Große Familiensaga mit vielen Geheimnissen
ElbleuchtenDie Reedersfamilie Karsten aus Hamburg ist erfolgreich und geachtet. Ihre Tochter Lily wächst behütet in der Villa an der Bellevue auf. Die junge Frau hat große Träume, weiß aber wenig von dem, was im ...
Die Reedersfamilie Karsten aus Hamburg ist erfolgreich und geachtet. Ihre Tochter Lily wächst behütet in der Villa an der Bellevue auf. Die junge Frau hat große Träume, weiß aber wenig von dem, was im Leben wirklich vor sich geht. Sie ist verlobt und eigentlich liebt sie ihren Henry. Aber irgendetwas treibt sie immer um. Etwas um sich nicht an die auferlegten Regeln zu halten. Im Sommer 1886 soll sie einer Schiffstaufe beiwohnen und die Rede halten, als ein Unglück geschieht. Lily fühlt sich schuldig, denn ein Hafenarbeiter wurde durch ihre Schuld schwer verletzt. Jo Bolten ist ein Freund des Arbeiters und will um Hilfe bitten, doch er wird abgewiesen. Jo lebt in dem Gängeviertel Hamburgs. Lily will unbedingt helfen, ihr schlechtes Gewissen treibt sie an. So macht sie sich mit Jo auf den Weg in die Elendsviertel der Stadt. Es bleibt nicht bei dieser einen Begegnung, aber haben Jo und Lily überhaupt eine Chance? Unterschiedlicher könnten sie kaum aufgewachsen sein, ihrer beider Leben geht in so unterschiedliche Richtungen.
Miriam Georg nimmt ihre Leser mit in das ausgehende 19. Jahrhunderts in Hamburg. Das Leben der reichen Familie Karsten schildert sie bunt schillernd. Lily ist jung und unschuldig, weiß vom Leben und seinen Problemen nichts. Sie hat Träume und Hoffnungen. Bisher hat sie in einer Welt ohne Armut und Elend gelebt. An der Seite von Jo lernt sie nun ein anderes Hamburg kennen, bald erkennt sie aber auch, dass auch in ihrer Familie nicht alles so ist, wie es nach außen scheint.
Die Geschichte von Lily und Jo hat mich schnell in seinen Bann gezogen und die 600 Seiten waren dementsprechend schnell gelesen, allerdings habe ich so meine Probleme damit, wie naiv die junge Frau zu Werke ging. So manche Szene konnte ich ihr einfach nicht abnehmen. Auch das Verhalten einiger anderer Protagonisten fand ich nicht unbedingt nachvollziehbar. Vor allem Franz, ihr Bruder, hatte so seine seltsamen Anwandlungen. Mir fehlen hier die Ecken und Kanten. Irgendwie kommt mir gerade der Bruder zu blass daher, obwohl er Potenzial zu haben scheint. Auch Sylta, ihre Mutter, kam mir doch sehr naiv vor. Erst bemerkt man sie kaum und dann handelt sie auf eine Weise, die ich so nicht wirklich glauben mag. Die Geheimnisse der Familie und der Versuch, diese zu schützen, waren hingegen wieder interessant.
An der Seite von Jo erlebt Lily ein Hamburg, welches sie so nicht kannte. Ich hatte das Gefühl, dort im Gängeviertel gab es nur Schmutz und Dreck, Diebe und Mörder. Mir war das irgendwie zu einseitig. Auf der anderen Seite schritt die Handlung auch rasend schnell voran. Kaum war ein Problem gelöst, kam das nächste daher.
Der Erzählstil ist zudem leicht und flüssig zu lesen. Die Autorin erzählt in mehreren Handlungssträngen ihre Geschichte. Man erfährt also von so einigen Charakteren, was sie umtreibt und wieso. Dadurch ist die eigentliche Handlung gelungen vielfältig. Interessant fand ich die gesellschaftlichen Strukturen dieser Zeit. Die Frauen beginnen gerade erst selbstbewusst und selbstbestimmt aufzutreten. Sie haben noch einen langen Weg bis zur Emanzipation vor sich, aber die Anfänge in diesen Jahren werden gut dargestellt. Lily und alle Frauen in ihrem Haushalt haben sich dem zu fügen, was die Männer bestimmen. Eine Tatsache, die gerade die temperamentvolle Lily nur schwer ertragen kann. Aber schnell wird auch klar, nicht nur die Frauen haben sich an strenge Regeln zu halten, auch von den Männern gerade in der oberen Gesellschaftsschicht wird einiges verlangt.
Fazit:
„Elbleuchten“ ist der erste Teil einer neuen Reihe über eine hanseatische Familie. Hier wurde alles bedacht vom naiven jungen Töchterchen über großer Bruder, der alles an sich reißt, um sein eigenes Geheimnis um jeden Preis zu wahren und Eltern, die mit ihrer Situation überfordert sind. Es gibt große Geheimnisse, viel Gefühl, die große Liebe und noch größere Sorgen und Verstrickungen der Umstände. Und auch wenn ich nicht zu 100 % überzeugt bin von dem Buch habe ich mich trotzdem gut Unterhalten gefühlt und bin gespannt, was die Autorin Miriam Georg uns in dem zweiten Teil, der bald erscheinen wird, erzählt.