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Veröffentlicht am 16.05.2021

Auge um Auge

Zorn der Lämmer
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Wilna, Heimatstadt von Abba, Vitka, Ruzka und Leipke. Auch hier haben die Nazis während ihrer Terrorherrschaft ein Getto für die jüdischen Bewohner errichtet. Der Alltag der Bewohner wird bestimmt von ...

Wilna, Heimatstadt von Abba, Vitka, Ruzka und Leipke. Auch hier haben die Nazis während ihrer Terrorherrschaft ein Getto für die jüdischen Bewohner errichtet. Der Alltag der Bewohner wird bestimmt von Hunger, Entbehrung und der ständigen Angst vor Übergriffen der deutschen Soldaten. Die meisten Bewohner hoffen nur irgendwie zu überleben und haben sich mit der Situation arrangiert, doch die Gruppe um Abba leistet Widerstand, nicht zuletzt als sie von den unmenschlichen Greueltaten der Deutschen ausserhalb des Gettos erfahren. Ihr Drang nach Rache ist auch nach dem Sieg über Nazideutschland groß und so entsteht ein Plan zur Vergeltung.

Um ehrlich zu sein habe ich den Roman unter etwas falschen Voraussetzungen gelesen, irgendwie hatte ich angenommen, dass die Geschichte in der Gegenwart spielt. Trotz dieser Verwirrung bin ich aber schnell in der Geschichte angekommen, der Autor schreibt sehr eindrücklich und bewegend und schreckt auch vor starken Bildern nicht zurück. Die beschriebenen Kriegsverbrechen sind nichts für sensible Leser, das Grauen und Unaussprechliche des Krieges wird sehr real dargestellt.

Die jüdische Untergrundorganisation Nakam existierte ebenso wie Abba Kovner, die im Buch beschrieben radikalen Pläne zur Rache sind historisch belegte Tatsachen. Eine Recherche im Anschluss an das Buch würde ich jedem interessierten Leser empfehlen, denn ich zumindest hatte hierzu nur sehr, sehr beschränktes Wissen.

Das Buch bietet einen interessanten Blickwinkel, es zeigt hier die Überlebenden nicht ausschließlich als leidende Opfer, sondern eben auch als Partisanen im Widerstandskampf und als Rächer. Entgegen dem Motto, die andere Wange hinzuhalten, wird hier aktiv auf Vergeltung hingearbeitet, mit allen Mitteln und dem Ziel Auge um Auge, Zahn um Zahn, sechs Millionen für sechs Millionen. Ich habe in gewisser Weise Verständnis für diesen Wunsch nach Vergeltung, kann ihn aber in keiner Weise gutheißen und möchte mir gar nicht ausmalen, wie solche Ereignisse das Weltgeschehen beeinflusst hätten in den fragilen Zuständen nach Beendigung des zweiten Weltkrieges.

Mich hat das Buch beeindruckt, es ist aufwühlend, aber auch beängstigend, die Geschichte hat mich noch lange beschäftigt und zum Nachdenken gebracht. Zum Nachdenken vor allem über Schuld, über eine Schuld, die mich noch heute umgibt, obwohl wir mittlerweile in dritter, vierter Generation nach dem Krieg leben. Es erschreckt mich, dass mir diese Schuld noch immer gegeben wird, genauso wie die Tatsache, dass Menschen diese Schuld unserer Großeltern/ Urgroßeltern leugnen. Leider ist dieser Teufelskreis auch heute noch in Kriesengebieten der Erde aktiv, jede Partei fühlt sich im Recht. Verbrechen einer Völkergruppe an einer Anderen werden immer wieder zum Anlass genommen um teils jahrhunderte alte Fehden fortzuführen und Nachbarn gegeneinander aufzuhetzen.

Nach Beendigung des Buches wurde mir einmal mehr klar geworden, welches Bild man in Teilen der Welt von mir hat, nur im Hinblick auf meinen Geburtsort. Vergebung ist schwierig und zeugt von Größe, sollten wir nicht Alle in der Lage sein diese Größe aufzubringen?

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Veröffentlicht am 09.05.2021

Atmosphärisch sehr dicht

Der Verdacht
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Mutter zu werden ist für viele Frauen fester Bestandteil ihrer Lebensplanung. Blythe hat diesen Drang bisher noch nicht verspürt, ist ihr das Leben mit ihrem Mann Fox doch erfüllend genug. Als dieser aber ...

Mutter zu werden ist für viele Frauen fester Bestandteil ihrer Lebensplanung. Blythe hat diesen Drang bisher noch nicht verspürt, ist ihr das Leben mit ihrem Mann Fox doch erfüllend genug. Als dieser aber ein gemeinsames Kind ganz selbstverständlich als nächsten Schritt ins Gespräch bringt stimmt Blythe zu und so werden die Beiden Eltern der kleinen Violet. Violet, ein rundum gesundes Baby, das das Herz aller im Sturm erobert, nur das ihrer eigenen Mutter irgendwie nicht. Blythe fühlt sich ihrer neugeborenen Tochter vom ersten Moment an fremd, glaubt sogar das Baby würde sie absichtlich ablehnen. Zuerst schiebt sie ihre Empfindungen auf die schwierige Geburt, aber bald ist sie überzeugt davon das ihre Tochter zwei Gesichter hat, das süße unschuldige und das abweisend böse, das allerdings nur Blythe kennt.

Ashley Audrain beschreibt in ihrem Debüt die scheinbar heile Welt eines Paares, welches sein Glück durch ein Kind krönen möchte. Das das Paar dabei ganz unterschiedlich Erfahrungen im Bezug auf Familie mitbringt wird dem Leser schnell klar. Während Fox in einer bilderbuchreifen Familienidylle inklusive aufopferungsvoller Supermum aufwächst ist Blythe's Start ins Leben alles andere als schön. Die Autorin bemüht hier einige Rollenklischees und Stereotypen, baut diese aber absolut glaubwürdig als Grundlage ihrer Figuren ein.

Der Leser folgt der Geschichte aus einer etwas unüblichen Perspektive. Nach einem Prolog, in dem die Figuren kurz eingeführt werden beginnt Blythe ihre Version der Geschehnisse zu erzählen bzw aufzuschreiben. Sie wendet sich dabei in direkter Anrede an ihren Ehemann. Unterbrochen werden ihre Erinnerungen durch Szenen aus dem Leben ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Das Erzählen auf diesen verschiedenen Ebenen ist psychologisch ein guter Schachzug, weil der Leser so an Hintergrundinformationen kommt, mit denen man gut über die Psyche und die Intention der Hauptfigur spekulieren kann. Ein Psychologe hätte an einer Person mit diesem Hintergrund und diesen Erlebnissen seine helle Freude.

Die Autorin schreibt sehr packend. Der Leser begibt sich zusammen mit der Hauptfigur auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle, man hat ständig ein unterschwelliges Gefühl der Bedrohung, der Beklemmung. Man kann dabei aber nie genau sagen, ob dieses Gefühl tatsächlich einen realen Grund hat, oder es der Einbildung der Protagonistin entspringt. Sehr dicht und atmosphärisch erinnert mich das Buch hier auch sehr an einen Psychothriller, obwohl es ja in der Kategorie Roman vermarktet wird.

Ich bin ein sehr visueller Leser, sprich, in meinem Kopf läuft beim Lesen ein Film ab. Nicht unbedingt im Bezug auf das Aussehen der Figuren, aber im Bezug auf die Handlung. Ganz oft betrachte ich so den Stoff eines Buches unter dem Aspekt, ob er einen guten Film abgeben würde. Dieses Buch ist für mich prädestiniert für eine Verfilmung. Wer beim Lesen zu der Schlüsselszene an der Ampel kommt wird verstehen was ich meine.

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Veröffentlicht am 26.04.2021

Konnte mich nicht wirklich begeistern

Der Schneeleopard
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Der Schneeleopard ist ein magisches Tier, begehrt seit Jahrhunderten wegen seines Fells. Nur noch Wenige gibt es in freier Wildbahn und nur selten bekommt man ihn zu Gesicht. Wie schwierig es ist, einen ...

Der Schneeleopard ist ein magisches Tier, begehrt seit Jahrhunderten wegen seines Fells. Nur noch Wenige gibt es in freier Wildbahn und nur selten bekommt man ihn zu Gesicht. Wie schwierig es ist, einen Schneeleoparden zu beobachten, konnte ich mit meiner Familie schon selbst feststellen. Während eines Besuchs im Rostocker Zoo standen wir recht ratlos vor dem dicht bewachsenen Gehege. Meine Kinder bezweifelten, dass sich das auf der Schautafel versprochene Tier, überhaupt im Gehege befinden würde. Selbst nach intensiver Suche konnten wir es nicht entdecken. Auf der Schautafel gab es einen Hinweis auf den bevorzugten Liegeplatz der Raubkatze, aber ich habe keine Ahnung, ob ich mir den Flecken schwarz weißes Fell zwischen all dem Grün letztlich nur eingebildet habe.

Der französische Reiseschriftsteller Sylvain Tesson begleitet den Fotografen Vincent Munier auf einer Reise in die tibetanische Hochebene, um dieses, vom Aussterben bedrohte Tier vor die Kamera zu bekommen. Entstanden ist danach dieser Reisebericht.

Ich kenne bisher keine anderen Arbeiten des Autors, ich weiß also nicht, ob das sein üblicher Schreibstil ist. Für mich war das Ganze, im Vergleich mit ähnlichen Büchern, eher zäh und trocken. Die Faszination für das titelgebende Tier, die umgebende Natur ist nur selten spürbar und das ist sehr sehr schade. Wenn der Autor von der manischen Arbeitseinstellung des Fotografen Munier berichtet, klingt diese Faszination kurz an, er kann die Stimmung aber nicht weiter ins Buch transportieren. Der Autor betont recht oft, wie eintönig und ungemütlich das Warten auf das Auftauchen des Tieres gewesen ist. Er überbrückt die eisigen Wartezeiten mit philosophieren über die verschiedensten Themen, schweift gedanklich ab, bis in seine eigene Vergangenheit. Diese persönlichen Gedankengänge füllen das Buch und haben eben nur bedingt etwas mit dem tatsächlichen Grund der Reise zu tun. Für mich leider doch sehr am Thema vorbei.

Das Buch wurde in den Kritiken sehr gelobt und ich wollte es unbedingt lesen. Meine Erwartungen konnte es nicht erfüllen, ich bleibe etwas enttäuscht zurück. Die Arbeiten von Vincent Munier hingegen finde ich grandios, die bei der beschriebenen Reise entstandenen Fotografien sind 2019 in einem eigenen Bildband erschienen, zu dem es am Ende des Buches einen Hinweis gibt. Schade, dass nicht auch Einige Einzug in diese Erzählung gefunden haben.

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Veröffentlicht am 26.04.2021

Nicht ihr Bester

Das Grab in den Schären
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Auf der kleinen, unbewohnten Nachbarinsel von Sandhamn erden bei Bauarbeiten Knochen gefunden. Nach den Ermittlungen der Polizei gibt es nur wenige Personen, die als vermisst gelten und um deren Leiche ...

Auf der kleinen, unbewohnten Nachbarinsel von Sandhamn erden bei Bauarbeiten Knochen gefunden. Nach den Ermittlungen der Polizei gibt es nur wenige Personen, die als vermisst gelten und um deren Leiche es sich bei dem Fund handeln könnte. Da ist zum einen Siri, eine junge Frau, die verschwunden ist, während ihr Mann auf einer Geschäftsreise war und bei der man von einem Selbstmord ausgeht, obwohl ihre Leiche auch nach zehn Jahren nicht gefunden wurde. Zum anderen Astrid, ein junges Mädchen von der Insel, das immer bei Nora Linde zum Babysitten war. Da Nora damals nicht wirklich an Astrids Verschwinden Aneil genommen hat, quält sie heute etwas das schlechte Gewissen und so beginnt sie auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.

Der Leser begegnet der Staatsanwältin Nora und dem Polizisten Thomas nun schon im 10. Roman der Autorin. Zu machen einem Leidwesen muss ich gestehen, das mir Nummer 9 in meiner Sammlung fehlt und gerade auf diesen bezieht sich die Autorin des Öfteren, um den aktuellen Gemühtszustand ihrer Hauptfigur Nora zu erklären. Dieser Gemühtszustand und das, in meinen Augen, dauernde darauf Herumreiten hat mich zeitweise echt genervt. Wie gesagt, ich kenne die Geschichte dazu nicht, aber die Art und Weise wie sie genutzt wird, um jegliche Handlung einer Figur zu erklären war mir zu plakativ, zu sehr Klischee und passt irgendwie überhaupt nicht zu dem Bild, das ich bisher von Nora Linde hatte.

Das Buch hatte, darauf bezogen, zwei Ebenen. Es gab die der sich in Selbstmitleid suhlenden Nora, die ich stellenweise langatmig fand und die um Thomas und seine Arbeit, die ich mit wesentlich mehr Vergnügen gelesen habe. Zur Spannung des Buches trägt auch die interessante Erzählweise der Geschichte bei. Die Autorin lässt den Leser in Rückblenden die Wege der beiden vermissten Frauen begleiten. Beginnend Wochen vor ihrem Verschwinden, bis zu dem Zeitpunkt, als sich dann tatsächlich ihre Spur verliert und der Leser so die Aufklärung erhält. Mir hat dieser Dreh sehr gut gefallen, bekommt man doch so ganz andere Einblicke als die Ermittler, ohne das zu viel verraten wird und kann demzufolge ganz eigene Thesen zum Hergang aufstellen.

Für mich war das Buch jetzt nicht unbedingt eines der Besseren der Autorin. Es bietet Fans der Reihe trotzdem ein spannendes Lesevergnügen in bekannter, malerischer Kulisse und vielleicht revidiere ich meine Meinung ja, nachdem ich den Vorgänger gelesen habe.

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Veröffentlicht am 13.04.2021

Naturgewalten

Die Farbe des Nordwinds
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Ellen bekommt die Möglichkeit als Lehrerin auf einer kleinen Hallig, mitten in der Nordsee zu arbeiten. Ein Traum geht für sie damit in Erfüllung, hat sie doch an dieses raue Fleckchen Erde ihr Herz verloren, ...

Ellen bekommt die Möglichkeit als Lehrerin auf einer kleinen Hallig, mitten in der Nordsee zu arbeiten. Ein Traum geht für sie damit in Erfüllung, hat sie doch an dieses raue Fleckchen Erde ihr Herz verloren, als ihre Mutter sich hier vor Jahren als Halligbäuerin versucht hat. Der Versuch scheitert recht schnell und Ellens Mutter tritt, wie so oft im Leben, die Flucht an. Ellen verlässt ihr neues Zuhause nur ungern, hat sie hier doch zum ersten Mal im Leben das Gefühl angekommen zu sein und endlich eine richtige Familie zu haben, zusammen mit Liske und ihrem Vater, bei dem ihre Mutter eingezogen war. Nun ist sie zurück, hofft anschließen zu können an die Vergangenheit, doch die Halliglüd sind ein besonderer Menschenschlag und Liske hat Ellen nie vergeben, dass sie sie zurück gelassen hat.

Der Roman läuft auf zwei Zeitebenen, das Heute, rund um Ellen und Liske und den Alltag auf der Hallig, und die Vergangenheit rund um Arjen, einen Jungen, der nach dem Tod seiner Eltern die Hallig und seinen Bruder verlässt, um zur Schule zu gegen und ein Gelehrter zu werden. Als er Jahre später mit seiner Frau zurück kommt, gehört er nicht mehr dazu und seine Vorschläge zur Verbesserung der Situation der Halligbewohner werden abgetan. Seine Geschichte erfährt man aus einer Chronik, die die damaligen Ereignisse beschreibt.

Die Autorin beschreibt sehr eindrucksvoll das harte Leben auf einer Hallig, damals wie heute. Immer wieder gibt es sehr bildhafte Beschreibungen von Flora und Fauna und natürlich von der See, dem Wind, den Naturgewalten. Ihre Charakterisierung der Figuren ist speziell, aber passend, sie wirken trotz ihrer Eigenheiten sympathisch, allerdings bedient die Autorin teilweise auch ein paar Klischees. Da ist dann die Zwillingsmama, die alles vegan möchte und Videos für YouTube dreht, der Witwer, der sich in seiner Arbeit vergräbt, statt Trauer zuzulassen, oder der junge Mann im sozialen Jahr, der die Stelle nur angenommen hat, weil er hier faulenzen kann. Aus diesen Klischees heraus bilden sich dann verschiedene Spannungspunkte, die für den Verlauf der Geschichte wichtig sind. Kurz vor Schluss wird die Geschichte etwas vorhersehbar, aber das ist ok, denn so kommt die Geschichte eben zu dem Ende, das die Autorin im Kopf hatte und das einen gewissen Bogen zwischen Heute und Damals schlägt.

Das Buch ist eine Hommage an eine einzigartige, leider bedrohte Landschaft, und an den besonderen Typ Mensch, der hier lebt und arbeitet. Das Buch ist aber auch eine Mahnung, es zeigt die Gewalt und die Gefahren des Meeres, die verheerenden Folgen des Klimawandels und der Umweltverschmutzung. Es zeichnet ein Bild, entgehen der Postkartenidylle, abseits der verklärten Romantik von Touristen und Sommerurlaubern.

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