Toll und lesenswert. Äußerst gekonnte Verknüpfung einer historischen Geschichte mit einem spannenden Kriminalfall
Die BahnhofsmissionDie Autorin Veronika Rusch nimmt in ihrem Roman ,, Aller Tage Hoffnung- Die Bahnhofsmission " den Leser mit in das Jahr 1908, schildert die Anfänge der Bahnhofsmission am Schlesischen Bahnhof in ...
Die Autorin Veronika Rusch nimmt in ihrem Roman ,, Aller Tage Hoffnung- Die Bahnhofsmission " den Leser mit in das Jahr 1908, schildert die Anfänge der Bahnhofsmission am Schlesischen Bahnhof in Berlin. Dort kommen viele junge Frauen aus den ländlichen Gebieten an, die auf der Suche nach einer Anstellung sind. Leider werden sie häufig bereits bei der Ankunft am Bahnhof von dubiosen Schleppern abgefangen, die sie dann in die Prostitution zwingen.
Als Alice, Tochter eines angesehenen Professors der Charité, mit ihrer schwangeren Schwester Constanze mit dem Zug auf dem Weg nach Hause in Berlin ist, holt sie die fiebernde Gerda in ihr Abteil, damit sie nicht noch kranker wird. Auf dieser Zufahrt lernt sie auch den jungen Offizier Heinrich kennen, mit dem sie sich wunderbar unterhalten kann. In Berlin angekommen, versucht ein Mann, Pavel, die junge Gerda mitzunehmen, die entgegen der Absprache nicht von ihrer Freundin abgeholt wurde. Nathalie, eine kleine resolute Frau der Bahnhofsmission geht dazwischen und kümmert sich um Gerda. Sie bringt sie im Johannisstift unter, damit sie zunächst gesund werden kann .
Weil Alice die Frau mit der weißen Armbinde der Bahnhofsmission aufgefallen ist, macht sie sich auf Weg zum Bahnhof, um sich nach ihrer kleinen Reisebekanntschaft zu erkundigen. So lernt sie die Arbeit der Bahnhofsmission kennen und beschließt, dort auch mitzuhelfen. Das geht nur heimlich, denn ihre gutbürgerlichen Eltern würden es keinesfalls erlauben. In den Augen der gehobenen Gesellschaft ist es vornehmlich die Aufgabe einer Frau, zu heiraten , eine Familie zu gründen und den Haushalt zu führen. Alice will das nicht. Sie hat den Traum, eines Tages Ärztin zu sein und Menschen zu helfen. Das war damals in Deutschland leider noch nicht möglich.
Auch Natalie ist in der Bahnhofsmission tätig. Als Tochter eines Puppenspielers hat sie ihre ärmliche Kindheit im Wanderzirkus verbracht. Eines Tages konnte sie dem jähzornigen Vater dort entfliehen und kam über Umwege später nach Berlin. Auch dort musste sie sich durchkämpfen, musste schwierige Zeiten überstehen, bis sie das Glück hatte, bei der Bahnhofsmission ein neues Leben zu beginnen. Es ist ihr wichtig, hilfebedürftigen Menschen , besonders den jungen Frauen und Mädchen, zur Seite zu stehen. Doch vielen, und gerade den Schleppern ist die Arbeit der Bahnhofsmission ein Dorn im Auge. Pavel droht Natalie direkt.
Trotz der Standesunterschiede freunden sich Natalie und Alice an. Als Gerda verschwindet, macht sich Natalie auf die Suche nach ihr. Dabei kommt heraus, daß Gerda nicht die erste verschwundene junge Frau ist. Wie hängen diese Fälle zusammen? Der Leser darf gespannt sein.
Die Autorin beschreibt authentisch die Charaktere der Protagonisten Die unterschiedlichen Lebenswelten, sowohl in der gehobenen Gesellschaft, wie auch das einfache Leben Natalies und das in der Unterwelt, wo Glücksspiel, Prostitution und auch Mord an der Tagesordnung stehen , werden bildgewaltig dargestellt. Es entstanden schnell Bilder vor meinen Augen. Das hektische Atmosphäre, das Leben auf dem Bahnhof konnte ich direkt fühlen . Sowohl Natalie, als auch Alice und ihre Schwester Constanze machen interessante Entwicklungen durch, die perfekt dargestellt werden.
Der damalige Zeitgeist ist perfekt eingefangen, die Stellung der Frauen und der Kampf der Frauenrechtlerinnen ums Wahlrecht wird sehr gut dargestellt.
Im Laufe der Geschichte erfährt der Leser immer mehr von der Vergangenheit der Protagonisten,. Die historischen Anfänge der Bahnhofsmission und ihre Arbeit werden geschickt mit der Geschichte von Natalie, Alice und den anderen Personen verknüpft. Es entwickelt sich ein äußerst spannender Kriminalfall um verschwundene junge Frauen, bei der auch Natalie in große Gefahr geht.
Der Schreibstil ist so flüssig , die Entwicklung der Geschichte so spannend, daß ich mich kaum von der Geschichte lösen konnte. Es fiel mir äußerst schwer, das Buch aus der Hand zu legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht, so gefangen war ich von der Handlung. Ich fühlte mich mittendrin im Geschehen und habe mit den Personen gehofft, gebangt und mich über ihren Mut gefreut.
Mit dieser Geschichte ist es der Autorin auf grandiose Weise gelungen, einen historischen Kriminalroman mit der Lebensgeschichte zweier starker Frauen zu verknüpfen und den Leser zugleich die Anfänge der Bahnhofsmission hautnah miterleben zu lassen. Von ganzem Herzen empfehle ich diese beeindruckende und spannende Geschichte weiter. Das Ende lässt auf eine Fortsetzung hoffen, die ich schon jetzt kaum erwarten kann.