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Veröffentlicht am 09.06.2021

Wenig überraschende Geschichte über einen Neuanfang in einem anderen Land - überzeugt jedoch durch die lebendige Beschreibung Floridas, von Land und Leuten, Flora und Fauna.

Die Inselgärtnerin
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Sonja lebt in Scheidung von ihrem Ehemann Michael, der sich ein eine jüngere Frau verliebt hat. Sie hat die Trennung von ihm noch nicht verwunden, als sie auch noch ihre Anstellung als Landschaftsarchitektin ...

Sonja lebt in Scheidung von ihrem Ehemann Michael, der sich ein eine jüngere Frau verliebt hat. Sie hat die Trennung von ihm noch nicht verwunden, als sie auch noch ihre Anstellung als Landschaftsarchitektin verliert. Sonja steht mit 38 Jahren vor den Trümmern ihres Lebens, hat jedoch vor knapp einem Jahr überraschend von ihrer verstorbenen Tante Sandy ein Anwesen in Florida geerbt. Zur Abwicklung wurde bereits ein Nachlassverwalter engagiert, aber nun nutzt sie die Gelegenheit, um vor Ort die Dinge selbst zu klären und verliebt sich dabei in das altmodische Holzhaus und Dophin Island. Sie träumt schon bald davon, sich dort als Landschaftsarchitektin mit einer eigenen Inselgärtnerei selbstständig zu machen und erhält schon kurz nach ihrer Ankunft den Auftrag, das Anwesen eines Multimillionärs auf Juno Island umzugestalten. Während dieser unverhohlen mit ihr flirtet, ist es Philosoph und Ernest Hemingway-Double Sam, ein Bekannter ihrer Tante, der sie bei den Arbeiten tatkräftig unterstützt.
Alle Zeichen stehen auf Neuanfang, aber die Gründung der Inselgärtnerei stellt sie vor ungeahnte Schwierigkeiten, denn offenbar ist keine Konkurrenz durch eine Frau aus Deutschland gewünscht.
"Die Inselgärtnerin" ist ein Roman, der nach einem altbewährten Prinzip aufgebaut ist: Frau verliert Mann und Job, erhält ein Erbe und versucht sich daraufhin mit einem Neuanfang an einem anderen Ort. Dort findet sie schnell Freunde, hat jedoch die ein oder anderen beruflichen Probleme bei ihrem Neustart und findet nebenbei vielleicht noch einen neuen Mann fürs Leben.
So bietet auch dieses Buch nicht allzu viele Überraschungen, hat deshalb auch seine Längen, überzeugt jedoch durch die anschaulichen Beschreibungen der Insel Floridas und der dortigen Flora. Das Anwesen direkt am Meer, das Sonja, die sich schon bald "Sunny" nennt, geerbt hat sowie die Gärten, die sie zum Schutz von Umwelt und Klima nachhaltiger umgestalten möchte, sind bildlich vorstellbar. Auch die schwüle Hitze in den Frühlings- und Sommermonaten und die Abkühlungen im Golf von Mexiko sind spürbar und machen Lust darauf, diesen Ort selbst einmal zu besuchen. Der Motown-Groove, zu dem im örtlichen Kulturzentrum gesungen und getanzt wird sowie der Ernest Hemingway-Wettbewerb sorgen abseits der Pflanzenwelt für Abwechslung. Stimmiger wären diese Episoden gewesen, wenn sie mehr mit Sonja und vor allem auch mit Sandy zu tun gehabt hätten, von der man trotz bewegter Vergangenheit als schauspielende Schwimmerin an der Seite von Stars und Sternchen nur wenige Einzelheiten erfährt. Hier wären Rücklenden in die 1960er-Jahre zur Erfolgsgeschichte von Motown sehr passend gewesen.
Das Liebesdreieck von Sunny, Millionär Nick und Philosoph Sam konnte mich wenig überzeugen. Der Flirt mit Nick pinselt zwar Sonjas Selbstbewusstsein, bleibt aber auf eine reine körperliche Anziehung reduziert. Emotionen zwischen Sonja und Sam konnte ich gar nicht spüren, eine platonische Freundschaft zwischen den beiden hätte ich als authentischer empfunden.
Die beruflichen Herausforderungen als Dünengärtnerin Floridas sind etwas sehr blauäugig geschildert. Noch ohne Arbeitserlaubnis übernimmt Sonja bereits einen Auftrag und macht sich erst später Gedanken über eine Selbstständigkeit und die erforderlichen Schritte dafür. Die Folgen ihrer Unbedarftheit und die gegen sie geschmiedeten Intrigen sorgen dann am Ende aber doch noch für Spannung, wobei die Lösung letztlich sehr glücklich ausfällt.
"Die Inselgärtnerin" bietet eine wenig überraschende Geschichte über einen Neuanfang in einem anderen Land, ist dabei in Bezug auf die beruflichen Ambitionen jedoch stark vereinfacht beschrieben. Die Handlung bleibt oberflächlich, so dass das Buch im Wesentlichen durch die lebendige Beschreibung Floridas, von Land und Leuten, Flora und Fauna überzeugt.

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Veröffentlicht am 06.06.2021

Familiengeschichte um eine verlorene Mutter, um Versöhnung, Neuanfänge und am Ende auch über die Liebe - lebendig und einfühlsam erzählt

Sehnsucht in Aquamarin
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Polly und Jette Reinhardt wurden im Alter von zweieinhalb und knapp fünf Jahren von ihrer Mutter verlassen und sind bei ihrem Vater Walter, der später wieder geheiratet hat, in Stuttgart aufgewachsen. ...

Polly und Jette Reinhardt wurden im Alter von zweieinhalb und knapp fünf Jahren von ihrer Mutter verlassen und sind bei ihrem Vater Walter, der später wieder geheiratet hat, in Stuttgart aufgewachsen. Die ältere Jette ist rastlos, wechselt häufig ihre Jobs, ist dabei weltweit unterwegs und verliebt sich dort häufig in Männer, wobei die Beziehungen nie lange halten. Polly braucht dagegen ihr geordnetes Leben, arbeitet als Übersetzerin von Erotikromanen und Bedienungsanleitungen von Gartengeräten in Stuttgart und lässt Männer nur in Form von One-Night-Stands an sich heran.
Als Jette durch einen Zufall auf ein Foto ihrer Mutter aufmerksam mit, das in einem Hotel in Ben Harbor in Maine aufgenommen wurde, überredet sie Polly, mit ihr nach Maine zu reisen um nach ihrer Mutter zu suchen. Eva arbeitet dort als Rangerin in einem Nationalpark, was sie über ihren Kollegen Liam erfahren, den Polly schon an ihrem ersten Abend in Ben Harbor kennenlernt. Während Jette und Polly als Touristinnen getarnt im Nationalpark campen und auf diese Weise ihre Mutter näher kommen möchten, fühlt sich Polly immer stärker zu dem alleinerziehenden Vater Liam hingezogen und Polly verliebt sich in Hummerfischer Owen. Ob die beiden ungleichen Schwestern nach dem Kennenlernen und einer Aussprache mit ihrer Mutter ihren Frieden finden können und bereit für die Liebe sind?

Der Roman ist aus der Perspektive der 31-jährigen Polly geschrieben, die sich nach außen hin tough gibt, einen Schutzpanzer um sich gebaut hat und niemanden zu nah an sich heranlässt. Sie hat im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester Jette keine Erinnerungen an ihre Mutter, die sie als kleines Mädchen verlassen hat und verspürt deshalb auch kein Interesse nach dieser fremden Frau zu suchen. Jette dagegen möchte zumindest eine Erklärung dafür haben, warum ihre Mutter vor 29 Jahren einfach so gegangen ist.
Beide sind traumatisiert und haben Probleme, Beziehungen einzugehen bzw. an ihnen festzuhalten. Sie sind verletzlich, auch wenn sie es nicht zeigen. Polly hält die Menschen auf Distanz und wirkt stark, gleichzeitig aber auch verbittert und wütend. Jette ist dagegen betont fröhlich und stürzt sich geradezu ins Leben.
In Ben Harbor finden die beiden Schwestern schnell Anschluss und die familiäre Atmosphäre ist schon fast ein bisschen zu glatt. Auch die Parallelen von Pollys und Liams Leben sind etwas überzeichnet. Gut gefallen hat mir die Beschreibung des Ortes Ben Harbor an der Atlantikküste, von Natur, Land und Leuten. Mit heulenden Kojoten, Diner und Blueberry Cheesecake wird die perfekte und ein wenig klischeehafte amerikanische Kulisse anschaulich gezeichnet, was passend zur Handlung ist.

Die Geschichte ist tragisch, wird jedoch überwiegend humorvoll und vor allem sehr einfühlsam erzählt. Die Charaktere sind menschlich und nahbar, die Dialoge lebendig und gespickt mit Wortwitz, was der Geschichte eine Leichtigkeit gibt. Auch wenn die Handlung etwas vorhersehbar ist und alle Anzeichen auf eine Wende im Leben beider Schwestern stehen, ist die Geschichte nicht ganz ohne Tiefe und vor allem sehr unterhaltsam erzählt.
Es ist eine Familiengeschichte um eine verlorene Mutter, um Vertrauen, Versöhnung, Familienzusammenführung, Neuanfänge und am Ende auch über die Liebe, die trotz aller Dramen unbeschwert ist und sich perfekt als sommerliche (Urlaubs-)lektüre eignet.

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Veröffentlicht am 05.06.2021

Der Roman umfasst wichtige aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen, konnte mich durch die langatmige Schilderung jedoch nicht fesseln

Gute Nachbarn
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Die Ökologie-Professorin Valerie Alston-Holt lebt in einer Kleinstadt in North Carolina, wo sie nach dem Tod ihres Mannes als Alleinerziehende ihren Sohn Xavier großgezogen hat. Er ist ein guter Schüler ...

Die Ökologie-Professorin Valerie Alston-Holt lebt in einer Kleinstadt in North Carolina, wo sie nach dem Tod ihres Mannes als Alleinerziehende ihren Sohn Xavier großgezogen hat. Er ist ein guter Schüler und talentierter Musiker und wird nach dem Sommer mit Hilfe eines Stipendiums ein College in San Francisco besuchen.
Auf dem Grundstück nebenan ist die Familie Whitman eingezogen, ein Ehepaar mit zwei Töchtern. Brad Whitman ist eine lokale Berühmtheit, hat er doch als Selfmade-Man mit einer Firma für Kühlanlagen ein Vermögen gemacht. Er und auch seine Frau sind stets besorgt um das Wohlergehen ihrer Töchter und erziehen diese konservativ. Materiell fehlt es den beiden an nichts, aber ihre Freiheiten sind stark eingeschränkt, was diese jedoch bislang klaglos akzeptierten. Als sich die Älteste Juniper jedoch mit dem Nachbarsjungen Xavier, dem Sohn einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, anfreundet, tritt der Beschützerinstinkt von Brad deutlich zutage.
Zu allem Überfluss werden die Whitmans von Xaviers Mutter Valerie auf Schadenersatz verklagt, denn beim Bau ihres Hauses haben sie die große historische Eiche in ihrem Garten beschädigt.

Der Roman ist aus der Perspektive der namenlosen Nachbarschaft geschildert, die hinter die Fassade der Alstons-Holts und der Whitmans blicken. Auf diese Weise erfährt man peu à peu Details aus dem Leben der Familien, aber auch, was sie in ihrer Vergangenheit erlebt haben und was sie bis heute prägt. Die Sichtweise ist unheilvoll, denn die Nachbarschaft blickt zurück und deutet eine nahende Katastrophe an.
Die Charaktere bleiben durch diese besondere Erzählweise auf Distanz. Auch empfand ich, dass die Rückblenden in vergangene Zeiten zu abrupt eingerückt wurden und den Lesefluss bremsten, da die Handlung in der Gegenwart zu willkürlich unterbrochen wurde. Nichtsdestotrotz sind die Rückblenden erforderlich, um das gegenwärtige Verhalten der Protagonisten einordnen und besser verstehen zu können.

Die Autorin spricht in der Geschichte wichtige Themen wie Alltagsrassismus, Privilegien der Weißen, Unterschiede von Arm und Reich und Umweltschutz an. Es sind streithafte und emotional besetzte Themen, die insbesondere die amerikanische Gesellschaft bewegen, aber auch in abgeschwächter Form auf Deutschland übertragbar sind.

Gut gefallen hat mir die Symbolik der sterbenden alten Eiche, die Brad Whitman aus Unwissenheit, Gleichgültigkeit und Egoismus zerstört. Er ist der eindringende Nachbar, der das Gleichgewicht in dem beschaulichen Oak Knoll stört. Dagegen blieben die Charaktere etwas eindimensional. Brad Whitman empfand ich zu pauschal als bösen weißen Mann dargestellt, nachdem auch noch seine sexuellen Neigungen offenbart wurden. Xavier, der "Nicht-Weiße", war mit seiner Intelligenz und Güte und dem perfekten Sohn-Image sehr idealistisch beschrieben und wurde letztlich in die typische Opferrolle eines US-amerikanischen schwarzen jungen Mannes gedrängt.
Der Roman bedient mit der Geschichte einerseits eine Reihe von Klischees, andererseits zeigen aktuelle, medienwirksame Ereignisse aber auch, dass die Handlung tatsächlich so hätte passieren können, weshalb ich am Ende zwiegespalten bin.

Der Roman umfasst wichtige aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen und ist von einer ganz besonderen Erzählweise geprägt. Durch die langatmige und etwas wirre Schilderung in der ersten Hälfte konnte mich der Roman jedoch nicht wie erwartet fesseln, auch wenn er gegen Ende deutlich an Fahrt aufnahm und an Dramatik nicht mehr zu übertreffen war.

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Veröffentlicht am 31.05.2021

Spannender Politkrimi mit einem perfekt eingespielten Ermittlerduo und einer aktuellen Thematik, die jeden etwas angeht

Tag der Wahrheit
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Zwei Leichen werden gefunden und nacheinander drei hochrangige Manager aus der Automobilbranche entführt. Gezielt wird das BKA, namentlich die Ermittler Laura Westermann und Steven Haberland, die im Referat ...

Zwei Leichen werden gefunden und nacheinander drei hochrangige Manager aus der Automobilbranche entführt. Gezielt wird das BKA, namentlich die Ermittler Laura Westermann und Steven Haberland, die im Referat für politische Kriminalität gegen Linksextremisten vorgehen, durch Botschaften und ein herausoperiertes Herz auf die Verbrechen aufmerksam gemacht. Eine Guerillagruppe von militanten Umweltaktivisten, die sich "Zeugen Justitias" nennt, hat die Vorstandsvorsitzenden entführt und möchte erwirken, dass das BKA endlich gegen die in ihren Augen skrupellosen und betrügerischen Umweltsünder vorgeht.
Als die Forderungen der Entführer - intern bereits als "Grüne Armee Fraktion" bezeichnet - massiver werden, gerät das BKA zunehmend unter Druck. Die Kriminalbeamten müssen nicht nur die Entführer identifizieren sondern auch den Vorwürfen gegen die Top-Manager nachgehen, in der Hoffnung, deren Leben retten zu können.

"Tag der Wahrheit" ist der Auftakt einer Krimireihe um die Meckenheimer BKA-Ermittler Laura Westermann und Steven Haberland. Der Krimi ist aus schnell wechselnden Perspektiven geschrieben, was es mir am Anfang etwas schwermachte, mich aufgrund der Vielzahl der Personen und Schauplätze in die Geschichte einzufinden. Als der Hintergrund der Entführung klar wird, kann man den Handlungssträngen problemlos folgen, auch wenn der Fall komplexer ist, als zunächst angenommen. Die Opfer der Entführung haben sich gleich mehrfach schuldig gemacht, weshalb selbst die Ermittler Verständnis für die Ziele der "Zeugen Justitias" aufbringen können, auch wenn ihre Mittel und Wege ohne Frage nicht nur moralisch verwerflich sind, sondern eine Art von Öko-Terrorismus darstellt, der nicht hinnehmbar ist und friedliche Klimaaktivisten verunglimpft.

Auch wenn im Zuge der Ermittlungen ein paar Längen auftreten, sind sie authentisch geschildert. Durch den rasanten Perspektivwechsel, die Einblicke in die laufenden Ermittlungen, aber auch das Vorgehen der Entführer bieten, ist der Krimi abwechslungs- und temporeich. Durch den Bezug auf Umweltschutz und den Skandal um manipulierte Abgaswerte ist der Roman zudem aktuell und gibt dem Fall die nötige Komplexität und Tiefe. Die beiden Protagonisten der Reihe sind sympathisch und haben Potential für weitere Teile der Krimireihe, denn insbesondere Laura hat eine bewegte Vergangenheit und ein Geheimnis, das sie selbst ihrem achtzehnjährigen Sohn nicht offenbaren kann.
Fazit: Ein spannender Politkrimi mit einem perfekt eingespielten Ermittlerduo und einer aktuellen Thematik, die jeden etwas angeht.

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Veröffentlicht am 29.05.2021

Buch über Einsamkeit, Abhängigkeiten, Missbrauch & unerwiderte Liebe. Spannung wird durch die sukzessive Aufdeckung von Geheimnissen erzeugt

Hannahs Lied
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Johan verliebt sich unsterblich in die flatterhafte Hannah, die von einem freien Leben in Amerika träumt. Johan kann Ørland jedoch aus Liebe zu seiner verwitweten Mutter nicht verlassen und bewirbt sich ...

Johan verliebt sich unsterblich in die flatterhafte Hannah, die von einem freien Leben in Amerika träumt. Johan kann Ørland jedoch aus Liebe zu seiner verwitweten Mutter nicht verlassen und bewirbt sich deshalb um die frei gewordene Stelle des Leuchtturmwärters. Aufgrund des einsamen Lebens im Leuchtturm ist es Voraussetzung, verheiratet zu sein, weshalb Johan 1920 notgedrungen die Pastorstochter Marie ehelicht, die schon bald schwanger ist. Johan denkt weiterhin an Hannah und zieht sich zurück in das Turmzimmer, während Marie immer mehr Zeit an Land in der Stadt Uthaug, zwei Seemeilen abseits des Leuchtturms, verbringt, denn auch sie hat Johan nicht aus Liebe geheiratet.

Die Geschichte entwickelt sich zu Beginn etwas schleppend, denn Johan ist kein Sympathieträger und auch die erwartete Liebesgeschichte mit Hannah ist weniger gefühlvoll und romantisch sondern wahnhaft. Hannah ist eine Frau, die sich im Leben das nimmt, was sie braucht, sich gleichzeitig aber auch benutzen lässt.

Die Atmosphäre des Romans ist kühl und rau und passt zu dem windigen Schauplatz im Norden, wo der Leuchtturm mehrere Monate im Jahr durch Sturm und Eis von der Zivilisation abgeschieden ist.
Die Menschen haben deshalb keine Vorstellung, was auf dem Leuchtturm passiert, ob Johan sich tatsächlich vorschriftsmäßig um die Laterne kümmert oder lieber dem Alkohol zugeneigt ist oder wie Marie und Johan mit ihren beiden Kindern Darling und Valdemar umgehen. Während der zurückgebliebene Valdemar wie ein Tier gehalten wird, geht Darling ihren Gewaltfantasien nach, freut sich, wenn sie an Land andere Kinder quälen kann und träumt insgeheim von einem anderen Leben in Amerika.

Der Roman ist zunächst aus der Perspektive von Johan geschildert, bevor die Geschichte aus der Sicht von Darling und von Marie erzählt wird. Auch wenn es in der Darstellung zu Wiederholungen kommt, ist diese Erzählweise keinesfalls ermüdend, denn alle drei haben sie eine ganz andere Sicht auf die Dinge und für den Leser schließen sich damit Erkenntnislücken, die die Geschichte erst interessant machen.

"Hannahs Lied" ist ein Buch über Einsamkeit, Abhängigkeiten, Missbrauch und unerwiderte Liebe. Auch wenn die Beziehungen zwischen Mann und Frau, die hier freiwillig oder unfreiwillig, in oder außerhalb einer Ehe, eingegangen werden, im Vordergrund stehen, handelt es sich bei dem Roman nicht um eine Liebesgeschichte, sondern um eine Familientragödie, die tief in die Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt. Feste Bindungen entstehen weniger aus Liebe sondern aus anderen praktischen Erwägungen, während die Liebe häufig nur einseitig und deshalb zum Scheitern verurteilt ist. Die Kinder, die aus so mancher Verbindung entstehen, sind die Leidtragenden, denn sie wissen häufig nicht einmal, wer ihr leiblicher Vater oder gar die leibliche Mutter ist und gehen tragischerweise von falschen Voraussetzungen aus, was fatale Folgen hat.
Es ist eine düstere, tragische Geschichte, die den Leser durch die sukzessive Aufdeckung von Geheimnissen immer weiter fesselt, gleichzeitig in den Abgrund zieht und fassungslos darüber macht, wozu verlorene Menschen in einem Mikrokosmos fähig sind.

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