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Veröffentlicht am 15.08.2023

Wunderbar und einfühlsam

Kontur eines Lebens
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Frieda ist 81 und gerade Witwe geworden. Nie hätte sie damit gerechnet, dass ihr geliebter Louis vor ihr geht. Nun steht sie allein da, kann dir Aufgaben die ihr Mann bis dato erfüllt hat nicht selbst ...

Frieda ist 81 und gerade Witwe geworden. Nie hätte sie damit gerechnet, dass ihr geliebter Louis vor ihr geht. Nun steht sie allein da, kann dir Aufgaben die ihr Mann bis dato erfüllt hat nicht selbst wahrnehmen und so zieht sie ins Altersheim.
Aber nicht nur die neue Umgebung macht ihr zu schaffen, auch jahrzehntelang verdrängte Erinnerungen treten zu Tage und machen ihr das Leben schwer.
In jungen Jahren war sie schwanger, durfte sich aber nie um ihr Kind kümmern. Auch den Vater hat sie nie wieder gesehen und es lässt ihr keine Ruhe, sodass sie sich, mit Hilfe ihres Sohnes, auf die Suche macht.
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Jaap Robben geht auf sehr einfühlsame Weise auf ein Thema ein, dass wenig bekannt ist und lange totgeschwiegen wurde. Es geht um den Umgang mit Totgeburten in der Nachkriegszeit. Auch Schwangerschaften außerhalb einer Ehe und Mütterheime werden beleuchtet und es ist ein ums andere Mal unfassbar so etwas zu lesen.
Dies alles wird auf wunderbare Weise an der Geschichte von Frieda erzählt, die wir auf zwei Zeitstrahlen verfolgen. Friedas Geschichte ist nur eine von vielen, zeigt aber das Schicksal vieler junger Mütter der damaligen Zeit auf.
Schwanger von einem verheirateten Mann, streng katholisch erzogen, kommt es für Friedas Eltern natürlich nicht in Frage das Kind zu behalten, obwohl Frieda dies gern möchte. Erst wird sie zu einem Abbruch gedrängt, als es dafür zu spät ist, soll sie in einem Mütterheim entbinden und das Kind zur Adoption freigeben.
Schaut man sich die Geschichte der Mütterheime an, schaut man auf Grauen und die absolute Entmündigung von Frauen. Viele wurden dort hingeschickt, schon Monate vor der Geburt um die Schwangerschaft zu verheimlichen, mussten dort arbeiten, später entbinden und haben nie erfahren, was aus dem Kind geworden ist. Es gab keinerlei Mitspracherecht oder gar die Möglichkeit sich für das Kind zu entscheiden. Viele dieser Heime liefen unter Schirmherrschaft der Kirche, wurden von Nonnen geführt, hatten mit Nächstenliebe aber sehr wenig zu tun.
Frieda verlässt daraufhin ihr zu Hause und versucht sich mit Ottos Hilfe selbst durchzuschlagen, trifft aber auf immer mehr Probleme. Als ledige Frau, noch dazu schwanger findet sie nirgends eine Unterkunft. Sie verliert ihre Arbeit, da ihr Chef befürchtet, das ihr „Zustand“ seinem Geschäft schadet. Als sie endlich eine Wohnung findet, herrschen dort so miserable Zustände, dass sie letztendlich ihr Kind verliert. Nur die Füße bekommt sie zu Gesicht, bevor es weggebracht wird, niemand erzählt ihr was los ist und als sie im Krankenhaus versucht Antworten zu bekommen, wird ihr geraten zu vergessen, da sie sonst in eine Psychatrie eingeliefert wird. Und genau dies tut sie… Sie verdrängt die Erlebnisse, baut sich ein neues Leben auf, heiratet, bekommt einen Sohn. Aber wie das mit Traumata so ist… irgendwann kommen sie wieder.
Die Tatsache, dass Sternenkinder damals anonym, meist in irgendwelchen hinteren Ecken von Friedhöfen begraben wurden, ohne dass die Eltern davon wussten, ist mehr als grausam. Ein Abschied wird verweigert und damit auch die Möglichkeit damit abschließen und es verarbeiten zu können. Viele sind daran zerbrochen, wurde in psychiatrische Einrichtungen abgeschoben, haben sich ein Leben lang nicht davon erholt.
Wenn ich solche Geschichten lese, fällt es mir tatsächlich immer sehr schwer zu begreifen, dass wir uns hier nicht im Mittelalter befinden, sondern gerade mal 60 Jahte in die Vergangenheit blicken. In eine Vergangenheit, in der Frauen keinerlei Rechte an ihrem Körper hatten, als sie als nicht mündige Personen behandelt wurden, als sie ohne Mann nichts wert waren, keine Arbeiten und keinen Wohnraum bekommen haben. Und so ist dieser fiktive Roman nicht nur ein Blick in die Geschichte und Freude darüber, was bis dato in Hinblick auf Frauenrechte geschafft wurde, sondern auch ein Mahnmal in einer Zeit, in der sich vieles wieder rückständig anfühlt.
Die Protagonistin ist nicht immer nett, hat viele Ecken und Kanten, reagiert teilweise ungehalten, aber sie ist sehr authentisch. Mit Blick auf ihre Vergangenheit erschließt sich vieles im Verhalten und so mochte ich sie trotz allem unglaublich gern. Sie hatte mein vollstes Mitgefühl und auch meine Wut hinsichtlich der Ungerechtigkeit, der sie ausgesetzt war.
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Im Fazit eine riesengroße Empfehlung meinerseits.

Veröffentlicht am 10.08.2023

Trauer, Abschied und Selbstfindung

Die Wunde
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„𝘞𝘰𝘻𝘶 𝘣𝘦𝘴𝘤𝘩𝘳𝘦𝘪𝘣𝘦 𝘪𝘤𝘩 𝘭𝘢𝘯𝘨𝘴𝘢𝘮 𝘥𝘢𝘴 𝘚𝘵𝘦𝘳𝘣𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘥𝘦𝘯 𝘵𝘰𝘵𝘦𝘯 𝘒𝘰̈𝘳𝘱𝘦𝘳 𝘥𝘦𝘳 𝘦𝘪𝘨𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘔𝘶𝘵𝘵𝘦𝘳? 𝘋𝘢𝘳𝘪𝘯 𝘭𝘪𝘦𝘨𝘦𝘯 𝘷𝘪𝘦𝘭 𝘚𝘤𝘩𝘮𝘦𝘳𝘻 𝘶𝘯𝘥 𝘥𝘦𝘳 𝘝𝘦𝘳𝘴𝘶𝘤𝘩, 𝘻𝘶 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘵𝘦𝘩𝘦𝘯, 𝘥𝘪𝘦 𝘌𝘳𝘧𝘢𝘩𝘳𝘶𝘯𝘨 𝘢𝘶𝘴 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘩𝘦𝘳𝘢𝘶𝘴𝘻𝘶𝘴𝘤𝘩𝘳𝘦𝘪𝘣𝘦𝘯. 𝘈𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘤𝘩 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘨𝘦𝘸𝘪𝘴𝘴𝘦 ...

„𝘞𝘰𝘻𝘶 𝘣𝘦𝘴𝘤𝘩𝘳𝘦𝘪𝘣𝘦 𝘪𝘤𝘩 𝘭𝘢𝘯𝘨𝘴𝘢𝘮 𝘥𝘢𝘴 𝘚𝘵𝘦𝘳𝘣𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘥𝘦𝘯 𝘵𝘰𝘵𝘦𝘯 𝘒𝘰̈𝘳𝘱𝘦𝘳 𝘥𝘦𝘳 𝘦𝘪𝘨𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘔𝘶𝘵𝘵𝘦𝘳? 𝘋𝘢𝘳𝘪𝘯 𝘭𝘪𝘦𝘨𝘦𝘯 𝘷𝘪𝘦𝘭 𝘚𝘤𝘩𝘮𝘦𝘳𝘻 𝘶𝘯𝘥 𝘥𝘦𝘳 𝘝𝘦𝘳𝘴𝘶𝘤𝘩, 𝘻𝘶 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘵𝘦𝘩𝘦𝘯, 𝘥𝘪𝘦 𝘌𝘳𝘧𝘢𝘩𝘳𝘶𝘯𝘨 𝘢𝘶𝘴 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘩𝘦𝘳𝘢𝘶𝘴𝘻𝘶𝘴𝘤𝘩𝘳𝘦𝘪𝘣𝘦𝘯. 𝘈𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘤𝘩 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘨𝘦𝘸𝘪𝘴𝘴𝘦 𝘌𝘪𝘵𝘦𝘭𝘬𝘦𝘪𝘵: 𝘞𝘦𝘪𝘵𝘦𝘳𝘭𝘦𝘣𝘦𝘯 𝘩𝘦𝘪ß𝘵, 𝘥𝘪𝘦 𝘒𝘰𝘯𝘵𝘳𝘰𝘭𝘭𝘦 𝘶̈𝘣𝘦𝘳 𝘥𝘦𝘯 𝘦𝘪𝘨𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘒𝘰̈𝘳𝘱𝘦𝘳 𝘻𝘶 𝘩𝘢𝘣𝘦𝘯.“ (𝘚. 189)

In „Die Wunde“ begleiten wir die Autorin auf der Reise zu der Urnenbestattung ihrer Mutter nach Sibirien. Über zwei Monate ist sie mit der Urne unterwegs, wohnt zeitweise mit ihr in ihrer Moskauer Wohnung und kommt ihrer Mutter in dieser Zeit sehr viel näher als es zu Lebzeiten möglich war.
Währenddessen beleuchtet sie ihr Leben, ihre Kindheit, ihre Homosexualität, das Leben der Mutter und auch das Schreiben als Solches, als Prozess, der bei der Verarbeitung und dem Ordnen der Gedanken hilft.
Sie betrachtet gesellschaftskritisch die Politik Russlands, hinterfragt alte Denkweisen.
Das Buch ist dicht an Themen und es findet eine tiefe Ausweinandersetzung über das Vehalten über Generationen hinweg statt. In ihrer Kindheit eher lieblos behandelt, versucht sie jetzt, nach dem Tod der Mutter, sich vieles zu erklären, schaut dazu auch auf die Großeltern und noch weiter. Einiges an Fragen bleibt ungeklärt und lässt einen selbst sich auch die Frage stellen, was wir eigentlich über unsere Eltern wissen.
Der Trauerprozess findet eher abstrakt statt, zeigt sich in dem Umgang mit dem geschriebenen Wort. Der Tod selbst scheint eher einem Befreiuungsschlag denn einem Verlust zu gleichen, ist aber auch etwas, was sich gut nachvollziehen lässt.
„𝘐𝘤𝘩 𝘩𝘢𝘣𝘦 𝘈𝘯𝘨𝘴𝘵 𝘥𝘢𝘷𝘰𝘳, 𝘥𝘦𝘯𝘯 𝘪𝘤𝘩 𝘩𝘢𝘣𝘦 𝘥𝘢𝘴 𝘦𝘪𝘯𝘥𝘦𝘶𝘵𝘪𝘨𝘦 𝘎𝘦𝘧𝘶̈𝘩𝘭: 𝘚𝘰𝘣𝘢𝘭𝘥 𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘪𝘦𝘴𝘦𝘴 𝘉𝘶𝘤𝘩 𝘻𝘶 𝘌𝘯𝘥𝘦 𝘴𝘤𝘩𝘳𝘦𝘪𝘣𝘦, 𝘴𝘤𝘩𝘭𝘪𝘦ß𝘵 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘪𝘯 𝘮𝘪𝘳 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘞𝘶𝘯𝘥𝘦. 𝘌𝘪𝘯𝘦 𝘞𝘶𝘯𝘥𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘪𝘤𝘩 𝘭𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘣𝘦𝘩𝘢𝘯𝘥𝘦𝘭𝘯 𝘸𝘰𝘭𝘭𝘵𝘦, 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘞𝘶𝘯𝘥𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘭𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘦𝘪𝘯 𝘛𝘦𝘪𝘭 𝘮𝘦𝘪𝘯𝘦𝘴 𝘉𝘦𝘸𝘶𝘴𝘴𝘵𝘴𝘦𝘪𝘯𝘴, 𝘮𝘦𝘪𝘯𝘦𝘴 𝘬𝘶̈𝘯𝘴𝘵𝘭𝘦𝘳𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘚𝘤𝘩𝘢𝘧𝘧𝘦𝘯𝘴 𝘸𝘢𝘳.“ (𝘚. 265)
Im Endeffekt geht es aber um so viel mehr als um die Trauer. Es geht um Selbstbestimmumg, Abnabelung, Selbstfindung…
Wassjakina findet dafür sehr eindringliche Worte, die manchmal auch weh tun, so ehrlich sind sie. Es ist wunderschön geschrieben, stellenweise sehr anspruchsvoll, mal poetisch, mal abstrakt.
Eine große Empfehlung von mir.
Das einzige Manko: Gerade in den ersten zwei Teilen sind mir Rechtschreib- und Druckfehler aufgefallen, welche den Lesefluss ein wenig gestört haben.
Ansonsten wirklich super.

Veröffentlicht am 08.08.2023

Auf der Suche nach Identität und der Wahrheit

Die Unbezwingbare
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Lempi wächst in einem Reservat in Minnesota auf. Sie ist 12 als ihre Mutter spurlos verschwindet, kaum erwachsen verlässt auch sie ihre Heimat.
Nirgends füllt sie sich richtig angenommen, im Reservat gilt ...

Lempi wächst in einem Reservat in Minnesota auf. Sie ist 12 als ihre Mutter spurlos verschwindet, kaum erwachsen verlässt auch sie ihre Heimat.
Nirgends füllt sie sich richtig angenommen, im Reservat gilt sie als zu weiß, außerhalb als nicht weiß genug und so ist ihr ganzes Leben eine endlose Suche nach Identität.
Jahrzehnte später, ihr Vater der an einer Amnesie leidet hat mal wieder ihre Mutter Rose als vermisst gemeldet, kehrt sie ins Reservat zurück. Ihr Vater spricht nun auch von einem verschwunden Mädchen und Lempi macht sich auf Spurensuche sowohl nach dem Mädchen, als auch nach der Vergangenheit und dem Verbleib der Mutter.
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Katja Kettu macht hier unglaublich große Themen auf. Mit viel Feingefühl und einer angenehmen Sprache geht sie auf Identität, Rassismus, Trauma und die Verbrechen an der indigenen Bevölkerung ein. Vor allem die systematische Verschleppung und der Missbrauch an indigenen Frauen spielt eine große Rolle und wird eingehend beleuchtet. Dies führte bei mir zu viel Wut und Unverständnis. Wut über die Taten an sich, Unverständnis darüber, dass alle es zu wissen scheinen und niemand etwas dagegen unternimmt.
Das Schicksal von Rose und damit auch Lempi‘s Schicksal, aber auch das anderer Beteiligter, zeigen den Zusammenhang transgenerationaler Traumata und das ein Ausbruch daraus schwer möglich ist. Am Beispiel von Ettu, dem Vater, wird ein weiteres Ausmaß von Trauma sichtbar, dass hier in dem völligen Vergessen der Ereignisse und einer gestörten Hirnaktivität mündet. Auch dies ist sehr anschaulich dargestellt.
Überaus gut gelingt es der Autorin die Ungerechtigkeit gegenüber indigenen Personen in ihre Geschichte einzuflechten, sei es der Landraub oder das Verschleppen und zwangsweise Christianisieren der Kinder und auch auf Probleme (Alkoholismus, Spielsucht) einzugehen. Dies alles hier auseinander zu nehmen und zu betrachten, würde den Rahmen sprengen, daher lest einfach selbst.
Sprachlich konnte mich das Buch auch überzeugen. Die einzelnen Abschnitte sind in Briefform verfasst, einmal alte Briefe von Rose an Lempi, einmal Briefe von Lempi an eine nahestehende Person. Dies macht es sehr nahbar auch wenn die Protagonsitin ansonsten distanziert auftritt.
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Im Fazit ein wirklich tolles Buch, thematisch sehr dicht, sprachlich wunderschön und eine große Empfehlung von mir.

Veröffentlicht am 07.08.2023

Spannende Familientragödie

Das Schweigen meiner Schwestern
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Ein Familienurlaub auf der idyllischen Insel Langeoog wird für vier Schwestern zur Zerreißprobe und endet in der Zersplitterung der Familie. Während die Eltern sich permanent streiten, sind die Kinder ...

Ein Familienurlaub auf der idyllischen Insel Langeoog wird für vier Schwestern zur Zerreißprobe und endet in der Zersplitterung der Familie. Während die Eltern sich permanent streiten, sind die Kinder (das älteste 18, das jüngste 6 Jahre alt) auf sich allein gestellt. Den Höhepunkt der Ereignisse bildet eine schreckliche Tragödie, bei der ein Bekannter der Mädchen tot aufgefunden wird.
20 Jahre später sind Jenni, Mo, Sonja und Kaja wieder auf der Insel vereint um ihre Mutter zu begraben und werden von ihrer Vergangenheit eingeholt.
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Stine Volkmann erschafft in ihrem Roman eine Mischung aus Familientragödie und Thriller/Krimi. Wir folgen der Geschichte auf 2 Zeitsträngen, die zum einen den Sommerurlaub der Kinder erfassen und zum anderen die Jetzt-Zeit in der die Schwestern als Erwachsene nach vielen Jahren wieder aufeinander treffen. Weiterhin wechselt sich auch die Sicht der Schwestern ab, was ich als sehr bereichernd empfunden habe.
Nach und nach ergibt sich so ein umfassendes, schlüssiges Bild der Ereignisse und es ist durchaus spannend zu lesen, wie sich alles entwickelt.
Auch die Darstellung der Familienverhältnisse an sich, der Dynamiken innerhalb dieser, fand ich gut gelungen. Durch die Trennung der Eltern und die Verdrängung der Ereignisse entwickelt sich zwischen den Schwestern eine regelrechte Kultur des Schweigens und es ist erstaunlich wie unterschiedlich dies von den Protagonistinnen wahrgenommen wird. Die Auswirkungen von Traumata werden thematisiert und realistisch in die Erzählung eingebunden. So hat gerade Kaja oft Bildfragmente vor Augen, die sie nicht zuordnen kann, Jenni leidet unter einer Panikstörung und Sonjas Verdrängungsmechanismus hat so gut funktioniert, dass die Ereignisse für sie einfach nicht stattgefunden haben und erst wieder an die Oberfläche kommen, als alle wieder vereint sind.
Am Ende stellt sich unweigerlich die Schuldfrage und auch inwieweit man Verantwortung übernehmen sollte, für Dinge die widererwartend erinnert werden. Was das angeht, war ich mit der Lösung nicht ganz zufrieden, allerdings passt sie zu der gesamten Handlung.
Von mir gibt es eine Empfehlung.

Veröffentlicht am 28.07.2023

Tolles Debüt

22 Bahnen
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Um dieses Buch kommt man irgendwie nicht drum herum, hat es doch einen rießen Hype ausgelöst. Und so hat es auch den Weg zu mir gefunden.

Tilda ist Studentin, könnte eigentlich ein sorgenfreies, durch ...

Um dieses Buch kommt man irgendwie nicht drum herum, hat es doch einen rießen Hype ausgelöst. Und so hat es auch den Weg zu mir gefunden.

Tilda ist Studentin, könnte eigentlich ein sorgenfreies, durch Lernen und Partys geprägtes Leben führen, wäre da nicht ihre alkoholkranke Mutter und ihre kleine Schwester Ida, um die sie sich kümmern muss, da die Mutter dazu nicht in der Lage ist.
Entspannung und einen freien Kopf bekommt sie nur beim fast täglichen Schwimmbadbesuch, wenn sie ungeachtet aller anderen, ihre Bahnen zieht.
Eines Tages trifft sie dort auf Viktor und so allmählich lernt sie wieder zu lächeln.
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„22 Bahnen“ ist keine Liebesgeschichte, auch wenn dies natürlich eine Rolle spielt.
Caroline Wahl beschreibt eine dysfunktionale, durch die Krankheit der Mutter geprägte, Familienkonstruktion, in der die große Schwester die Verantwortung für die Kleinere übernehmen muss. Eine Familie in der die Kinder, keine Kinder sein dürfen, weil dafür einfach kein Platz ist.
Tilda ist nahezu permanent in Alarmbereitschaft, kehrt sofort nach der Uni oder der Arbeit nach Hause zurück um Ida vor ihrer unberechenbaren Mutter zu schützen. Sie zeigt das typische Verhalten einer jungen Frau, die viel zu schnell erwachsen werden musste. Ihren Faible für Mathematik, der sich auch an der Supermarktkasse immer wieder zeigt, fand ich klasse.
Auch Ida ist viel zu erwachsen für ihr Alter und ich hätte sie anfangs älter geschätzt. Sie ist sehr verschlossen, verdrängt, redet nicht und flüchtet sich in ihre Zeichnungen, mit denen sie versucht ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Die Beschreibungen und Interpretationen der Bilder, die dabei entstehen, fand ich sehr eindrucksvoll.
Sehr gut hat mir die langsame Annäherung von Tilda und Viktor gefallen. Eine Romanze die der Geschichte einen Rahmen gibt, sich aber nicht in den Vordergrund drängt und angepasst ist, an die Geschehnisse die beide zu verarbeiten haben, passte sehr gut zu dem Roman.
Wahl‘s Schreibstil fand ich sehr angenehm, anfangs aber auch ein wenig gewöhnungsbedürftig, auf Grund der Gespräche, denen aber immer der Name vorangestellt war, was den Lesefluss ein wenig behindert hat.
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Ist der Hype jetzt gerechtfertigt?
Sagen wir es so: Ich fand das Buch sehr gut, für ein Highlight fehlte mir ein wenig Tiefe und auch mit der „Lösung“ war ich nicht wirklich zufrieden. Um nicht zu spoilern, möchte ich darauf nicht weiter eingehen, und an der Stelle sollte sich jede*r ein eigenes Bild machen.
Nichtsdestotrotz ist es ein tolles Debüt und eine große Empfehlung meinerseits.