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Veröffentlicht am 07.09.2020

Der Funke Magie sprang nicht über

Die Ermordung des Commendatore Band 2
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„Im Leben gibt es einige Dinge, die man nicht erklären kann, und auch einige, die man nicht erklären sollte. Denn in den meisten Fällen geht dabei das Wichtigste verloren“, schreibt Murakami in „Die Ermordung ...

„Im Leben gibt es einige Dinge, die man nicht erklären kann, und auch einige, die man nicht erklären sollte. Denn in den meisten Fällen geht dabei das Wichtigste verloren“, schreibt Murakami in „Die Ermordung des Commendatore II“. Auch wenn ich das beim Lesen des Buches im Hinterkopf behalten hatte, so gelang es mir leider nicht, die Magie, die Murakamis Erzählweise noch im ersten Teil der Geschichte ausgelöst hatte, auch diesmal zu empfinden. Denn Murakami sprengt auch hier wieder die Grenzen zwischen Realität und Fantasie, gerät aber schnell in eine Richtung, die ich in weiten Teilen als zu abgedreht/ zu überdosiert empfinde. Zum Beispiel als der namenlose Maler in sein Unterbewusstsein – seine Abgründe – hinabsteigt. Von Murakami in der Form dargestellt, dass sich dem Protagonisten während eines Besuchs im Altenheim eine Luke im Boden öffnet (die eigentlich nicht existiert), durch die er in eine Unterwelt gelangt, und dort unter anderem mysteriösen Gestalten begegnet, einen geheimnisvollen Fluss überqueren und sich durch eigentlich nicht bezwingbare Höhlen kämpfen muss. Nur um dann in der rätselhaften Steinkammer in seinem Garten anzukommen (die schon während der gesamten Geschichte eine entscheidende Rolle spielt) und von seinem Nachbarn aus dieser befreit wird. Im Buch wird das alles noch viel verrückter dargestellt als es hier eh schon erscheint.

Doch nicht nur diese Passage wirft Fragen auf und hinterlässt Verwirrung. Eine weitere Stelle ist neben Maries Verschwinden (Wie tragen ihr tatsächlicher Aufenthaltsort und ihre Erlebnisse dort zum Fortgeschehen der Geschichte bei?) auch das plötzliche Ende der Geschichte. Für Murakami scheint der Weg das Ziel zu sein. Anders lässt sich der mehr als 900 Seiten andauernde Anlauf der Handlung, gefolgt von einem abrupten Ende voller offener Fragen, nicht erklären. So bleibt mir u.a. ein Rätsel, warum der Maler zum Teil wieder zu den von ihm zuvor so verhassten Verhaltensweisen zurückkehrt (z.B. das klassische Porträtmalen). Denn wirklich geläutert scheint er nach der Erfahrung in den Abgründen seines Unterbewusstseins auch nicht zu sein. Letztendlich bleibt er meist passiv, wie er es eh und je war, und nutzt seine Potenziale nicht.

Fasziniert war ich wieder von der Atmosphäre der Geschichte und der detaillierten Beschreibung von Person, Orten, Tätigkeiten etc. Wobei Murakamis Roman dadurch an manchen Stellen etwas langatmig erschien. Und auch diesmal schaffte es der Autor wieder, Spannung zu erzeugen, wo eigentlich keine ist. Wenn er dabei nicht, wie schon gesagt, über das Ziel hinausschoss… Hinzu kommt, dass ich in dieser Fortsetzung die Fixierung der 13-jährigen Marie auf ihre nicht vorhandene Oberweite, die immer und immer wieder zur Sprache gebracht wird, als störend und unpassend empfinde.

Wie ihr seht, konnte Murakami mich mit dem zweiten Teil seines Künstlerromans nicht überzeugen. Vielleicht bräuchte es eine weitere Fortsetzung (soweit ich weiß, ist diese nicht in Planung), um all die offenen Fragen und Verwirrung zu klären.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Warten aufs große Ganze

Der Wörterschmuggler
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Der „Wörterschmuggler“ von Natalio Grueso nimmt den Leser mit auf eine Reise, auf der die einzelnen Städte nur Schauplätze sind. Schauplätze einer Vielzahl Kurzgeschichten, die oft melancholisch und rührend ...

Der „Wörterschmuggler“ von Natalio Grueso nimmt den Leser mit auf eine Reise, auf der die einzelnen Städte nur Schauplätze sind. Schauplätze einer Vielzahl Kurzgeschichten, die oft melancholisch und rührend anmuten, den einen oder anderen Funken Magie versprühen und dennoch unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie sind nur lose miteinander verwoben und dennoch bilden sie am Ende ein großes Ganzes, dessen Kern die Einsamkeit und die Sehnsucht nach Liebe ist. Denn wie heißt es gleich im ersten Satz des Romans? „Niemand versteht die Einsamkeit besser als ich.“ Und dennoch ist es nicht die Einsamkeit, die der Leser am Ende des Buches mitnimmt. Ganz im Gegenteil.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Was im Leben wichtig ist

Der Salzpfad
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Von jetzt auf gleich obdach- und mittellos. Die über Jahrzehnte aufgebaute Existenz mit einem Wimpernschlag zerstört. Zuhause und Zukunft sind nur noch Fremdwörter. Das allein ist schon kaum vorstellbar. ...

Von jetzt auf gleich obdach- und mittellos. Die über Jahrzehnte aufgebaute Existenz mit einem Wimpernschlag zerstört. Zuhause und Zukunft sind nur noch Fremdwörter. Das allein ist schon kaum vorstellbar. Was aber passiert mit einem, wenn man selbst oder der Ehepartner zusätzlich die Diagnose „unheilbar krank“ erhält? Aufgeben? Verzweifeln? Davonlaufen? Raynor und Moth Winn gehen mit diesem Schicksal auf eine ganz eigene und besondere Weise um: sie wandern mehr als 1.000 Kilometer den South West Coast Path, Englands bekanntesten Küstenweg, entlang. Denn das ist für sie der einzige Ausweg aus der momentanen Lage. Alles was ihnen augenscheinlich geblieben ist, sind der Inhalt ihrer Rucksäcke, ein billiges Zelt und so wenig Geld, das kaum zum Leben reicht. Doch neben all der Dämonen, die sie auf der Reise begleiten, haben sie vor allem einander und das Gefühl, nicht aufzugeben. Und tatsächlich bringt ihnen jeder Schritt mehr Kraft und Zuversicht. Das Auf und Ab der Gefühle ist beim Lesen spürbar. Kein Wunder, beruht der Roman „Der Salzpfad“ von Raynor Winn doch auf wahren Begebenheiten. Kaum zu glauben, was dieses Ehepaar alles durchmachen musste. Das Buch ist inspirierend, hat aber auch einige Schwachstellen. Mir war es teilweise zu langatmig und unübersichtlich bzw. sprunghaft. Dennoch ist es lesenswert, denn vor allem geht es weitaus tiefer als ein einfaches Reisetagebuch.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Das Buch hinterlässt zu viele Fragen

Hier sind Drachen
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Kennt ihr das? Ihr habt ein Buch beendet und fragt euch nach den letzten Zeilen: Was will mir dieses Buch sagen? So erging es mir mit „Hier sind Drachen“ von Husch Josten. Ich muss zugeben, erschlossen ...

Kennt ihr das? Ihr habt ein Buch beendet und fragt euch nach den letzten Zeilen: Was will mir dieses Buch sagen? So erging es mir mit „Hier sind Drachen“ von Husch Josten. Ich muss zugeben, erschlossen haben sich mir letztendlich nicht alle Handlungsstränge. Und so blieben große Fragezeichen und etwas Enttäuschung. Dabei sind die Thematik und der Aufbau des nur 160 Seiten dünnen Buches durchaus spannend und bieten Potenzial.
Husch Josten erzählt von der Journalisten Caren, die einen Tag nach den Pariser Terroranschlägen (Herbst 2015) auf das Bataclan, das Stade de France und mehrere Bars und Cafés auf dem Weg in die Metropole ist, um von den Geschehnissen zu berichten. Bereits ihr bisheriges Leben ist von früheren Anschlägen gezeichnet, so hat sie sowohl den 11. September als auch den Anschlag auf den Bosten Marathon durch glückliche Fügungen überlebt. Am Flughafen Heathrow wird sie von einem Mann, den sie Wittgenstein nennt, in ein philosophisches Gespräch über Zufälle und unerzählte Geschichten verwickelt. Währenddessen wird der Start ihrer Maschine verschoben, Sicherheitskräfte riegeln das Terminal ab und Passagiere werden kontrolliert. Ist das alles nur Zufall?

Allerdings ist damit nur ein Bruchteil der Geschichte erzählt. Es geht um eine Dreiecksbeziehung, die die Beteiligten bei genauer Betrachtung alles andere als glücklich macht, Carens traumatischen Erlebnissen und deren Folgen, ihre unterdrückte Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe, die Rolle der Medien, die Bedingungen und Grenzen des Geschichtenerzählens, Zufall, Schicksal, Bestimmung, Schuld, die Frage nach dem Warum… Und letztendlich auch um das Unmögliche. Und vielleicht ist es genau das, was die Geschichte unglaubwürdig erscheinen lässt und sie überfrachtet. Hinzu kommt, dass ich die Anfänge des philosophischen Gesprächs mit Wittgenstein einfach viel zu lang und ermüdend fand – vor allem, da in der ersten Hälfte des Buches eh kaum eine Handlung vorhanden ist.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Ein modernes Märchen

Die Weisheit des Regenbogens
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Mit „Die Weisheit des Regenbogens“ hat Jando ein modernes Märchen geschrieben, das geschickt eine fantasievolle Story mit Mut machenden und Hoffnung weckenden Lebensweisheiten verknüpft. Sicher, die Geschichte ...

Mit „Die Weisheit des Regenbogens“ hat Jando ein modernes Märchen geschrieben, das geschickt eine fantasievolle Story mit Mut machenden und Hoffnung weckenden Lebensweisheiten verknüpft. Sicher, die Geschichte klingt oft zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein, doch ist das nicht eine Eigenschaft jeden Märchens? Und letztendlich erfüllt diese Geschichte ihren Zweck: Sie regt zum Nachdenken und Reflektieren an. Das Buch ist einerseits sehr gefühlvoll, poetisch und einfühlsam, andererseits rast die Handlung geradezu dahin und lässt an manchen Stellen den Wunsch nach mehr Tiefe unbeantwortet. Die Schrift in dem 156 Seiten starken Buch ist sehr groß, sodass es sich leicht an einem Abend lesen lässt. Mich hat der Schreibstil sehr stark an die Bücher von Sergio Bambaren erinnert, die ich vor einigen Jahren gelesen habe.

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