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Veröffentlicht am 18.08.2024

Schatten der Vergangenheit

Im Unterholz
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Im Wald wird eine übel zugerichtete Frauenleiche entdeckt. Für die Bewohner der Gegend steht schnell fest, hier kommt nur ein Durchreisender als Täter in Frage, denn keiner der Nachbarn wäre zu solch einer ...

Im Wald wird eine übel zugerichtete Frauenleiche entdeckt. Für die Bewohner der Gegend steht schnell fest, hier kommt nur ein Durchreisender als Täter in Frage, denn keiner der Nachbarn wäre zu solch einer Tat in der Lage. Ex-Journalistin Vera wird gebeten die Stimmung im Ort für eine kurze Reportage einzufangen und kommt ins Grübeln.

Wenn man als Leser an Schwedenkrimis denkt, denkt man meist an ein Verbrechen auf einer der idyllische Schäreninseln, oder in der Anonymität der pulsierenden Großstadt Stockholm. Hier verschlägt es einen in eine ländliche Gegend, dicht an der Grenze zu Norwegen, hier herrscht eine Stimmung, wie man sie vielleicht eher in einem amerikanischen Krimi erwarten würde. Städte, die durch die Schließung von Firmen keine Anreize mehr für junge Leute bieten. Die immer mehr verarmen und plötzlich nur noch als Investitionsobjekt für reiche Norweger dienen, die sich hier überteuerte Feriendomizile errichten, die sie dann nur an zwei Wochen im Jahr bewohnen. In denen es an allen Ecken und Enden an Geld für das Gemeindeleben fehlt, weil keinerlei staatliche Unterstützung erfolgt. In denen Seniorenheime zur Unterbringung für Migranten umgenutzt werden und in denen die wenigen verbliebenen Einwohner immer verbitterter und eigenbrötlerischer werden.

Im Unterholz zeichnet ein eher düsteres, trostloses Bild von Schweden und so verwundert es nicht, dass auch die Figuren sich dieser düsteren Stimmung angleichen, allen voran Hauptfigur Vera. Ziemlich griesgrämig und vom Leben enttäuscht dümpelt sie nach ihrer Scheidung und dem Verlust ihres Jobs bei einer Lokalzeitung vor sich hin. Eigentlich ist sie der typische Antiheld und im Grunde auch nicht wirklich sympatisch, aber sie baut im Laufe der Geschichte eine Beziehung zum Leser auf, zeigt wie zäh und kompromisslos sie im Bezug auf ihre Arbeit und damit auf die Wahrheitsfindung ist. Man ist zwar manchmal ziemlich von ihrem Selbstmitleid, von ihren Alleingängen, von ihrem Trotz genervt, aber irgendwie mag man sie dann doch.

Die Geschichte verläuft relativ ruhig. Der Leser folgt keinen polizeilichen Ermittlungen, sondern den eher journalistischen Recherchen von Vera und taucht so immer tiefer in die Hintergründe der Tat ein. Es baut sich eher unspektakulär ein Bild auf, das von Seite zu Seite deutlicher wird und quasi eine komplette Lebensgeschichte abbildet, die letztlich in einer Katastrophe endet.

Die Bezeichnung Krininalroman finde ich für eine Charakterisierung des Buches absolut passend, wobei ich den Fokus tatsächlich noch mehr auf Roman legen würde. Spannung, wie man sie in einem klassischen Krimi erwartet, fehlt natürlich nicht ganz, ist aber eher hintergründig und liegt letztlich auch eher auf der psychologischen Ebene wenn der Lebensweg des Opfers nachgezeichnet wird. Dem Leser wird recht schnell klar, wer als Täter am ehesten in Frage kommt, allerdings versteht es die Autorin gut die logischen Zusammenhänge lange genug im Dunkeln zu halten um die Seiten zu füllen. Am Ende gibt es natürlich die komplette Aufklärung, inklusive Showdown mit dem Täter.

Wer Action und Nervenkitzel sucht wird mit diesem Buch eher schlecht beraten sein, wer sich aber auch auf eine hintergründige und ruhige Kriminalhandlung einlassen kann, wird das Buch sicher gern lesen. Ich mag tatsächlich beide Varianten, je nach Stimmung, und mochte diesen durchaus auch gesellschaftskritischen Blick auf die nicht so sonnige Seite Schwedens gern lesen.

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Veröffentlicht am 18.08.2024

Verbrechen im Urlaubsidyll

Die Chinesin (eBook)
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Der deutsche Ex-Polizist Gerhard Beckmann lebt nach dem Unfalltod seiner Frau dauerhaft auf der Ferieninsel Sardinien. Hier begegnet er am Strand einer Chinesin, die Massagen anbietet, eine Begegnung, ...

Der deutsche Ex-Polizist Gerhard Beckmann lebt nach dem Unfalltod seiner Frau dauerhaft auf der Ferieninsel Sardinien. Hier begegnet er am Strand einer Chinesin, die Massagen anbietet, eine Begegnung, die sein Leben ziemlich stark beeinflussen wird.

Autor Jochen Brunow stellt dem Leser mit seiner Hauptfigur einen ziemlichen Einzelgänger vor, der sich in seinem zurückgezogenen Leben eingerichtet hat. Recht schnell wird klar, dass der Tod der Ehefrau noch lange nicht aufgearbeitet ist und auch der fehlende Kontakt zur Tochter, die Beckman eine Mitschuld am Unfall der Mutter gibt, belastet den Ruheständler sehr. Durch seine Bekanntschaft mit Chinesin Xia wird nun die Eintönigkeit unterbrochen, Beckmann wird gezwungen seine Kompfortzone zu verlassen, sich mit sich und auch mit seiner Trauer zu beschäftigen. In all diese persönlichen Probleme kommt nun der Kriminalfall, wird Beckmann doch Zeuge eines brutalen Überfalls.

Das Buch verbindet hier sehr stark die persönlichen Hintergründe der Figuren mit dem vorliegenden Kriminalfall, hier rund um die Ausbreitung der chinesischen Triaden in Europa. An sich ist diese Thematik äusserst spannend, allerdings empfand ich die Ermittlungen hier als recht langatmig, teilweise verworren und undurchsichtig. Zwischendrin dann ein frisch verliebter Ex- Polizist, die, doch sehr klischeehaft gezeichnete, italienische Polizei und wunderschöne, seitenlange Beschreibungen der Insel Sardinien.

Leider war mir diese Mischung nicht ganz ausgewogen. Natürlich verstehe ich den Hintergrund, das Anliegen des Autors zu zeigen, dass das Verbrechen eben auch vor der Idylle der italienischen Urlaubsinsel nicht halt macht und das Corruption, Menschenhandel, moderne Sklaverei inzwischen überall zu finden sind. Ich komme aber eben so überhaupt nicht mit dem Kontrastprogramm, dem Privatleben der Hauptfigur klar, die so viel Raum innerhalb der Geschichte einnimmt, dass ich oft das Gefühl hatte zwei verschiedene Bücher zu lesen.

Generelle finde ich es immer gut den Figuren Tiefe durch Hintergrundgeschichten und Nebenhandlungen zu geben, hier ist mir das Ganze aber zu viel. Der Autor erzählt diesen Teil unglaublich intensiv, erzeugt eine tolle Atmosphäre, zeichnet wunderschöne Bilder um dann komplett umzuschwenken und den Fokus auf den anderen Teil der Geschichte zu lenken, der dann eben wie gesagt langatmig und zäh verläuft. Die Balance, eine Verbindung zwischen beiden Teilen fehlt mir so ein bisschen und das hat mir das Lesen letztlich sehr erschwert, die Krimihandlung war wenig spannend und konnte mich nicht wirklich fesseln.

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Veröffentlicht am 18.08.2024

Mord im Verlagswesen

Huldrychs Ende
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Abends wird noch groß auf Schloß Iringsburg gefeiert, morgens liegt der Gastgeber dann tot auf der Terasse. Hauptkommissar Lukaschonsky und seine Kollegin, Kommissarin Jana Vecera ermitteln in der Münchner ...

Abends wird noch groß auf Schloß Iringsburg gefeiert, morgens liegt der Gastgeber dann tot auf der Terasse. Hauptkommissar Lukaschonsky und seine Kollegin, Kommissarin Jana Vecera ermitteln in der Münchner Literaturszene, wobei, ermitteln tut eigentlich nur eine der Beiden, der Andere glänzt meistens mit Abwesenheit.

Thomas Michael Glaw legt mit seinem Buch eine herrlich schräge Krimisatiere vor, die sich nur so wegliest. Nicht nur das Cover des Buches ist direkt mal ein ganz besonderer Hingucker, sondern auch bei den Figuren hat sich der Autor ausgetobt. Auf oben angesprochener Party lernt der Leser einige von ihnen kennen und muss angesichts der Namensgebung schon schmunzeln. Amüsant wird es dann auch wenn Hauptkommissar Louis Lukaschonsky die Szene betritt, stilecht im schmuddeligen Trenchcoat und in Begleitung seines absolut unerzogenen Dackels Waldemar. Ähnlichkeiten zu einer sehr erfolgreichen Fernsehserie sind hier wahrscheinlich beabsichtigt, obwohl sie sich tatsächlich nur auf die Äußerlichkeiten beschränken und nicht auf die Ermittlungsarbeit. Diese führen ins Milieu des deutschen Buchhandels und nimmt die zustände hier gewitzt unter die Lupe.

Im Grunde ist das Buch eine klassische Kriminalstory, etwas überspitzt, herrlich skuril und mit einem leichten Augenzwinkern. Ich mag sowas immer mal sehr gern, wenn es nicht ins Lächerliche abdriftet und das ist hier gar nicht der Fall. Natürlich muss man das mögen. Fans von etwas unkonventionellen Krimis, wie etwa auch bei Agatha Raisin, oder Inspector Barnaby, aber auch des Weimarer Tatorts werden sich hier gut unterhalten fühlen. Gern mehr davon.

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Veröffentlicht am 30.07.2024

Viel Drumherum, wenig Spannung

Signum
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Kim Ribbing will nun endlich Antworten von seinem Peiniger, Doktor Martin Rudbeck und hat ihn deshalb im Keller seiner Villa versteckt, allerdings läuft nicht alles nach Plan und plötzlich hat Kim ein ...

Kim Ribbing will nun endlich Antworten von seinem Peiniger, Doktor Martin Rudbeck und hat ihn deshalb im Keller seiner Villa versteckt, allerdings läuft nicht alles nach Plan und plötzlich hat Kim ein ziemlich großes Problem. Probleme gibt es auch in der Beziehung zu Ex-Polizistin und Krimiautorin Julia Malmros, denn die kommt nur bedingt mit Kimˋs Stimmungsschwankungen zurecht und natürlich ist da auch noch Astrid Helander, der Kim angeboten hat ein Zimmer in seinem Haus als Zuflucht zu nutzen.

Nachdem das erste Buch mit einem ziemlichen Cliffhanger geendet hat, musste ich natürlich wissen wie es weitergeht, obwohl im Groben recht klar war, was sich da wohl im Keller des ehemaligen Botschaftsgebäudes abspielt. Der Fortgang der Geschichte, rund um Kimˋs Rache und damit verbunden eventuell auch eine gewisse Aufarbeitung seiner Vergangenheit versprach recht spannend zu werden. Spannend war es dann auch, allerdings nur wenige der 480 Seiten lang, denn der große Knall kommt ziemlich früh im Buch und dann beobachtet man die Protagonisten eigentlich nur noch dabei, wie sie krampfhaft versuchen der Polizei wenigstens einen halben Schritt voraus zu sein.

Irgendwie hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass sich die Figuren einmal komplett gedreht haben. Aus der taffen Julia wird eine stets jammernde, sich selbst leidtuende Frau mittleren Alters, die ständig mit ihrer Beziehung und ihrer beruflichen Zukunft hadert. Kim, der unerschütterliche, immer einen Ersatzplan inpetto habende Hacker, macht einen dilettantischen Flüchtigkeitsfehler nach dem Anderen und wäre ohne die Hilfe von Julia, Astrid und dem geheimnisvollen Ces ziemlich verloren, und Astrid die für Tierrechte kämpfende Hardcoreveganerin entpuppt sich als manipulative, skrupellose Trickbetrügerin. Das wurde mir alles zu viel und hat auch nicht unbedingt zu dem Bild gepasst, dass ich mir im ersten Buch von den Figuren gemacht hatte. Klar, ich liebe komplizierte, spezielle Figuren, mit Ecken, Kanten und gern auch einer Dunklen Seite, aber das hier war einfach zu viel des Guten. Man hat das Gefühl der Autor versucht einen Wettkampf um die durchgeknallteste Figur zu gewinnen. Einziger Lichtblick hier, Julias Freundin Irma, die herrlich selbstironisch von ihrem, hoffentlich noch weit entfernten Tod philosophiert. Leider kann dann auch die etwas unbeholfene, aber durchaus niedliche Romanze von Julias Ex mann Jonny die angeknackste Stimmung nicht mehr retten.

Rein theoretisch ist die Geschichte vom Beginn der Trilogie, in meinen Augen, auserzählt, ich kann mir also nicht vorstellen, was jetzt Thema im dritten und letzten Buch werden soll. Davon abgesehen glaube ich kaum, dass ich mich für den dritten Band noch werde motivieren können.

Obwohl ich das Buch wesentlich schwächer als seinen Vorgänger fand und die Geschichte gut auch mit der Hälfte der Seiten funktioniert hätte, gebe ich drei Sterne, weil zweieinhalb ja nicht geht und ich zwei dann doch zu drastisch fand.

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Veröffentlicht am 30.07.2024

Viele Verdächtige

Das Sterben in Wychwood
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Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine ...

Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine recht redselige alte Dame, die ihn sehr an seine unzähligen Tanten erinnert. Sie erzählt ihm eine etwas hahnebüchene Geschichte über mehrere Morde in ihrem beschaulichen Städtchen und das sie nun auf dem weg zu Scotland Yard ist. Kurz darauf liest Luke von ihrem Unfalltod in der Zeitung, ebenso von dem einer der Personen, von denen sie während der Zugfahrt erzählt hat.

Der Krimi bietet wieder ein typisches AC Setting, direkt zu Beginn werden wichtige Personen dem Leser vorgestellt und schon gibt es den ersten Todesfall innerhalb einer Dorfgemeinschaft. Die Hauptfigur wird eher zufällig in das Geschehen hineingezogen und beginnt die Ermittlungen. Hier kommt mal keine von ACˋs bewährten Ermittlerfiguren zum Zug, nur Inspector Battle hat ganz am Ende einen kleinen Gastauftritt.

Verdächtige gibt es in dieser Geschichte wie Sand am Meer, was das Mitkriminalisieren für den Leser nicht leichter macht. Da sich die Zeugin Miss Pinkerton vor ihrem Tod recht vage und geheimnisvoll ausgedrückt hat, kann man über Motiv und Täter lange nur spekulieren. Die Autorin schafft es wieder auf ihre ganz spezielle Weise falsche Spuren zu legen und irgendwie jede der Figuren an einem gewissen Punkt der Geschichte verdächtig erscheinen zu lassen, ohne das man konkrete Anhaltspunkte nennen könnte.

Absolut typisch kommt die Auflösung klassisch, als Geständnis des Täters, zum Schluss und man muss einmal mehr den Hut ziehen angesichts dieser Auflösung, die ebenso überraschend, wie schlüssig ist. Immer wieder frage ich mich an diesem Punkt, ob AC direkt zu Beginn des Buches schon genau dieses Ende im Sinn hat und einfach Alles passend "hinbiegt", oder, ob sich die Geschichte im Verlauf verändert und der Täter/die Täterin für die Autorin genauso überraschend kommt wie für den Leser.

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