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Veröffentlicht am 19.07.2020

Intensiv

Die Bagage
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Kurz, aber intensiv: so zeigt sich für mich Monika Helfers Roman „Die Bagage“.
Auf den Spuren ihrer Großeltern Maria und Josef Moosbrugger versucht sie dem Geheimnis um die Geburt ihrer eigenen Mutter ...


Kurz, aber intensiv: so zeigt sich für mich Monika Helfers Roman „Die Bagage“.
Auf den Spuren ihrer Großeltern Maria und Josef Moosbrugger versucht sie dem Geheimnis um die Geburt ihrer eigenen Mutter Margarethe näher zu kommen, die während des Ersten Weltkrieges als fünftes Kind in dem ärmlichen Haus am Ende eines kleinen Bergdorfes zur Welt kam. Kann Josef, der zu jenerZeit als Soldat eingezogen aber einige Male auf Heimaturlaub war, tatsächlich der Vater sein? Im Dorf wird viel gemunkelt, aus Bosheit oder vielleicht Neid auf die „schöne Maria“ oder Josefs „Geschäftchen“, mit denen er die Familie über Wasser hält. Auch der Pfarrer mischt sich ein. Josef selbst ist verunsichert; er akzeptiert die kleine Grete nicht, so lange er lebt.
Aus Erzählungen der überlebenden Geschwister ihrer Mutter gestaltet Monika Helfer ein Bild der armen Großfamilie im Bergdorf, von den anderen Bewohnern abfällig „Bagage“ genannt, und schmückt es mit ihrer Vorstellung von Maria und ihrer Lebenssituation aus. Wie lebte es sich in einem Dorf zu Beginn des 20. Jahrhunderts, unter den wachsamen Augen der Mitbewohner und den selbstgerechten Urteilen der Kirche? Die Autorin wertet nicht, doch zwischen den Zeilen steckt eine Menge Kritik. Gerade durch ihre schlichte, stark verkürzte Sprache erreicht sie Authentizität und eine hohe Intensität. Immer wieder nutzt sie Zeitsprünge in die Gegenwart und stellt damit die Verbindung zwischen ihr und ihren Großeltern her. Sie reflektiert über Familiengemeinsamkeiten und –zusammengehörigkeit; denn schließlich wirken (unverarbeitete) Erlebnisse weiter fort, oft über Generationen hinaus.
Mein Fazit: ein ruhiger, aber intensiv nachwirkender Roman.

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Veröffentlicht am 14.07.2020

Ein beeindruckendes Porträt

Ich freue mich, dass ich geboren bin
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Der siebente Geburtstag sollte eigentlich ein glücklicher und fröhlicher Tag im Leben eines Kindes sein. Für das kleine Mädchen jedoch, von dem die Autorin erzählt, endet er mit heftigen Prügel - aber ...

Der siebente Geburtstag sollte eigentlich ein glücklicher und fröhlicher Tag im Leben eines Kindes sein. Für das kleine Mädchen jedoch, von dem die Autorin erzählt, endet er mit heftigen Prügel - aber auch einer lebensrettenden Entdeckung.
Die Autorin schreibt ihren Roman aus der Sicht des Mädchens, kindlich naiv und dennoch erstaunlich hellsichtig. Es könnte tatsächlich Birgit heißen; denn Vanderbekes Biografie deckt sich im wesentlichen mit ihrer Erzählung. Zu Beginn der 60er Jahre flüchtet sie als Fünfjährige mit den Eltern in den Westen, das „Land der Verheißung“, wie sie es ironisch nennt. Zunächst findet ihr Leben dort in Übergangslagern statt, bis der Vater schließlich Arbeit in der „Rotfabrik“ annimmt und sie in eine Neubausiedlung ziehen. Die Ernüchterung über die Realität im goldenen Westen bewirkt bei den Eltern Unzufriedenheit und Frustration, die an das Kind als Lieblosigkeit und sogar Gewalttätigkeit weitergegeben werden. Es sehnt sich nach einem Menschen, mit dem es sprechen, dem es seine Probleme und Ängste anvertrauen kann - wenigstens ein Kätzchen zum Schmusen wünscht es sich.
Da empfindet es das Lied „Wir freuen uns, dass du geboren bist“ schlicht als Lüge, auch wenn die Mutter es gleich mehrmals singt. Bezeichnenderweise stimmt der Vater nicht in den Gesang ein, sondern betrachtet nur seine Hände, die zwar durch einen Unfall verunstaltet sind, die das Kind aber dennoch zu fürchten gelernt hat.
In schlichten Worten, dafür aber umso eindringlicher, schildert Vanderbeke die Nöte des Kindes. Seine Gedanken wirken auf den Leser traurig, oft deprimierend, aber das Mädchen hat einen erstaunlich starken Charakter. Mit Hilfe seiner Fantasie findet es einen Weg aus seiner Opferrolle; es beschließt, sich nicht aufzugeben und auf die Zukunft zu vertrauen, so dass es am Ende mit Überzeugung sagen kann: „Ich freue mich, dass ich geboren bin.“

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Veröffentlicht am 11.07.2020

Ein Gute-Laune-Buch

Storm und der große Fußballsturm
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Ihr wollt wissen, wer das Fußballspiel erfunden hat? Daran hat ein kleiner Junge namens Storm einen großen Anteil. Als Klosterschüler von der großen Insel England geflüchtet, ist er in Reydarfjordurthoft ...

Ihr wollt wissen, wer das Fußballspiel erfunden hat? Daran hat ein kleiner Junge namens Storm einen großen Anteil. Als Klosterschüler von der großen Insel England geflüchtet, ist er in Reydarfjordurthoft gelandet, wo er als Sklave bei den Wikingern arbeiten muss. Doch mit der Hilfe neuer Freunde und des Fußballspiels hat er seine Stellung erheblich verbessern und sogar die nordischen Götter Odin und Thor davon begeistern können. Auf göttliches Geheiß soll er nun dieses Spiel überall verbreiten. Doch sein Rivale Elmar verfolgt einen finsteren Plan, und Storm landet schneller auf der Insel Britannien, als er eigentlich vorhatte…
Wieder einmal werden wir Zeugen eines Abenteuers des ideenreichen jungen Storm, dessen liebenswertes und warmherziges Wesen jeden Leser für ihn einnimmt.
Spannend und temporeich liest sich Jan Bircks Geschichte, wobei immer wieder humorvolle Passagen zum Lachen reizen. In moderner kindgerechter Sprache schildert er, dass auch wilde kriegerische Wikinger sich von Gefühlen leiten lassen, wenn es auch meistens recht turbulent zugeht. Und wir lernen nicht nur, dass ein Wikingeransturm ohne Blutvergießen verlaufen und eine Auseinandersetzung schließlich „spielerisch“ mit einem Wettkampf geklärt werden kann, sondern auch, wie die Abseitsregel beim Fußball und das Pokalspiel entstanden sind.
Wie schon in den zuvor erschienenen Bänden um Storm und seine Abenteuer unterstreichen zahlreiche in den Text integrierte großzügige Illustrationen mit vielen witzigen Details Bircks Erzählung und sorgen für zusätzlichen Spaß.
Ob zum Vor- oder Selberlesen: „Storm“ ist ein Gute-Laune-Buch, das ich nur jedem wärmstens empfehlen kann.


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Veröffentlicht am 11.06.2020

Klug und nachdenklich

Der Leopard
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„Ich bin jetzt dreiundsiebzig Jahre alt, gelebt habe ich davon … zwei, höchstens drei Jahre…“
Ein ernüchterndes Resumé, das Fabrizio, Protagonist des Romans, am Ende seines Lebens zieht. Fürst Fabrizio ...

„Ich bin jetzt dreiundsiebzig Jahre alt, gelebt habe ich davon … zwei, höchstens drei Jahre…“
Ein ernüchterndes Resumé, das Fabrizio, Protagonist des Romans, am Ende seines Lebens zieht. Fürst Fabrizio betrachtet sein Dasein als Anghöriger des Adelsgeschlechts Salina im Königreich Sizilien äußerst kritisch. Einerseits den Traditionen seiner adligen Vorfahren verbunden, liebt er es auf der anderen Seite besonders, sich mit Naturwissenschaften wie Mathematik und Astronomie zu beschäftigen, was allein ihm sinnvoll erscheint. Als engagierter Beobachter seiner Umgebung kommentiert er die Anstrengungen seiner Mitmenschen, die nach höheren gesellschaftlichen Positionen, Reichtum oder Einfluss streben. Aus der (Ein-)Sicht des Fürsten scheint ihr Streben sinnlos, wenn man es in dem größeren Zusammenhang zur geschichtlichen Entwicklung betrachtet. Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957) lässt auf kluge und humorvolle Weise den Leser teilhaben am Leben Salinas und seiner Familie und den Ereignissen der Jahrzehnte zwischen den Frühsommern 1860 und 1919. Kritisch betrachtet er ihr Dasein vor dem historischen gesellschaftlichen Hintergrund und den grundlegenden politischen Veränderungen jener Zeit. Salina selbst kommentiert die Geschehnisse in seinen Gedanken, manchmal (selbst)kritisch, oft ironisch. Es scheint fast, als sei Fürst Fabrizio das Alter Ego Lampedusas, der ebenfalls aus einem alten Adelsgeschlecht stammt.
Zu Lebzeiten des Schriftstellers wurde der Roman von den Verlagen abgelehnt; erst im Jahr 1958 nach seinem Tod konnte er in Italien erscheinen. Bei allem Humor, den der Leser hier spürt, lässt er ihn doch nachdenklich zurück.

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Veröffentlicht am 27.05.2020

Ad absurdum

Der wunderbare Massenselbstmord
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Finnland - das weite Land, berühmt für seine Wälder und Seen, ist für viele Touristen ein Sehnsuchtsort, an dem sie Stress abbauen und Ruhe finden können. Aber wie erleben die Finnen selbst ihr Dasein? ...

Finnland - das weite Land, berühmt für seine Wälder und Seen, ist für viele Touristen ein Sehnsuchtsort, an dem sie Stress abbauen und Ruhe finden können. Aber wie erleben die Finnen selbst ihr Dasein? Wie der Titel des Romans von Arto Paasilinna signalisiert, ist eine hohe Anzahl Einwohner weit entfernt davon, ihr Land zu genießen. Im Gegenteil, Depressionen und das Thema Selbstmord spielen hier eine große Rolle.
Der Autor hält sich nicht allzu lange mit der Suche nach den diversen Ursachen auf, sondern kommt recht schnell und unumwunden zum Punkt: nach seinem vereitelten Selbstmordversuch gründet der gescheiterte Unternehmer Onni Rellonnen zusammen mit dem Oberst a.D. Hermanni Kemppainnen eine Selbsthilfegruppe für potentielle Selbstmörder. Der Einladung zu einem Seminar zum Thema Todessehnsucht folgen unerwartet zahlreiche Menschen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen mit Selbstmordgedanken tragen. Im Anschluss treffen die Anwesenden einen folgenschweren Entschluss: gemeinsam wollen sie ihr Leben beenden. Wie sie das organisieren und welche Hindernisse bei ihrem Vorhaben auftauchen, erzählt Paasilinna auf unübertrefflich komische Weise.
Spitzzüngig, mit teilweise rabenschwarzem Humor schildert er die Reise der sterbewilligen Gruppe ans Nordkap, wo sie ihren Tod auf spektakuläre Weise inszenieren will. Er bedient so einige finnische Klischees, von der Liebe zum Alkohol bis zur wahren Bedeutung der Sauna, steuert zielsicher menschliche Schwächen an und enthüllt sie auf ironische Weise. Er schafft es, eine gehörige Portion Gesellschaftskritik in reichlich Ironie zu verpacken. Das Audio-Buch wird passenderweise gelesen von Jürgen von der Lippe, der die überaus deutliche Sprache des Autors treffend wiedergibt und die sarkastischen Untertöne des Romans wunderbar interpretiert.
Auf verrückte Weise erscheint die Geschichte gleichzeitig realistisch und absurd, die Gruppe der Menschen skurril, aber vorstellbar; ein ernst-ironischer Blick in die „finnische Seele“.

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