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Veröffentlicht am 27.06.2024

Siegeszug einer Schöhnheit

Die Königin
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Als sie 1912 bei Ausgrabungen in Tell el-Armana 1912 entdeckt wird, ist nicht abzusehen, wie berühmt sie einmal sein sollte, die Büste von Nofretete, Königin im alten Ägypten, Ehefrau von Echnaton, einem ...

Als sie 1912 bei Ausgrabungen in Tell el-Armana 1912 entdeckt wird, ist nicht abzusehen, wie berühmt sie einmal sein sollte, die Büste von Nofretete, Königin im alten Ägypten, Ehefrau von Echnaton, einem Pharao, dessen Existenz beinahe aus den Geschichtsbüchern getilgt worden wäre. Es folgen zwölf Jahre im Geheimen, auf dem Schreibtisch ihres Besitzers, fast wäre die Welt nie in den Genuss ihres Anblicks gekommen, doch 1924 hat sie endlich ihren großen Auftritt und wird der Öffentlichkeit Berlins und der Welt präsentiert. A Star is born trifft es hier wohl am ehesten, denn ein Star, ein Weltstar ist Nofretet heute unbestreitbar.

Jeder kennt die berühmte Siluette der ägyptischen Königin, selbst Menschen wie ich, die sie noch nie live in ihrer Residenz auf der Berliner Museeumsinsel besucht haben sind von ihr über Jahrzehnte hinweg fasziniert. Ihr Bild ist unverwechselbar, von keinem historischen Fund gibt es so viele Kopien, so viel publiziertes Bildmaterial wie von ihr. Vergleichbar ist dieser Status wohl noch am ehesten mit Mickey Mouse, oder dem Coca Cola Logo, das unabhängig von der Sprache auf der ganzen Welt erkannt wird.

Historiker Sebastian Conrad ergründet in seinem Buch die Gründe für ihre Popularität, erzählt von der Geschichte ihrer Entdeckung, von ihrer Reise ins ferne Deutschland und davon, wie sie eine Ikone für Generationen von Frauen, Inspiration für Künstler, aber auch ein Instrument für Politik, Kommerz und Ideologie werden konnte, wie das Konterfei der berühmten Königin nicht nur Schönheitsideale prägte, sondern auch für immer wiederkehrende Diskussionen um die Besitzansprüche sorgt und so letzlich sogar zum Spekulationsobjekt zwischen Staaten wurde.

Das Buch betrachtet weit mehr als den rein archäologischen Aspekt der Büste, ihren Wert als Kulturgut, als Botschafterin einer untergegangenen Zivilisation. Der Autor hat unglaublich umfangreiche Recherchearbeit geleistet und teilt seine Erkenntnisse gut verständlich mit dem Leser. Vieles von dem was man hier liest war mir vollkommen neu, wie bei den Meisten beschränkte sich mein Wissen über Nofretete auf die wenigen bekannten Details aus ihrem Leben, Dinge, die man in idealisierter Form aus Büchern, oder Filmen kennt. Ihr Leben vor mehr als drei Jahrtausenden ist nur ein kleines Stück ihrer Existenz, der wahre Mythos beginnt eigentlich erst richtig nach dem Fund ihres Abbildes.

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Veröffentlicht am 27.06.2024

Ein Giftmörder und ein verschollener Schatz

Das Dorf der acht Gräber
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Tatsuya führt ein recht unscheinbares Leben in der Stadt bis er eines Tages in das Büro eines Anwalts eingeladen wird. Ein Tag, der sein ganzes Leben auf den Kopf stellen soll, erfährt er doch, dass die ...

Tatsuya führt ein recht unscheinbares Leben in der Stadt bis er eines Tages in das Büro eines Anwalts eingeladen wird. Ein Tag, der sein ganzes Leben auf den Kopf stellen soll, erfährt er doch, dass die Familie seines leiblichen Vaters nach ihm sucht und ihn kennenlernen möchte. Sein Großvater reist eigens aus einem kleinen Dorf in den Bergen an, um Tatsuya nach hause zu holen, doch direkt beim ersten Treffen in der Kanzlei des Anwalts verstirbt der alte Mann auf mysteriöse Weise.

Seishi Yokomizo ist ein 1981 verstorbener japanischer Krimiautor, von dem in den letzten Jahren schon zwei Bücher ins Deutsche übersetzt worden sind. Ich hatte die Bücher, mit den im Retro Design gestalteten Covern, schon mehrfach bemerkt, aber bisher noch Keines gelesen. Hier hat mich letztlich der Auszug einer Besprechung in der FAZ überzeugt, der auf der Rückseite des Buches abgedruckt ist und den Autor in eine Reihe mit Jon Dickson Carr, Sir Athur Conan Doyle und Agatha Christie stellt. Für mich als absoluter Agatha Christie Fan und großer Liebhaber klassischer Kriminalgeschichten, war das natürlich ein Argument, welches es zu überprüfen galt.

Natürlich hat auch das Setting des Krimis, rund um die blutige Legende zur Entstehung des Namens des kleinen Bergdorfes "Dorf der acht Gräber" meine Neugier geweckt und direkt im Prolog wird diese Legende erzählt und von dem "Fluch" berichtet, der seither auf einer Familie des Dorfes lastet. Die Geschichte wird für einen Prolog recht ausführlich erzählt, wofür der Autor sich auch am Ende beim Leser entschuldigt. Im weiteren Verlauf tritt Tatsuya als Ich-Erzähler in Erscheinung und auch er entschuldigt sich, ist er doch kein Schriftsteller und kann so nur mit eher nüchternen Tatsachen aufwarten und nicht mit blumigen Umschreibungen.

Da man alle Figuren des Buches nur aus Tatsuyas Sicht kennenlernt, bleiben sie etwas eindimensional. Um sich in unter seiner Familie und den Dorfbewohnern zurechtzufinden ist zu beginn des Buches ein Personenregister angelegt. Da das Buch aus dem japanischen stammt, sind die Namen anfangs ein bisschen verwirrend und ich weiß nicht, ob ich sie richtig aussprechen würde.

In Anlehnung an Agatha Christie gibt es hier natürlich eine verschrobene Ermittlerfigur, hier das Pendant zu Hercule Poirot, Kosuke Kindaichi. Er ist es letztlich, der den Fall in allen Einzelheiten aufklärt, wobei er allerdings eher wenig in Erscheinung tritt. Wie es mit seiner Anwesenheit in den anderen Büchern ist kann ich nicht sagen. Der Leser reimt sich die Geschichte schon während der Lektüre selbst zusammen, etwas, das mir bei Agatha Christie eher weniger gut gelingt. Stilecht wird am Ende der ganze Fall nocheinmal mit allen Beteiligten aufgerollt.

Die Kriminalgeschichte wird in klassischer Manier erzählt, Liebhaber von oben genannten Autorenkollegen werden sich gut unterhalten fühlen und über ein paar Längen im Mittelteil hinwegsehen, die wohl auch dem Alter der Geschichte geschuldet sind. Der Schauplatz Japan mit seinen Traditionen wird gut dargestellt, bietet einen interessanten Hintergrund für den eigentlichen Fall und macht die Bücher natürlich auch unverwechselbar.

Nicht zuletzt durch "Bullet Train" sind Gangstergeschichten aus Asien derzeit stark im Fokus. Mit solchen Storys ist dieses Buch allerdings nicht zu vergleichen. Das Retro Design des Covers ist ein genaues Abbild des Krimis, der den Leser zwischen den Buchdeckeln erwartet, klassisch und voll dem damaligen Zeitgeist folgend, spannend, ohne viel Drumherum, muss man natürlich mögen. Ich tue es und habe jetzt richtig Lust auf die anderen Bücher des Autors.

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Vielbeachtetes Körperteil

Brüste
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Brüste, jeder Mensch hat welche (selbst Männer und die könnten, wie ich nach der Lektüre nun weiß, sogar stillen, denn alles was Frau dazu braucht, ist bei ihnen auch angelegt). Während allerdings die ...

Brüste, jeder Mensch hat welche (selbst Männer und die könnten, wie ich nach der Lektüre nun weiß, sogar stillen, denn alles was Frau dazu braucht, ist bei ihnen auch angelegt). Während allerdings die männliche Brust nur selten Gegenstand weitreichender Betrachtungen ist, wird um die weibliche Brust ein riesiges Buhei betrieben. Sie wird instrumentalisiert, sexualisiert, kommerzialisiert, ihr wird künstlerisch gehuldigt. Sie existiert in den verschiedensten Formen, meist weit entfernt vom Idealbild. So bald sie sich zeigt quetscht man sie, den Konventionen folgend, in enge Büstenhalter, wenn die Natur ihren Lauf nimmt wird gecremt, massiert, Sport getrieben und ganz Mutige operieren um zu optimieren.

In Büchern kann man viel über Brüste lesen, sie kommen in Krimis genauso vor wie in romantischen Komödien, oder Liebesdramen. Hier haben nun Linus Giese und Miku Sophie Kühmel eine Anthalogie zusammengestellt, in der es um Brüste geht, allerdings ist hier die Betrachtungsweise mal eine ganz andere. Zwölf helle Köpfe, inklusive der Herausgeber, teilen hier ihre Gedanken zum Thema und das teilweise aus sehr interessanten Blickwinkeln heraus. Da widmet sich Bettina Wilpert zum Beispiel dem Thema Stillen und beginnt ihren Text mit der Erwähnung des berühmten Gemäldes La Barbuda, ein Bild, über das ich kurz vorher in einem anderen Zusammenhang etwas gelesen hatte. Linus Giese beschreibt wie befreiend, für ihn als trans*Mann, die Entfernung der Brust war. Etwas im Kontrast dazu die Erfahrungen von Kirsten Achtelik, der nach ihrer Tumordiagnose eine Brust entfernt werden muss und die sich gegen eine Rekonstruktion entscheidet. Nils Pickert schreibt sehr treffend von der großen Bedeutung, die Brüste in der Welt von heterosexuellen sis Männern einnehmen. "In der Welt, in der ich lebe, gelten Brüste als Kommunikationsmittel für heterosexuelle sis Männer über Handlungen, zu denen sie verbal weder eingeladen noch aufgefordert wurden."

Das schmale Büchlein bietet interessante Einblicke, regt zum Nachdenken an, macht teilweise betroffen und traurig. Ich muss zugeben, dass ich eine solche Auseinandersetzung mit der Thematik gar nicht erwartet hatte und bewundere den Mut der Schreibenden, teilen sie doch oft sehr Intimes mit dem Leser. Abgerundet wird das Ganze mit Informationen zu den einzelnen Autoren.

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Veröffentlicht am 17.06.2024

Ein Kind verschwindet

Dorf unter Verdacht
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In London ist die Stimmung gedrückt, hunderte Eltern bringen ihre Kinder zum Bahnhof, um sie vor den drohenden Bombenangriffen der Deutschen in Sicherheit zu bringen. Die Kinder fahren aufs Land, in die ...

In London ist die Stimmung gedrückt, hunderte Eltern bringen ihre Kinder zum Bahnhof, um sie vor den drohenden Bombenangriffen der Deutschen in Sicherheit zu bringen. Die Kinder fahren aufs Land, in die vermeintliche Sicherheit, leider aber gilt das nicht für alle.

Das Buch ist bereits das 10. aus der Reihe rund um Autorin Josephin Tey und den Ermittler Archie Penrose, ich hatte bisher keines davon gelesen. Der Stil der Autorin hat mich direkt abgeholt. Das Setting des Buches rund um das beschauliche englische Dorf in den 1930er/1940er Jahren, hier direkt zu Beginn des 2. Weltkriegs, hat mich stark an die Bücher von Agatha Christie und auch G. K. Chesterton erinnert, obwohl hier natürlich die Leichtigkeit und der unterschwellige Humor fehlen. Stattdessen erwartet den Leser eine klassisch aufgebaute Kriminalgeschichte, mit viel Spannung, eingebettet in die Dorfidylle mit ihren Bewohnern als Verdächtigen.

Die Figuren, allen voran die auf einer echten Person basierende Josephin sind sehr gut gezeichnet und direkt sympatisch. Auch wenn man keine Vorkenntnisse zu den Hintergründen hat baut man eine Beziehung zu ihnen auf. Auch für die Dorfbewohnern werden schnell Sympathie und Antipathie geweckt. Wie von der Autorin beabsichtigt zieht man als Leser schnell Schlüsse zu möglichen Verdächtigen und ihren Motiven. Die Autorin versteht es hier exzellent falsche Spuren zu legen und den Leser so lange im Unklaren zu lassen. Der Spannungsbogen entwickelt sich stetig nach oben, um dann eine überraschende, oder vielleicht auch doch nicht so überraschende Wendung zu bringen, hatte ich doch ganz, ganz kurz mal eine Vermutung in diese Richtung.

Was ich an diesem Krimi unglaublich gut gemacht finde, ist die Grundstimmung. Der Leser spürt die allgegenwärtige Angst vor dem bevorstehenden Krieg. Auch die dörfliche Idylle, das sonnige Wetter, schaffen es nicht die Erinnerungen der Ältern an die Ereignisse 20 Jahre zuvor zu verdrängen, als man schon einmal in einem verheerenden Krieg Väter, Brüder, Söhne verloren hat. Ein Zitat zum bevorstehenden Eintritt Großbritanniens in den Krieg hat mich hier leider sehr an die aktuellen Ereignisse unserer Zeit erinnert -

"Das kommt davon, wenn man tatenlos zusieht, wie etwas Schreckliches passiert, selbst wenn es einen nichts angeht."

Auch die Emotionen rund um das Verschwinden des Kindes sind unglaublich nachvollziehbar dargestellt, die Ängste der Eltern, die Vorwürfe die man sich in einer solchen Situation macht, der Eifer der Polizei und der Suchtrupps, ihre beginnende Resignation, aber auch das Misstrauen und die Verdächtigungen innerhalb der Dorfgemeinschaft, die tiefliegenden Argwohn und alte Feindschaften offenlegen.

Bevor ich dieses Buch gelesen habe, habe ich die Reihe, auch auf Grund ihres Covers, in die Abteilung "cosy Crime" gesteckt. Diese Einschätzung muss ich hiermit redigieren, cosy ist an diesem Fall so gar nichts, im Gegenteil. Das beschriebene Szenario ist emotional aufgeladen, düster und bewegend, die Bezüge zu realen Ereignissen, deren Verlauf der Leser kennt machen die Geschichte greifbar. Definitiv nicht das letzte Buch der Reihe für mich.

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Veröffentlicht am 17.06.2024

Berührend

Morgen und Abend
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Fischer Johannes wacht morgens auf und beginnt seinen Tag, so wie er ihn immer beginnt, seit seine Frau Erna verstorben ist. Aufstehen, erstmal eine rauchen, Kaffe und schauen, was wie das Wetter aussieht. ...

Fischer Johannes wacht morgens auf und beginnt seinen Tag, so wie er ihn immer beginnt, seit seine Frau Erna verstorben ist. Aufstehen, erstmal eine rauchen, Kaffe und schauen, was wie das Wetter aussieht. Allerdings ist heute irgendwas anders als sonst.

"Morgen und Abend" ist ein recht dünnes Büchlein von nur 122 Seiten und erzählt von Johannes, einem alten Mann. Zu Beginn des Buches wird der Leser Zeuge seiner Geburt, danach triff man ihn erst wieder als alten Mann am Ende seines Lebens, man begleitet ihn durch seinen Tag, begleitet ihn in seinen Erinnerungen durch sein Leben, begleitet ihn auf seinem letzten Weg. Dem Leser ist dabei vom ersten Moment an klar, wohin die Reise geht, Johannes selbst wird es erst recht spät klar.

Autor Jon Fosse schreibt seine berührende Geschichte in einem sehr speziellen, einzigartigen Stil, der Leser ist hier gefordert und muss sich auch ein Stück weit darauf einlassen. Im Groben könnte man sagen, die gesamte Geschichte besteht aus einem einzigen Satz. Es gibt Kommas, ab und an ein Fragezeichen, aber ansonsten kein Satzzeichen. Ab und zu sind einzelne Wortgruppen durch Einrückung gekennzeichnet, es gibt auch Großschreibung, die einen neuen "Satz" ankündigt, aber im Grunde ist der gesamte Roman eine einzige Aneinanderreihung von Worten. So muss es wohl aussehen, wenn man einen Untertitel für die eigenen Gedanken erstellten würde, der wie ein Liveticker unten durchläuft. Sehr speziell und so noch nie gesehen. Im ersten Moment dachte ich fast an einen Druckfehler, bis ich gemerkt habe, dass das ein stilistisches Mittel des Autors ist.

Die Geschichte ist sehr berührend. Dieser letzte Tag, durchzogen von Erinnerungen, vom Wiedersehen mit Freunden, von einer gewissen Leichtigkeit, aber auch von so viel Trauer geht nicht spurlos am Leser vorbei und am Ende musste ich auch kurz mal schniefen. Zu Recht hat dieses Buch den Nobelpreis für Literatur gewonnen.

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