Ein Buchhighlight 2020
Die OptimistenAuch wenn das Jahr noch nicht einmal halb vorbei ist, kann ich jetzt schon sagen, dass „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai zu meinen Lesehighlights 2020 gehören wird. Einerseits konnte ich es nicht aus ...
Auch wenn das Jahr noch nicht einmal halb vorbei ist, kann ich jetzt schon sagen, dass „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai zu meinen Lesehighlights 2020 gehören wird. Einerseits konnte ich es nicht aus der Hand legen, andererseits habe ich das Ende gefürchtet. Der Roman ist zutiefst bewegend, ausdrucksstark und menschlich, wie nur wenige Bücher. Ich kann ihn uneingeschränkt weiterempfehlen.
Die Handlung wird aus der Sicht zweier Hauptcharaktere erzählt, wobei diese etwa 30 Jahre zeitversetzt von ihren Erlebnissen berichten.
Chicago 1985: Yale kommt durch einen Tipp seiner Freundin Fiona auf die Spur einer unbekannten, vermutlich mehrere Millionen Dollar teuren Bildersammlung, die seiner Karriere den entscheidenden Anstoß verleihen könnte. Gleichzeitig wird sein privates Umfeld immer mehr aus den Angeln gehoben. Das unbarmherzige HI-Virus breitet sich aus. Sein Freund Nico ist einer der ersten, der an AIDS stirbt, weitere folgen.
Paris 2015: Nicos Schwester Fiona ist auf der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter Claire, die sich offenbar nicht finden lassen will. Dabei werden alte Wunden wieder aufgerissen und es wird klar, dass Fiona ihre Erlebnisse der 80er-Jahre und damit einhergehende Gefühle nie ganz aufgearbeitet hat.
„Das ist der Unterschied zwischen Optimismus und Naivität. Keiner hier im Raum ist naiv. Naive Menschen haben noch keine echte Prüfung hinter sich, deshalb meinen sie, ihnen könnte nichts passieren. Optimisten wie wir haben schon etwas durchgemacht und stehen trotzdem jeden Tag auf, weil wir glauben, wir könnten verhindern, dass es noch einmal passiert. Oder wir tricksen uns einfach aus, um das zu glauben.“
Das Virus sucht seine Opfer willkürlich aus, daran werden die Protagonisten, die einem im Laufe des mehr als 600 Seiten starken Buchs ans Herz wachsen, immer wieder erinnert. Ein wahlloser Rundumschlag, der „Boystown“, das Viertel der schwulen Szene Chicagos, bis ins Mark erschüttert. Die Angst, sich anzustecken, immer mehr infizierte oder kranke Freunde und Bekannte, die Auseinandersetzung mit dem Tod, auch mit dem eigenen nach Erhalt eines positiven Testresultats… Wie geht man damit um? Selbstzerstörung, Kampfbereitschaft, Fassungslosigkeit oder Selbstisolation – nur ein minimaler Bruchteil aller denkbaren menschlichen Wesenszüge. Aber vor allem ist es der Optimismus, der heraussticht, trotz der fatalen Lage. Er zeigt sich, wenn es darum geht, die letzten Wochen so angenehm wie möglich zu machen, in der Hoffnung, dass bald ein Medikament gegen das Virus gefunden wird, selbst dann noch, wenn klar ist, dass das Leben dem Ende zugeht. Denn Aufgeben kommt nicht infrage, stattdessen wird bis zuletzt für ein Umbruch in der Gesellschaft, im Gesundheitssystem, in der Forschung gekämpft – und für ein menschenwürdiges Leben und Sterben. Das klingt jetzt alles wahnsinnig ernst und traurig. Und ja, das ist es auch, aber vor allem ist die Geschichte von Mut, Freundschaft, Zusammenhalt, Liebe und Lebenslust geprägt. Aber auch von Schuld und Verlust, die neben dem Erlebten und den Erinnerungen (positive und negative) das restliche Leben beeinflussen.