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Veröffentlicht am 09.10.2020

Beeindruckende Tierfabeln

Die Fliege und die Suppe
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Vom Alltag einer Stubenfliege bis zum kurzen Leben einer Ratte im Versuchslabor schildert Hugo Loetscher Szenen, in denen Tiere und ihre Verhaltensweisen im Mittelpunkt stehen. Ob als Haus- oder Nutztier ...

Vom Alltag einer Stubenfliege bis zum kurzen Leben einer Ratte im Versuchslabor schildert Hugo Loetscher Szenen, in denen Tiere und ihre Verhaltensweisen im Mittelpunkt stehen. Ob als Haus- oder Nutztier gehalten - in den meisten Fällen handelt es sich um Tiere, deren natürliches Verhalten in krassem Gegensatz zu ihrer derzeitigen Situation steht, wie etwa die angeborenen Triebe des Huhnes, die in einer Massentierhaltung völlig sinnlos erscheinen. Der Schlag eines Elektrobolzens ist hier seine Endstation.
Fein beobachtet sind die Merkmale der einzelnen Tiere und ihre typischen Verhaltensweisen. Loetscher gibt sie detailliert und überaus sensibel wieder, so dass die Situationen sehr realistisch beim Leser ankommen. Es macht betroffen, für uns alltägliche Vorkommnisse einmal so aus der Tierperspektive zu betrachten. Doch der Autor zeigt nicht nur Szenen, in denen der Mensch das Tier (aus)nutzt, sondern auch den umgekehrten Fall. Mit grimmigem Humor erzählt er etwa von der Filzlaus und dem Augenblick, der ihr einen Wirtswechsel ermöglicht. Oder er beschreibt den Heuschreckenschwarm, der sich eine neue Futterquelle erobert.
All diese kurzen Geschichten sind so eindrücklich, dass sie sicher lange im Gedächtnis bleiben, egal, ob es um den sachlichen Bericht des Ameisen-Alltags geht oder um den „Auftritt“ eines Zauberkaninchens.

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Veröffentlicht am 28.09.2020

Erfolgreiches Ermittlerduo

Das schwarze Schaf
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Ein Verbrechen auf Hof Baskeltorp? Der allseits beliebte Hütehund Gutti ist spurlos verschwunden! Die Menschen machen den bösen Wolf, der im nahe gelegenen Wald zu Hause ist, dafür verantwortlich. Das ...

Ein Verbrechen auf Hof Baskeltorp? Der allseits beliebte Hütehund Gutti ist spurlos verschwunden! Die Menschen machen den bösen Wolf, der im nahe gelegenen Wald zu Hause ist, dafür verantwortlich. Das schwarze Schaf Texel jedoch ist kein „dummes Schaf“. Es hat gute Gründe, nicht daran zu glauben und eine eigene Theorie zu entwickeln. Gemeinsam mit seinem neuen Freund, dem Maulwurf Dr. W. Winnewurp, macht es sich daran, den Fall zu lösen; denn es gibt tatsächlich auch einige Verdächtige auf dem Bauernhof…
Annette Roeders locker und in jugendlicher Sprache verfasste Geschichte um das merkwürdige Ermittlerteam kommt bei dem jungen Publikum sicher gut an. Spannend und gleichzeitig witzig geht es zu, wenn Texel und sein Assistent ihre Überlegungen anstellen. Junge Leser ab 8 Jahren können selbst mitraten und versuchen, das „Rätsel von Baskeltorp“ zu lösen. Nicht nur Texels helles Köpfchen hilft, den verzwickten Vermisstenfall zu lösen. Die Freundschaft der beiden so unterschiedlichen Tiere und die ihnen eigenen Fähigkeiten machen sie zu einem erfolgreichen Team. Da beide frei sind von Vorurteilen, klappt die Zusammenarbeit bestens.
Ein großes Lob gebührt auch der Illustratorin Stefanie Jeschke, die den Figuren zusätzlich Ausdruck verleiht: ihre naiv gehaltenen Bilder nehmen den humorvollen Ton der Geschichte auf und ergänzen den Text. Auf den Vorsatzseiten erhält der kleine Leser zusätzlich einen Überblick über den Tatort Bauernhof. Ein fröhliches kleines Extra ist Winnewurps Regenwurm, der sich mit uns durch die komplette Erzählung schlängelt…

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Veröffentlicht am 28.09.2020

Die Zukunft unserer Kinder

2084
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Stellen Sie sich vor, wir machen einen Zeitsprung und landen im Jahr 2084. Wie mag das Leben auf unserer Erde sich dann darstellen? Der Geochemiker und Schriftsteller James Powell macht mit uns diese Zeitreise ...

Stellen Sie sich vor, wir machen einen Zeitsprung und landen im Jahr 2084. Wie mag das Leben auf unserer Erde sich dann darstellen? Der Geochemiker und Schriftsteller James Powell macht mit uns diese Zeitreise und zeigt uns eine erschreckende Zukunft. Drastisch führt er uns vor Augen, welche dramatischen Folgen die globale Erderwärmung haben könnte. Geschickt nutzt er die Taktik, Stimmen aus diversen Ressorts zu Wort kommen zu lassen: Politiker, Journalisten, Ingenieure, Wissenschaftler äußern sich in fiktiven Interviews.
Sie schildern eindrücklich - und vor allem auch für Nicht-Fachleute gut verständlich - die Katastrophen, die im Verlauf der 2000er Jahre die Erde in einem Maße verändert haben, dass erhebliche Teile unbewohnbar geworden sind. Bereits heute wissen wir um die Dürren und Feuersbrünste, Überflutungen und Gletscherschmelzen, die den Klimawandel deutlich machen. Aber welche Auswirkungen werden wiederum diese Katastrophen nach sich ziehen? Hier malt der Autor ein düsteres Bild von Klimaflüchtlingen, Kriegen und Artensterben. Alle Interviewpartner sind sich darüber einig, dass die Gefahren zwar weitestgehend schon im augehenden 20. Jahrhunderts bekannt waren, jedoch vielfach schlichtweg geleugnet wurden, aus Desinteresse oder aber Profitgier. Aber „ es wird keine Gewinner geben“ - so das ernüchternde Fazit, das der Leser am Ende des Buches ziehen kann.
Doch ganz ohne mögliche Lösung aus dem Dilemma will Powell seine Leser nicht entlassen. Die allerdings hat für mich einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen; denn auch die Nutzung von Kernenergie wirft ernste Probleme auf, die bei weitem noch nicht gelöst sind.
Dennoch: Er rüttelt auf, will mahnen und dazu bewegen, dass die Zeit nicht nur mit Konferenzen über Klimaschutz vertan, sondern endlich gehandelt wird. Um Powells Schlusssatz zu zitieren: Sind wir menschliche Wesen oder Schafe?

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Veröffentlicht am 24.09.2020

Ein wertvoller Begleiter

Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht
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Das Rheinland ist seit dem Mittelalter, genauer gesagt seit der Krönung Karls des Großen, Ausgangs- und Mittelpunkt kaiserlicher Macht. Dementsprechend findet sich hier eine Fülle an Zeugnissen mittelalterlicher ...

Das Rheinland ist seit dem Mittelalter, genauer gesagt seit der Krönung Karls des Großen, Ausgangs- und Mittelpunkt kaiserlicher Macht. Dementsprechend findet sich hier eine Fülle an Zeugnissen mittelalterlicher Kultur, die aktuell in Mainz zu einer beachtenswerten Ausstellung ("Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht") zusammengetragen worden sind und die Historie für die Besucher lebendig und nachvollziehbar machen.
Der hierzu herausgegebene, sehr umfangreiche Katalog dokumentiert die Exposition überaus detailliert und gewissenhaft. Chronologisch geordnet gibt er eine Übersicht über die Herrschaftsfolge der Kaiser von Karl dem Großen, dem Gründer des Großreichs der Karolinger, bis zu Friedrich II., der bereits im Alter von zwei Jahren zum römisch-deutschen Kaiser gewählt wurde.
Jedes Großkapitel beginnt mit einem geschichtlichen Abriss und räumlicher Einordnung. Unterschiedliche Verfasser geben in kurzen und gut verständlich geschriebenen Beiträgen Informationen zum Lebenslauf des jeweiligen Kaisers, sowie Erklärungen zu den politischen Gegebenheiten, Machtverhältnissen, Literatur und Kunst. Sie vermitteln dem Betrachter/Leser eine Vorstellung davon, wie sich die „Säulen der Macht" im Mittelalter zusammensetzten.
Hervorzuheben sind aber auch die Fotografien der einzelnen Exponate. Sie beeindrucken mit ihrer Qualität der Wiedergabe.
Der Katalog ist für die Vorbereitung auf die Besichtigung der Ausstellung bestens geeignet. Vor allem aber bereitet diese hochwertige Ausgabe auch nach dem Besuch Freude, wenn der Interessierte die Exposition in aller Ruhe noch einmal Revue passieren lässt.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

„Wenn es einem den Magen umdreht“

Wer dann noch lachen kann
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"Wer dann noch lachen kann" ist ein Buch, das sehr viel mehr Beachtung verdient, als ihm zur Zeit zuteil wird.
Die Geschichte der Kindheit der Autorin, begonnen in dem vorhergehenden Band "Ich freue mich, ...

"Wer dann noch lachen kann" ist ein Buch, das sehr viel mehr Beachtung verdient, als ihm zur Zeit zuteil wird.
Die Geschichte der Kindheit der Autorin, begonnen in dem vorhergehenden Band "Ich freue mich, dass ich geboren bin", wird hier fortgesetzt, in erster Linie aus dem Blickwinkel des heranwachsenden Mädchens. Zwar ist sie noch immer zu jung, um alles wirklich zu verstehen, was ihr geschieht, aber sie ist nun nicht mehr das kleine Kind, das "wie das siebte Geißlein in den Uhrenkasten schlüpft", um sich zumindest mental den Misshandlungen ihres Vaters zu entziehen. In schlichten, manchmal naiv anmutenden Sätzen, aber umso eindrücklicher schildert Vanderbeke, wie die "väterliche Hand" keineswegs sanfter wird, im Gegenteil, der Vater vergeht sich auch noch sexuell an ihr.
Vanderbeke wechselt in Erzählstimme und Zeit zwischenzeitlich in das Erwachsenenalter. Der Besuch bei einem Mikrokenisitherapeuten nach einem Verkehrsunfall fördert zutage, was sie bislang verdrängt hat. Langsam lernt sie über all die Dinge zu sprechen, die der Vater ihr angetan und die Mutter stillschweigend geduldet und teilweise sogar unterstützt hat. Wie sehr hat diese Vergangenheit ihr weiteres Leben überschattet und beeinflusst?
Voll bitterer Ironie beschreibt Birgit Vanderbeke ihren kindlichen Alltag, die grenzenlose Brutalität des Vaters, ihre Angst und die vage Hoffnung, jemand von außen möge eingreifen. Doch niemand greift ein, und sie erkennt glasklar, dass sie ganz allein auf sich gestellt ist, nur sie allein kann „auf sich aufpassen.“
Es ist mutig, ihre Autobiografie so schonungslos offen zu legen. Die Absicht dahinter ist nicht zuvorderst die Verarbeitung ihrer Vergangenheit, sondern ein Aufrütteln der Leser. Es reicht nicht, betroffen zu sein; wir müssen wachsamer sein, genauer hinhören und -schauen, auch „wenn es einem den Magen umdreht“.

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