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Veröffentlicht am 22.08.2021

Ein Blick hinter die Fassade einer Kleinstadtidylle - außergewöhnliche Erzählart mit Sogwirkung, unterschwelliger Spannung und messerscharfer Beobachtungsgabe

Kleine Paläste
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Nach dem Tod seiner Mutter Sylvia kehrt Hanno nach 28 Jahren wieder in sein Elternhaus zurück, um sich um seinen pflegebedürftigen Vater zu kümmern. Dieser ist an Alzheimer erkrankt und sitzt im Rollstuhl. ...

Nach dem Tod seiner Mutter Sylvia kehrt Hanno nach 28 Jahren wieder in sein Elternhaus zurück, um sich um seinen pflegebedürftigen Vater zu kümmern. Dieser ist an Alzheimer erkrankt und sitzt im Rollstuhl. Hanno ist sichtlich überfordert mit der Situation, bemüht sich, aber kann nicht umhin, einen gewissen Ekel vor der körperlichen Pflege zu empfinden.
Susanne im Haus nebenan ist im gleichen Alter wie Hanno, als Kinder haben sie gemeinsam gespielt und bei einer Geburtstagsfeier von Hannos Vater sind sie sich als Teenager näher gekommen. Susanne hat ihr Elternhaus nie verlassen, selbst als beide Eltern verstorben waren. Sie hatte dagegen immer ein Auge auf das Nachbarhaus der Familie Holtz, beobachtet nun den überforderten Hanno und greift beherzt ein. Sie kümmert sich um Haushalt und Pflege von Carl, denn sie kennt die Abläufe und Gewohnheiten durch ihren Blick aus dem Fernglas. Hanno ist einerseits erleichtert, entwickelt aber zunehmend ein schlechtes Gewissen in Bezug auf Susannes bereitwilliges Engagement. Im Umgang miteinander sind die beiden zudem gehemmt und wissen nicht so recht, welche Art der Beziehung sie führen oder aufbauen.

"Kleine Paläste" ist ein Roman, der den Leser schon nach dem ersten Kapitel durch die unverblümte, direkte Sprache und präzise Beobachtungsgabe für sich einnimmt.
Der Roman wechselt zwischen der Vergangenheit im Jahr 1986 und der Gegenwart im Sommer 2018 sowie zwischen den unterschiedlichen Perspektiven von Sylvia, Hanno und Susanne. Er handelt von einer Geburtstagsfeier, die Hannos Eltern zum Anlass genommen haben, um den Umbau ihres Hauses zu präsentieren. Vor allem Sylvia wollte damit demonstrieren, endlich dazuzugehören, Teil der Kleinstadtidylle zu sein und die anderen mit ihrem Besitz noch zu übertrumpfe. Doch die Feier lief aus dem Ruder, brachte die Fassade zum Einstürzen und führte zu getrennten Wegen der unmittelbaren Nachbarn.

Die Erinnerungen an dieses Ereignis beschäftigen die Charaktere, als Hanno wieder zurückkommt. Im Gegensatz zu Susanne, die ihren Mikrokosmos nie verlasen hat und in einer zunächst nicht nachvollziehbaren Abhängigkeit zu ihren Nachbarn steht, hat Hanno ein rastloses Leben geführt und steht vor der Entscheidung, ob und unter welchen Umständen er bleiben soll.

Der Roman ist vielschichtig, erzählt von schwierigen Familienkonstellationen, von Konflikten unter den Generationen, vom Neid und Argwohn unter Nachbarn und dem Gefühl einer permanenten Konkurrenz und dem Wunsch sich gegenseitig übertrumpfen zu wollen.
Hanno und Susanne sind anders als ihre Eltern, rebellieren jeder auf seine eigene Weise, wirken aber im Alter von Mitte 40 seltsam verloren und hilflos. Trotz der Nähe, die sich schon allein durch den zeitweiligen Einzug Susannes bei Hanno als Haushälterin und Pflegerin ergibt, herrscht zwischen den beiden zwischenmenschlich Unsicherheit und Schweigen.

Der Roman kommt mit wenigen Dialogen aus, konzentriert sich vielmehr auf die Gedankenwelt der einzelnen Charaktere und ihre messerscharfen Beobachtungen. Eine unterschwellige Spannung wird vor allem dadurch entwickelt, dass man nicht abschätzen kann, was als nächstes passieren wird und worin die Geschichte ihr Ende finden wird.
Es sind vor allem die außergewöhnlichen Erzählstimmen und die fein gezeichneten, authentischen Charaktere, die das Buch zu einem fesselnden Leseerlebnis machen.
Das Streben nach Höheren ist menschlich und nachvollziehbar, sorgt jedoch unweigerlich für Neid, Enttäuschungen und Überheblichkeit. Der Autor wirft einen Blick hinter die Fassade, bringt sie zum Bröckeln und lässt dabei auch die Toten nicht zur Ruhe kommen. Sie geistern weiter in ihren Häusern, beobachten und kommentieren, was ihre Nachkommen falsch machen, ohne einschreiten zu können.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.08.2021

Spannende und emotionale Geschichte über eine Familie, die durch die Geheimnisse, die sie vor einander haben, zu zerbrechen droht.

Sieben Tage am Fluss
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Anlässlich der Hochzeit ihrer älteren Schwester Lucy kehrt Margot nach langer Zeit wieder zurück in ihr Elternhaus, das Gutshaus Windfalls in Somerset. Nach einen schweren Streit mit ihrer Mutter Kit, ...

Anlässlich der Hochzeit ihrer älteren Schwester Lucy kehrt Margot nach langer Zeit wieder zurück in ihr Elternhaus, das Gutshaus Windfalls in Somerset. Nach einen schweren Streit mit ihrer Mutter Kit, einer bekannten Romanautorin, hatte Margot ihr Zuhause verlassen und alle weiteren familiären Treffen waren seitdem von Anspannung und Streits geprägt. Lucy möchte bei ihrer Spontanhochzeit die ganz Familie um sich haben, um eine Neuigkeit zu verkünden. Die älteste Schwester Eve, die verheiratet ist und zwei Töchter hat, führt ein nach Außen perfektes Leben, doch auch sie hat mit ihren Dämonen zu kämpfen und ist sichtlich bemüht, den äußeren Schein zu wahren.
Während die Sorrells für eine Woche zusammenkommen, um zu feiern, müssen sie sich schmerzhaften Erinnerungen stellen und grausamen Wahrheiten ins Auge blicken.

"Sieben Tage am Fluss" ist ein Roman über eine Familie, die durch die Geheimnisse, die sie vor einander haben, zerbrochen ist. Die jüngste Margot gilt als die Übeltäterin, denn niemand von ihnen ahnt, dass sie nicht einfach nur eine aufmüpfige pubertierende Teenagerin war, die die Trennung ihrer Eltern nicht akzeptieren konnte, sondern etwas erlebt hat, dass sie so nachhaltig erschüttert hat, dass sie bisher mit niemandem darüber sprechen konnte. Doch in Windfalls kommen unweigerlich die Erinnerungen in ihr hoch, die sie einsam und wütend machen. Erst als auch Lucy eine Offenbarung macht, die die Familie schockiert, findet auch Margot den Mut, sich zu öffnen.

Der Roman ist spannend geschildert, denn die Wahrheiten werden nur zögerlich enthüllt, während die Geschichte zwischen den Ereignissen der Vergangenheit und Rückblenden in die Kindheit und Jugend der drei Schwestern und der Gegenwart der Hochzeitswoche alterniert. Keine der Schwestern ist so wie der Eindruck zunächst erweckt. Weder ist Lucy so fröhlich und unbeschwert, wie sie vorgibt, noch ist Eve so geradlinig und makellos und Margot so trotzig und böswillig. Die Romanfiguren vielschichtig und authentisch und durch die wechselnden Sichtweisen kommt man jeder von ihr nahe.

Die Enthüllungen gehen zu Herzen und sind so eindrücklich, dass das scheinbare egoistische Verhalten der Protagonisten erklärlich wird und einen nachvollziehbaren Hintergrund hat.
Die Mischung aus Spannung und Emotionen ist perfekt ausbalanciert. Konfrontationen, verletzte Gefühle und Missverständnisse sind zu Beginn allgegenwärtig, aber die Charaktere wachsen einem im Verlauf der Handlung ans Herz, dass man Hoffnung auf Versöhnung und einen Neuanfang der Sorrells hegt, denn das Band der Familie ist nach wie vor eng und die Liebe trotz aller Enttäuschungen untereinander spürbar. Tragisch bleibt am Ende dennoch, welchen Auslöser es erst geben musste, um die Chance dafür zu bereiten.

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 19.08.2021

Authentisch geschilderte dramatische Familien- und Liebesgeschichte vor außergewöhnlicher Kulisse.

Liebe und Verderben
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1974 zieht Lenora Allbright im Alter von dreizehn Jahren mit ihren Eltern Cora und Ernt nach Kaneq in Alaska. Sie alle haben die Hoffnung auf einen Neuanfang und dort glücklich zu werden, nachdem sie inzwischen ...

1974 zieht Lenora Allbright im Alter von dreizehn Jahren mit ihren Eltern Cora und Ernt nach Kaneq in Alaska. Sie alle haben die Hoffnung auf einen Neuanfang und dort glücklich zu werden, nachdem sie inzwischen so oft umgezogen sind. Ernt ist Kriegsveteran aus Vietnam und war dort sechs Jahre in Gefangenschaft, weshalb er unter Flashbacks und Posttraumatischen Belastungsstörungen leidet. Seinen Frust darüber ertränkt er in Alkohol oder münzt ihn in Gewalt um.
Die Anfangszeit in Alaska ist hart und arbeitsreich, aber Ernt steht damit vor neuen Herausforderungen und ist beschäftigt und selbst Leni, die sich immer als "die Neue" in diversen Schulen vorstellen musste, fühlt sich in dem kleinen abgeschiedenen Ort bald wohl. In Matthew, dem einzigen gleichaltrigen Mitschüler, findet sie sogar einen guten Freund. Doch der lange Winter drückt auf die Stimmung und Ernt verfällt in alte Muster. Zudem spaltet er den einst friedlichen Ort, indem er aus Eifersucht und Neid Streit mit alteingesessenen Bewohnern anfängt.
Leni wächst heran und wird langsam zur Frau und verliebt sich in Matthew, zu dem Ernt ihr jedoch jeden Kontakt untersagt. Seine Wutausbrüche werden immer schlimmer, seine Ansichten und Weltuntergangsszenarien immer extremer, bis er seine Familie komplett von allen anderen abschottet, um sie zu schützen. Doch die Gefahr droht weniger von außen, sondern geht allein von ihm aus. Als Cora und Leni Ernt nicht mehr länger aus Liebe in Schutz nehmen können und endgültig beschließen, ihn zu verlassen, kommt es zur Katastrophe.

"Liebe und Verderben" ist ein ebenso dramatischer wie treffender Titel für einen Roman, der eine spannende und emotionale Geschichte voller Liebe, Tragik, Angst und den Kampf ums Überleben erzählt. Alaska ist dabei eine besondere, einerseits bezaubernde und wunderschöne Kulisse, andererseits aber auch ein unheimlicher und gefährlicher Ort.
Die Schilderung des einfachen Lebens in den 1970er-Jahren ohne Strom und fließendes Wasser, die Landschaftsbeschreibungen von Wäldern, Fjorden und den dort lebenden Tieren sind beeindruckend und so anschaulich, dass man als Leser tief in die Geschichte eintaucht. Die Erschwernisse durch Klima und Natur, aber auch durch die Einsamkeit, di die Menschen absonderlich werden lässt, sind eindrucksvoll und nachvollziehbar geschildert und sorgen für Beklemmung.

Diese unheimliche Grundstimmung passt perfekt zu der tragischen Familiengeschichte der Allbrights. Sie schildert die toxische Beziehung zweier Liebenden, die nicht ohne einander leben können, aber miteinander nicht glücklich werden. Ernt ist krankhaft eifersüchtig und verliert über die Jahre immer mehr die Kontrolle über sich, während Cora den Fehler macht, ihm immer wieder zu verzeihen und ihn provoziert, um seine Liebe zu spüren. Je älter Leni wird, desto mehr durchschaut sie die Situation, kann aber nichts an ihr ändern, was sich für sie am Ende besonders tragisch auswirkt.
Trotz der Weite des Landes sind sie gefangen und kämpfen bald wenige gegen die Wildheit der Natur, sondern vielmehr gegen die Wildheit, die im Menschen selbst innewohnt.

Nicht nur die außergewöhnliche Kulisse, auch die authentisch geschilderte dramatische Familien- und Liebesgeschichte machen das Buch zu einer Reise in ein beeindruckendes Land und zu Menschen, denen man erschüttert, aber doch nachvollziehbar folgerichtig zusieht, wie sie sich ins Verderben stürzen. Die Geschichte steckt voller individueller Charaktere, ist abwechslungsreich, realitätsnah und vor allem emotional mitreißend erzählt.

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Veröffentlicht am 17.08.2021

Anschauliche Atmosphäre auf der Reicheninsel in den 1950ern/ 1960ern, viel Dramatik und Leidenschaft, aber auch etwas langatmig.

Unser Traum von Freiheit
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Im Sommer 1951 kommt Miranda Schuyler im Alter von 18 Jahren anlässlich der Hochzeit ihrer Mutter nach Winthrop Island, wo die Reichen und Schönen der Neuenglandstaaten die Sommer verbringen. Mirandas ...

Im Sommer 1951 kommt Miranda Schuyler im Alter von 18 Jahren anlässlich der Hochzeit ihrer Mutter nach Winthrop Island, wo die Reichen und Schönen der Neuenglandstaaten die Sommer verbringen. Mirandas Vater ist im Krieg gefallen und ihre Mutter hat auf der Insel mit Hugh Fisher eine neue Liebe gefunden.
In diesem Sommer taucht Miranda, begleitet von ihrer impulsiven Stiefschwester Isobel in die Lebenswelt der High Society ein und verliebt sich dabei in den Hummerfischer Joseph Vargas. Doch bevor sich ihre junge Liebe entfalten kann, geschieht ein schreckliches Unglück, was Miranda dazu zwingt Winthrop Island zu verlassen.
Erst 18 Jahre später kehrt Miranda im Sommer 1969 als berühmte Schauspielerin auf die Insel zurück, wird dort jedoch nicht von allen willkommen geheißen.

"Unser Traum von Freiheit" ist der fünfte Band der East-Coast-Reihe, nimmt aber keinerlei Bezug auf die vorangehenden Bände und kann deshalb unabhängig von ihnen gelesen werden.
Der Roman handelt auf drei Zeitebenen: im Jahr 1931, 1951 und 1969, wobei vor allem die Sommer 1951 und 1969 mit Miranda Schuyler bzw. Miranda Thomas im Fokus stehen. Alle drei Erzählstränge handeln von dramatischen Liebesgeschichten, von unglücklich verliebten Frauen und selbstgerechten Männern, die sich nehmen, was sie haben möchten. Der Mikrokosmos der kleinen Luxusinsel, auf der jeden jeden kennt und in der mächtige Seilschaften herrschen, trägt dazu bei, dass in der Zwei-Klassen-Gesellschaft Neid, Eifersucht und Geheimnisse entstehen.

Die Atmosphäre auf Winthrop Island ist bildhaft geschildert. Die Unterschiede zwischen den reichen Country Club-Mitgliedern, die dort ihre Sommerresidenz haben und den hart arbeitenden portugiesischen Fischern werden eindrücklich dargestellt. Miranda steht genau zwischen diesen beiden unterschiedlichen Welten und hätte für ihre große Liebe Joseph auf alle Privilegien verzichtet, wäre es 1951 nicht zu der alles verändernden Katastrophe gekommen.
Der Roman erzeugt zu Beginn Spannung, denn erst im Verlauf der Schilderungen auf den drei (eigentlich zwei) Zeitebenen wird klar, was sich ereignet hat, wobei bis zum Schluss unklar ist, warum es dazu gekommen ist. Bis das Geheimnis am Ende gelüftet wird, zieht sich der Roman in die Länge. Auch wenn interessant ist, wie die Erzählstränge zusammenhängen und was die Charaktere miteinander verbindet, empfand ich die Geschichte als zäh.
Die Autorin versteht es, die Atmosphäre auf dem Kleinod eindrucksvoll zu vermitteln und auch mit Dramatik, Emotionen und Leidenschaft wird nicht gespart, aber aufgrund der letztlich überschaubaren Handlung, hätte der Roman etwas straffer erzählt werden können.

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Veröffentlicht am 15.08.2021

Ein Sommer auf dem Campingplatz zur Selbstreflexion - autobiographisch, aber für den Leser wenig erhebend, spannend oder berührend.

Prima Aussicht
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Judith ist Mutter eines kleinen Sohnes und möchte nicht, dass dieser ein Dasein als Einzelkind fristen muss. Ihr Freund Bruno gibt ihr jedoch zu verstehen, dass er kein zweites Kind möchte. Als Ausgleich ...

Judith ist Mutter eines kleinen Sohnes und möchte nicht, dass dieser ein Dasein als Einzelkind fristen muss. Ihr Freund Bruno gibt ihr jedoch zu verstehen, dass er kein zweites Kind möchte. Als Ausgleich für diese Misere kauft Judith spontan einen alten Wohnwagen, um auf einem Campingplatz in Brandenburg die Wochenenden zu verbringen. Völlig unbedarft renoviert Judith und richtet den Wohnwagen ein, um eine heimelige Atmosphäre zu schaffen. Von maroden Stellen, Rost oder eindringenden Mäusen lässt sie sich dabei so schnell nicht unterkriegen. Die kleine Familie fügt sich in die Campinggemeinschaft ein und auch ihr Sohn fühlt sich in der Natur und am See wohl. Doch selbst nach den unbeschwerten Sommermonaten lässt Judith der Wunsch nach einem zweiten Kind nicht los, als sie in Brandenburg die Zelte vor dem kommenden Winter abbrechen. Eine "prima Aussicht" ist jedoch die Zusage für die Verlegung eines Buches und die Hoffnung, dass sich damit ihr Traum eines Schriftstellerinnen-Daseins realisiert.

Vor dem Lesen war mir nicht wirklich bewusst, dass es sich bei "Prima Aussicht" um einen autobiographischen Roman handelt und Judith Poznan über ihr eigenes Leben schreibt. Zumindest ist die Berlinerin Mutter eines Sohnes, Besitzerin eines Wohnwagens und hat sich mit ihrem Debütroman einen Traum erfüllt. Ob Teile des Romans fiktiv sind, erschließt sich nicht, da es keine Erklärung durch ein Nachwort gibt.

Judith Poznan erzählt frei von der Leber, wechselt dabei sprunghaft zwischen Gegenwart und Vergangenheit, wenn Erinnerungen an ihre Kindheit und insbesondere an ihre Oma Karin hochkommen, die eine große Rolle in ihrem Leben gespielt haben muss. Die Verbindung zu ihren Eltern scheint nicht so eng gewesen zu sein. Ihren Sohn, der namenlos bleibt, liebt sie über alles und würde alles für ihn tun. Die Beziehung zu ihrem Freund Bruno scheint dagegen nicht so innig. Was die beiden außer dem gemeinsamen Kind verbindet, ist nicht zu erkennen. So entsteht der Eindruck, das der Wunsch nach einem zweiten Kind möglicherweise daher rührt, die fragile Beziehung zu festigen.

In dem Roman werden Fragmente aus einem Sommer geschildert, Episoden, die - außer für Judith selbst - weder sonderlich außergewöhnlich noch aufregend sind. Judith hat ihre Gedanken einfach so unstrukturiert aufgeschrieben, wie sie ihr gekommen zu sein scheinen.
Die Sorgen einer jungen Mutter und das Bestreben für eine glückliche Kindheit des Nachwuchses sowie um die finanziell unsichere Situation als Schriftstellerin mit bisher nur abgelehnten Manuskripten, sind greifbar, jedoch für den Leser eher belanglos, fesseln und berühren nicht.
Ihre geschilderten Episoden sind zumal ganz unterhaltsam, aber letztlich geben Judith Poznans Memoiren nicht so viel her, um einen ganzen Roman interessant zu gestalten. Dass Prominente Autobiographien veröffentlichen, um sich ins rechte Licht zu rücken oder Bilanz über ihr Leben zu ziehen, ist nicht weiter ungewöhnlich. Warum jedoch eine Frau wie du und ich Teile ihres Lebens in Form eines Romans mit der Öffentlichkeit teilt, wurde mir bis zum Ende nicht klar. Vermutlich hätte mir eine fiktive Geschichte der jungen Autorin besser gefallen.

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