finde ich wichtig und die Hörbuchsprecherin hat wirklich enorm viel aus dem Buch herausgeholt, aber die allgemeine Umsetzung des Romans konnte mich nicht erreichen und ich war am Ende froh, dass es geschafft war.

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Veröffentlicht am 14.10.2024

Keine großen Überraschungen, dafür spicy wie versprochen

Dirty Diana: Das Erwachen
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Zum Hörbuch: Nora Schulte hat eine sehr angenehme Stimme mit guter Varianz für die einzelnen Charaktere. Standardgeschwindigkeit ist mir immer viel zu langsam, weshalb ich auf doppelter Geschwindigkeit ...

Zum Hörbuch: Nora Schulte hat eine sehr angenehme Stimme mit guter Varianz für die einzelnen Charaktere. Standardgeschwindigkeit ist mir immer viel zu langsam, weshalb ich auf doppelter Geschwindigkeit gehört habe. Besonders gut fand ich die Kapitelübergänge und Zeit-/Ortseinordnungen, die immer sehr klar transportiert wurden.

Zum Buch selbst: Ich habe von diesem Roman genau das bekommen, was ich erwartet habe. Die Geschichte lässt sich unglaublich flüssig lesen, ist kurzweilig und vor allem sehr spicy. 🔥

Diana fand ich besonders in Bezug auf ihre Kunst eine spannende Figur. Die vielen Ausschnitte aus den Interviews mit anderen Frauen waren wirklich toll. So schafft es das Buch meiner Meinung nach gut, Begehren als unabhängig von 6ualität und Alter darzustellen, wodurch sich sicher viele Lesende gut aufgehoben fühlen können.

Dass mit Oliver eine sympathische, nette Männerfigur mit eigenen Unsicherheiten geschaffen wurde, lobe ich auch. Zwischendrin gab es für mich ein paar Momente, wo er aus seinem Charakter gefallen ist. Diese Ambivalenz, die ich prinzipiell gut finde, hätte noch ein wenig eleganter geschrieben werden können. Gestört hat mich zudem eine bestimmte Frauenfigur, die sich nach anfänglicher Sympathie dann leider doch in ein recht plattes Klischee des „weiblichen Konkurrenzverhaltens“ verwandelte. Das hätte es für mich in einem modernen Roman nicht gebraucht.

Spice ist ein zentrales Thema des Buches und wer das mag, wird hier nicht enttäuscht. Für meinen Geschmack hätte es noch vielfältiger sein können, was die dargestellten 6ualitäten angeht und auch abgesehen davon fand ich die entsprechenden Szenen am Ende ein wenig repetitiv. Doch insgesamt fand ich den Roman extrem kurzweilig und ansprechend. Der Cliffhanger am Ende ist unfassbar gemein, aber natürlich klug gesetzt. Ich bin deshalb sehr gespannt, wie die Serie weitergeht und empfehle sie für ein unterhaltsames Lesevergnügen ohne große Überraschungen, aber trotzdem mit Spannung.

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