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Veröffentlicht am 11.03.2019

Alkohol, Drogen und die Liebe

Alles, was ich weiß über die Liebe
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Alles, was ich weiß über die Liebe fühlte sich an wie eine wilde Mischung aus dem Leben von Bridget Jones und Amy Whinehouse. Zumindest stelle ich mir genauso den Querschnitt daraus vor. Dabei sind dies ...

Alles, was ich weiß über die Liebe fühlte sich an wie eine wilde Mischung aus dem Leben von Bridget Jones und Amy Whinehouse. Zumindest stelle ich mir genauso den Querschnitt daraus vor. Dabei sind dies die Memoiren von Dolly Alderton, gerade mal 28, Kolumnistin und Autorin für die britischen Medien.
Was weiß also Dolly Alderton in ihren Zwanzigern über die Liebe? Nicht viel, wie sie selbst sagt. All ihre Schlüsse zieht sie aus den langen Freundschaften zu ihren Freundinnen, die seit ihrer Kindheit, Schul- oder Unizeit kennt. Mit denen hat sie mehr Streitereien gehabt, länger zusammen gelebt und mehr um sie gekämpft, als um jeden Mann. Und damit könnte „Alles, was ich weiß über die Liebe“ ein Liebesbrief an eben diese Frauen sein. Denn eigentlich ist es eine gut geschriebene, humorvolle Erzählung über wahre Freundschaften und dem langen, steinigen Weg zur Selbstliebe gesetzt in den 2000ern, so dass man sich selbst zurück versetzt fühlt in die Zeit der eigenen Jugend und der Zeit vor dem guten alten MSN-Messenger, der den Blick in die Welt bot.
Doch leider verliert sich Alderton schon sehr schnell in ihren Erzählungen über Alkohol, Drogen, Partys und Sex. Vom ersten Alkohol mit gerade Mal zehn bis zu dem unzähligen One-Night-Stands erleben ihre komplette Jugend mit. Jedoch setzt sie erwachsen sein sehr schnell mit der Freiheit zu trinken, zu vögeln (sorry!) und zu tun, was sie will, gleich und das tut sie auch in einem unerträglichen Ausmaß, dass weit entfernt von einer „rebellischen Teenagerphase“ entfernt ist. Massenhaft Dates, zahllose Sexpartner, Drogendealer auf den Partys, eskalative Abstürze, sowie sinnfreie und teure Taxifahrten quer durch England. Selbst als Dolly nach einem Absturz nicht mehr glaubt, in London zu sein, realisiert sie nicht, wie schlimm es um sie steht. Die Einsicht kommt erst viel später, als sie während eines Urlaubs und eines misslungenen Tinderdates am Tiefpunkt ankommt und sich eine Therapeutin sucht, die leider nicht die Aufmerksamkeit im Buch bekommt, die sie haben sollte. Denn hier sind wir am Knackpunkt: Zwar hinterfragt sie ihr Männer- und Sexverhalten, lässt jedoch den Alkohol- und Drogenkonsum fast außen vor, obwohl es der große Mix des exzessiven Verhaltens ist, der das Problem an sich darstellt.
Trotz allem ist es ein ehrlicher Einblick in Dolly Aldertons Leben, in ihre Erinnerungen und ihre Erfahrungen. Witzig geschrieben, wobei ich vermute, dass im englischen Original der ein oder andere Wortwitz mehr zu finden ist. Brutal ehrlich und ein sehr lesenswerter Seelenstriptease, dem an der ein oder anderen Stelle ein bisschen mehr Selbstreflexion gut getan hätte.


Veröffentlicht am 05.03.2019

Direkt ins Herz

Worauf wir hoffen
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Direkt ins Herz. Genau dort landete Worauf wir hoffen ganz heimlich, während ich es las. Wirklich, ein direkter Treffer in mein Herz. Und das kam unerwartet und unverhofft.

Worauf wir hoffen ist ein ...

Direkt ins Herz. Genau dort landete Worauf wir hoffen ganz heimlich, während ich es las. Wirklich, ein direkter Treffer in mein Herz. Und das kam unerwartet und unverhofft.

Worauf wir hoffen ist ein herzerwärmender, unglaublich aussagekräftiger und komplexer Roman, der zu Beginn vielleicht noch etwas unscheinbar wirkt.
Es beginnt mit einer Hochzeit. Hier lernen wir Hadia kennen. Es ist ihre Hochzeit und sie heiratet den Mann, den sie sich ausgesucht hat. Ganz gegen die Tradition, die ihre Eltern ihr mitgegeben haben. Zudem hat sie Amar eingeladen, ihren Bruder, den die Familie an diesem Tag das erste Mal seit Jahren wiedersieht.
Daraufhin erzählt Fatima Farheen Mirza auf wunderbare Weise miteinander verwoben von der Vergangenheit, der Zukunft und der Gegenwart. Sie verwebt Episoden, Sichtweisen und kleine Geschichten, vor allem aber Beziehungen. Die zwischen den Geschwistern, zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Mutter und Tochter, so lange bis sich alles zusammenfügt: Wieso ist Amar so geworden? Wer ist Hadia? Und wieso sagt der Vater nie etwas? Mirza beschreibt die Beziehungen untereinander so detailliert, dass man am Ende vielleicht nicht für alles Verständnis hat, aber es verstanden hat.
Worauf wir hoffen zeigt, wie es ist zwischen den Kulturen zu hängen, wie es ist sowohl amerikanisch als auch muslimisch aufzuwachsen, wie es ist religiös zu sein, aber trotzdem nicht bedingungslos den Werten seiner Eltern zu folgen. Kann man seinen Hijab ablegen und trotzdem glauben? Kann man eine arrangierte Hochzeit ablehnen und trotzdem eine traditionelle Zeromonie wollen? Kann man einen eignen Umgang mit den Traditionen erschaffen ohne seine Familie zu verletzen?

Wir werden ein Teil von Hadias Familie, wir erleben alles mit: 9/11, verbotene Liebe, aber auch Tod und Verlust. Rebellion gegen die Tradition, Schaffung eigener Identitäten und Werte, aber auch Familienbande, Zusammenhalt sowie politisches Zeitgeschehen, der „clash of cultures“ und menschliche Beziehungen – alles, ohne auf nur einer Seite überladen zu wirken.
Ein wirklich starkes, gefühlvolles Buch, das unter die Haut geht und einen noch nachträglich beschäftigt. Herzensempfehlung.

Veröffentlicht am 18.02.2019

Magisches Kinderbuch

Sturmwächter 1. Das Geheimnis von Arranmore
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Eine magische, irische Insel. Kerzen, die Erinnerungen und Vergangenheit einfangen. Eine Aufgabe, die es zu bewältigen gibt. Ein Junge, der noch nichts von seinem Schicksal weiß.
Das perfekte Setting ...

Eine magische, irische Insel. Kerzen, die Erinnerungen und Vergangenheit einfangen. Eine Aufgabe, die es zu bewältigen gibt. Ein Junge, der noch nichts von seinem Schicksal weiß.
Das perfekte Setting für ein neues Jugendbuch und zeitgleich die Inhaltsbeschreibung von Catherine Doyles „Sturmwächter“. Hier geht es um Fionn Boyle, der weder Wind noch Wasser mag, aber seinen Sommer auf einer stürmischen Insel umringt vom tosenden Meer verbringe muss. Er ist ein kleiner, sympathischer Protagonist, der sich von den sonst so überstilisierten, heldenhaften Hauptfiguren klar heraushebt. Gerade mal 11, noch wahrlich noch Kind, das er auch noch während der Geschichte bleiben darf, obwohl sein Großvater ihm eine große Bürde auferlegt.

Gerade das macht Sturmwächter zu einem wunderbaren, magischen Buch, das sich schnell und zügig lesen lässt. Catherine Doyle schreibt so, dass man innerhalb von kürzester Zeit in der Geschichte gefangen ist und Fionn durch Abenteuer, Erinnerungen und alltäglichen Streitigkeiten begleitet.
..und ja, so ist es vor allem schön, dass Sturmwächter, empfohlen ab einem Alter von zehn Jahren, auch genauso die Geschichte formuliert. Fionn ist ein ganz normaler 11-Jähriger, wie der, der gerade das Buch lesen könnte. Es gibt keine Endzeit, keine zerstörte Welt und keine Kinder, die Superkräfte haben. Fionn hat eine nervige ältere Schwester, streitet sich mit ihr will und will trotzdem einfach dazugehören. Dieser kleine, normale Junge erlebt dann aber ein Abenteuer, das es in sich hat. Ja, da ist Magie, da sind Kerzen, die die Vergangenheit eingefangen haben, ein Großvater, der über das Wetter herrscht, aber alles drum herum ist so herrlich normal und wenig überspitzt, dass es fast den Glauben erweckt wir alle könnten einen Großvater auf einer irischen Insel haben.
Daher ein wunderbar schönes, kleines Buch, das nicht nur für die jungen Leser ist und einen auf den zweiten Teil hoffen lässt, in dem dann hoffentlich um Kampf gegen das Böse und die alte Magie geht. Denn, wenn es einen Kritikpunkt gibt, dann, dass es wieder mal eine Reihe ist und Sturmwächter – Das Geheimnis von Arranmore nur der Auftakt ist und die Vorgeschichte erzählt. Es wird viel geteasert und Fionn ist in das richtige Setting gesetzt, quasi als Vorbereitung für den zweiten Teil. Trotzdem wahnsinnig gut geschrieben, mit Lust auf Teil zwei.

Veröffentlicht am 07.02.2019

Der Grat zwischen Ego und Witz

Lange Beine, kurze Lügen
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Was soll der ganze Hype?
Vorne weg: Mir war Michael Buchinger vor seinem Buch „Lange Beine, kurze Lügen“ kein Begriff. Weder habe ich vorher ein Video gesehen, sein anderes Buch gelesen oder seinen instagram-Kanal ...

Was soll der ganze Hype?
Vorne weg: Mir war Michael Buchinger vor seinem Buch „Lange Beine, kurze Lügen“ kein Begriff. Weder habe ich vorher ein Video gesehen, sein anderes Buch gelesen oder seinen instagram-Kanal besucht. Die Worte Vice-Redakteur lösen in mir auch mehr Skepsis als Neugier aus, aber manchmal muss man tun, was man tun muss – und dann liest man das Ebook, obwohl die Leseprobe einen die Stirn hat runzeln lassen.
Denn um was geht es? Um Lügen. Um kleine Lügen oder auch Große – das alles gepaart mit einer Sammlung kleiner Anekdoten aus seinem Leben. Vorne weg: Die Leseprobe war wirklich nicht meins. Großkotzig und unsympathisch kam mir Buchinger vor, gerade nach der Geschichte als er seinen Ausweis vergessen hatte und trotzdem in ein Flugzeug gelassen werden wollte.
Aber die Mühe und auch meine Neugier haben sich doch belohnt – denn, was noch mau anfing, wird wirklich amüsant. Vielleicht war es einfach die falsche Auswahl an Geschichten oder Startschwierigkeiten oder Buchinger altes Problem á la „Zeig doch mal dein wahres Gesicht“.
Und nun? Den Hype verstehe ich immer noch nicht, schallend lachend saß ich bisher auch nicht auf der Couch, aber ich wurde die meiste Zeit des Lesens unterhalten. Gerade die kleinen Anekdoten in der Mitte des Buches, rund um sein Coming-Out oder über Blinddates, waren wirklich sympathisch, humorvoll und mit der gewissen Prise Etwas. An sich liest es sich recht zügig, da die einzelnen Abschnitte angenehm kurz sind und man schnell mal pausieren kann.
Trotzdem ist der Grat zwischen Humor und Ego an manchen Stellen sehr schmal und so war es eben kein Witz, sondern einfach nur Show und Egogehabe. Dahingehend leider nicht so rund wie ich mir gerade leichte, humorvolle Lektüre vorstelle.
Außerdem… Vielleicht ist es die Thematik. Aber ich hab es einfach nicht so mit Lügen und Lügnern. Buchinger präsentiert sich als schillernde Mediengestalt, die es halt „mal nicht so genau nimmt mit der Wahrheit“. Aber eben diesen Anspruch habe ich an mich und auch an die Menschen mit denen ich mich umgebe. Notlügen seien mal außen vor, wir alle sind nicht rund um die Uhr ehrlich. Aber mir bleibt der Lacher doch im Halse stecken, wenn er erzählt wie er jahrelang Geschichten um seine Wohnung oder Beziehungen konstruiert hat. Finden die BuchingerFans vielleicht witzig, ehrlich und sympathisch – ich eher fragwürdig.
Daher eine kurzweilige, streckenweise witzige Unterhaltung, die mir aber keinen Anlass gibt, auch noch das andere Buch in Windeseile zu kaufen. Wer leicht unterhalten werden möchte, aber auch kein Problem mit der Selbstdarstellung des Autors hat, wird hier auf seine Kosten kommen.

Veröffentlicht am 14.01.2019

Authentisch, witzig und mit Gefühl!

Dance. Love. Learn. Repeat.
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Wer kennt es nicht? Die leichte Verlorenheit und zeitgleich das Gefühl, dass man alles schaffen kann am ersten Tag in der Universität. Man ist überwältigt, begeistert, verunsichert und fühlt sich unfassbar ...

Wer kennt es nicht? Die leichte Verlorenheit und zeitgleich das Gefühl, dass man alles schaffen kann am ersten Tag in der Universität. Man ist überwältigt, begeistert, verunsichert und fühlt sich unfassbar klein, aber auch erwachsen. Nie waren die Gefühle so wiedersprülich und lodernd wie in der Zeit an der Uni – zumindest bei mir.
…und auch bei Phoebe und Luke, deren Geschichte in „Dance. Love. Learn. Repeat.“ von Lucy Ivison und Tom Ellen abwechselt erzählt wird. Zwei durchaus sympathische Protagonisten, die ihre ersten Tage auf dem College erleben. So erzählt der Coming-Of-Age Roman von wilden Partys, tiefsinnigen Gesprächen, Liebe, Verwirrtheit und dem Gefühl sich erstmal selbst finden zu müssen.
Klingt zunächst wie der typische Jugendbuchroman der letzten Jahre und ist es im Prinzip auch, doch am Ende ist “Dance. Love. Learn. Repeat.“ ein kleines feines Werk, das die richtigen Messages verpackt. Denn seien wir mal ehrlich: Von großen Love-Triangles, die irgendwie zueinander finden, davon gibt es Bücher genug. Aber authentische Erzählungen, die fehlen oft. Aber Luke und Phoebe sind wie sie sind. Phoebe ist vor allem verunsichert, obwohl ihr Start nicht besser hätte sein können - ihre Mitbewohnerinnen sind absolut nett und einen Job hat sie auch schon. Luke, der heißeste Typ aus ihrer alten Schule, hingegen war während der Schulzeit der typische Gewinner, hat jetzt aber Probleme seinen Platz zu finden. Frisch getrennt, im Gefühlschaos, neue Freunde finden, alles nicht so einfach, wenn man schon mal auf einem Höhepunkt war.
Und woher kommt die Authentizität? Mehr Netflix - weniger Alkohol. Sexpannen statt flotten One-Night-Stands. Gemeinsames Kekse backen statt Orgien.
Es tat SO GUT! Denn so war auch mein Studium. Wie in “Dance. Love. Learn. Repeat.“ gab es genug Partys, genug Kopfschmerzen, aber auch Unsicherheiten und das Sehen nach Hause. Vor allem zeigen Lucy Ivison und Tom Ellen, dass du über diese Zeit SEHR WOHL schreiben kannst, ohne, dass es eine dieser verklärten Jugendbuchromane wird. Dazu: Applaus für das Ende – ich hab es nicht kommen gesehen und es unterstreicht noch einmal so sehr, wofür dieses Buch steht: Nicht für eine Liebesgeschichte, sondern für eine Zeit und dem damit verbundene Gefühl.