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Veröffentlicht am 16.09.2018

Die Suche nach Anerkennung

Die Gesichter
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„Den gefeierten Künstler – der nur sein Werkzeug benötigt und nichts weiter von der Welt will -, den gibt es nicht, hat es vielleicht nie gegeben.“

In diesem Meisterwerk erzählt Tom Rachmann das Leben ...

„Den gefeierten Künstler – der nur sein Werkzeug benötigt und nichts weiter von der Welt will -, den gibt es nicht, hat es vielleicht nie gegeben.“

In diesem Meisterwerk erzählt Tom Rachmann das Leben von Charles „Pinch“ Bavinsky, vom Kleinkind (1955) bis 2018. Pinch wird als Sohn eines amerikanischen Malers und einer kanadischen Töpferin in Italien geboren. Sein ganzes Leben strebt er nach der Gunst des Vaters Bear Bavinsky. Dieser bleibt meist unnahbar, beschäftigt entweder mit seiner Kunst oder mit Frauen. Eine Affäre nach der anderen, eine Ehe nach der anderen, fast 20 Kinder… Als der Vater die Familie verlässt stürzt dies die Mutter in eine Depression. Charles muss früh erwachsen werden. Er ist entschlossen, ebenfalls ein großer Künstler zu werden, dem Vater nachzueifern, um endlich dessen Stolz zu erlangen – doch dieser beachtet ihn nicht und erstickt seine Versuche, Bilder zu malen, praktisch im Keim. Die Jahre vergehen, Charles wird erwachsen. Alle paar Jahre kommt es zu lang antizipierten Treffen mit dem Vater. Jedes Mal schafft er es, Charles Leben auf eine andere Art und Weise zu ruinieren. Doch der liebende Sohn, der sich die Anerkennung des Vaters mehr als alles andere wünscht, ist hierfür blind. Und so verfolgen wir Charles sein ganzes Leben. Studium, gescheiterte Beziehungen, schließlich das Niederlassen als Sprachlehrer in London.

Anfangs war ich nicht sicher, was ich von der Geschichte halte, der Erzähler scheint teilnahmslos und distanziert. Dennoch schafft Rachmann, eine komplex versponnene Geschichte zu erzählen, ohne dem Leser zu viel an Meinung in den Mund zu legen, so dass sich jeder seine eigene Meinung über die verschiedenen Beziehungen zwischen den Charakteren bilden kann. Die Protagonisten sind sehr lebensnah und gut aufgebaut. Der Kunst-Aspekt bringt interessante Gedanken zu Tage. Es gefiel mir, Charles sein ganzes Leben lang zu verfolgen – viele Abschnitte regen zum Nachdenken an oder machen traurig. Im Gesamten ein großartiges Werk. Klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.09.2018

Eigenwillig, poetisch und skurril

Weit weg von Verona
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„Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal aufgefallen ist, aber wenn Sie ein Englischer Klassiker werden möchten, empfiehlt es sich, im vorderen Teil des Alphabets zu stehen. Es gibt jede Menge A und B und ...

„Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal aufgefallen ist, aber wenn Sie ein Englischer Klassiker werden möchten, empfiehlt es sich, im vorderen Teil des Alphabets zu stehen. Es gibt jede Menge A und B und D, das geht weiter bis ungefähr H.“

Jessica Vye ist gerade mal neun Jahre alt, als ein Autor an ihre Schule kommt und den Schülern etwas vorliest. Inspiriert gibt sie ihm einige ihrer Texte zu lesen – zurück kommt ein Brief: „Jessica Vye, du bist ohne jeden Zweifel eine echte Schriftstellerin!“

Drei Jahre später begleiten wir die zwölf- bzw. dreizehnjährige Jessica in ihrem täglichen Leben, das seit dem Erlebnis begleitet ist von dem Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Vor allem nach Beginn des zweiten Weltkrieges ist Jessicas Alltag alles andere als normal – Gasmasken, Bombenangriffe, Schutzkeller und Lebensmittelmarken. Trotzdem gibt es die ganz normalen Probleme: Jungs, die Schule, ihre einzige Freundin, Bücher lesen, dichten. Und so nimmt die Geschichte, durch die uns Jessica liebenswerterweise führt, ihren Lauf.

Jessica ist eine sehr besondere, eigenwillige Protagonistin, die dennoch auf ihre Art wunderbar liebenswürdig ist. Auch ihr trockener Humor macht sie sympathisch. Der Schreibstil ist auf eine eigene Weise poetisch. Jessica ist für ihr Alter schon recht erwachsen und wird mit dem Buch noch einmal ein Stück älter. Ihre Erlebnisse sind teils alltäglich, teils so skurril, dass man sich fragt, ob sie sich das nicht ausgedacht hat. Mit ihrem Vater und einer Lehrerin hat sie zwei wichtige Bezugspersonen, die sie unterstützen. Ich finde es sehr schwierig, die richtigen Worte für dieses Buch zu finden – für mich ein großartiges Werk, das ich ganz klar empfehlen kann.

Veröffentlicht am 30.08.2018

Die Kraft der Erzählung

Königskinder
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Max und Tina sind schon über zwanzig Jahre verheiratet. Der jüngste Sohn ist gerade aus dem Haus, sie haben ihn soeben in der Hotelfachschule im Berner Oberland abgesetzt und beschließen dann, die Abkürzung ...

Max und Tina sind schon über zwanzig Jahre verheiratet. Der jüngste Sohn ist gerade aus dem Haus, sie haben ihn soeben in der Hotelfachschule im Berner Oberland abgesetzt und beschließen dann, die Abkürzung über den gesperrten Jaunpass zu nehmen. Doch es beginnt zu schneien… und als Max und Tina schließlich den Pass erreicht haben, kommen sie nicht mehr weiter. Sie beschließen, die Nacht im Auto zu verbringen. Max möchte die Zeit schneller vergehen lassen und erzählt die Geschichte von Jakob, einem Hirtenbuben aus dem 18. Jahrhundert, der im Greyerzerland aufwächst, in der Nähe des Jaunpasses. Er verliebt sich in Marie, die Tochter eines reichen Bauern. Und so nimmt die Geschichte seinen Lauf, und bringt Jakob bis nach Versailles.

Dies war mein erster Capus. Das Buch ist relativ kurz, knappe 180 Seiten, und liest sich sehr leicht. Max und Tina sind eines dieser lang verheirateten Paare, die sich einfach in und auswendig kennen. Es kommt häufig zu kleinen Sticheleien. Insgesamt fand ich ihren Wortwechsel sehr unterhaltsam. Max ist ein geborener Erzähler; seine Geschichte hat Hand und Fuß. Ich fand die Geschichte um Jakob die unterhaltsamere der zwei Erzählstränge. Jakob ist ein sympathischer, bodenständiger Protagonist. Zu Marie fand ich keinen so guten Zugang, sie wird meist nur eher oberflächlich und flach beschrieben. Gekonnt lässt der Autor historische Details in die Geschichte einfließen, wie z.B. der Ausbruch des Laki-Kraters oder die erste Ballonfahrt der Brüder Montgolfier. Ab und zu wird die Geschichte von Tinas Zwischenfragen unterbrochen, oft kommt es dann zu einem unterhaltsamen hin- und her zwischen den Eheleuten, jedoch trägt dies insgesamt wenig zur Geschichte bei. Capus ist eine gut geschriebene, abwechslungsreiche Geschichte mit einigen lustigen Details gelungen, jedoch ohne große Überraschungen. Ein unterhaltsames, durchaus empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 28.08.2018

Ein unglaubliches Leben – der Napalm Angriff und das Leben danach

Ins Herz gebrannt
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Kim Phuc war neun, als sie und ihre Familie im Vietnamkrieg 1972 den Napalm-Angriff erlebten. Ihre Haut fängt Feuer, die Kleider sind längst verbrannt, sie und ihre Geschwister laufen verzweifelt die Straße ...

Kim Phuc war neun, als sie und ihre Familie im Vietnamkrieg 1972 den Napalm-Angriff erlebten. Ihre Haut fängt Feuer, die Kleider sind längst verbrannt, sie und ihre Geschwister laufen verzweifelt die Straße Nummer 1 im Heimatort Trang Bang entlang, auf der Flucht vor dem Feuer. Der Journalist Nick Ut fotografiert die Szene – das Bild geht um die Welt. Ut war es, der Kim Phuc ins Krankenhaus fuhr und ihr so, zumindest auf Umwegen, das Leben rettete. Eine lange Leidensgeschichte folgt. Über 30% von Kims Körperoberfläche war verbrannt, nur knapp überlebte sie. Die Narben verursachen höllische Schmerzen, das unbeschwerte Leben das Kim kannte ist vorbei. Der Krieg geht noch mehrere Jahre weiter, die Familie verliert schließlich ihr gesamtes Hab und Gut. Südvietnam wird 1976 mit Nordvietnam im Kommunismus vereint. Kims lange Reise auf der Flucht vor dem Kommunismus beginnt. Durch den Napalm Angriff fühlt Kim sich von ihrer Religion allein gelassen und findet so zum Christentum – eine Religion, die fortan ihr Leben begleitet und teils sogar bestimmt.

„Ins Herz gebrannt“ ist Kim Phucs Biographie. Das Buch liest sich sehr flüssig. Kim erzählt in einfachem Ton, teils regelrecht naiv. Ihre Lebensgeschichte ist unglaublich faszinierend. Ich fand es sehr interessant, mehr über den Vietnamkrieg und ihre spezifische Situation und ihre Familie herauszufinden. Auch wie sie mit all den Schicksalsschlägen umging und immer wieder einen Weg fand, weiterzumachen, war sehr spannend zu lesen. Die Beschreibung ihrer medizinischen Probleme (allesamt Folgen der Verbrennungen) war ebenfalls interessant zu lesen. Obwohl sie sehr viel über das Christentum predigt und dies in jedem Kapitel eine große Rolle spielt, was für mich teils etwas übertrieben anmutete, fand ich das Buch sehr aufschlussreich. Kim Phuc hat unglaublich viel erlebt und überlebt – allein aus historischer Perspektive sollte man dieses Buch lesen. Ihre Ausdauer ist bewundernswert. Ein tolles und interessantes Buch, das ich wirklich jedem empfehlen kann, egal ob man nun gläubig ist oder nicht. Das „napalm girl“ und ihre Geschichte werde ich nie vergessen.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Nette Geschichte, ich kann den Hype jedoch nicht nachvollziehen

Das weibliche Prinzip
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Nach nur wenigen Wochen am College lernt die schüchterne Greer bei einer Veranstaltung Faith Frank kennen, eine berühmte Feministin. Bis kurz zuvor hatte sie sich weder mit Feminismus beschäftigt noch ...

Nach nur wenigen Wochen am College lernt die schüchterne Greer bei einer Veranstaltung Faith Frank kennen, eine berühmte Feministin. Bis kurz zuvor hatte sie sich weder mit Feminismus beschäftigt noch sonst politisch irgendwie engagiert. Mehr zufällig scheint sie, gelenkt von Freundin Zee, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Das Treffen mit Faith beeindruckt sie sehr; sodass sie von nun an neue Pläne schmiedet: sie möchte etwas bewirken; mithelfen, um Frauenrechte zu fördern und zu fordern. Und so begleiten wir Greer durch die Jahre am College und wenige Jahre danach. Schon zu Beginn erfahren wir, dass Greer später berühmt werden wird. Auch Faith Franks Leben und das Leben der besten Freundin Zee und Greers Freund Cory werden in dem Buch über mehrere Kapitel abgehandelt.

Ich hatte hohe Erwartungen an das Buch, da es vor dem Erscheinen ziemlich vom Verlag „ge-hype-t“ wurde. Das Buch wird als Roman zur „Me too“-Ära beschrieben. Dies kann man nach dem Lesen des Buches nicht nachvollziehen. Der Roman behandelt im Prinzip die Lebensgeschichte von Greer, Faith Frank und in kleineren Teilen auch die von Greers Freundin Zee und Freund Cory. Jedoch ist dieser Roman weit entfernt von einer Offenbarung zu Frauenrechten oder zur „Me too“ Bewegung. Greer ist eine eher blande Protagonistin, die bis zum Schluss nie wirklich über sich hinauswächst. Für mich hat Greer fast keine Entscheidung ihres Lebens wirklich selbst getroffen, sie scheint stets das zu machen was sich eben ergibt. Eine blühende Frauenrechtlerin? Fehlanzeige. Der Schreibstil ist nicht schlecht, jedoch passiert gemessen an der Seitenzahl erstaunlich wenig in diesem Roman. Einzig die Geschichte von Cory fand ich wirklich interessant. Dieser muss kurz nach dem College eine furchtbare Tragödie miterleben und braucht Jahre, um damit zurecht zu kommen. Dies war wirklich realistisch und auch interessant zu lesen. Die Szene, in der Greer nach Jahren nach Hause zurückkehrt und plötzlich merkt, dass ihre Eltern klüger sind als gedacht und gute Ratschläge geben können, fand ich ebenfalls sehr aufschlussreich. Fazit: nett zu lesen aber weit entfernt von einem Roman über Frauenrechte der heutigen Zeit.