Profilbild von schnaeppchenjaegerin

schnaeppchenjaegerin

Lesejury Star
offline

schnaeppchenjaegerin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit schnaeppchenjaegerin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.07.2019

Geschichte über einen Neuanfang, über die Liebe zum Handarbeiten und Handwerken, Do-it-yourself und Upcycling

Komme, was Wolle
0

Franziska erbt überraschend von ihrer Großtante Gerlinde ein Häuschen in einer Kleinstadt an der Nordsee mit dem dazugehörigen Geschäft "Wunderkiste". Da auch ihre beste Freundin gerade nach Singapur ausgewandert ...

Franziska erbt überraschend von ihrer Großtante Gerlinde ein Häuschen in einer Kleinstadt an der Nordsee mit dem dazugehörigen Geschäft "Wunderkiste". Da auch ihre beste Freundin gerade nach Singapur ausgewandert ist, hält die 34-jährige, ungebundene Physiotherapeutin nichts mehr in ihrer Heimatstadt Nürnberg. Sie packt ihre Koffer und entscheidet sich dafür, das Ladengeschäft der Tante zu renovieren und neu zu eröffnen. Schnell lernt sie die Inhaber der Geschäfte der Umgebung kennen, bekommt handwerkliche Hilfe und schließt Freundschaften. Allerdings wird sie nicht von allen Einwohnern der Kleinstadt willkommen geheißen. Irgendjemand möchte die zugezogenen Fränkin, den "Bazi" aus dem Ort verdrängen und bringt dies zunächst durch Farbschmierereien zum Ausdruck. Als der anonyme Täter noch weitere Schritte unternimmt, wird es auch für Franzi gefährlich.

"Komme, was wolle" ist eine Geschichte über einen Neuanfang über die Liebe zum Handarbeiten und Handwerken, zum Upcycling und Do.-it-yourself. Im Vordergrund steht jedoch die Geschichte selbst, Franzis Umzug nach Ostfriesland und die Renovierung und Wiedereröffnung ihres geerbten Kurzwarenladens. Sie macht aber noch mehr daraus, als nur Wolle und Reißverschlüsse zu verkaufen. Sie bastelt, näht, häkelt und strickt selbst Dekorationsgegenstände und Accessoires oder nimmt von anderen Kreativen gestaltete Verkaufswaren in Kommission. Damit lockt sie nicht nur Einwohner des Ortes, sondern insbesondere auch Tourist(inn)en in ihr Geschäft. Spannung erzeugt der Roman durch die anonymen Drohungen, denen sich Franzi ausgesetzt sieht, auch wenn man sehr schnell ahnen kann, wer dahinter steckt und sie vertreiben möchte.

Am Ende des Kapitel wird jeweils auf ein DIY-Projekt hingewiesen, auf Anleitungen zum Basteln und Handwerken, die sich im Anhang des Romans befinden. So finden sich dort Beschreibungen zum Nähen von "Sockenbären", zum Sägen von Schaf-Buchstützen oder zum Filzen von Sitzunterlagen.

"Komme, was wolle" ist ein leicht zu lesender lebendiger Roman mit dem Fokus auf den Aufbau eines Geschäfts, den damit verbundenen Problemen und dem Knüpfen neuer Freundschaften, bei dem man die Liebe der Autorin zum Selbermachen verspürt und durch den selbst Laien zum Handarbeiten angeregt werden dürften.

Veröffentlicht am 02.07.2019

Sehr einfach konstruierte Liebesgeschichte mit Pariser Charme

Rendezvous mit Lou
0

Nachdem Lou von ihrem Dozenten verlassen wurde, der sich klammheimlich wieder für seine Ehefrau entschieden hatte, stellt sie ihn im Moment des Schocks in der Öffentlichkeit bloß. Um ihren Abschluss an ...

Nachdem Lou von ihrem Dozenten verlassen wurde, der sich klammheimlich wieder für seine Ehefrau entschieden hatte, stellt sie ihn im Moment des Schocks in der Öffentlichkeit bloß. Um ihren Abschluss an der Hochschule noch zu retten, soll sie den adeligen Unternehmer Frédéric d'Arambault interviewen, der sich nach dem Tod seiner Ehefrau öffentlich zurückgezogen hat.
Lou ist ehrgeizig und möchte dieses Interview um jeden Preis, weshalb sie einen etwas unkonventionellen Weg wählt und in Frédérics Hotelzimmer einbricht, um mehr über ihn zu erfahren. Er erwischt auf frischer Tat und erpresst sie. Doch auch Frédéric verhält sich zweifelhaft, als er einen Geschäftspartner betrügt, um seine Firma retten zu können. Bei der Lüge ist er allerdings auf Lous Hilfe angewiesen. Richtig kompliziert wird es, als sich beide ineinander verlieben, aber aufgrund ihres Konstrukts aus Unwahrheiten und Vertrauensbrüchen sich ihre Liebe nicht eingestehen können.

"Rendezvous mit Lou" ist eine sehr einfach konstruierte Liebesgeschichte, die sich vorhersehbar entwickelt. Sie ist dennoch sehr unterhaltsam geschrieben und durch das Pariser Flair auch ganz charmant. Leider bedient die Geschichte aber auch allerhand Klischees von der einfachen Studentin, die sich in einen reichen Adeligen verliebt. Dieser hat eine harte Schale, aber ein weiches Herz und verliebt sich in die schöne junge Frau. Durch Irrungen und Wirrungen spielt sie seine Ehefrau und nach vielen Missverständnissen und Enttäuschungen finden sie am Ende doch noch zueinander.

Mir verlief die Geschichte zu wenig überraschend, so dass man jede weitere Hürde schon vor Eintritt vorausahnen konnte. Darüber hinaus empfand ich die Liebesgeschichte etwas unglaubwürdig. Mir ging sie zu schnell und die große Liebe zwischen Lou und Frédéric war mir deshalb nicht nachvollziehbar. Ihre plötzlichen, tiefen Gefühle für einander kamen bei mir nicht an. Zudem störten mich so manche leeren Floskelsätze wie "Dann liebe mich. Liebe mich noch einmal, bevor du hinuntergehst." [...] "Du bist keine Frau zwischen Tür und Angel. Ich bin eine Frau für jede Gangart: "Schritt und Schallgeschwindigkeit.", die übertrieben dramatisch, geradezu theatralisch und aufgesetzt wirkten.

Für Romantiker(innen), die süße Geschichten mit französischer Atmosphäre lieben, ist die Geschichte aber durchaus empfehlenswert.

Veröffentlicht am 30.06.2019

Erfrischende Geschichte über Doppelmoral, Frauenfeindlichkeit und das politische Patriarchat - brandaktuell und überraschend anders

Das Verhältnis
0

Aviva Grossman ist 19 Jahre alt, als sie 1999 eine Affäre mit dem verheirateten Kongressabgeordneten Aaron Levin, in dessen Büro sie als Praktikantin arbeitet, beginnt. Ihre Mutter Rachel, die davon erfährt, ...

Aviva Grossman ist 19 Jahre alt, als sie 1999 eine Affäre mit dem verheirateten Kongressabgeordneten Aaron Levin, in dessen Büro sie als Praktikantin arbeitet, beginnt. Ihre Mutter Rachel, die davon erfährt, versucht das Schlimmste zu verhindern und die Affäre durch ihre Einmischung zu verhindern. Dich der Sex-Skandal gelangt 2001 durch einen Unfall an die Öffentlichkeit. Aviva wird zu einer neuen Monica Lewinsky abgestempelt und ist mit einem dauerhaften Stigma belegt, das ihre (politische) Karriere beendet.

Zum Inhalt des Romans möchte ich mich gar nicht weiter äußern, da ich damit die Raffinesse des Plots vorwegnehmen würde.

Gabrielle Zevin erzählt in "Das Verhältnis" die Geschichten von fünf Frauen, die alle auf ihre Weise mit der Affäre Avivas mit dem Kongressabgeordneten Levin verbunden sind. Der Roman besteht insofern aus fünf Kurzgeschichten, die aus der Perspektive der jeweils handelnden Frau geschrieben sind und bis auf die letzte, die Avivas Geschichte in From ihres Blogs zusammenfasst, chronologisch aufeinander aufbauen.
Auch wenn man Aviva nur dafür bemitleiden kann, dass ein Fehler in jungen Jahren sich durch ihr gesamtes Leben zieht und nicht nur Auswirkungen auf ihre berufliche Karriere, sondern auch privat auf ihre Tochter Ruby hat, ist der Roman wunderbar ironisch geschrieben.

Es ist ein Buch, das nicht nur durch die Diskussionen im Zusammenhang mit #metoo brandaktuell, aber nicht per se eine feministische Abhandlung ist. Die Autorin stellt die weiblichen Charaktere in ihren unterschiedlichen Lebenslagen und Erfahrungswerten sehr vielschichtig mit all ihren Stärken und Schwächen und den Fehlern, die sie begehen, dar. Es sind starke Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, aber wahrlich nicht perfekt sind.

Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir "nur" eine Geschichte über eine Affäre und ihre Folgen in Zeiten des Internets, das nichts vergisst, erwartet, "Das Verhältnis" biete aber viel mehr. Es ist eine erfrischende Geschichte über Doppelmoral, Frauenfeindlichkeit und das politische Patriarchat, die mit Herz und Verstand lebendig und prägnant formuliert ist. Es ist ein Buch, das überraschend anders geschrieben, raffiniert konstruiert ist und ohne jegliche Klischees auskommt und mir insbesondere aufgrund seiner unerwarteten Andersartigkeit sehr gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 28.06.2019

Interessante, düstere Romanidee, aber die Umsetzung war mir zu emotions- und leblos

Der Report der Magd
0

"Der Report der Magd" schildert die düstere Vorstellung eines von Männern dominierten politischen und gesellschaftlichen Systems in Amerika. Es werden nur wenige Kinder geboren und die geboren werden, ...

"Der Report der Magd" schildert die düstere Vorstellung eines von Männern dominierten politischen und gesellschaftlichen Systems in Amerika. Es werden nur wenige Kinder geboren und die geboren werden, sind zum Teil missgebildet. Kommandanten halten sich neben ihren Ehefrauen deshalb Mägde, um durch den regelmäßige, erzwungenen Geschlechtsverkehr für den Fortbestand der Menschen zu sorgen. Diese Frauen haben keine Rechte, sind ihrem freuen Willen beraubt und dienen als reine Gebärmaschinen, die würdelos besamt werden.

"Der Report der Magd" ist bereits im Jahr 1985 erschienen, aber dieses Szenario eines totalitären Systems mit der Unterdrückung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, in diesem Fall den Frauen, ist zeitlos und durchaus auch heute vorstellbar.

Die Schilderung durch die Magd selbst ist nüchtern, distanziert und sehr sprunghaft. Ich hatte Probleme, mich in die Geschichte einzufinden, da mich die Rückblenden und die zunächst fehlende Vorstellung von der in Gilead herrschenden Monotheokratie verwirrte. Sukzessive erfährt man beiläufig, welche Differenzierungen es zwischen den Menschen gibt und wie das Unterdrückungssystem aufgebaut ist und funktioniert. Die Magd berichtet, wie ihre Gedanken ihr gerade in den Sinn kommen, ohne dass zwischen den einzelnen Absätzen ein Zusammenhang bestehen muss.

Der Roman ist keine leichte Kost - weder inhaltlich noch von der Art der Erzählung. Sie ist unbequem und machte mir wenig Freude beim Lesen. Diese emotionslose, resigniert Form der Darstellung passt wiederum aber sehr gut zum Inhalt der Handlung. Das Buch dient der Provokation und ist gleichzeitig als Warnung zu verstehen, von seinen bürgerlichen Rechten Gebrauch zu machen und für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzustehen und diese zu verteidigen.

Es wird ein surreales, erschreckendes Szenario entworfen - mit Frauen, die zu Reproduktionszwecken rekrutiert werden. Mir blieb das herrschende Regime jedoch zu lange zu wenig klar vorstellbar, weshalb ich mich gerade in der ersten Hälfte des Romans zum Weiterlesen zwingen musste. Mehr Emotionen und eine aktivere, packende Handlung hätten diese Zukunftsvision mit mehr Leben füllen können. So bleibt es in der Tat (nur) ein Report. Aufschlussreicher als die Erzählung aus Sicht der Magd fand ich letztlich den Epilog.

Veröffentlicht am 26.06.2019

Roman fürs Herz, in welchem sich die Charaktere ihrer Vergangenheit stellen müssen, um die Chance auf eine (gemeinsame) Zukunft zu haben

Bis wir wieder fliegen
0

Anne Perry ist Ärztin bei der Flugrettung in Lliedi in Wales und eng mit ihrer Kollegin und Hubschrauberpilotin Leah befreundet. Mit dem Rettungssanitäter Owen Baines sind sie ein eingespieltes Team bei ...

Anne Perry ist Ärztin bei der Flugrettung in Lliedi in Wales und eng mit ihrer Kollegin und Hubschrauberpilotin Leah befreundet. Mit dem Rettungssanitäter Owen Baines sind sie ein eingespieltes Team bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit, der sie alle mit viel Engagement nachgehen. Owen verhält sich seinen Kolleginnen gegenüber aber sehr distanziert, so dass es auch Anne nicht schafft, an ihn heranzukommen. Bei einem Einsatz wird sie zusammen mit Owen in einer Scheune verschüttet und mit lebensgefährlichen Verletzungen gerettet. Durch diesen Unfall sind sie sich nicht nur körperlich, sondern auch emotional näher gekommen. Anne hat erfahren, welches Schicksal Owen in deiner Kindheit erlitten hat, wobei Parallelen zu ihrer eigenen Kindheit zu Tage treten.
Nach dem Unfall versucht Owen erneut, Distanz zu wahren, was Anne nicht begreifen kann. Sie ist sich ihrer Gefühle für ihn bewusst geworden und ahnt nicht, dass er ihr nicht die ganze Wahrheit aus seiner Vergangenheit berichtet hat, die es ihm unmöglich macht, die Liebe zuzulassen.

"Bis wir wieder fliegen" ist eine gelungene Mischung aus Familiendrama und Liebesgeschichte, die warmherzig erzählt wird. Wales und die Einsätze mit dem Rettungshubschrauber bilden zu Beginn den Rahmen der Handlung, bis das Privatleben der Protagonisten in den Vordergrund gerückt wird.

Die Hauptcharaktere sind liebevoll gezeichnet und wirken in ihren Handlungen authentisch. Anne, Owen und Leah haben alle drei unabhängig voneinander in der Vergangenheit Schreckliches erlebt, dass sie noch heute belastet. Die Hintergründe offenbaren sich dem Leser erst nach und nach. Während Leah sich Vorwürfe macht, bei einem Einsatz nicht alles gegeben zu haben, geht das Trauma von Anne und Owen noch viel weiter zurück, zu einem Unfall, der sich vor 24 Jahren ereignet hat.

Der Roman ist eine schöne Geschichte fürs Herz, in der sich die Charaktere ihrer Vergangenheit stellen und ihre Trauma aufarbeiten müssen, um die Chance auf eine gemeinsame Zukunft zu haben. Er ist wunderbar leicht und flüssig zu lesen, die Charaktere einnehmend, ihre gemeinsame Geschichte romantisch und mit eine Prise Drama gewürzt.
Als Leser begleitet man sie gerne bei der Aufarbeitung der Parallelen ihrer Lebensgeschichten in der Hoffnung auf eine glückliche (gemeinsame) Zukunft.