Profilbild von skaramel

skaramel

Lesejury Profi
offline

skaramel ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit skaramel über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.06.2018

Solider Krimi

Sommernachtstod
0

Der Albtraum jeder Eltern – die Kinder spielen draußen verstecken und zum Abendessen bleibt eines weg. Noch ist man böse, ärgert sich, aber Minute nach Minute kommen die Zweifel an der Ungehorsamkeit und ...

Der Albtraum jeder Eltern – die Kinder spielen draußen verstecken und zum Abendessen bleibt eines weg. Noch ist man böse, ärgert sich, aber Minute nach Minute kommen die Zweifel an der Ungehorsamkeit und plötzlich die Sorge. So geht es auch der Familie vom kleinen Billy, der in einem kleinen Dorf in Schweden einfach spurlos verschwindet. Auch Jahre später lässt das Verschwinden ihres kleinen Bruders Vera nicht los. Sie ist sogar Trauertherapeutin geworden, um Leid und Kummer zu verstehen. Doch, egal wie oft sie die Zeit zurückdreht und wie oft sie in Gedanken alles zerlegt, etwas stimmt nicht und als dann plötzlich noch ein unbekannter in ihrer Therapiegruppe auftaucht, der ihr kleiner Bruder sein könnte, beginnt sie mit den Nachforschungen und deckt Geheimnisse eines ganzen Dorfes auf.
Anders de la Motte, selbst jahrelang Polizist in Schweden gewesen, bringt mit „Sommernachtstod“ endlich mal wieder einen typischen Krimi auf den Markt. Es muss nicht immer Horror, Psycho und viel Blut sein. Es darf auch gerne mal eine gut konstruierte Geschichte sein und die bekommt man auch. Geschickt verknüpft er zwei Erzählstränge und führt den Leser damit im stetigen Wechsel zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart umher. Schreibtisch gibt es kaum etwas auszusetzen, de la Motte weiß ganz genau was er tut und wie er die Worte benutzen muss, um den Leser bei Stange zu halten.
Hauptfigur ist in diesem Fall Billys große Schwester, die allem nachgehen möchte, aus Neugier und zur eigenen Erleichterung. Sie ist sicherlich kein großer Sympathieträger, trotzdem trägt sie die Geschichte sehr gut. Leider fehlt den restlichen Charakteren etwas an Tiefe und Ausgereiftheit. Gerade der ehemalige Polizist, der die Ermittlungen leitete und auch zwanzig Jahre später noch nicht mit dem Fall abschließen konnte, hatte wahnsinnig viel Potential und auch Sympathien, trotzdem kommt er – meines Erachtens - viel zu kurz. Genauso wie Billys und Veras Bruder, mittlerweile selbst Polizist. Seine Beziehungsprobleme sind so kurz und subtil angeschnitten, dass man sie schon genauso gut hätte weglassen können.
Die Geschichte ist sicherlich keine neue Erfindung, der Rahmen ist gängig, doch trotzdem solide. Lediglich zum Ende hin verliert sich Anders de la Motte in einem schnellen Tempo zwecks Auflösung, was aber an manchen Stellen zu Verwirrung sorgte als auch einige Stellen als ein bisschen „drüber“ empfinden ließ.

Wer also einen soliden, spannenden Krimi aus Skandinavien haben möchte, der ausnahmsweise mal zu keiner Reihe gehört, der kann gut und gerne zu „Sommernachtstod“ greifen und wird nicht enttäuscht.

Veröffentlicht am 03.05.2018

Der Schlüssel der Vergangenheit

Schlüssel 17
0

Eine Leiche im Berliner Dom zieht die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich – die bekannte Pfarrerin wurde ermordet und mit einem Schlüssel um den Hals zurück gelassen. Für Tom Babylon beginnt plötzlich ...

Eine Leiche im Berliner Dom zieht die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich – die bekannte Pfarrerin wurde ermordet und mit einem Schlüssel um den Hals zurück gelassen. Für Tom Babylon beginnt plötzlich ein Wettlauf gegen die Zeit, nicht nur aus Ermittlersicht, denn der Schlüssel erinnert ihn an einen Vorfall aus seiner Jugend als er und seine Freunde eine Leiche im See fanden, die genauso einen Schlüssel bei sich trug. Bevor die Clique der Polizei den Fund zeigen konnte, verschwand die ominöse Leiche, aber auch Toms kleine Schwester. Jahre später taucht nun wieder eine Spur auf, obwohl alle um ihn herum aufgegeben haben…

Mit geschickten Zeitwechseln führt uns Marc Raabe durch die Vergangenheit und Gegenwart seines Ermittlers Tom Babylon und schafft mit „Schlüssel 17“ einen spannenden und interessanten Reihenauftakt. Auch wenn der Ermittler des LKA den Prototyp eines guten Polizisten verkörpert – problematischer Charakter, schwierige Vergangenheit, komplizierte Beziehung, Hang zum Alleingang – ist Babylon zwar eine Nummer für sich, als Hauptfigur aber wahnsinnig sympathisch. An seiner Seite hat Raabe die Polizeipsychologin Sita Johanns gestellt, die ebenfalls genügend Vergangenheit, Ausscheiden aus dem Polizeidienst, noch ungeklärte Ängste, im Gepäck hat. Zusammen ergeben die beiden ein dynamisches Duo, dem man gerne über die Seiten und den Verlauf der Geschichte folgt und zwischen denen sich – dem Himmel sei Dank – mal keine Liebesgeschichte anbahnt. Das Grundgerüst für eine Reihe stimmt also schon mal.
Die einzelne Geschichte ist komplex, spannend, wenn am Ende leider auch etwas verwirrend. So können einige der Namen und unscheinbaren Charaktere doch zu Verwechslungen führen, so dass man doch noch gezwungen ist zurückzublättern und sich noch mal zu vergewissern, dass man die richtige Handlung der richtigen Figur zugeordnet hat. Der Fall um die ermordete Pfarrerin, die quasi den Weg in Babylons Vergangenheit verkörpert ist gut gemacht. Das Ausmaß der Ermittlungen, des damaligen Fundes und der Geheimnisse rund um das Verschwinden seiner Schwester werden erst peu á peu aufgedeckt, so dass weder Langeweile noch der große Überschwall an Informationen auf einen wartet. Doch trotzdem fehlt dem Ganzen der letzte Schliff – dem Ermittlerduo etwas die Tiefe, der Geschichte etwas der Fokus, dem Schreibstil etwas der Fluss.
Es ist ein guter Auftakt, spannend, jedoch mit Luft nach oben. Das doch recht offene Ende hat leider einen faden Beigeschmack ausgelöst, nachdem die finale Auflösung einige der Schwächen ausgebadet hatte. Trotzdem gute Unterhaltung für zwischendurch und eine kleine Vorfreude auf ein Wiedersehen im zweiten Teil.

Veröffentlicht am 09.04.2018

Wenn die Vergangenheit brennt....

Kleine Feuer überall
0

Auf einmal ist dort Feuer, überall – in jedem Schlafzimmer. Was würden wir tun, wenn all unsere Habseligkeiten den Flammen zum Fraß vorgeworfen werden.
Mrs. Richardson steht einfach fassungslos vor ihrem ...

Auf einmal ist dort Feuer, überall – in jedem Schlafzimmer. Was würden wir tun, wenn all unsere Habseligkeiten den Flammen zum Fraß vorgeworfen werden.
Mrs. Richardson steht einfach fassungslos vor ihrem niederbrennenden Haus und resümiert die vergangenen Wochen. Was ist passiert? Wie konnte das geschehen?

Es waren viele kleine Momente, viele kleine Puzzleteile, die die Situation zum eskalieren gebracht haben. Vielleicht begann es mit dem Einzug der allein erziehenden Künstlerin und deren Tochter, die schnell eine Freundin der Familie wurde. Vielleicht war es aber auch schon die Überfürsorge für die jüngste Tochter der Familie? Vielleicht aber auch die Geheimnisse eines jeden, die langsam – wie bei einem überquellendem Fass – ans Tageslicht kamen? Was es auch immer war, eins ist ganz gewiss, die kleinen Feuer, die brannten schon bevor die Schlafzimmer entzündet wurden.

Auch in ihrem zweiten Roman gibt uns Celeste Ng einen detaillierten Einblick in das Leben ihrer Hauptfiguren. In Kleine Feuer Überall haben wir zwei Familien, deren Art zu Leben nicht unterschiedlicher sein könnte. Im Gegensatz zur strukturierten und fast zum Ideal stilisierten Familie Richardson, steht Künstlerin Mia mit ihrer Tochter Pearl für Chaos, Freiheit und dem Künstlerleben. Doch Mrs. Richardsons Sohn Moody und Pearl werden schnell Freunde. Während er in ihr das exotisches, schlaue Mädchen sieht, hat Moody alles, was Pearl nie hatte: Stabilität, ein Zimmer und Geschwister. Und so erzählt Celeste Ng von einer aufkeimenden Freunschaft, von Eifersucht, verpassten Chancen, Geheimnissen und Missverständnissen.

Erzählt wird im Perspektivenwechsel, damit jeder Charakter seine eigene Geschichte und seinen eigenen Raum kriegt. Wie ein kleines Netz ziehen sich die einzelnen Handlungen durch die Erzählung, bis wir am Ende angekommen sind und vieles sich erklärt – oder auch in Flammen steht. Gekonnt und auf einem sprachlich wunderbaren Niveau führt uns Celeste Ng von einem Thema zum Nächsten: von dem Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern, um Identität, im Bezug auf die Rasse, aber auch im familiären Kontext, um Geheimnisse, um Tabuthemen, wie Abtreibungen und Adoption. Es ist viel für so ein kleines Buch, wirkt aber an keiner Stelle überladen, sondern genau richtig. Die Themen schmiegen sich an die Geschichte, sind ein Teil von ihr und wirken zu keinem Zeitpunkt gewollt. Auch die Charaktere sind stimmig, in dem großen Ganzen geht keiner unter, auch nicht die Nebencharaktere und -geschichten.

Wer also schon das Erstlingswerk Was ich euch nicht erzählte mochte, der wird auch Kleine Feuer überall zu schätzen wissen. Doch auch für die Celeste Ng noch ein neuer Name ist, sollte der Roman eine wahre Freude sein: tiefsinnig, hervorragend und bemerkenswert.

Veröffentlicht am 19.03.2018

Eine echte Perle der aktuellen Jugendromane

Nackt über Berlin
0

Fetti und Fidschi – klingen wie zwei Antihelden aus einem Zeichentrickfilm, sind aber eigentlich Jannik und Tai. Jannik hat ein bisschen mehr auf den Rippen, hat eine ausgeprägte Affinität für klassische ...

Fetti und Fidschi – klingen wie zwei Antihelden aus einem Zeichentrickfilm, sind aber eigentlich Jannik und Tai. Jannik hat ein bisschen mehr auf den Rippen, hat eine ausgeprägte Affinität für klassische Musik… und für seinen besten Freund Tai. Den findet man nicht ohne seine Kamera mit der er alles um sich herum aufnimmt.
So auch ihren Rektor, der ihnen eines Nachts betrunken auf der Straße begegnet und den sie kurzum in seiner eigenen Wohnung einsperren. Doch schon nach kurzer Zeit wird aus dem Spaß Ernst, denn der Rektor scheint etwas mehr über einen Todesanfall an der Schule zu wissen, als er je zugeben hat. Plötzlich wird aus dem jugendlichen Scherz eine ernste Sache, doch für beide verschwimmen schnell die Grenzen, was machbar ist oder nicht.
„Nackt über Berlin“ ist ein skurriler, zunächst lustiger Jugendroman, jedoch setzt sich Alex Ranischs Geschichte bei Weitem von anderen Coming-of-Age-Spartengenossen ab. Es gibt viel Wortwitz, viel schmunzeln, denn Tai und Jannik sind ein paar Unikate, die einem schnell ans Herz wachsen. Doch neben den Streichen, der aufkeimenden Liebe von Jannik zu Tai und den Geständnissen ihres Rektors, gibt es auch viele Momente zum Innehalten. Denn wir haben hier nicht einfach nur eine lustige Geschichte, sondern auch Charaktere, die einfach passen. Jannik ist so unsicher, zeitgleich so herzlich und so unbedarft, dass man nicht nur für ihn mit Tai mitfiebert, sondern gänzlich all seine Unsicherheiten versteht: zu dick, zu alternativ, zu anders – wir alle haben uns schon einmal so gefühlt. Zeitgleich sitzt in einer abgeschlossenen Wohnung der gefallene Rektor: Vom angesehenen Vorbild zum jämmerlichen Alkoholiker, der sich um Kopf und Kragen redet. Doch auch hier – es ist nicht nur zum Lachen, schneller als man denkt hat man Mitleid mit Herrn Lamprecht, versteht seine Zwickmühle und beneidet ihn keineswegs um seine zwischenmenschlichen Baustellen.
Daher ist Nackt über Berlin eine kleine besondere Perle. Ein verdammt gut geschriebenes Buch, mit genügend Tiefe um in Erinnerung zu bleiben, mit genug Witz zum Lachen und Figuren, die einem ans Herz wachsen.

Veröffentlicht am 14.03.2018

Auf hoher See

Woman in Cabin 10
0

Endlose Weite, das beruhigende Rauschen der Wellen, nur das Wasser, sonst niemand – was nach der nächsten großen AIDA-Reise und dem Traum von Erholung pur klingt, ist für die Journalistin Lo der reine ...

Endlose Weite, das beruhigende Rauschen der Wellen, nur das Wasser, sonst niemand – was nach der nächsten großen AIDA-Reise und dem Traum von Erholung pur klingt, ist für die Journalistin Lo der reine Albtraum. Sie befindet sich auf einem Kreuzfahrtschiff der Luxusklasse, dazu noch auf Pressereise. Ein wahrgewordener Traum, in privater als auch in beruflicher Sicht. Doch die Stimmung schlägt schnell um, denn schon in der ersten Nacht wird sie Zeugin eines Mordes. Nur, dass keiner die Passagierin aus der Nachbarskabine je gesehen hat. Schon nach kurzer Zeit beginnt Lo selbst zu zweifeln, wenn nicht immer mehr seltsame Dinge passieren würden…

Eigentlich mag ich keine Thriller, in denen nur ein „begrenzter“ Raum zur Verfügung steht. Geiselnahmen, Schiffahrten, Flugzeuge – all das, löst vorrangig erstmal Skepsis in mir aus. Aber Ruth Ware spielt in ihrem Thriller „Woman in Cabin 10“ ihre Karten gut aus. Ein guter Thriller, nicht langweilig, nicht zu verworren, obwohl die einzelnen Charaktere in den verschiedenen Kabinen zunächst sehr unübersichtlich waren.

Doch man freundet sich schnell mit Lo an. Eine – für einen Thriller – gar nicht mal so blasse Hauptfigur, die für den Leser nachvollziehbar handelt und sogar sympathisch wirkt. Das Buch hat Irrungen und Wirrungen, Ware führt den Leser auf Umwege zum eigentlichen Ziel: Wer ist die Frau aus Kabine 10? Die restlichen Passagiere sind - im Gegensatz zur unserer Protagonistin - jedoch nicht mit Tiefe gefüllt. Da kann man schon mal den ein oder anderen Gast verwechseln und verwirrt hin und her blättern.

Die Auflösung hingegen war überraschen und für mich nicht vorhersehbar. Während jedoch die Identität der mysteriösen Frau höchst überraschend war, war das Ende des Buches leider viel zu stringent. Nachdem das Geheimnis um den ominösen Fahrtgast gelüftet war, kamen leider keine neuen Wendungen dazu.

Bis dahin war der Thriller spannende Unterhaltung, danach lag das Buch leider im Durchschnitt und wurde solide und etwas eintönig zu Ende gebracht.