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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.10.2022

Ausufernd durcheinander

Lektionen
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Der Roman beginnt 1986. Die Story wird nach und nach klar. Von 1986 ausgehend erfahren wir etwas über den Lebensweg von Roland Baines. Er wird mit 11 Jahren von seinen Eltern auf ein Internat nach England ...

Der Roman beginnt 1986. Die Story wird nach und nach klar. Von 1986 ausgehend erfahren wir etwas über den Lebensweg von Roland Baines. Er wird mit 11 Jahren von seinen Eltern auf ein Internat nach England geschickt. Sein Vater ist zu der Zeit Armeeoffizier in Libyen. Roland wäre lieber in Libyen und bei seiner Mutter geblieben. Mit 14 Jahren wird er von seiner Klavierlehrerin verführt. Es entwickelt sich zwischen den beiden ein längeres intimes Verhältnis, das Roland sein ganzes weiteres Leben lang beeinflusst.

Jan McEwan ist ein Star in der Literatur Scene. Deshalb hatte ich mit großen Erwartungen diesen Roman begonnen. Doch beinahe hätte ich das Buch nach hundert Seiten beiseite gelegt. Die Chance auf hundert Seiten bekommt bei mir jedes Buch.

McEwan kann mit Sprache umgehen. Aber muss das dazu führen, dass er immer wieder äußerst lange komplizierte Satzkonstruktionen verwendet, die das flüssige Lesen behindern, auch wenn sie grammatisch vollkommen in Ordnung sind.

Der Aufbau des Romans ist sehr verschachtelt. Von 1986 aus geht es immer wieder zurück zu verschiedenen Episoden in der Vergangenheit. Dann entwickelt sich die Handlung nach 1986 weiter. Auch dabei geht es immer wieder zurück in die Vergangenheit. Ein solcher Aufbau ist legitim. Aber muss das so sein, dass man sich ohne jeden weiteren Hinweis von einem Satz zum nächsten plötzlich in einer ganz anderen Zeit befindet? Na ja, immerhin hat McEwan einen Absatz dazwischen gemacht.

Philosophische Reflektionen zwischendurch sagen einiges zur inneren Entwicklung und Haltung Rolands aus. Aber muss das so ausgebreitet werden? Weniger wäre da mehr gewesen. Weniger hätte mehr verdeutlicht.

Ich hatte von McEwan jedenfalls eine Leserfreundlicheres Buch erwartet.

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Veröffentlicht am 14.09.2022

Bann

Bullauge
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Er zieht die Leserin oder den Leser in seinen Bann. Da merkt man den Altmeister Friedrich Ani. Das Buch ist als Roman gekennzeichnet nicht als Kriminalroman. Der kriminelle Aspekt steht bei Ani im Hintergrund. ...

Er zieht die Leserin oder den Leser in seinen Bann. Da merkt man den Altmeister Friedrich Ani. Das Buch ist als Roman gekennzeichnet nicht als Kriminalroman. Der kriminelle Aspekt steht bei Ani im Hintergrund. Im Vordergrund steht vor allem die innere Verfassung seiner Figuren.

Da sind die beiden Hauptfiguren Kay Oleander und Silvia Glaser. Polizist Oleander wurde bei einer Demo an einem Auge verletzt, so dass er jetzt auf dem Auge blind ist. Glaser steht im Verdacht, bei der Demo die Flasche geworfen zu haben, durch die Oleander verletzt wurde.

Eine rechtsradikale Partei und eine Gruppe von Querdenkern spielen eine Rolle. Oleander, eigentlich vom Dienst beurlaubt, hat den Verdacht, dass ein Anschlag geplant ist, und ermittelt trotz der Beurlaubung.

Der Roman lebt von Schilderungen, die das sogenannte echte Leben zeigen. Lebensechte Gespräche gehen in ausführliche Monologe über. Die Typen, die Ani beschreibt, sind aus dem Leben gegriffen.

Ein Roman, den man lesen sollte.

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Veröffentlicht am 05.09.2022

Raffinierte Idee

Stille blutet
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Das ist eine raffinierte Idee, die Ursula Poznanzki da gehabt hat. Die Nachrichtensprecherin Nadine Just trägt unfreiwillig die Ankündigung ihres Todes während einer Nachrichtensendung vor. Kurz danach ...

Das ist eine raffinierte Idee, die Ursula Poznanzki da gehabt hat. Die Nachrichtensprecherin Nadine Just trägt unfreiwillig die Ankündigung ihres Todes während einer Nachrichtensendung vor. Kurz danach wird sie tatsächlich ermordet. Weitere Morde nach ähnlichem Schema folgen.

Der vorliegende Roman ist der Auftakt zu einer neuen Reihe um die Ermittlerin Fina Plank. Fina hat vor allem gegen den eigenen Kollegen Oliver zu kämpfen, der ihr durch Geringschätzung und oft beißenden Spott das Leben schwer macht. Mal abwarten, wie sich das in den folgenden Bänden entwickelt.

Poznanzki kann so schreiben, dass man ihre Bücher leicht lesen kann. Bei diesem Buch hatte ich zu Beginn etwas Schwierigkeiten, den Überblick über die handelnden Personen zu behalten. Nach einiger Zeit hatte ich mich dann hineingefunden.

Was mich etwas irritierte, ist eine geheimnisvolle Figur, die immer wieder in eigenen Kapiteln den Verlauf unterbricht und einen Mord ankündigt, indem er die Leserin oder den Leser wie einen Vertrauten anspricht und ihm geheimnisvolle Hinweise gibt. Ich habe das so verstanden, dass dieser Teil des Romans als Cliffhänger für den nächsten Band gedacht ist? Eine Angewohnheit von manchen Schriftstellen, die ich gar nicht gern habe.

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Veröffentlicht am 29.08.2022

Aufklärung nach 40 Jahren

Die Vergessene
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Emily Vaughn ist schwanger und wird nach dem Besuch des Abschlussballs der Highschool ermordet. Einige Zeit vorher hatte Emily an einer Fete teilgenommen, wo auch Drogen konsumiert wurden. Jemand hat an ...

Emily Vaughn ist schwanger und wird nach dem Besuch des Abschlussballs der Highschool ermordet. Einige Zeit vorher hatte Emily an einer Fete teilgenommen, wo auch Drogen konsumiert wurden. Jemand hat an diesem Abend ihren Zustand ausgenutzt und sie vergewaltigt. Emily kann sich allerdings nicht daran erinnern.

Erst 40 Jahre später wird der Fall wieder aktuell, als sich Marshal Andrea Oliver darum kümmert. dieser Roman ist also eine Wiederbegegnung mit Andrea Oliver nach dem Roman "Ein Teil von ihr".

Karin Slaughter schreibt auf routinierte Art. Sie hat entsprechend Erfahrung. Im Laufe des Romans wird kontinuierlich Spannung aufgebaut. Immer mal wieder wird ein bisschen aufgeklärt. Aber bis zur endgültigen Aufklärung muss man natürlich bis zum Schluss warten.

Slaughter wechselt immer wieder die Zeitebenen zwischen 40 Jahre zuvor und heute. Die Kapitel, die sich mit der Zeit vor 40 Jahren beschäftigen, sind entsprechend gekennzeichnet. Die nicht gekennzeichneten Kapitel und Abschnitte beziehen sich auf die Gegenwart.

Der Roman ist leicht zu lesen. Nur, was die Namen der handelnden Personen betrifft, macht Slaughter das so, wie ich es mehrfach in letzter Zeit in Romanen angetroffen habe. Sie wechselt gern zwischen Vornamen, Nachnamen und Spitznamen. Man braucht eine gewisse Zeit, bis man sich da zurecht gefunden hat.

Alles in allem ein solider Roman.

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Veröffentlicht am 24.08.2022

Erzählung unter Freunden

Isidor
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Shelly Kupferberg hat das Leben von Isidor, ihrem Urgroßonkel, recherchiert. Isidor heißt eigentlich Isaak und stammt aus armen Verhältnisses in Galizien. Sein Vater war jüdischer Gelehrter ohne Einkommen. ...

Shelly Kupferberg hat das Leben von Isidor, ihrem Urgroßonkel, recherchiert. Isidor heißt eigentlich Isaak und stammt aus armen Verhältnisses in Galizien. Sein Vater war jüdischer Gelehrter ohne Einkommen. Der Lebensunterhalt für die Familie wird durch die Mutter, die sich als Tagelöhnerin verdingte, aufgebracht. Isaak und seine 4 Geschwister zieht es weg aus diesen ärmlichen Verhältnissen nach Wien. Isaak nimmt dort den Namen Isidor an. Er ist in Wien sehr erfolgreich. Nach eignen Jahren ist er äußerst vermögend und zum Kommerzialrat aufgestiegen.

Isidor glaubt, dass die antisemitischen Erscheinungen in Österreich ein vorübergehendes Phänomen sind und man ihm auf Grund seiner Stellung nichts anhaben könne. Das erweist sich als Trugschluss.

Kupferberg hat sich sehr in die Materie hineingekniet. Man ahnt, wie viele Quellen sie überprüft hat. Eine ungeheure Fleißarbeit. Im Nachwort und im angehängten Interview wird das etwas deutlich.

Kupferberg schreibt so, dass man sich gleich bei ihr heimisch fühlt. Wie eine Erzählung bei einem netten Treffen unter Freunden kommt mir dieses Buch vor.

Obwohl sie von ungeheurem Leid, dass die Juden in Wien erfahren mussten, berichtet, bleibt sie doch in ihrer Wortwahl recht neutral und wirkt dadurch um so glaubwürdiger.

Man fragt sich oft, warum viele Juden bei den ersten Anzeichen nicht geflohen sind sondern ausgeharrt haben, bis es zu spät war. Aus unserer heutigen Sicht erscheint uns das unverständlich. In diesem Buch wird es recht klar.

Das Cover fand ich zunächst etwas rätselhaft. Nach der Lektüre muss ich sagen, es ist einfach phänomenal. Jetzt weiß ich auch, was das Reh in der leeren Zimmerflucht zu suchen hat. Aber das will ich hier nicht spoilern sondern der eigenen Lektüre überlassen.

Ein bemerkenswertes Buch und eine unbedingte Lese Empfehlung.

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