„Der Zufall ist trivial, nicht wahr? Man bringt die Ereignisse des Lebens lieber miteinander in Verbindung, weil sie dann einen Sinn ergeben könnten. Also kleben die Menschen alles, was ihnen geschieht, zu einer Narration zusammen, zu ihrem Lebenslauf, zu ihrer Identität.“
Inhalt
Caren, eine junge Journalistin, die für das Magazin Independent schreibt, hatte schon mehrfach in ihrem Leben unwahrscheinliches Glück. Immer auf der Suche nach brandaktuellen Storys reist sie rund um den Erdball und befasst sich in ihren Artikeln in erster Linie mit diversen Terroranschlägen, Attentaten und ihren Verursachern oder anderen vernichtenden Ereignissen, die viele Unschuldige erbarmungslos mit in den Tod reißen. Doch wie durch ein Wunder, war sie zwar immer hautnah am Geschehen, doch passiert ist ihr nichts. So erschüttert es sie auch nicht an diesem Tag, als sie auf dem Flughafen in Heathrow festsitzt, weil es anscheinend einen anonymen Anrufer gab, der eine Bombendrohung ausgesprochen hat. In der erzwungenen Wartezeit unterhält sie sich mit einem Mann, den sie Wittgenstein nennt, weil er just in diesem Moment die Schriften des gleichnahmigen Philosophen studiert und wie sich wenig später herausstellt, Zufallsforschung betreibt. Doch noch während die beiden in eine Unterhaltung über den Sinn des Lebens, das Schicksal ganz allgemein und bloße Zufälle an sich vertieft sind, erfüllt sie die schlechteste aller Möglichkeiten, denn das angedrohte Attentat nimmt seinen Lauf … und nichts wird mehr sein, wie es war…
Meinung
Ein ungewöhnlicher Buchtitel und eine spannende Ausgangssituation haben mich dazu animiert, mich mit der Lektüre des neuen Romans der deutschen Autorin Husch Josten, die ich bisher nicht kannte, zu befassen und in dieses kurze Kammerspiel über Schicksalhaftigkeit und Willkür einzutauchen. Der Inhalt selbst bleibt bis zum Ende etwas rätselhaft und undurchsichtig, gleichwohl die aktuelle Thematik von Terrorismus und Fanatismus immer wieder gestreift wird, handelt es sich dennoch um einen sehr persönlichen Text, der sich mit den Lebensumständen und Beziehungen der Hauptprotagonistin beschäftigt. Caren ist der Inbegriff einer Frau, die einerseits genauso lebt, wie sie es möchte, nämlich frei, engagiert, sattelfest im Job und emanzipiert und die dennoch nicht das gefunden hat, was sie sich wünscht, nicht in dem Maße, wie sie es selbst erhofft. Wittgenstein, der charismatische Fremde, der vom Sicherheitspersonal als potentieller Täter verdächtigt wird, weckt in ihr Gedankengänge, die sie sich bisher verboten hat, sät Zweifel und schürt Hoffnungen bezüglich ihrer direkten Zukunft. Und dann gibt es da noch Ben, Carens sporadischen Lebensgefährten, den sie nie so lieben kann, wie sie es sich vorstellt und dennoch nicht ohne weiteres gehen lassen kann …
Denkansätze, philosophische Betrachtungen und alternative Lebensmodelle streift das Buch sehr oft und setzt sie wie kleine Stücke aneinander, so dass der Leser nach und nach ein Gesamtbild konstruieren kann, welches mit der schicksalhaften Verkettung aller Umstände ein jähes Ende findet. Und genau diese leicht diffuse Erzählung, gespickt mit fundamentalen Wahrheiten und weitreichenden Entscheidungen konnte mich leider nicht so ganz fesseln. Zu schwammig war mir die Intention der Autorin, zu wenig greifbar die Kernaussage des Buches, zu zerstreut und unentschlossen die Protagonistin.
Während des Lesens entfalten sich zwei Welten, zum einen die persönliche Hintergrundgeschichte von Caren und zum anderen das Geschehen auf dem Flughafen – beide Erzählstränge wechseln nahtlos, manchmal auch spontan aber immer sehr gut nachvollziehbar. Auch die Sprache der Autorin lebt von bedeutungsschweren Sätzen und schönen Formulierungen, die den Leser gefangen nehmen und ihn trotz der Kürze des Textes einen gewissen Mehrwert erschließen lassen. Distanziert aber nicht unpersönlich, aussagekräftig aber nicht aufdringlich – so führt Husch Josten den Leser durch die Stationen des Buches und weckt immer wieder neues Interesse.
Fazit
Ich vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für ein nicht alltägliches, alternatives Buch, welches die großen Fragen unserer Zeit mit den noch größeren Fragen eines erfüllten Lebens kombiniert. Die Lektüre selbst spricht für sich und zielt sehr genau auf die Objektivität und Beobachtungsgabe des Lesers. Tatsächlich fordert der Roman ein „um die Ecke“ denken, ein Abweichen von vorgegebenen Mustern und hinterfragt diverse Handlungsweisen. Dieses gedankliche Konstrukt, wirkt neuartig und gut, hat aber zur Folge, dass sich jeder Leser genau die Dinge entnehmen kann, die ihm wichtig sind und diese verlieren sich leider über die Zeit, so dass mir am Ende des Buches schlicht und einfach eine konkrete Aussage fehlte. Empfehlenswert ist der Roman auf jeden Fall, denn so ungewöhnlich wie sein Titel ist auch die verborgene Geschichte – jeder wird sie wohl anders empfinden.