Spannende Idee, nicht optimal ausgeführt
Die Kinder sind KönigeKimmy und Sammy sind ganz normale 6- und 8jährige Geschwister, eigentlich, denn normal ist nichts im Leben der Kinder. Die beiden sind immer auf Sendung, jeder Moment der Freude oder Trauer wird mit der ...
Kimmy und Sammy sind ganz normale 6- und 8jährige Geschwister, eigentlich, denn normal ist nichts im Leben der Kinder. Die beiden sind immer auf Sendung, jeder Moment der Freude oder Trauer wird mit der Community von „Happy Récré“ geteilt, mit „den Lieben da draußen“. Ihre Mutter Mélanie träumt von der großen Berühmtheit seit sie als junges Mädchen gebannt die erste Staffel „Big Brother“ verfolgte, die Geburt der Realiyshows. Man soll sich an sie erinnern und das wird man auch, denn ihr YouTube-Kanal ist so erfolgreich wie kein anderer, ihre Familie vielleicht die Bekannteste in ganz Frankreich. In einer Welt, in der sie Königin sein wollte, macht sie ihre Kinder zu Königen. Doch dann verschwindet die kleine Kimmy plötzlich beim Spielen und während der größte Alptraum über der Familie hereinbricht, sieht die Ermittlerin Clara sich mit gänzlich neuen Herausforderungen konfrontiert. Denn wie findet man ein Kind, das die ganze Welt kennt, über das jeder alles zu wissen scheint?
Ich kannte bisher „Loyalitäten“ und „Dankbarkeiten“ von Delphine de Vigan und beide Bücher sind absolut großartig, sehr feinfühlig und authentisch. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an „Die Kinder sind Könige“, welche leider nicht erfüllt wurden. Die Autorin nimmt sich eines hochaktuellen Themas an und verheddert sich dann für mein Gefühl in der Ausführung, verliert den Fokus und damit auch den Spannungsbogen. Was als Kriminalgeschichte mit hohem psychologischen Potenzial beginnt (die sich aber leider halbherzig in Luft auflöst), endet in einer recht abstrusen und stark überzeichneten Familientragödie. Die Autorin beschreibt hier eine Frau, die für den Fame bereit ist alles zu opfern und selbst dann nicht aufhört, als sie im Begriff ist, ihre Kinder zu verlieren. Ich hätte mir hier mehr Fingerspitzengefühl und Raffinesse gewünscht, eine weniger klischeehafte, plakative Plot- und Figurenentwicklung. Die Autorin überlässt nichts den Lesenden, aus jeder Zeile trieft das Grauen und die Gefahren der virtuellen Welt, fast mutet es wie eine Karikatur an. Vielleicht ist genau diese Überspitzung ob der Brisanz des Themas gewollt, mich hat sie leider auf Distanz gehalten.
Aus dem Französischen übersetzt von Doris Heinemann.