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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.01.2017

Der Blick einer Griechin auf Deutschland und andere Nationalitäten

Möge deine Reise lang sein
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Cover:
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Das Bild mit dem schlanken Frauenkörper, die mit dem Koffer dem Sonnenschein entgegen geht, ist ein schönes Reisemotiv. Durch die Helligkeit wird man sofort aufmerksam. Die Farben ...

Cover:
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Das Bild mit dem schlanken Frauenkörper, die mit dem Koffer dem Sonnenschein entgegen geht, ist ein schönes Reisemotiv. Durch die Helligkeit wird man sofort aufmerksam. Die Farben Gelb und Schwarz spiegeln sich im Titel wieder, so dass ein harmonisches Gesamtbild entsteht. Gut aufeinander abgestimmt.

Inhalt:
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Mitte Zwanzig heiratet die Griechin Altana Filos den Mann, den sie liebt und folgt ihm nach Deutschland, ohne ein Wort deutsch zu können. Ab hier beginnt ihre Reise, die lang im Sinne von Erlebnis- und Erkenntnisreich wird. Am Ende hat sie viele Erfahrungen und Freunde, viele freudvolle, aber auch einige beängstigende Momente erlebt. Obwohl sie noch viele Länder bereist, wird und bleibt dabei Deutschland ihre 2. (Wahl)Heimat. Hier berichtet sie von dieser Reise.

Mein Eindruck:
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Die Beschreibung hat mich neugierig gemacht, besonders, da im Klappentext steht, die Erzählung sehr "humorvoll und mit viel Liebe" sei. Auch der Anfang, der mit einem Gedicht des griechischen Dichters Kavafis beginnt, gefiel mir sehr gut. In diesem wird auf poetische Weise erklärt, warum die Reise lang (d. h. erlebnisreich) sein soll und dass der Weg als Ziel wichtiger ist als das eigentliche Ziel. Schön ist auch, dass Passagen des Gedichtes passend zu den Abschnitten wieder zitiert werden. Die Abschnitte sind dabei unterteilt in die einzelnen Wohnorte und geben dem Buch somit eine gute Struktur.

Die Autorin hat wirklich vieles erlebt und vor allem viele Kontakte und Freundschaften auf ihrer Lebensreise geknüpft. Dies und vor allem die Tatsache, dass viele der Freunde aus verschiedenen Ländern abstammen, machen das Buch zu einem bunten und unterhaltsamen Sammelsurium von Geschichte und Geschichten aller Nationalitäten. Man erfährt dabei viel über die in Deutschland eher totgeschwiegene Besetzung der Deutschen in Griechenland, griechische Traditionen im allgemeinen, aber auch viel darüber, wie in anderen Ländern gelebt und gekocht wird. Zentrale Themen sind dabei stets Sprache, Literatur, Historie sowie das Essen, das bei ihr fast immer eine Rolle beim Kennenlernen von Menschen spielt.
Neben den Geschichten der anderen Leute bekommt man natürlich auch Einblick in die Weiterentwicklung der Autorin und ihrer eigenen Familie. Besonders spannend fand ich dabei die "Insiderberichte" ihrer privaten und beruflichen Umstände in Straßburg, da man hiervon eher selten etwas mitbekommt.

Von der Themen- und Geschichtenvielfalt her, war es ein interessantes und sehr lehrreiches Buch für mich. Leider fand ich die Art, wie das Buch geschrieben wurde, auf Dauer sehr anstrengend und teilweise unbefriedigend. Die Autorin springt öfter innerhalb der Zeit hin und her bzw. schweift des öfteren ab, bis sie irgendwann langsam den Ausgangspunkt wiederfindet. Des Weiteren kam es mir vor, dass sie alle Bekannten und Freunde mit aller Gewalt in dem Buch unterbringen wollte. Auf diese Weise wurde es stellenweise eine reine Aufzählung von Erlebnissen, die ohne große Überleitung hintereinander folgten. Aufgrund der Kürze der einzelnen Erlebnisse wurde der Tiefgang leider vernachlässigt. Oft hatte ich gerade rein gefunden und hätte noch gerne mehr über diese Person gelesen oder über die Gefühle, die zu dem Zeitpunkt in der Autorin vorgingen, doch es kam nichts mehr. Es war vor allem ein "Bunch of Faces" (Titel einer Kunstausstellung ihrer Freundin), das sie hier präsentierte. Das Thema Glaube wird hier leider nur angerissen. Man erfährt einiges über die Traditionen der griechisch-orthodoxen Kirche und dass die Autorin ab und an betet. Aber auch das wird nicht weit ausgeführt und das, was die Autorin tief bewegt, kommt nicht wirklich beim Leser an.
Was mich auch gestört hat, sind die verhältnismäßig vielen Ausrufezeichen an Stellen, an denen ich sie als übertrieben empfunden habe. Insgesamt hat das Buch mich durch einiges Wissenswerte bereichert und hat mir viele Denkanstöße geliefert. Es konnte mich jedoch nicht packen und tiefer berühren. Dies finde ich sehr schade, da mir die positive Einstellung der Autorin imponiert und ich glaube, dass sie viel zu sagen hat. Aber sie hätte lieber weniger Erlebnisse, dafür diese tiefgehender schildern sollen.

Fazit:
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Ein Sammelsurium von Erlebnissen und Anekdoten einer Griechin - lehrreich, voller Denkanstöße, bei dem der Tiefgang leider oft auf der Strecke bleibt

Veröffentlicht am 05.01.2017

Erste Bibelgeschichten für Kinder ab 3 Jahren

Meine Vorlesebibel
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Cover und Gestaltung:
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Das Cover der Noah-Geschichte ist ein Klassiker für Kinderbibeln und kommt auch hier gut an. Die Tiere, aber auch die schönen bunten Farben sprechen die ...

Cover und Gestaltung:
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Das Cover der Noah-Geschichte ist ein Klassiker für Kinderbibeln und kommt auch hier gut an. Die Tiere, aber auch die schönen bunten Farben sprechen die Kleinen sofort an.
Neben dem ansprechenden Titelbild ist das Buch als Hardcover mit stabilen Seiten aufgebaut, so dass Kinder gut selber darin blättern können, ohne dass es Schaden nimmt. Die Größe des Buches, aber auch die der Schrift, ist optimal zum Vorlesen. Die gesamte Gestaltung ist daher perfekt für kleine Kinder.

Inhalt:
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Exemplarisch wurde für Kinder eine Auswahl von 10 wichtigen, "klassischen" Bibelgeschichten aus dem alten und neuen Testament getroffen:

1) Noah
2) Josua
3) David
4) Jona
5) Daniel
6) Jesus wird geboren
7) Der Sturm auf dem See
8) Das Loch im Dach
9) Der gute Samariter
10) Das verlorene Schaf

Mein Eindruck:
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Passend zur Altersempfehlung habe ich das Buch mit meiner 3jährigen Tochter gelesen. Die großen, bunten Grafiken haben ihr sofort zugesagt. Es gab viel zu sehen und zu entdecken und die Geschichten werden für die Kinder so richtig lebendig.
Schön waren auch die recht vereinfachten und daher kurzen Texte, die gespickt waren mit Tiergeräuschen und anderen Geräuschen und so ein sehr lebendiges Vorlesen ermöglichten, das uns beiden Spaß gemacht hat.
Das Wesentliche der Geschichten wurde den Kindern nahegebracht, allerdings sollte man nach dem Vorlesen das Gehörte mit dem Kind besprechen und einige Dinge nochmal erklären.
Mir als vorlesende Person fiel dabei auf, dass ich das Ende oft als sehr abrupt empfunden habe. Ein bis zwei kurze, erklärende Sätze im Nachgang jeder Geschichte, hätte ich sehr gut gefunden. Vor allem für Eltern, die nicht so bibelfest sind, hätte ein kurzer Memokasten mit Fragen zur Diskussionsanregung eine wertvolle Hilfe sein können.
Dennoch ist das Buch ein schöner Einstieg in die Welt der Bibel, das vor allem wegen der tollen Illustrationen Kinder und Vorleser gleichermaßen packt und mitnimmt.

Fazit:
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Schöne Bilder, kurze, verständliche Texte, die Kindern ab 3 Jahre die Faszination der Bibel vermitteln

Veröffentlicht am 05.01.2017

Den Glauben wieder mehr in der Kirche leben

Es ist kompliziert
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Cover:
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Die Kirchenkuppel in Kombination mit dem gekreuzigten Jesus und den fett gedruckten Titelbuchstaben "es ist" und weniger fett "kompliziert" machen dem Betrachter gleich klar, dass ...

Cover:
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Die Kirchenkuppel in Kombination mit dem gekreuzigten Jesus und den fett gedruckten Titelbuchstaben "es ist" und weniger fett "kompliziert" machen dem Betrachter gleich klar, dass es um die Infragestellung der Kirche, der Glaubenssuche und damit verbundenen Zweifel geht.
Allerdings wirkt das Buch durch den starken Kirchenfokus sehr fromm und ich bezweifele, ob die Zielgruppe der Glaubenszweifler sich dadurch angesprochen gefühlt hätte. Auf den ersten Blick wirkt es auf mich eher wie ein theologisches Lehrbuch. Das amerikanische Cover sowie den Originaltitel "Searching for Sunday - loving, leaving and finding the church" finde ich passender. Die dort abgebildete, weiter entfernte Kirche ist symbolisch für die gefühlte Entfernung von der Kirche und der deutsche Titel wird dem englischen nicht ganz gerecht. Für mich wäre das Originalcover mit wortgetreuer Übersetzung besser gewesen. Trotzdem sprang mir das Buch ins Auge.

Inhalt:
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Rachel Held Evans, Jahrgang 1981, wuchs in einer gläubigen Familie auf, bekam Glauben mit in die Wiege gelegt. Doch wie viele, besonders junge Leute begann sie, kritische Fragen zu stellen über die Auslegung der Bibel, die Art, wie der Glaube in ihrer Gemeinde gelebt wird. Doch sie stößt auf Widerstand; Kritiker, aber auch Menschen, die nicht "würdig" genug erscheinen, sind unbequem, oft nicht erwünscht. Diese Erfahrung treibt sie zunächst von der Kirche weg, der Sonntagsgottesdienst fällt aus, sie findet keine zu ihr passende Gemeinde. Doch sie will ihren Glauben nicht aufgeben und begibt sich erneut auf die Suche nach einem passenden Sonntagsgottesdienst (daher "Searching for Sunday"). Sie wird sogar Mitbegründerin einer neuen Gemeinde, die sich nach kurzer Zeit jedoch wieder auflöst. Auf dieser Glaubensreise lernt sie viele verschiedene Gläubige und Glaubensgemeinschaften kennen und nähert sich der Frage, warum viele, vor allem aus ihrer Generation, sich mit Kirche so schwer tun und liefert viele wertvolle Denkanstöße, was Glauben eigentlich ausmacht und wie Menschen wieder zum Glauben gebracht werden können.

Mein Eindruck:
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Wer kennt das nicht: Kirche ist irgendwie uncool geworden, viele fühlen sich durch bestimmte Dogmen und Traditionen abgestoßen oder treten aus der Kirche aus, weil sie das Gefühl haben oder eingeredet bekommen, sie seien nicht würdig genug, Teil ihrer Gemeinschaft zu sein. Dazu gehören viele Randgruppen wie Homosexuelle, Ehebrecher, Prostituierte und Straftäter, aber auch Jugendliche, die das Gefühl haben, dass Kirche weltfremd sei, denen Kirche nicht vermitteln kann, dass Gott auch in unserem heutigen Leben wichtig ist und was die Bibel uns für unser modernes Leben lehren kann. In meinem Bekanntenkreis gibt es viele, die aus Gründen von Ausgrenzungserfahrungen in der Gemeinde der Kirche ganz fern geblieben, gar ausgetreten sind. Ich selber habe mir oft ebenso kritische Fragen wie die Autorin gestellt und wie sie, allerdings auf anderem Reiseweg, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es a) "die Kirche" nicht gibt, sondern vielmehr viele unterschiedliche Glaubensgemeinschaften mit dem gemeinsamen Ziel, Gott dienen zu wollen, und b) auch wenn man mit einigen Dingen der eigenen Glaubensgemeinschaft nicht einverstanden ist, kann und sollte man dennoch am Glauben an Gott festhalten.

Die Autorin bringt es für mich schön auf den Punkt, wenn sie sagt:
"Aber das Evangelium braucht keinen Bund mit dem Ziel, die falschen Leute draußen zu halten. Es braucht eine Familie aus Sündern, gerettet durch Gnade, die sich dazu verpflichtet, die Mauern einzureißen, die Türen zu öffnen und zu rufen: 'Willkommen! Es gibt Brot und Wein. Kommt, esst und redet mit uns.' Das Reich Gottes ist kein Königreich für die Würdigen, es ist ein Königreich für die Hungrigen."(S. 216)

Mich hat das Buch gefesselt und inspiriert gleichermaßen, denn die Autorin beschreibt ihre Glaubensreise zum einen in einer Sprache, die flüssig und leicht verständlich daher kommt, immer locker und manchmal mit einem Ticken Humor, nie aber respektlos oder pöbelhaft. Ich konnte mich gut mit ihr identifizieren und ihre Erfahrungen und die Schlüsse, die sie daraus zieht, haben mir oft neue Sichtweisen auf diverse Themen beschert. Gegliedert ist das Buch in die Abschnitte Taufe, Beichte, Weihe, Abendmahl, Konfirmation, Krankensalbung, und Ehe und in jedem Abschnitt geben einzelne Kapitel teils autobiographische Erlebnisse wieder, teils greift sie auf die Meinungen Anderer zurück, so dass eine bunte Mischung aus Blogeinträgen, Interviews und Bücherzitaten sich harmonisch zu einem guten Gesamtbild ergänzen. Jedes Kapitel wird durch ein passendes Zitat eingeleitet, was mir als Einstimmung sehr gut gefiel.

Alles in allem habe ich sehr viel aus dem Buch für mich mitgenommen und ich empfehle es jedem, der sich als Christ empfindet, in der Kirche aber nicht (mehr) wohl fühlt.
Es bietet gute Denkanstöße, die Institution Kirche mit anderen Augen zu sehen und vor allem Anregungen, den Glauben wieder mehr im Alltag zu leben, denn:

"Die Kirche ist nicht eine Gemeinschaft, der du dich anschließt, oder ein Ort, an dem du ankommst. Kirche ist das, was passiert, wenn dir jemand auf die Schulter tippt und dir ins Ohr flüstert: Pass auf, das hier ist heiliger Boden. Gott ist hier." (S.346)

Fazit:
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Inspirierende Gedanken und wertvolle Anregungen, warum Kirche Mitglieder verliert und wie man dies ändern könnte - Ein Plädoyer für mehr lebendigen Glauben!

Veröffentlicht am 04.01.2017

Ungewöhnliche Form eines Tagebuchs

Heute
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Cover:
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Das Cover wirkte auf mich irgendwie nichtssagend, irgendwie auch altmodisch. Vielleicht ist es symbolisch gemeint für den Alltag/das Tagesgeschäft, um zu sagen, dass das Leben eben ...

Cover:
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Das Cover wirkte auf mich irgendwie nichtssagend, irgendwie auch altmodisch. Vielleicht ist es symbolisch gemeint für den Alltag/das Tagesgeschäft, um zu sagen, dass das Leben eben einfach so ist, wie es kommt und nicht irgendwas Außergewöhnliches sein muss?
Das Originalcover sowie der englische Titel "The Folded Clock: A Diary" fand ich aussagekräftiger. Unter einem Tagebuch kann sich jeder etwas vorstellen und es passt auch besser zum Thema. Der deutsche Titel samt Cover halte ich daher für nicht sehr gelungen.

Inhalt:
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In Tagebucheinträgen, die nicht chronologisch angeordnet sind, lässt die Autorin ihre alltäglichen Erlebnisse und Gedanken Revue passieren. Dabei sind schwanken ihre Schilderungen von schrägen und skurrilen Erlebnissen bis hin zu sehr philosophischen Gedanken.

Mein Eindruck:
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Eins vorweg: Während ich mit dem deutschen Titel nichts anfangen konnte, hat mich vorwiegend der englische Titel dazu bewogen, dieses Buch lesen zu wollen. Ich liebe Tagebücher, anhand derer man auch meist die persönliche Entwicklung des Schreibers nachvollziehen kann. Zudem versprach der Klappentext kurzweilige und humorvolle Unterhaltung.
Dies ist hier jedoch nicht ganz der Fall. Das liegt zum einen an der nicht chronologischen Reihenfolge der Einträge, die mich jedoch kaum gestört hat, da die Kapitel selten auf einander verweisen, sondern in sich geschlossene Geschichten darstellen. Zum anderen sind die hier geschilderten Erlebnisse oft so überzogen oder gar künstlerisch abstrakt geschrieben, dass man als Leser schwer folgen konnte.

Eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben, fiel mir sehr schwer, da es Passagen gab, die mich absolut begeistert haben, dann wieder Passagen, mit denen ich gar nichts anfangen konnte, weil ich das Gefühl hatte, dass ich das Denken und Handeln der Autorin absolut nicht verstehe.
Am Anfang, besonders die ersten 30 Seiten habe ich mit dem Abbrechen gekämpft. Später war ich jedoch ganz froh, weitergelesen zu haben. Der Stil ist sehr gewöhnungsbedürftig. Die Autorin schreibt lange, verschachtelte Sätze, kommt öfter vom "Hölzchen aufs Stöckchen" und verzettelt sich, so dass ein gedankliches Folgen schwierig ist. Das sagt sie sogar in ihrem Buch selbst: "Als Schriftstellerin habe ich missverstanden, wie man Worte gebraucht. Ich schreibe zu viel. Ich schreibe so, wie manche Leute reden, um die Stille zu füllen." (S. 14)

Doch nach kurzer Zeit hatte ich mich daran gewöhnt und konnte mich vollkommen auf den Inhalt einlassen. Insgesamt wirkte die Autorin sehr neurotisch auf mich und hat einige extreme Komplexe, was zu sehr amüsanten Szenen führt, mir teilweise aber auch auf die Nerven ging. Auf der einen Seite hat sie eine sehr genaue Beobachtungsgabe und erscheint mir wie eine Art weiblicher Seinfeld, wenn sie z. B. schreibt "Männer wollen eine Beziehung, aber Frauen erwarten eine Welt." (S. 99) Wie wahr!

Und als zweites gefiel mir noch: "Es schien keine Möglichkeit zu geben, die Sache richtig zu stellen, ohne dass es sehr peinlich wurde oder sogar beleidigend. [...] Ab einem gewissen Punkt scheint es höflicher zu sein, einfach die Person zu werden, für die die Menschen dich ohnehin halten." (S. 134).

Solche Zitate waren meine Lesehighlights, von denen ich gezehrt habe, während andere Abschnitte leider so gar nicht meins waren, in denen sie bestimmte Schimpfworte zu häufig gebrauchte, ihre Neurosen für meinen Geschmack zu stark in den Vordergrund rückte oder darüber schrieb, wie sie auf recht fiese Art einen Mann abserviert hat. Doch dann kommen wieder einige höchst tiefsinnige Bemerkungen, wie z. B. die Szene, in dem sie ihr Ehegelübde mit dem Steinfundament ihrer Scheune vergleicht: "Diese Konstruktion ist unfassbar; sie ist ein wunderschönes Rätsel. Unsere Scheune brauchte diese Steine nicht mehr - wenn sie Sie überhaupt je brauchte." (S. 2015f.) Oder: "Verlust kann, solange es sich um Dinge handelt, als Chance verstanden werden. Weil ich meinen Pass verlor, sind wir nicht in der Sahara gestorben..." (S. 243)

Dieses Buch hat mich nicht wirklich gepackt, ich konnte es getrost zwischendurch mal weglegen. Zwischendurch gab es einige Zitate, die mich sehr ansprachen, während ich den Rest eher überflogen habe. Letztendlich blieb für mich die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Für mich symbolisierte der nicht erkennbare rote Faden im Buch die Aussage: das Leben verläuft nicht gradlinig, nach einem nachvollziehbaren roten Faden, sondern auf und ab und für uns scheinbar manchmal total chaotisch. Es gab absolute Highlights, vollkommene (Lese)Tiefs und dahinplätschernde Berichterstattungen in diesem Buch - eben wie im Leben.

Fazit:
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Ein Mischmasch aus philosophischen und humoristischen Erlebnissen gepaart mit nervig ausschweifenden und teils nichtssagenden Berichten - regt aber stellenweise zum Nachdenken an

Veröffentlicht am 23.12.2016

Aufrüttelndes Buch über Menschenhandel mitten unter uns

Der verdrängte Skandal
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Cover:
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Das Cover passt gut zum Inhalt: Rot wie die Liebe, Schwarz für das Dunkle/Bedrohliche. Ein Herz mit Gittern, die eingesperrte "Liebe". Oder anders formuliert: Der moderne Sklavenhandel ...

Cover:
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Das Cover passt gut zum Inhalt: Rot wie die Liebe, Schwarz für das Dunkle/Bedrohliche. Ein Herz mit Gittern, die eingesperrte "Liebe". Oder anders formuliert: Der moderne Sklavenhandel findet leider vorwiegend im Sexgewerbe statt und was Liebe vorgaukelt, wird für die betroffenen, versklavten Menschen zum Gefängnis, einer Hölle, der sie nur schwer entkommen können. Das Cover macht aufmerksam und passt von der Symbolik her gut zum Thema.

Inhalt:
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Wer glaubt, dass die Zeit der Sklaven vorbei ist, irrt. Im Gegenteil: der Handel mit Ihnen findet mitten unter uns, auch in Deutschland statt, nur in einer moderneren Form von Menschenhandel. Alleine die Schätzung von 10.000-20.000 Opfern im Jahr 1998 ist erschreckend. Doch die Dunkelziffer ist bedeutend höher, da viele Fälle aus Angst nicht gemeldet werden. In diesem Buch wird ein aktuelles Spiegelbild der Lage gegeben in Form von Berichten von Betroffenen, Kurzvorstellungen und Erlebnisberichten von helfenden Organisationen auf dem Gebiet. Last, but not least wird auch ein Überblick über die Gesetzeslage in dem Bereich gegeben und die dabei entstehenden Probleme für Betroffene und Helfer aufgezeigt bzw. auch Anregungen geschaffen, was verbessert werden kann.

Mein Eindruck:
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Dieses Buch hat mich sofort neugierig gemacht. Von dem Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution hatte ich schon gehört, auch in vielen Krimis kommt dieses Thema ja immer wieder mal vor. Allerdings war mir bisher nicht bewusst, welche Ausmaße dieses Thema annehmen kann und was in den Medien Fiktion und Übertreibung ist und wie weit das Grauen für viele Opfer wirklich geht. Dieses Buch hat mir gezeigt: das Leid der Opfer geht noch viel weiter, als es das Fernsehen jemals darstellen könnte. Die Berichte der betroffenen Frauen haben mich schockiert. Bei vielen Berichten habe ich mich gefragt, wie sie es geschafft haben, den nächsten Tag zu überstehen und wie sie es überhaupt schaffen, das Leid solange auszuhalten. Die Geschichten konnte ich nur sehr langsam verdauen, weshalb das Buch mehr Lesezeit gebraucht hat, als ich ursprünglich annahm. Besonders fasziniert aber war ich von den Erlebnisberichten der Organisationshelfer, die unermüdlich jeden Tag auf der Suche nach Opfern sind und Wege suchen, ihnen zu helfen. In einigen Fällen sogar sehr erfolgreich, einige Frauen haben es geschafft, eine reguläre Arbeit zu finden und ihre Traumata zu verarbeiten, um wieder positiv in die Zukunft blicken zu können. Diese Berichte haben mich sehr mit Hoffnung erfüllt und gezeigt: es lohnt sich, nicht wegzuschauen!
In dem Buch wird auch davon berichtet, mit welch fiesen Tricks die Menschenhändler arbeiten, um ihre Opfer in die Falle zu locken. Dies war sehr aufschlussreich für mich und erschreckend zugleich. Denn sie haben gezeigt, dass die Opfer nicht so naiv sind, wie man klischeehaft annehmen würde. Einige wurden sogar von Familienmitgliedern verraten und verkauft, im wahrsten Sinne des Wortes. Das hat mich sehr erschüttert.
Gut gefallen hat mir der gesetzliche Lagebericht, anhand dessen die Berichte mit Zahlen und Fakten untermauert wurden. Ebenso informativ war die Analyse des geänderten Prostitutionsgesetzes und die Darlegung, dass es die Lage kaum verbessert, eher verschlimmert hat. Darüber habe ich vorher nicht nachgedacht und ich sah unsere Gesetzgebung mal wieder in einem ganz anderen Licht.
Alles in Allem ist dieses Buch sehr informativ und erschütternd zugleich. Die Daten, Fakten und Erzählungen sprechen für sich und werden durch passende Fotos dem Leser visuell vor Augen geführt. Sie geben meines Erachtens ein realistisches Bild eines Straftatbereiches wieder, der in den Medien nur verzerrt wiedergegeben wird. Daher kann ich jedem ans Herz legen, dieses Buch zu lesen.

Fazit:
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Gut recherchiert und dargelegt, erschütternd und ermutigend zugleich, klare Leseempfehlung!