Platzhalter für Profilbild

nonostar

Lesejury Star
offline

nonostar ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit nonostar über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.04.2022

Eine abenteuerliche Reise

Luyánta
0

Jolantha hat absolut auf den Bergurlaub und ihre nevige Familie. Doch plötzlich schlittert sie in ein Abenteuer, dass sie sich niemals hätte vorstellen können. Drei Murmeltiere führen sie durch ein Portal ...

Jolantha hat absolut auf den Bergurlaub und ihre nevige Familie. Doch plötzlich schlittert sie in ein Abenteuer, dass sie sich niemals hätte vorstellen können. Drei Murmeltiere führen sie durch ein Portal in eine Parallelwelt, in die Unselbe Welt in der Krieg herrscht zwischen den Fanesleuten und dem Heer des grausamen Adlerprinzen und nur sie kann die Welt retten. Denn Jolantha ist eigentlich Luyánta, die Prinzessin der Fanesleute und gleichzeitig das weiße Murmeltier. Auf ihrer Reise findet Luyánta neue Freunde und stößt auf Feinde und Verbündete.

Albrecht Selge hat hier einen fast 800 Seiten dicken Wälzer geschrieben, der teilweise sehr detailreich war, manchmal etwas zu detailreich. V.a. am Anfang musste ich mich auch erstmal an die Sprache gewöhnen, die sehr jugendhaft und hip daher kommt und mir manchmal etwas zu gekünstelt erschien. Da sind die sprechenden Murmeltiere, die alle nur mit Bruder anreden oder auch Luyánta selbst, die mir als Hauptfigur nicht immer gefallen hat. Die Geschichte an sich hat etwas von einem Märchen, von einem fantastischen Traum, in dem die Zeit verrint, während sie in unserer Welt stillsteht. Auch die sprechenden Tiere und sagenhaften Gestalten geben diesen Eindruck mit. Man weiß nicht so recht, ob es eine geschichte für erwachsene ist oder doch für jüngeres Publikum. Das hat mich manchmal gestört, an anderen stellen aber auch wieder nicht und so ist irgendwie der gesamte Eindruck des Buches.

Dennoch muss ich sagen, dass ich das Buch an sich durchaus interessant fand, ich mochte die sprechenden Tiere, die Figuren und die Freundschaften die sich entwickeln. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich es als Hörbuch gehört habe, wovon das Buch glaube ich sehr profitiert hat. Gesprochen wurde es von Constanze Becker an deren stil ich mich zwar ebenfalls erst gewöhnen musste, die aber v.a. auf die lange Sicht das Buc wirklich wunderbar vertont hat. Alles in allem ist "Luyánta" ein interessantes Buch, dessen Geschichte mir durchaus gefallen hat, aber hier lohnt sich für neue Leser vorher wohl ein Blick in die Leseprobe (oder noch besser in verschiedene Teile des Buches, falls dies möglich ist).

Veröffentlicht am 23.03.2022

New Yorks Leben

Die Wächterinnen von New York
0

Städte sind geprägt von den Menschen, die in ihnen leben und sie pulsieren lassen. Doch was passiert, wenn die Menschen immer mehr werden und immer mehr für die Stadt an sich stehen? Die Stadt erwacht, ...

Städte sind geprägt von den Menschen, die in ihnen leben und sie pulsieren lassen. Doch was passiert, wenn die Menschen immer mehr werden und immer mehr für die Stadt an sich stehen? Die Stadt erwacht, so passiert es zumindest im neuen Buch von N. K. Jemisin: New York wird lebendig, es streckt sich und atmet ein, doch weil New York nicht nur New York ist, sondern vielmehr eine Mixtur aus den einzelnen Stadtteilen braucht ihr Avatar Hilfe von den 5 Wächter*innen um gegen die feindlichen Mächte, die ihn bedrohen, zu bestehen. Diese 5 verkörpern alle Besonderheiten ihrer Stadtteile, doch sie sind allein, verwirrt und können nur gemeinsam ein Ganzes werden.

Schon als ich das erste Mal gesehen habe, dass dieses Buch auf deutsch erscheinen soll, erwachte meine Vorfreude. Die Idee der lebendigen Städte, ein Krieg über Multiversen hinweg, und 6 Menschen, die über sich hinauswachsen müssen, klingt einfach perfekt. Schon nach wenigen Seiten war ich jedoch unglaublich enttäuscht.Der Anfang ist ziemlich verwirrend, man wird mitten in die Geschichte, mitten in das Erwachen New Yorks geworfen und genau wie der erste Avatar, Manny, steht man ratlos vor den Trümmern. Nach und nach lernt man die einzelnen Stadtteile kennen, man verfolgt ihren Weg, manchmal zusammen, manchmal getrennt. So bekommt man immer mehr vom Gesamtbild präsentiert und es zeigt sich ein roter Faden, der durch die Geschichte führt.

Das Erzähltempo ist v.a. am Anfang sehr gemächlich, obwohl die Zeit knapp ist für unsere 5 Figuren. Erst ab der Hälfte kommt etwas Spannung auf, es entwickeln sich Dynamiken, die Interesse und Spannung versprechen. Ich hätte mir zwar teilweise etwas mehr Tempo gewünscht, doch damit kann ich mich noch größtenteils abfinden. Was mich jedoch immer wieder aus dem Lesefluss geworfen hat, war die Sprache, mit der ich überhaupt nicht zurecht kam. Ich hatte ständig das Gefühl, es soll möglichst viel Slang und Jugendhaftes eingebaut werden, um zu zeigen, wie besonders und wie sehr New York die Figuren sind. Dabei habe ich jedoch überhaupt keinen Unterschied zwischen den einzelnen Charakteren gefühlt, egal ob die ältere Bron(x)ca oder die junge Inderin aus Queens, sie alle reden im gleichen Modus. Hinzu kommt, dass die Sprache manchmal unnötig vulgär und gezwungen flapsig daher kommt.

Die Figuren an sich hätten interessant sein können, doch mir war keiner der fünf sonderlich sympathisch noch irgendwie vertraut beim Lesen. Viel eher haben mich ihre ständigen Streitereien zunehmend genervt, da es immer nur darum ging, welcher Stadtteil toller ist oder in der Vergangenheit mehr leiden musste. Auch habe ich kaum eine Entwicklung bemerkt, weder in den Charaktereigenschaften noch in der Dynamik der Gruppe. Auch auf den (vermutlich überraschenden?) Twist gegen Ende wurde schon vorher so oft mit dem Holzhammer hingewiesen, dass es keine wirkliche Überraschung mehr war. Gut fand ich hingegen, dass Jemisin die Themen wie Rassismus und amerikanische Vergangenheit (auch in der Literatur!) sehr geschickt in ihre Geschichte einbaut. Sie prangert die alteingesessenen Systeme an und schreibt so eine wütende Abrechnung mit Rassismus, Antisemitismus und Snobismus innerhalb der Stadt. Immer wieder kritisiert sie auch das Wirken und die Werke von Lovecraft, was auf jeden Fall dazu anregt, sich auch selbst nochmal mehr damit zu befassen.

Das alles lässt mich am Ende dann leider doch ziemlich enttäuscht bei 2,5 Sternen zurück mit einer Geschichte, die so gut hätte sein können, deren Potential mMn jedoch größtenteils verschenkt wurde. Es mag eine Liebeserklärung an New York sein, für die mir jedoch vielleicht einfach die Liebe zu dieser Stadt fehlt? Nichtsdestotrotz spürt man die Gedanken und Kraft, die Jemisin in diese Geschichte gesteckt hat, auch wenn sie mich leider nicht überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 08.03.2022

Alles teilen?

Die Kinder sind Könige
0

Mélanie ist mit dem Fernsehen und den darin gezeigten Reality-Shows aufgewachsen. Sie wollte schon immer selbst ein Teil davon sein, sie wollte berühmt sein, gesehen und v.a. geliebt werden. Der Erfolg ...

Mélanie ist mit dem Fernsehen und den darin gezeigten Reality-Shows aufgewachsen. Sie wollte schon immer selbst ein Teil davon sein, sie wollte berühmt sein, gesehen und v.a. geliebt werden. Der Erfolg blieb aus und so ist sie Jahre später Hausfrau, Ehefrau und Mutter zweier Kinder. Doch genau damit hat sie nun endlich den Durchbruch geschafft, sie ist mit ihrem Kinder-/Familienkanal die erfolgreichste Youtuberin in ihrer Sparte. Der Preis dafür ist das ständige Filmen und Zeigen ihrer beider Kinder. Doch diesen Preis zahlt sie gerne, denn alle haben ja so viel Spaß dabei. Als dann ihre kleine Tochter Kimmy beim Spielen spurlos verschwindet, kommt die ganze Tragweite der ständigen Beobachtung ans Licht.

Delphine de Vigan hat mit "Die Kinder sind Könige" ein hochaktuelles Thema aufgegriffen. Viele konsumieren den Content im Internet oder TV ohne zu hinterfragen, man lässt sich berieseln und nimmt mit großem Interesse und Sensationslust am Leben anderer Teil. Doch an die Menschen, die man dabei beobachtet, denkt man kaum. Mélanie ist getrieben von dem Drang nach Aufmerksamkeit, sie will ihrem tristen und für sie lieblosen zu Hause entkommen. Sie sehnt sich nach der Liebe von anderen und als da plötzlich Menschen sind, die ihre Videos sehen und kommentieren, sieht sie diese Liebe in greifbarer Nähe. Sie kann nicht begreifen, dass andere Menschen das nicht so sehen könnten und ist fest davon überzeugt, dass ihre Kinder das genau so sehr wollen wie sie. Schließlich ist sie eine gute Mutter die weiß was gut und richtig ist für ihre Familie.

Als Gegenstück zu ihr präsentiert de Vigan die Polizistin Clara. Sie ist weniger für die Ermittlungen zuständig als vielmehr dafür den Überblick zu behalten und die Berichte und Informationen in lückenlose und korrekte Form zu bringen. Sie sieht sich im Fall von Kimmys Verschwinden alle Posts und Videos der Familie an und kann nicht glauben, was sie sieht. Diese Welt der Zurschaustellung ist ihr unbegreiflich, sie sieht die Anzeichen bei den Kindern, die Mélanie nicht sehen will.

Ich hatte mich unglaublich auf den neuen Roman von Delphine de Vigan gefreut. Doch nun weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll. Sie kann ohne Frage sehr gut schreiben, doch der übliche Sog, den ihre Texte sonst ab der ersten Seite auf mich auswirken, blieb aus, das Interesse an der Handlung war lange Zeit sehr gering. Das liegt v. a. an den beiden Hauptfiguren, denn weder Mélanie als verzweifelte aber alles teilende Mutter noch Clara als zurückgezogen lebende Polizistin haben mir viel gegeben, ihre Charaktere haben für mich nur an der Oberfläche gekratzt. Lange Zeit liest sich dieses Buch fast wie ein Krimi, die psychologisch feinen Beobachtungen sind zwar da, doch mir fehlte die Intensität.

Diese kam erst im zweiten Teil des Buches auf, als de Vigan die beiden Kinder sprechen lässt. Es sind Jahre vergangen, die Kinder erwachsen, doch hier offenbart sich die Vergangenheit mit all ihren Folgen. Das hat mich berührt, das konnte ich erfassen, das hatte für mich das, was die Texte von Delphine de Vigan ausmacht. Nichtsdestotrotz ist "Die Kinder sind Könige" ein lesenswerter Roman, der den Blick auf ein viel zu wenig behandeltes Thema der heutigen Zeit wirft. Menschen die alles von sich teilen, die ihre Familie mit ins Rampenlicht ziehen um sich im Glanz der Aufmerksamkeit zu sonnen und dabei vielleicht das wesentliche aus den Augen verlieren. Auch, wenn mich diese Geschichte nicht so begeistern konnte, wie erhofft, zeigt de Vigan wie immer ein Gespür für die Sprache und Themen abseits des Altbekannten.

Veröffentlicht am 19.02.2022

Familiengeheimnisse

Dschinns
0

Hüseyin kam vor 30 Jahren nach Deutschland, er hat immmer hart gearbeitet um seine Familie zu ernähren und ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Jetzt möchte er sich einen lang gehegten Traum erfüllen, ...

Hüseyin kam vor 30 Jahren nach Deutschland, er hat immmer hart gearbeitet um seine Familie zu ernähren und ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Jetzt möchte er sich einen lang gehegten Traum erfüllen, eine Wohnung in Istanbul, für die Zeit der Rente, für den Lebensabend wie man so schön sagt. Alles ist bereit, er steht kurz davor, seiner Familie endlich das neue zu Hause zu zeigen. Doch dann spürt er einen stechenden Schmerz ind er Brust, ein Herzinfarkt er stirbt. Zurück bleiben seine vier Kinder und seine Ehefrau, die jetzt nach Istanbul müssen um den geliebten Ehemann und Vater zu beerdigen. Doch das ist nicht so leicht, denn die Familie ist geprägt von Spannungen zwischen den Kindern und den Eltern.

Tja, was soll ich sagen. Ich hatte mir mehr erhofft. Fatma Aydemir schildert eine Familie, die geprägt ist vom Generationenkonflikt, vom Beharren auf Traditionen, die die Kinder so nicht leben wollen. Mit überaus dichter Präzision wirft sie den Blick auf die Familienmitglieder, auf ihre Gedanken, Wünsche und Ängste. Jedes der Familienmitglieder hat seine eigene Erzählperspektive, mit der es auf sich, die Familie und das Leben im Allgemeinen blickt Dabei entstehen durchaus sehr ergreifende Bilder, die mich berührten und bewegten. Von Ümit, der sich verliebt, aber dem alle sagen, dass es eine solche Liebe nicht gibt, nicht geben darf. Von Sevda, die alles erreicht zu haben scheint, doch die alleine dasteht mit ihrem Restaurant, ihren zwei Kindern und die um jeden Preis verhindern will, dass sie wird wie ihre Mutter. Einer Mutter, der sie vieles vorwirft, einer Mutter, mit der sie sich nicht mehr annähern kann. Peri, die wegging von der Familie, aber dabei eine Liebe verloren hat und die sich jetzt sehnt nach Hingabe und Zuneigung. Hakan, der immer wieder die falschen Deals macht, die falschen Freunde hat, der mitmachen will bei den großen Jungs und dessen Part doch am unerträglichsten zu lesen war. Und natürlich ist da noch Emine, die Ehefrau und Mutter, die nie nach Deutschland wollte, die nicht nur ihre Wurzeln in der Vergangenheit zurücklassen musste. Sie hat viel verloren, doch darüber sprechen kann sie nicht, sie vergräbt es tief in sich, die Kinder liebt sie und doch ist das Verhältnis schwierig, v.a. zu Sevda, mit der sie alles schlechte verbindet.

Diese Einzelperspektiven sind gut, sie sind toll, eindringlich geschrieben, man ist hautnah dabei. Doch dann kommt der Schnitt, die nächste Persektive, und man braucht seine ganze Aufmerksamkeit um sich auf die neue Person einzustellen. Das was vorher war, verblasst dabei erschreckend schnell und man hat rückblickend das Gefühl, eigentlich doch nichts von der Person zu wissen. Als Aneinanderreihung der Perspektiven bleibt mir dieses Konstrukt zu distanziert, es sind nur Momentaufnahmen, Bilder in einem Album, die sich nicht zu etwas Ganzem verbinden. Jede der Figuren scheint isoliert zu stehen, sowohl im Buch, als auch in der Familie, ein Gespräch ist schwierig, für mich als Leserin auch. Der titelgebende Dschinn, der böse Geist, der die Menschen befällt, lauert über allem, doch spielt er im Buch selbst eher eine Nebenrolle.

Alles in allem hatte ich nach zahlreichen begeisterten Rezensionen das Buch des Jahres erwartet, doch nach der Lektüre bleibe ich etwas ratlos zurück. Die Familiengeschichte hat für mich als kurzer Blick hinter die einzelnen Kulissen begeistert, doch als Roman funktioniert es für mich nicht. Hinzu kommt leider ein mMn ziemlich klischeehafter Schluss, dessen Twist ich nicht gebraucht hätte. "Dschinns" ist ein gutes Buch, solide geschrieben, dessen Lektüre sicher nicht schadet, das mir jedoch nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.

Veröffentlicht am 14.02.2022

Zusammenkunft

Zusammenkunft
0

Eine junge namenlose Frau, schon früh wird ihr eingetrichtert, der einzige Weg nach vorne ist der Weg nach oben. Sie studiert, erarbeitet sich eine Karriere in der Bank, eine eigene Wohnung. Endlich scheint ...

Eine junge namenlose Frau, schon früh wird ihr eingetrichtert, der einzige Weg nach vorne ist der Weg nach oben. Sie studiert, erarbeitet sich eine Karriere in der Bank, eine eigene Wohnung. Endlich scheint sie angekommen zu sein, in der Familie ihres reichen Freundes, in ihrem Job bekommt sie eine Beförderung, die sie sich hart erarbeitet hat. Und doch sieht man in ihr nur die Quoten-Frau, die Quoten-Schwarze, die kurze rebellische Phase des weißen reichen Jungen. Täglich ist sie konfrontiert mit offenem oder hinter Nettigkeiten verborgenem Rassismus, mit Sexismus und mit dem Unglauben der Gesellschaft, dass eine Schwarze dazugehören könnte, dass sie nicht zur Unterschicht gehört.

Natasha Brown hat mit Zusammenkunft einen beachtlichen Text geschaffen, der trotz der Kürze messerscharf und perfekt auf den Punkt ist. Anfangs hat mich die unbenannte Protagnostin und der Textaufbau noch etwas verwirrt, doch schnell blickt man hinter die Worte und das Bild, das nach außen projiziert wird. Hinter der (teilweisen) Nüchternheit des Textes steckt eine junge Frau, die stets das getan hat, was von ihr erwartet wurde, die sich einen Platz in der Gesellschaft erarbeitet hat, um das zu würdigen, wofür ihre Vorfahren gekämpft haben. Der einzige akzeptable Weg, war der nach oben, hin zu Geld und Erfolg. Doch man spürt auch ihre Zweifel, ihre Ungewissheit, verursacht durch tägliche Anfeindungen und die Angst mit der sie morgens schon aufsteht. Angst zu versagen, Angst vor dem was sie an ihrem Arbeitsplatz erwartet, ja vielleicht sogar Angst vor dem Leben.

Als ihr Körper sich gegen sie wendet, sieht die Protagonistin eine Chance auszubrechen, sie steht vor einer Entscheidung, die all das, was sie erreicht hat, in Frage zu stellen droht, eine Entscheidung, die sie nicht treffen kann, nicht treffen will, denn auch "Nichts" ist eine Entscheidung. Diese Ungewissheit spiegelt sich auch zunehmend im Text wieder. Die einzelnen Themen verschwimmen miteinander zu einem Ganzen, zu ihrem Leben, das sie mehr und mehr in Frage stellt. Wo steht sie als Individuum in all den Erwartungen, die andere an sie haben, die Schwarze Familie, die stolz auf sie ist, der weiße privilegierte Freund, der sorgenfrei durchs Leben geht. Der sprunghafte Aufbau in "Zusammenkunft" ist auf den ersten Blick ziellos, doch auf den zweiten beschreibt er den Zwiespalt und das gedankliche Chaos, mit dem die Protagonistin ringt.

"Zusammenkunft" ist ein fragmentarischer Text, der mich doch mit jedem Wort mehr mitreißt, mehr hinführt zu dieser jungen Frau, die zerissen wird, von dem Drang aufzusteigen, auch wenn sie selbst dabei der Preis ist, den es zu zahlen gilt. Das wurde auch grandios von Jackie Thomae ins Deutsche übertragen, die es schafft, den Ton genau zu treffen und das Experimentelle des Textes zu übermitteln und zugänglich zu machen. Für alle, die die oben genannten Themen interessieren und die auch mit bruchstückhaften aber präzisen Beobachtungen und Gedankengängen zurecht kommen, sei dieses Buch sehr empfohlen!