Profilbild von reni74

reni74

Lesejury Star
offline

reni74 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit reni74 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2024

Die Suche nach der Wahrheit

Morphium
0

Elinor Carlisle ist des Mordes an Mary Gerrard angeklagt. Die junge Frau war Elinors kürzlich verstorbener Tante sehr ans Herz gewachsen, sollte sogar beim Erbe berücksichtigt werden und auch Elinors Verlobter ...

Elinor Carlisle ist des Mordes an Mary Gerrard angeklagt. Die junge Frau war Elinors kürzlich verstorbener Tante sehr ans Herz gewachsen, sollte sogar beim Erbe berücksichtigt werden und auch Elinors Verlobter war sehr von ihr angetan. Ein Mord aus Habgier und Eifersucht, ein klarer Fall, oder etwa nicht?

In Morphium legt Agatha Christie mal ein gänzlich anderes Szenario vor, die Tat ist schon passiert, der Täter schon gefunden und vor Gericht gestell, eigentlich eine klare Sache. Hercule Poirot wird nur in einem kurzen Nebensatz erwähnt, als Zuhöhrer im Gerichtssaal. Erst später tritt er dann in Aktion, möchte doch ein Verehrer von Elinor unbedingt Zweifel an deren Schuld anbringen, um eine Verurteilung zu verhindern. Poirot steht vor einer schwierigen Aufgabe, scheint die Beweislast doch erdrückend und auch die Angeklagte macht nicht unbedingt den Eindruck, als wäre sie tasächlich unschuldig.

Im Verlauf des Buches wird der Fall nun rückwirkend aufgerollt und der Leser wird Zeuge der Ereignisse, die letztlich zum Mord führten und man nimmt teil an Poirots Ermittlungen und Befragungen. Gerade bei den Gesprächen mit den Beteiligten läuft Poirot zu gewohnter, schlitzohriger Hochform auf, es ist ein Vergnügen ihn zu begleiten. Leider sind die gewonnenen Erkenntnisse wenig erhellend, denn immer wieder läuft alles auf Elinor als Täterin hinaus. Natürlich kommt es beim Lesen zu den wildesten Spekulationen, man mag halt nicht glauben, dass AC den Täter direkt auf der ersten Seite präsentiert, aber so richtig logisch sind diese Spekulationen nie.

In ihrer unvergleichlichen Art schafft es AC wieder den Leser bis zuletzt aufs Glatteis zu führen, falsche Spuren zu legen, Verwirrung zu stiften, das Mitkriminalisieren ist ein riesen Spaß. Die Auflösung erfolgt mal nicht in der üblichen großen Inszenierung, bietet eine Überraschung, aber im Rückblick ergibt es Sinn. Einer der besten Fälle Poirots.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.03.2024

Vielfältige Anregungen

Al forno - Ofenfrische Gerichte
0

Stefano Cavada ist Influenzer und Foodblogger aus Südtirol und hat schon mehrere Rezeptsammlungen auf italienisch herausgebracht, dieses Buch ist sein erstes auf deutsch.

Wie der Titel schon sagt handelt ...

Stefano Cavada ist Influenzer und Foodblogger aus Südtirol und hat schon mehrere Rezeptsammlungen auf italienisch herausgebracht, dieses Buch ist sein erstes auf deutsch.

Wie der Titel schon sagt handelt es sich um Rezepte für den Backofen, 60 sind im Buch enthalten. Nach einer Einleitung mit Tipps zu den wichtigsten Utensilien, Mehltypen, oder auch zur Teigruhe kommt der Rezeptteil, Kleine Leckerbissen, Brot, Vorspeisen, Einzelgerichte, Kuchen und Torten und Kekse. Gerade über das Kapitel Brot habe ich mich sehr gefreut, allerdings sind mir dann Bier-, oder Kastanienbrot doch etwas zu speziell. Die Rezepte sind ausführlich beschrieben und auch bebildert. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, Klassiker wie Mac & Cheese, oder Hackbraten ebenso Spezielles wie Gin-Tonic-Kuchen.

Das Buch ist sehr hochwertig gestaltet und hat eine schöne Größe. Der Einband ist fest und ebenso wie die Seiten matt gehalten, was ich sehr schön finde. Leider ist es etwas schwierig das Buch aufgeklappt auf die Arbeitsplatte zu legen, die Seiten fallen dann immer wieder zurück, eben weil der Einband sehr fest ist, ist das buch etwas steif im Umgang.

Eine sehr schöne Rezeptsammlung mit leckeren Klassikern und vielen neuen Anregungen, sicher auch gut zum Verschenken.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.03.2024

In der Hitze der Nacht

Pickard County
0

Als Cop in einer langsam überalternden Stadt fährt Harley Jensen Nachts seine Runden, kontrolliert immer und immer wieder die gleichen verlassenen Höfe, darunter auch den, auf dem seine Familie früher ...

Als Cop in einer langsam überalternden Stadt fährt Harley Jensen Nachts seine Runden, kontrolliert immer und immer wieder die gleichen verlassenen Höfe, darunter auch den, auf dem seine Familie früher gelebt hat. Auffällig oft gerät er bei seinen Fahrten mit Paul Reddick aneinander, der junge Mann ist nie weit wenn es irgendwo Ärger gibt und ihn und Harley verbindet eine lange Geschichte.

Die Autorin liefert hier einen, gleich in mehrere Hinsicht ungewöhnlichen und untypischen Krimi. Schon mit ihren ersten Sätzen hat sie mich kalt erwischt, sowas erwartet man eigentlich in einem Krimi nicht unbedingt und ich lese viele davon.

"Als Harley nach Osten in Richtung des Reviers fuhr, brach der Morgen an wie das Stillleben eines Feuerscheins, auf dem die Wolken sich zurückzogen, um einen zerklüfteten, honigfarbenen Sandberg anzustrahlen." Wie toll ist denn bitte dieser Satz?

Wenn man nun aber von diesem Satz darauf schließt, das es hier verklärt und romantisch wird, wird man enttäuscht. Romantisch ist in diesem Buch rein gar nichts. Chris Harding Thornton könnte mit ihren Figuren und dem Schauplatz ihrer Geschichte kein größeres Kontrastprogramm fahren. Die Geschichte spielt im heißen, staubig trockenen Nebraska, man spürt hier fast die stehende Hitze in Pams Wohnwagen, fühlt, den Schweisstropfen der an ihrer Kniekehle herunterläuft, kann die Trostlosigkeit mit Händen greifen. Neben Harley und Paul sind auch Pauls Bruder Rick und dessen Frau Pam tragischer Bestandteil dieses Ensembleromans. Zwischen diesen vier Figuren springt die Geschichte hin und her, immer wieder findet ein Perspektivenwechsel statt und man folgt den Ereignissen aus einem anderen Blickwinkel, ist dann voll bei der Figur, erlebt ihre Gedanken und Gefühle. Besonders bei Pam wird es sehr intensiv, denn sie hadert sehr mit ihrem Leben als junge Mutter und Ehefrau, versucht immer wieder aus der Eintönigkeit auszubrechen, leider in einer Art und Weise, die den ein, oder anderen Leser schockieren wird.

Picard County erzählt gleich mehrer Familiengeschichten und zeigt eindringlich, wie Traumata und erlittene Verluste diese prägen und letztlich auch zerstören können. Die Story entwickelt sich eher ruhig, fast träge und zäh, als würde die brütende Hitze alles verlangsamen. Der Leser spürt aber direkt von Anfang an, dass man auf eine Katastrophe zusteuert. Sie kündigt sich mit jedem Wort an, sie ist unausweichlich, entsteht aber letztlich nur durch Missverständnisse, fehlendes Vertrauen und Vorurteile. Man fühlt sich fast wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines Autos, spürt die Gefahr, ist aber paralysiert und kann nicht weglaufen. Trotz dieser zähen Entwicklung hat mich das Buch aber total gepackt, ich war gefesselt von den Figuren und konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Als es dann vorbei war, ging es mir dann plötzlich viel zu schnell.

Das Buch enthält neben der Danksagung der Autorin noch ein Nachwort von Marcus Müntefering, der die Spielart des Romans erklärt, die Country oder Rural Noir genannt wird und sich mit Menschen am Rande der Gesellschaft beschäftigt. Es war sehr interessant diese Anmerkungen zu lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.03.2024

Krankheit des Geistes

Nachtblaue Blumen
1

Paris 1890, eine junge, namenlose Tänzerin wird in die berüchtigte Nervenheilanstalt der Stadt eingewiesen. Nach Meinung ihres Patrons, ihres Chefs im Variete, leidet sie wohl an Hysterie, einer Erkrankung ...

Paris 1890, eine junge, namenlose Tänzerin wird in die berüchtigte Nervenheilanstalt der Stadt eingewiesen. Nach Meinung ihres Patrons, ihres Chefs im Variete, leidet sie wohl an Hysterie, einer Erkrankung des Geistes, die zur damaligen Zeit oft Frauen angedichtet wurde, wenn sie sich nicht so verhalten, nicht so funktioniert haben, wie gesellschaftlich gewünscht. Eine Tänzerin, die nicht mehr tanzen will, kann schließlich nur krank sein und bedarf dringender Hilfe, um ihre Tätigkeit wieder aufnehmen zu können.

Autor Alexander Kamber legt seinem Roman nach eigener Aussage die lange verschollenen Aufzeichnung einer jungen Frau vor, die einige Zeit Insassin in der Pariser Nervenheilanstalt war. Der Name der Frau ist nicht angegeben, sie erzählt von ihrer Ankunft in der Anstalt, in Rückblicken von den Ereignissen, die dazu geführt haben, das sie hier gelandet ist, vom Alltag, den Therapien, ihren Mitpatienten und vor allem von den Vorführungen, in denen der Professor vor Publikum die Patientinnen vorführt und ihre Erkrankungen erklärt. Das es sich hierbei eher um gut geschauspielerte Inszenierungen handelt, für die nur bestimmte Patientinnen ausgewählt werden, ist schnell klar.

Die unregelmäßigen, mal länger, mal kürzeren Aufzeichnungen geben interessante Einblicke in die Methoden der Ärzte, die mit viel Scharlatanerie und Halbwissen an der Psyche der ihnen ausgelieferten Frauen herumspielen. In einigen der Erinnerungen ist immer wieder von einem Zigarre rauchenden deutschen Arzt die Rede, der während seiner Sitzungen die Patientinnen hypnotisiert und versucht ihre Träume zu deuten. Bei den Beschreibungen der "Vorführungen" des Professors spürt der Leser wie ausgeliefert die Frauen den Ärzten sind und wie sehr sie aber gleichzeitig nach der Anerkennung hungern, die sie bekommen, wenn sie für diese Aufgabe ausgewählt werden.

Die Aufzeichnungen enden sehr abrupt, der Leser bleibt zurück mit der Frage, was wohl aus der jungen Tänzerin geworden ist. Aus ihr und aus ihren Leidensgenossinen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.03.2024

Es gibt Gut und es gibt Böse

Notizen zu einer Hinrichtung
0

Ansel Packer sitzt für den Mord an mehreren Frauen in der Todeszelle. Noch in seinen letzten Stunden ist er davon überzeugt missverstanden zu werden und er ordnet seine Notizen, seine Theorie, in der er ...

Ansel Packer sitzt für den Mord an mehreren Frauen in der Todeszelle. Noch in seinen letzten Stunden ist er davon überzeugt missverstanden zu werden und er ordnet seine Notizen, seine Theorie, in der er der Welt seine Sicht der Dinge darlegen will, keine Rechtfertigung seiner Taten, keine Entschuldigung an die Opfer und ihre Familien, sondern seine Wahrheit zu Gut und Böse.

"Wenn du Sie liest, wirst du alles verstehen. Gut und Böse sind einfach Geschichten, die wir uns erzählen, Narrative, die wir erfunden haben, um unsere Existenz zu rechtfertigen. Niemand ist vollkommen gut, oder vollkommen böse. Jeder verdient es, weiterzuleben, findest du nicht?"

Danya Kukafka liefert hier einen sehr untypischen, aber um so eindringlicheren Thriller. Der Leser begegnet Ansel und erfährt in Rückblicken auf die Frauen in seinem Leben etwas über sein Leben. Da gibt es Lavender, die Mutter, gefangen in einer toxischen Beziehung zu Ansels Vater, die, um die Kinder und letztlich auch sich zu retten flüchtet und darauf hofft, das es den beiden kleinen Jungen in der Obhut des Jugendamtes besser ergeht. Saffy, die Polizeibeamtin, die erfolglos im Fall eines von Ansels Opfern ermittelt und Ansel aus der gemeinsamen Zeit in einer Pflegefamilie kennt und Hazel, die Schwester von Ansels Lebensgefährtin. Drei Frauen, die Ansel beeinflusst haben, oder deren Leben durch Ansel beeinflusst wurde, verändert wurde für immer.

Vor dem Leser breitet sich nicht nur ein Leben aus, sondern viele Leben und über allem steht die Frage die Ansel immer beschäftigt, Was wäre Wenn. Was wenn Ansels Mutter die Jungs nicht verlassen hätte? Was wenn Ansel ebenfalls von einer netten Familie adoptiert worden wäre? Was wenn ...? Ständig philosophiert Ansel darüber, wie sein Leben wohl in einem Universum verlaufen wäre, wenn hier nur eine Entscheidung anders getroffen worden wäre. Letztlich läuft es auf die Debatte hinaus, ob Menschen von Grund auf Böse sind, quasi durch ihre Gene und somit gar nicht anders handeln können, oder, ob die Entscheidungen in ihrem Leben, ihre Lebensumstände sie zu dem Monster machen, das am Ende nur selbst den Tod verdient hat. Eine Grundsatzfrage, sicher nicht leicht zu beantworten und nur ein Aspekt des Buches, der beim Leser nachhallt. Ein Weiterer ist sicher die Debatte über die Todesstrafe, Sinn, oder Sinnlosigkeit dieser Form der Strafe, denn, wie Blue, Ansels Nichte und Zeugin bei der Hinrichtung bemerkt - "...auch schlechte Menschen empfinden Schmerz."

Für einen Thriller ist das Buch unglaublich dicht und tiefgründig. Die Autorin fächert das Leben ihrer Figuren vor dem Leser auf. Während in Ansels Kapiteln der Ton eher neutral, aber immer latent bedrohlich ist, ist er bei den Frauen eher emotional, mitfühlend, aber auch bedrückend. Der Leser nimmt teil, taucht ein, kann den Schmerz, die Angst, die Verzweiflung, aber auch das Glück und die Liebe fühlen. Die verschiedenen Sichtweisen auf Ansel geben ein unglaublich komplexes Bild von seine Figur und schaffen es, das der Leser fast so etwas wie Sympathie für ihn entwickelt, ungeachtet seiner Taten.

Mich hat das Buch in Thematik und Umsetzung total überzeugt, ich habe nicht damit gerechnet, dass sich die Geschichte in dieser Art und Weise entwickeln würde. Ich würde das Buch nicht unbedingt als klassischen Thriller einordnen, eher als Charakterstudie, vielleicht sogar ein ganz klein wenig als Drama. Das Buch ist so vielschichtig, dass hierzu mehrer Interpretationen möglich sind. Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung, definitiv eines meiner Jahreshighlights.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere